interview

Strategie: Zukunftsthemen vorwegnehmen

Rittal setzt auf dem Weg zur Zukunft auf weiteren Ausbau der Softwarekompetenzen: Seit der Gründung im Jahr 1961 hat sich Rittal kontinuierlich zum weltweit führenden Systemanbieter für Schaltschränke, Stromverteilung, Klimatisierung, IT-Infrastruktur sowie Software und Service entwickelt. Mit "Rittal – Das System." vereint Rittal heute innovative Produkte, zukunftsweisende Engineering-Lösungen und weltweiten Service in einer perfekt abgestimmten Systemplattform. Über die aktuellen Herausforderungen und darüber, wie Rittal diesen begegnet, sprach Ing. Peter Kemptner für x-technik AUTOMATION, am Rande der SPS IPC Drives 2013 mit Uwe Scharf, Leiter Produktmanagement von Rittal. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Durch den Erwerb der Firma Kiesling umfasst ‚Next Level for Industry‘ auch die Schaltschrank-Bearbeitungszentren.

Durch den Erwerb der Firma Kiesling umfasst ‚Next Level for Industry‘ auch die Schaltschrank-Bearbeitungszentren.

Uwe Scharf
Leiter Produktmanagement Rittal GmbH & Co KG

„Die Friedhelm Loh Group und damit Rittal hat einen vertikalen Zugang zu Industrie 4.0 mit der Bezeichnung ‚Next Level for Industry‘, der sich ausschließlich am Kundennutzen orientiert.“

Rittal ist ein Begriff. Gemeinhin verbindet man das traditionsreiche Unternehmen der Friedhelm Loh Group mit Schaltschränken, deren Verarbeitungsqualität und Langlebigkeit außer Frage steht. Und mit einer alle erdenklichen Bedarfsfälle abdeckenden Fülle an Systemzubehör zur Steigerung der Effizienz im Schaltanlagenbau. Im Laufe seines nunmehr 52-jährigen Bestehens hat der Konzern in den Sektoren Schaltschränke, Stromverteilung, Klimatisierung, IT-Infrastruktur und Software höchste Innovationskultur bewiesen. Am Rittal-Messestand herrscht dennoch keineswegs der Eindruck, dass sich Kunden der Unternehmensgruppe mit dem Erreichten begnügen müssten.

Im Schaltschrankbau selbst sichert Rittal mit vielen kleinen Entwicklungen seine führende Rolle. So verhindert etwa das potentialfreie Tragarmsystem bei Drahtbruch Sicherheitsprobleme.

Im Schaltschrankbau selbst sichert Rittal mit vielen kleinen Entwicklungen seine führende Rolle. So verhindert etwa das potentialfreie Tragarmsystem bei Drahtbruch Sicherheitsprobleme.

Herr Scharf, in den letzten Jahren hat sich in der Industrie mehr und mehr ein neuer Evolutionsschritt abgezeichnet, dessen technische Neuentwicklungen und Innovationen sicherlich die Anwenderwelt der nächsten zwanzig Jahre völlig verändern werden. Wo liegen auf Ihrem Weg in das neue Zeitalter ‚Industrie 4.0‘ Ihre Präferenzen?

Weil es sich bei ‚Industrie 4.0‘ um ein sehr weitläufiges Thema handelt, ist es zu einem inflationären Begriff geworden, unter dem jeder etwas anderes versteht. Da ist zum Einen die Vision, dass mitteilsame Werkstücke Arbeitsanweisungen in sich tragen und über mit IT Technologie selbständig durch ein Netz von Maschinen navigieren, dies soll einmal eine flexible Produktion mit Losgröße 1 ermöglichen. Diese Vision ist jedoch sicher noch viele Jahre von heutiger Realität entfernt.

Unabhängig davon wachsen IT und industrielle Anwendungen von Elektronik und Software bereits seit vielen Jahren immer enger zusammen, auch der Einzug des Internet ist nichts wirklich Neues.

Die Schaffung des Begriffs ‚Industrie 4.0’ hatte den vorteilhaften Effekt, zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten eine gemeinsame Richtung und einer ganzen Industrie eine gemeinsame Vision zu geben. Bei dieser darf es jedoch nicht bleiben. Deshalb verfolgt Rittal innerhalb der Friedhelm Loh Gruppe einen praktischen Ansatz der vertikalen Integration einer Wertschöpfungskette von der IT zur Produktion und umgekehrt.

‚Next Level 4 Industry‘ reicht von der Anforderung über das Engineering bis zur Produktion und wieder zurück zum Kunden-. Das bedingt eine nahtlose Integration aller Engineering-Disziplinen. Die dazu benötigte Schnittstellenkompetenz erweiterte die Friedhelm Loh Group durch den Kauf der Kuttig Computeranwendungen GmbH und der Cideon AG.

‚Next Level 4 Industry‘ reicht von der Anforderung über das Engineering bis zur Produktion und wieder zurück zum Kunden-. Das bedingt eine nahtlose Integration aller Engineering-Disziplinen. Die dazu benötigte Schnittstellenkompetenz erweiterte die Friedhelm Loh Group durch den Kauf der Kuttig Computeranwendungen GmbH und der Cideon AG.

Was darf man sich unter diesem vertikalen Ansatz vorstellen und wie will Rittal ihn Realität werden lassen?

Unsere Nah-Vision ist, einen Kundenwunsch, der beispielsweise über Internet-Konfigurationssysteme hereinkommt, ohne Medienbruch über Vertrieb, technische Klärung und Arbeitsvorbereitung bis zur Maschine zu bringen. Umgekehrt muss das daraus resultierende, fertige Produkt inklusive aller Dokumentation und den anderen zum Produkt außerhalb des eigentlichen Gegenstandes ebenfalls gehörenden Dingen auf gleichem Wege zurück zum Kunden kommen.

Rittal ist bereits große Strecken dieses Weges gegangen. Bereits heute können wir mit den Werkzeugen von Eplan den mechatronischen Engineering-Prozess abbilden und zugleich die Schnittstellen in die Produktion schaffen, weil wir uns verstärkt mit der Maschinenprogrammierung beschäftigen. Diese erfolgt automatisiert aus den Engineering-Daten.

Einer der ‚Auswüchse’ der neuen Industrieära, nämlich die der Miniaturisierung von Hardware, schreitet unaufhaltsam rasch voran. Inwiefern entspricht Rittal diesem Trend und wie begegnen Sie diesem in ihren verschiedenen Arbeitsgebieten?

In den 15 Jahren meiner Zugehörigkeit zu Rittal ist die Miniaturisierung in der Automatisierung für Maschinenbau und IT rasant fortgeschritten, ebenso die Dezentralisierung im Fall umfangreicher Anlagen. Gleichzeitig sehen wir jedoch auch einen erheblichen Anstieg an Funktionen – etwa durch zahlreiche zusätzliche Messstellen – innerhalb der Maschinen und Anlagen verursacht. In Summe sehen wir daher einen in etwa gleich bleibenden Bedarf an Schaltschrankvolumen.

Unterschiedliche Trends können oft miteinander in Wechselwirkung treten. So sind etwa kompakte Bauform und hohe Energieeffizienz nicht immer leicht zu vereinbaren. Rittal begegnet den Trends mit der Möglichkeit, aus einem reichhaltigen Baukastensystem mit intelligenter Gliederung zu schöpfen, um rasch und einfach das im einzelnen Fall optimale Ergebnis zu erzielen. Und mit Innovationen wie der Flüssigkeitskühlung, die eine Maximierung der Energieeffizienz bei beschränkten Platzverhältnissen ermöglicht.

Unter Betrachtung TCO / Total Cost of Ownership sowie Umweltverträglichkeit ist der Kostenpunkt des Energieverbrauchs ein Thema, welches besonders produzierende Industriebetriebe beschäftigt. Sämtliche Arbeitsgebiete von Rittal sind somit von dieser Thematik betroffen. Welche Anstrengungen mehr wird Rittal in dieser Hinsicht in seinen Produktgestaltungen in nächster Zeit unternehmen?

Zumal Rittal-Produkte bei Qualität und Funktionalität im obersten Bereich angesiedelt sind, gehören die Lebenszyklus-Gesamtkosten ebenso zu ihren wesentlichsten Unterscheidungsmerkmalen wie die Umweltverträglichkeit. Sie stehen daher ganz oben auf den Anforderungslisten bei Neuentwicklungen. In der Tat eilen wir auf diesem Gebiet der Marktnachfrage meist sogar voraus, wie das Beispiel unserer Rückkühlanlagen mit Inverter Technologie oder unsere hocheffizienten Blue Kühlgeräte beweisen. Leider fließt die TCO noch immer in vielen Unternehmen nicht so häufig in die Betrachtung ein, wie uns das lieb wäre.

Allerdings haben wir uns bewusst dazu entschieden, nur die Geräte der jeweils besten Energieklasse im Programm zu behalten und unseren Kunden nicht die Möglichkeit zu geben, innerhalb unseres Produktportfolios auf diesem Gebiet zu Lasten der natürlichen Ressourcen zu sparen. Ein bedeutender Beitrag zur Ressourceneffizienz kommt auch aus dem Engineering, da sich mit diesem eine Überdimensionierung vermeiden lässt.

Die Friedhelm Loh Group hat in letzter Zeit einige Firmenübernahme vorgenommen, nämlich Kuttig Computeranwendungen, Cideon und Kiesling. Mit welchen Mehrwerten dürfen Rittal- und Eplan-Kunden durch diese drei Zukäufe in nächster Zeit rechnen können?

Zum vertikalen Integrationsansatz der Friedhelm Loh Gruppe gehört nach der Akquisition der Firma Kiesling auch die Lieferung von Maschinen für die Schaltschrankbearbeitung. Mit diesen und der automatischen Programmerstellung für sie aus den Engineering-Daten unterstützen wir die Produktivität unserer Kunden im Schaltschrank-Entstehungsprozess.

Nach der Akquisition der Cideon AG, in der die zuvor übernommene Kuttig Computeranwendungen GmbH aufgehen wird, gehört ein starkes Unternehmen im Bereich Software und mechanisches Engineering zur Friedhelm Loh Group. Diese stärkt damit – vor allem auf dem Gebiet der Mechanik – ihre Kompetenzen im Bereich CAD/CAM/PDM und ist nunmehr größter Autodesk-Partner auf dem deutschsprachigen Markt. Durch Bündelung des Knowhows in Mechanik-CAD und Elektro-CAD ist Rittal gemeinsam mit Cideon und Eplan bestens gerüstet für die Megatrends Mechatronik und Industrie 4.0.

Ein wesentlicher Beitrag dazu ist die Schnittstellen-Kompetenz von Cideon, mit der das bisherige Angebot an Schnittstellen zu verschiedenen ERP- und PLM-Systemen – etwa SAP und Siemens Teamcenter – aus der Elektro-CAD um Konnektoren zu allen marktgängigen Systemen für Mechanik-CAD und PLM von Siemens, PTC, Dassault Systémes und Autodesk vervollständigt werden soll. Nach diesen Erweiterungen arbeitet heute jeder zehnte Mitarbeiter der Friedhelm Loh Group im Bereich Software und Engineering. Damit ist die Gruppe einer der führenden Software-Anbieter für die Mechatronik.

Ein Thema, dessen Wichtigkeit tagtäglich spürbar ist, ist das der Sicherheit. Ab November 2014 wird die Einhaltung der neuen europäischen Norm DIN EN 61439 zur Betriebssicherheit und zum Personenschutz von Schaltanlagen verbindlich. Welche Auswirkungen bringt die neue Norm für Anlagenbauer und wie kann Rittal diese dabei unterstützen?

Früher vorhandene unterschiedliche Vorschriften und deren Interpretationen führten zu Verunsicherung bei Endkunden wie Komponentenlieferanten. Dem setzt die Einführung der neuen Vorschriften für das Zusammenspiel von Stromverteilung, Klimatisierung und Gehäusen für Niederspannungsanlagen ein Ende. Da Rittal alle diese Teilbereiche komplett abdeckt, ist das Unternehmen geradezu dafür prädestiniert, auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Die Software Rittal Power Engineering unterstützt Kunden mit maximalem Komfort bei der Erbringung der erforderlichen Nachweise. Die Dokumentation unter Einschluss der Konformitätsbestätigungen der verbauten Komponenten bei Einhaltung der Herstellervorgaben verhilft Kunden ohne nennenswerten Mehraufwand zur nötigen Rechtssicherheit. Auch hier zeigt sich die Bedeutung unserer weiter im Ausbau begriffenen Software-Kompetenzen.

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