Lineartechnik für industrielles Origami

Vorgänge zu automatisieren, die bislang als nicht-automatisierbar galten, ist die Spezialität von MFW Maschinenbau. Flexibilität bezüglich der Stückgrößen verleiht der vollautomatischen Verpackungslinie für Stangenmaterial die Einheit zur Erzeugung der Abstands-Beileger mit der jeweils benötigten Geometrie aus Flachmaterial. Bild: MFW

Marc Atzgerstorfer
Gebietsverkauf Oberösterreich SEW-Eurodrive

„„Da die MFW-Techniker bereits mit SEW-Antriebssystemen vertraut waren, gelang die Integration der Mehrachs-Servoverstärker Moviaxis in kürzester Zeit.““

Jeder weiß: Das Salzkammergut mit seinen Bergen und Seen, seiner Geschichte und seinen Freizeitangeboten ist Ausflugs- und Urlaubsziel für viele Menschen aus aller Welt. Weniger bekannt ist, dass Maschinen aus dem Salzkammergut, genauer aus Altmünster am Traunsee, in alle Welt gehen, um Produktions- und Handlingaufgaben zu erledigen. Die Maschinen der 1978 gegründeten MFW Maschinenbau GmbH mit ca. 25 Personen weisen einen hohen Automatisierungsgrad auf. Ihm verdankt das Unternehmen einen hervorragenden Ruf bei Herstellern von Sanitärkeramik und Metallprofilen.

Die Gemeinsamkeit dieser beiden Branchen besteht darin, dass die Werkstücke groß und sperrig und zugleich empfindlich sind. Deshalb sind Tätigkeiten wie das Entformen frisch gegossener Waschbecken oder das Palettieren von Langgut, ohne dass die einzelnen Stücke aneinander reiben, manuell ausgeführt kräfteraubend und auf die Dauer der Gesundheit abträglich.

Das Flachmaterial wird während des Vorschubs aufgefaltet. Bild: MFW

Ing. Stephan Seidel
technischer Geschäftsführer MFW Maschinenbau GmbH

„„Die Umstellung der Lineartechnik auf Produkte von SEW-Eurodrive ermöglichte die Automatisierung eines vordem als nicht automatisierbar geltenden Vorganges in der Langgut-Palettierung.” “

Konsequente Automatisierung

„Viele solche Arbeitsvorgänge galten lange Zeit als nicht automatisierbar“, sagt Ing. Stephan Seidel. Seit 2001 als Techniker beschäftigt, ist er seit Frühjahr 2012 technischer Geschäftsführer der MFW Maschinenbau GmbH. „Als ehemals reiner Sondermaschinenbauer gründet sich der Branchenerfolg von MFW darauf, dass wir so lange nachdenken, bis es uns doch gelingt.“

So geschehen bei der vollautomatischen Verpackungslinie für Stangenmaterial mit bis zu acht Metern Länge. Die um zwei Knickarm-Roboter herum aufgebaute Anlage hat eine Kapazität von 16 Tonnen pro Stunde, wobei empfindliche Stangen oberflächenschonend in besonders geformte Zwischenlagen als Abstandhalter eingelegt werden. Diese werden nach Bedarf innerhalb derselben Maschine mit der jeweils benötigten Geometrie aus Flachmaterial hergestellt.

Anschließend erfolgt das Verkleben der Stege. Aufgrund der hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit sind für diese Anwendungen Linearmotoren prädestiniert. Bild: MFW

Fehlversuch mit Fertiglösung

Dieser aus Perforieren, Falten und Kleben bestehende Vorgang erinnert ein wenig an Origami. „Dafür bietet sich eine Lösung mit Linearmotortechnik an, da wegen der zu erwartenden Schläge eine kraftschlüssige Momentübertragung etwa über Zahnstangen kaum zielführend wäre. Zudem war eine extrem hohe Dynamik mit Beschleunigungen über 20m/s² erforderlich, um die geforderten Taktzeiten zu erreichen“, sagt Seidel. „Allerdings hatten wir auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung. Deshalb wendeten wir uns an einen namhaften Hersteller mit dem Auftrag, nicht nur die Linearmotoren zu liefern, sondern eine mechatronische Gesamteinheit.“ Diese konnte jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

Hohe Dynamik und Positioniergenauigkeit kennzeichnen die synchronen Linearmotoren der Produktreihe SL2 von SEW-EURODRIVE. Sie sind in unterschiedlichen Kühlungsvarianten für verschiedene Leistungsklassen verfügbar. Bild: SEW-Eurodrive

Lösung von/mit Antriebsprofis

Angesichts des Termindrucks und der Tatsache, dass bereits zwei Folgeaufträge für ähnliche Anlagen im Haus waren, war guter Rat dringend gefragt. Diesen holte sich Seidel beim Antriebshersteller SEW-Eurodrive GmbH. Das Unternehmen ist in der klassischen Antriebstechnik bereits seit mehr als einem Jahrzehnt Haus- und Hoflieferant. So verwendet MFW angefangen von normalen Drehstrom-Asynchron-Getriebemotoren in allen erdenklichen Ausprägungen mit einfachen Umrichtern der Gerätereihe Movitrac B über geregelte Systeme mit Drehgeber gemeinsam mit Antriebsumrichtern Movidrive B für Positionieraufgaben bis hin zu hochdynamischen Synchon-Servomotoren mit Antrieben Movidrive B und Mehrachs-Servoverstärkern Moviaxis beinahe die gesamte Produktpalette von SEW.

Gemeinsam mit den Spezialisten aus dem naheliegenden technischen Büro Linz erfolgte die Auslegung der Motoren und Antriebe, ehe die mechanische Komponente der Anordnung bei MFW konstruiert wurde. „Hier stimmte auch von der Projektierung weg der Support“, zeigt sich Seidel begeistert. „Die Entwicklung gestaltete sich partnerschaftlich bis einschließlich der Inbetriebnahme, die innerhalb weniger Stunden erledigt werden konnte.“ Bereits die zweite und dritte Maschine dieser MFW-Baureihe verließ das Werk mit dieser gemeinschaftlich geschaffenen Lösung, die alle gestellten Anforderungen an Dynamik, Laufruhe und Lebensdauer voll erfüllt.

Angesteuert werden die Linearmotoren mit Mehrachs-Servoverstärker der Moviaxis-Familie. Deren im Standard mitgelieferte Applikation „Einachspositionierung“ erübrigt externe Motioncontroller. Bild: SEW-Eurodrive

Lösung von/mit Antriebsprofis

Erstellt wurde die Lösung auf Basis synchroner Linearmotoren der Produktreihe SL2 von SEW-EURODRIVE. Mit ihrer modernen Wickeltechnologie auf der Grundlage eines geblechten Eisenkerns erzielen diese das erforderliche, optimierte Kraft-Dichte-Verhältnis. Konvektionsgekühlt und dadurch nahezu wartungsfrei, bieten die synchronen Linearmotoren neben einer maximalen Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit die hohe Regelgüte, Dynamik und Präzision, die in solchen Anwendungen erfolgsentscheidend sind.

Angesteuert werden die Linearmotoren unter Verwendung der Mehrachs-Servoverstärker Moviaxis. „Da wir mit dieser Antriebstechnik bereits vertraut sind, konnten wir die Entwicklung rasch und ohne Schulungsnotwendigkeit abschließen, indem wir die Komponenten wie gewohnt in das Profinet-Netzwerk eingebunden haben“, sagt Seidel. Dabei half auch die im Standard mitgelieferte Applikation „Einachspositionierung“ auf jeder Achse. Sie erfüllte alle nötigen Anforderungen, sodass kein Motioncontroller verwendet werden musste. „Zusätzlich bringt die Vereinheitlichung Vorteile bei Instandhaltung und Ersatzteilvorhaltung.“

Sichere Entscheidungsgrundlage

Nachdem die zweite und dritte Anlage von Beginn an klaglos funktionierte und mittlerweile seit vielen Monaten beste Ergebnisse liefert, wurde auch die erste Maschine umgerüstet. "Unsere Kunden profitieren davon, dass wir unsere Automatisierungsanlagen mit hoch dynamischer und dennoch robuster Linearmotortechnik ausstattet können“, sagt Seidel. „Mit Vorteilen bei Kosten und Verfügbarkeit, weil es sich bei den SEW SL2 und Moviaxis um Standardprodukte handelt, mit den erforderlichen Kompetenzen im eigenen Haus und mit hervorragender Unterstützung durch SEW-Eurodrive in jeder Projektphase."