Coverstory: Sensorintelligenz dank KI mit Deep Learning-Ansätzen von Sick

Um das gesamte Potenzial intelligenter Sensoren mit Deep Learning-Lösungen ausschöpfen zu können, bedarf es smarter Ansätze. Im persönlichen Gespräch demonstrierte René Klausrigler, Teamleader Market Product Management, dieses komplexe Thema sehr anschaulich und verriet, dass jeder den Umgang lernen kann.

Künstliche Intelligenz eröffnet immer mehr Analyse- und Einsatzmöglichkeiten, die die regelbasierte Bildverarbeitung ergänzen.

Künstliche Intelligenz eröffnet immer mehr Analyse- und Einsatzmöglichkeiten, die die regelbasierte Bildverarbeitung ergänzen.

René Klausrigler
Teamleader Market Product Management bei Sick Österreich

„Mit zunehmender Digitalisierung der Prozesse und der Datenerfassung in Unternehmen wird der Einsatz von Deep Learning zunehmen und eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ermöglichen. Das wird die Automatisierung und Produktion revolutionieren.“

Die industrielle Bildverarbeitung wird zunehmend smarter. Künstliche Intelligenz eröffnet immer mehr Analyse- und Einsatzmöglichkeiten, die die regelbasierte Bildverarbeitung ergänzen. René Klausrigler, Teamleader Market Product Management bei Sick Österreich, weiß, worauf es ankommt und betont: „Mit unseren Sensoren lösen wir nun noch komplexere Aufgaben und vereinfachen gleichzeitig die Usability für den Anwender um ein Vielfaches. Kurz: As easy as possible.“ Was im Bereich Deep Learning dabei gemacht wird, sei im Prinzip nichts anderes, als „die Ausdauer bzw. die Zuverlässigkeit einer Maschine mit der menschlichen Wahrnehmung zu kombinieren“, so Klausrigler. Etliche Forschungsprojekte befassen sich mit der Herausforderung, den Integrationsaufwand von KI-Methoden künftig erheblich zu reduzieren und gleichzeitig die Akzeptanz dieser Technologie zu erhöhen. Das geschieht durch interaktive Komponenten zwischen Menschen und Maschinen sowie mittels Beratung und Analyse rund um das Thema KI-basierte industrielle Bildverarbeitung. „KI-Lösungen erobern auch auf der Sensor-Ebene zusehends die industrielle Produktion“, erklärt Klausrigler.

Deep Learning-Anwendungen in der modernen Produktionsumgebung müssen keine Herausforderung für Unternehmen darstellen. Einfache Tools sind die ersten Schritte.

Deep Learning-Anwendungen in der modernen Produktionsumgebung müssen keine Herausforderung für Unternehmen darstellen. Einfache Tools sind die ersten Schritte.

Regelbasierte versus KI-gestützte Bildverarbeitung

Allen Bildverarbeitungslösungen gemein ist, dass sie die Erkennung bzw. Nachverfolgung von Objekten adressieren. Dabei sind sowohl Erkennungstechnologien wie das Scannen von Bar- und QR-Codes möglich als auch markerlose Erkennungen. Es muss jedoch festgehalten werden, dass die konventionelle Bildverarbeitung und Deep Learning nicht konkurrieren, sondern sich vielmehr ergänzen. Bei der regelbasierten Bildverarbeitung können in der Produktionslinie zig (Tausend) Teile pro Minute, gegebenenfalls mit hoher Genauigkeit, geprüft werden. Dies ist insbesondere bei einer bekannten Reihe von Variablen und in kontrollierten Umgebungen nützlich.

In weniger eindeutigen Situationen hingegen greift man auf Deep Learning zurück, da so spezifische Aufgaben gelöst werden können, ohne dass sie vorher explizit programmiert werden müssen. „Deswegen ist die Handhabung generell sehr einfach“, betont Klausrigler und fügt hinzu: „Für die regelbasierte Bildverarbeitung braucht man klare Objektspezifikationen. Bei der beispielbasierten Bildverarbeitung ist man hingegen bei Deep Learning angelangt. Hier liegen komplexe, unvorhersehbare Objekte, wie Anomalien bei Holz oder verformbare Objekte wie Verpackungen, vor, die es zu erkennen gilt. Die Variationen sind hier sehr groß.“

Das Trainieren mittels einfacher Datensätze ist nicht sehr schwer. Der Demokoffer von Sick zeigt vor Ort, wie einfach es funktioniert. Bild: x-technik

Das Trainieren mittels einfacher Datensätze ist nicht sehr schwer. Der Demokoffer von Sick zeigt vor Ort, wie einfach es funktioniert. Bild: x-technik

Wie baue ich Neuronale Netzwerke auf?

Um Deep Learning bei der Bildverarbeitung anzuwenden, müssen sogenannte technische Neuronale Netzwerke aufgebaut werden. Doch wie erfolgt das Trainieren eines Neuronalen Netzwerkes in der Praxis und wie läuft ein Deep Learning-Projekt ab? „Zunächst einmal wird ein Use Case, ein Anwendungsfall, benötigt und ein Deep Learning-fähiges Gerät“, erklärt Klausrigler und öffnet zur Veranschaulichung einen mitgebrachten Demonstrationskoffer, der sehr anschaulich die ersten Steps zeigt. Im Sick AppSpace werden Trainingsbilder gesammelt, die im Anschluss noch sortiert werden müssen. „Der größte Aufwand bei einem Deep Learning-Projekt ist eigentlich die Datensatzsortierung“, führt der Experte aus. Je genauer der Datensatz ist, umso besser ist die Grundlage und umso performanter funktioniert die automatisierte Bildverarbeitung. Aber ab wie vielen Bildern macht ein Datensatz Sinn? „Generell empfehlen wir mindestens 40 Bilder für die Anwendung aufzubauen, das ist applikationsabhängig.“

Anhand unterschiedlicher Sick-Lösungen wie dem Sick AppSace und dem Demokoffer gelingt der schnelle Einstieg für jedes Unternehmen in das Deep Learning. Bild: x-technik

Anhand unterschiedlicher Sick-Lösungen wie dem Sick AppSace und dem Demokoffer gelingt der schnelle Einstieg für jedes Unternehmen in das Deep Learning. Bild: x-technik

Datensatztraining als wichtigste Voraussetzung

Bei Deep Learning geht es im Grunde genommen immer darum, das Neuronale Netzwerk zu trainieren. Dieses Trainieren mittels Beispielbildern kann unkompliziert direkt am Sensor erfolgen. Anschließend können die Sensoren selbst Objekte nach kundenspezifischen Kriterien bewerten und sortieren, auch wenn das natürliche Erscheinungsbild der Objekte variiert. Klausrigler betont: „Deep Learning eröffnet neue Wege in der Industrieautomatisierung und somit einen klaren Mehrwert. Der (Trainings-)Aufwand ist gering, dennoch erhält man eine automatisierte und zuverlässige Entscheidung vom Sensor – selbst bei komplexen Aufgabenstellungen.“ Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass der Anwender dank Cloud- und On-Device-Trainingsmöglichkeiten keinen zusätzlichen Bedarf an Hard- oder Software hat. Das Erkennen von Anomalien wird direkt auf dem Gerät, mithilfe der Intelligent Inspection SensorApp, trainiert. Weiters führt er aus, dass auch an einer On-Premise-Lösung gearbeitet wird. Die Technik entwickelt sich stetig weiter. Klausrigler ergänzt: „Neben der Objekt-Klassifizierung und Anomalie-Erkennung wird es in Kürze auch die sogenannte Objekterkennung geben. Hierbei können Objekte zum Beispiel gezählt bzw. 'gegriffen' werden.“

Bei Nestlé werden produzierte Pulver am Ende des Herstellungsprozesses automatisiert in Dosen abgefüllt. Vor der Befüllung der Behälter kommt jeweils ein Dosierlöffel dazu. KI unterstützt diesen Prozess.

Bei Nestlé werden produzierte Pulver am Ende des Herstellungsprozesses automatisiert in Dosen abgefüllt. Vor der Befüllung der Behälter kommt jeweils ein Dosierlöffel dazu. KI unterstützt diesen Prozess.

Basis der Neuronalen Netze

Die Basis für ein funktionierendes Neuronales Netz ist immer ein guter Trainingssatz, fast zu vergleichen mit der Entwicklung des menschlichen Gehirns. Denn im Allgemeinen versucht man bei den Trainings nichts anderes, als das menschliche Gehirn nachzuahmen. Das geschieht, indem „Informatik und Statistik“ kombiniert werden. Oft werden diese Netze auch als künstliche neuronale Netze oder simulierte neuronale Netze bezeichnet. Zudem sind sie ein Teilbereich der Disziplin „Maschinelles Lernen“ (ML) und stellen das Herzstück von Deep Learning-Algorithmen dar. Klausrigler fasst zusammen: „Neuronale Netze nutzen Trainingsdaten, um zu lernen und ihre Genauigkeit im Laufe der Zeit zu verbessern.“ Die Zeitersparnis kann in Folge sehr hoch sein. „Anstatt Stunden werden nur noch Minuten für die Erkennung benötigt“, so der Experte weiter. „Eine echte Win-Situation für jedes Unternehmen.“

Mit dem picoScan für die Detektion und Lokalisierung von Objekten setzt Sick hinsichtlich Reichweite, Auflösung, Scanfrequenz und Messdatenqualität einen Marktstandard bei kompakten 2D-LiDAR-Sensoren dieser Art.

Mit dem picoScan für die Detektion und Lokalisierung von Objekten setzt Sick hinsichtlich Reichweite, Auflösung, Scanfrequenz und Messdatenqualität einen Marktstandard bei kompakten 2D-LiDAR-Sensoren dieser Art.

Beispiele in der Anwendung

Wie schaut es nun in der Praxis aus? Am Beispiel des Unternehmens Nestlé im Bereich Health Science kann der Mehrwert deutlich dargestellt werden. Hier werden produzierte Pulver am Ende des Herstellungsprozesses automatisiert in Dosen abgefüllt. Vor der Befüllung der Behälter kommt jeweils ein Dosierlöffel dazu. Im Zuge der Qualitätskontrolle wird jede einzelne Dose geprüft, ob tatsächlich ein Löffel appliziert wurde. „Das menschliche Auge kann hierbei erkennen, ob ein Löffel beigefügt wurde, aber bei einer Abfüllgeschwindigkeit von über 80 Dosen pro Minute ist das nicht mehr fehlerfrei möglich“, stellt Klausrigler anhand des Beispiels ganz klar fest.

Kamera zählt Pixel

Eine dazu installierte Kamera kontrolliert die Applizierungen, indem sie die farbigen Pixel des Kunststofflöffels zählt. Seit Kurzem verwendet Nestlé jedoch farblose Portionierer, um die Recyclingquote zu steigern. Deshalb liegen nun gräulich schimmernde, transparente Löffel auf Aluminium mit einem ähnlichen Farbton. In der Praxis sind diese schwer zu identifizieren auf dem welligen, geprägten und reflektierenden Metall. Die klassische Lösung mit sensorischer Bildverarbeitung stieß hier an ihre Grenzen. Daher kamen Sick-Sensorlösungen zum Einsatz – kombiniert mit KI.

Mustererkennung

Die KI erkennt sehr schnell, zuverlässig und permanent neue Muster, indem sie eine Vielzahl von Daten sammelt, die direkt in Algorithmen interpretiert werden. „In der Praxis lernt eine 2D-Snapshot-Kamera (picoCam) von Sick mit der integrierten Deep Learning-Software dStudio aus dem Sick AppSpace das Denken“, erläutert Klausrigler weiter. Im vorgestellten Fall wird einem neuronalen Netzwerk antrainiert, beiliegende Löffel in unterschiedlichen Positionen zu erkennen. Der gelernte Entscheidungsalgorithmus wird in das Kamera-System übertragen. Es wird dadurch in die Lage versetzt, selbstständig die wesentlichen Bildunterschiede zu erkennen. Die Kamera lässt sich auch problemlos auf jedes neue Produkt anpassen, indem für die neuen Gegebenheiten wiederum ein Neuronales Netz trainiert wird. „Die Vereinfachung von komplexen Aufgaben mit wenig Aufwand – das ist das erklärte Ziel der industriellen Bildverarbeitung“, so das Resümee. Klausrigler betont, dass „trotz der Weiterentwicklung von Deep Learning die regelbasierte Bildverarbeitung sicher nicht komplett ersetzt werden wird.“ Die jeweilige Anwendung und die Voraussetzungen für den Einsatz entscheiden letztendlich über die Sinnhaftigkeit von Deep Learning.

Investitionen in Deep Learning

Und wie schaut es mit Investitionen, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, aus? Diese steigen oft nur zögerlich ein. Auf die Frage weshalb betont Klausrigler: „Im Grunde genommen geht es darum, an diesen Entwicklungen dranzubleiben und den Invest nicht weiter nach hinten zu verschieben.“ Das würde sich in ein paar Jahren dann negativ bemerkbar machen, wenn der Schritt hin zu einem modernen Produktionsprozess noch nicht umgesetzt wurde. „Selbstverständlich ist die Installation von Deep Learning-Lösungen eine Investition. Jedoch investiert ein Unternehmen damit in die Zukunftssicherheit und auch in moderne Produktionsprozesse.“

Mehrwert KI-basierter Automatisierung

Um aus KI einen Mehrwert zu generieren und Arbeitsprozesse zunehmend zu automatisieren, bedarf es keiner sehr großen Datenmengen. „Hier liegen oft falsche Erwartungshaltungen vor“, so Klausrigler. Es gilt mit Blick auf die Kundenanforderung zu entscheiden, was ein sinnvoller Datensatz ist. Das Entscheidende ist dabei der Anspruch des Kunden. „Ist das geklärt, erwarten Kunden eine einfache und flexible Lösung für ihre Anwendung“, ergänzt der Experte. Zusammengefasst bedeutet dies, dass dank KI Unternehmen nun selbst Aufgaben automatisieren können, die in der Vergangenheit äußerst schwer zu automatisieren waren. „Die besten Voraussetzungen für eine noch produktivere Zukunft dank KI“, betont der Sick-Experte abschließend.

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