Trinkwasser für das 21. Jahrhundert

Wasserversorgung mit Tradition – die Suone Gorperi im Baltschiedertal, heute ein Wanderweg. (Bild: German Walther, Gemeinde Baltschieder)

Seit dem 13. Jahrhundert werden im Wallis Bewässerungssysteme gebaut, um das Wasser von den Gletschern zu den Feldern und Tränken zu leiten. Die Überwachung des Wasserflusses über deren offene Wasserleitungen, die Suonen, erfolgte akustisch, indem von kleinen Wasserrädern angetriebene Hämmer auf Holz schlugen. Dieses Klopfen signalisierte den Wasserfluss. Heutzutage versorgt die Walliser Gemeinde Baltschieder mit Trinkwasser aus zwei Quellgebieten die ca. 1.200 Einwohner der Gemeinde und gibt darüber jährlich rund 600.000 bis 1.200.000 m3 Wasser an die Gemeinde Visp ab.

Neue Leitzentrale im Gemeindehaus Baltschieder – die wichtigsten Informationen zentral auf einem Blick.

In vier Monaten zum neuen Leitsystem

Um die Einrichtungen der Trinkwasserversorgung – zwei Reservoirs mit zusammen 1.000 m3 und ein Turbinenhaus zur Gewinnung von elektrischer Energie aus dem Quellzulauf – sicher und zuverlässig zu überwachen, die Wassergewinnung und den Wasserverbrauch automatisch zu erfassen sowie zu dokumentieren, beschloss der Gemeinderat im Jahr 2011 die Anschaffung eines modernes Leitsystems. Im Sommer 2012 beauftragt, lieferte Endress+Hauser als Komplettlieferant für die Prozessautomatisierung die noch fehlende Sensorik, das komplette Hard- und Softwareengineering für die Außenstationen und die Leitzentrale, die notwendigen Schaltschränke mit integrierten SPS und Bedienpanels, die Inbetriebnahme und Schulung sowie eine ausführliche Dokumentation. Bereits im Spätherbst 2012 konnte die Installation und die Inbetriebnahme des Systems durchgeführt werden, die Abnahme erfolgte im März 2013.

"Die drei größten Herausforderungen waren dabei die Gewährleistung der Versorgungssicherheit während der Umbauphase, die Aktualisierung der vorhandenen Unterlagen und die Anbindung der neuen Steuerung an die Wasserversorgung Visp", berichtet Roger Jaggi, Projektleiter bei Endress+Hauser in Reinach. "Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit wurden Klappen und andere für einen provisorischen Betrieb notwendige Komponenten während der Umbauphase durch den Betreiber manuell bedient."

Turbinenhaus auf 800 m. ü. M.: Gewinnung von elektrischer Energie aus dem Quellzulauf.

Web-Technologie für die Trinkwasserversorgung

Im neuen Gemeindehaus befindet sich die PC-Leitzentrale mit der Visualisierungssoftware P View. Der Betreiber gewinnt in kürzester Zeit einen Überblick über die aktuellen Wasserstände in den Reservoirs und den momentanen Wasserverbrauch der Gemeinde Baltschieder sowie die Abgabe an das Wasserversorgungsnetz der Gemeinde Visp. Um eine hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Anlage sicherzustellen, wurde ergänzend das Softwaremodul P View Alarm Multimedia Lite installiert. Dieses Softwaremodul leitet auftretende Störungsmeldungen via SMS oder E-Mail gemäß eines hinterlegten Dienstplans an den Brunnenmeister oder seinen Vertreter weiter. Dank der neuen Kommunikations-Technologien hat dieser jederzeit von überall her den direkten Zugriff auf die Anlage und kann daher sehr schnell und gezielt notwendige Fernzugriffe vornehmen. Selbstverständlich ist bei dieser Automatisierungslösung auch die Instandhaltung per Fernwartung.

P View verfügt über einen integrierten Web Client. Damit kann für Visualisierung und Bedienung komfortabel über das Intranet der Gemeinde auf das Leitsystem zugegriffen werden. Die Verbindung zwischen der Bedienstation im Werkhof und der Leitzentrale im Gemeindehaus erfolgt über eine sichere VPN-Verbindung durch das Internet. Da auf dem Visualisierungssystem die gesamte Anlage auf einen Blick ersichtlich ist, können auftretende Verluste im Versorgungsnetz durch die im Leitsystem zur Verfügung gestellten Möglichkeiten schnell entdeckt werden. "Das System ist intuitiv zu bedienen, daher konnte die Schulung sehr kurz gehalten werden", sagt Roger Jaggi zu den Vorteilen dieser Technologie. "Auch die Fernbedienung mittels Smartphone oder Tablet-PC machte dem Kunden von Anfang an keine Mühe."

Exakte Erfassung des Zulaufs von der Eggerberger Quelle mittels Endress+Hauser Promag 50.

Modernisierung und Erweiterung der Messtechnik

Im Zuge der Baumaßnahme wurde durch Endress+Hauser auch die Sensorik überprüft. Ersetzt wurden die zwei Niveaumessungen zur Füllstandmessung der Reservoire. Dort kommen jetzt zwei Druckmessumformer vom Typ Waterpilot FMX21 zum Einsatz. Ergänzt wurde eine Durchflussmessung zur Erfassung des Zulaufs von einer der beiden Quellen zum Turbinenhaus. Hier wählte man ein magnetisch induktives Durchflussmessgerät vom Typ Promag 50W.

Trinkwasserkraftwerk optimal eingebunden

Eine Besonderheit der Wasserversorgung Baltschieder ist das Trinkwasserkraftwerk, das eine Leistung von 300 kW aufweist und jährlich 1.250 MWh elektrische Energie produziert. Für die Gemeinde Baltschieder ist der Betrieb des Trinkwasserkraftwerks durchaus lohnend. Für 2010 und 2012 konnte ein Einnahmenüberschuss verbucht werden. Die Turbine des Kraftwerks ist in der Versorgungsleitung zwischen Quellgebiet und Reservoir installiert. Das Gefälle beträgt 580 Meter. Für die Integration der Signale der Turbinensteuerung in das Leitsystem wurde von Endress+Hauser im bestehenden Schaltschrank eine Unterstation eingebaut und in Betrieb genommen.

Sonnige Aussichten für die Trinkwasserversorgung

Die Wassergewinnung und der Wasserverbrauch werden mit dem neuen System exakt überwacht und auch zuverlässig dokumentiert und bilanziert. Damit lässt sich die Anlage noch effizienter nutzen und leichter optimieren als bisher. Die Daten, die jetzt in einer Datenbank gespeichert werden, bilden zukünftig eine hervorragende Basis für eine Monats- und Jahresanalyse. Das neue Leitsystem ist technologisch auf dem aktuellen Stand, es bietet offene, standardisierte Schnittstellen und nutzt die Möglichkeiten der Internettechnologien.

"Wir erhalten jetzt alle Informationen des Leitsystems auch auf dem iPad und auf dem Smartphone, Störmeldungen werden im Gegensatz zu früher spezifisch übermittelt. Damit lässt sich die Situation immer präzise einschätzen und wir können schnell und gezielt reagieren. Das spart Zeit und erhöht die Versorgungssicherheit", schildert German Walther, Leiter Infrastruktur der Gemeinde Baltschieder, die durch das neue Leitsystem erzielten Verbesserungen gegenüber der bisherigen Lösung. "Durch die zur Verfügung stehenden Tages-, Monats- und Jahresberichte vereinfacht sich außerdem unsere monatliche Abrechnung mit der Gemeinde Visp deutlich."