anwenderreportage

Siemens AG Österreich Sinumerik 840D s: Pionier vollautomatisierter CNC-Bearbeitung

Vollautomatische Unikatfertigung bei Haidlmair Der österreichische Werkzeugbauer Haidlmair hat in seinem Stammwerk Nußbach eine der weltweit modernsten CNC-Anlagen in Betrieb genommen. Vier Sinumerik 840D sl gesteuerte DMG MORI DMU 80 P duoBLOCK sind zu einem Cluster integriert, der komplett automatisiert mit Zerspanungsaufträgen für bis zu vier Tagen beladen werden kann. Die Anlage zeigt, worauf es bei solchen zukunftsweisenden Projekten ankommt: die Vernetzungsfähigkeit von Komponenten und Projektpartnern.

Blick aus der CAM-Programmierung: Die vier verketteten DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI mit einem Vorrat von bis zu vier Tagen. (Bild: Jentzsch)

Blick aus der CAM-Programmierung: Die vier verketteten DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI mit einem Vorrat von bis zu vier Tagen. (Bild: Jentzsch)

Shortcut

(h3)Aufgabenstellung:
Verkettung von vier 5-Achs DMG Bearbeitungszentren und Vernetzung der einzelnen Wertschöpfungsschritte vom Design bis zur Fertigung.

(h3)Lösung:
Vier DMG MORI DMU 80 P duoBLOCK sind zu einem Cluster integriert, der komplett automatisiert mit Zerspanungsaufträgen für bis zu vier Tagen beladen werden kann. Sämtliche Programme werden zu 100 % simuliert, um Kollisionen an den Bearbeitungsmaschinen zu verhindern. Die Vernetzung und Digitalisierung der CNC-Maschinen erfolgt durchgängig mit Sinumerik-Steuerungen 840D sl und Siemens PLM Software.

(h3)Vorteile:
Geschwindigkeit, Präzision und Oberflächengüte der zu erstellenden Werkzeuge werden durch den Einsatz der Sinumerik 840D sl in höchster Qualität erreicht. Jedes Ersatzteil kann exakt auf Maß zwischen 24 und 48 Stunden erstellt und ohne Nacharbeit direkt in eine Maschine eingebaut werden.

Aus einer kleinen Schmiede in Nußbach heraus, hat sich die Haidlmair GmbH zu einem der weltweit führenden Entwickler und Produzenten von hochwertigen Spritzguss-Werkzeugen für die Getränkeindustrie und Intralogistik entwickelt. Bierkästen, Faltkisten, Schubladen: Produkte vieler bekannter Marken werden mit Haidlmair Werkzeugen gefertigt. Großwerkzeuge von Haidlmair werden auch verwendet, um mannshohe Transportbehälter für die Abfallwirtschaft zu produzieren. Alle Werkzeuge werden an großen Spritzgussmaschinen im Werk getestet und hier vom Kunden abgenommen. Um im harten Wettbewerb mithalten zu können, setzt das Familienunternehmen auch in der dritten Generation auf Qualität und innovative Prozesse.

So fällt beim Rundgang durch die Fertigung auf, dass an allen Maschinen papierlos und mit Siemens NX sowie Teamcenter als Datendrehscheibe gearbeitet wird. „Wir nutzen NX als CAD/CAM System seit 1985 und waren damals sicherlich einer der ersten Anwender im Bereich Werkzeug- und Formenbau. Schon in der Lehrwerkstatt erlernen alle Mitarbeiter den Umgang mit CNC-Systemen, auch mittels der Trainingssoftware SinuTrain und der Siemens-PLM-Software. Deren verschiedenen Module sind für uns das Herzstück unserer technischen IT-Landschaft. So können wir in der Fertigung komplett papierlos arbeiten“, erläutert Christian Riel, stellvertretender Technischer Leiter bei Haidlmair.

Ein weiteres Beispiel für die Geschwindigkeit und Konsequenz mit der Haidlmair technische Innovationen einsetzt: Sensoren und das Internet of Things. „Optional statten wir unsere Werkzeuge mit Sensoren und einem Transmitter aus, der die Daten zu Temperatur, Flussgeschwindigkeit etc. in das Netz überträgt. So können wir für unsere Kunden beim Einsatz unserer Werkzeuge wichtige Prozessdaten dokumentieren, Fehler erkennen und gehen in Richtung vorbeugender Instandhaltung und neuer Geschäftsmodelle“, erläutert Stefan Knödlstorfer, Technischer Leiter der Haidlmair GmbH.

CAM-Programmierung: Die vier verketteten DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI mit einem Vorrat von bis zu vier Tagen. (Bild: Promot)

CAM-Programmierung: Die vier verketteten DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI mit einem Vorrat von bis zu vier Tagen. (Bild: Promot)

Mario Haidlmair
Geschäftsführer der Haidlmair GmbH Werkzeugbau

„Die Vision ist ein ‚Closed Loop‘ zwischen Entwicklung, Konstruktion und Produktion. Hierfür braucht es Partner wie Siemens, die mit ihren Spezialisten bei der Vernetzung aller Bereiche von der Entwicklung bis zur Maschinensteuerung und zurück helfen können.“

Neue Halle, neues Produktionskonzept

Der Rundgang durch die weitläufige Fertigung endet vor einer Glaswand: diese erlaubt einen ersten Blick auf eine der aktuell wohl modernsten CNC-Anlagen. Bis auf einen Bereich rechts neben den vier mit Sinumerik 840D sl ausgestatteten DMG MORI DMU 80 P duoBLOCK ist es zwischen und vor den Maschinen sehr eng. „Das hat zum Teil damit zu tun, dass wir hier inmitten unseres Heimatortes Nußbach an Ausbaugrenzen stoßen. Aber tatsächlich braucht es hier auch nur wenig Platz, denn nur an den Beladungsstationen arbeiten Mitarbeiter. Ohne ihre großen Bedienpulte hätten wir die Maschinen noch enger zusammenrücken können. Aber auch wenn hier alles komplett automatisiert und zentral gesteuert läuft: Ohne Bedienpulte gibt es die Maschinen halt noch nicht“, erläutert Christian Riel.

Die vier in Hard- und Softwareausstattung völlig identischen DMG MORI-Maschinen sind als flexibles Fertigungssystem angelegt, so dass Werkstücke aus dem vollautomatisierten Palettenlager wahlfrei in die jeweils verfügbare 5-Achs-Maschine aus- und eingeladen werden können. Als Schnittstelle für die Aufspannung und Beladung von Rohteilen und die Entnahme von fertig bearbeiteten Werkstücken dienen drei Stationen – wegen ihres Aussehens von Haidlmair-Mitarbeitern auch humorvoll „Duschkabinen“ genannt.

Haidlmair setzt bei seinem Maschinencluster auf vier, mit Sinumerik 840D sl ausgerüsteten, DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI. (Bild: Jentzsch)

Haidlmair setzt bei seinem Maschinencluster auf vier, mit Sinumerik 840D sl ausgerüsteten, DMU 80 P duoBLOCK Bearbeitungszentren von DMG MORI. (Bild: Jentzsch)

UID: Werkzeug-Identifikation über RFID

Neben den Werkzeugwechslern an den Maschinen gibt es noch ein großes, maschinenübergreifendes Werkzeugmagazin mit einem Fassungsvermögen von bis zu 963 Werkzeugen. Alle Werkzeuge werden in einem separaten Raum vor der Einlagerung in das Magazin exakt vermessen, kontrolliert und mit eindeutigen Nummern gekennzeichnet (UID / Unique ID). In den Werkzeugen verbaute RFID-Chips speichern diese UID. Über die Sinumerik-Steuerung lassen sich so für jedes Werkzeug Einsatzhäufigkeiten und Standzeiten erfassen. Abgenutzte Werkzeuge können identifiziert, automatisch ausgelagert und gezielt Ersatz angefordert werden. Da das System Aufträge, Werkzeugbestände in den einzelnen Maschinen und im Werkzeuglager kennt, können Werkzeuge frühzeitig aus dem Werkzeuglager über einen Transport, der oberhalb der DMG MORI Maschinen verläuft, in die maschineneigenen Werkzeugwechsler bewegt werden. Neben der kontinuierlichen Vermessung der Werkstücke bei der Bearbeitung in der Maschine ist dieses ausgeklügelte Werkzeugmanagement einer der wichtigsten Faktoren für eine hohe, gleichbleibende Qualität in der automatisierten Bearbeitung.

Werkzeugmanagement und Palettenlager dieses flexiblen Fertigungssystems sind vom Automatisierungspartner Promot Automation GmbH realisiert worden und interagieren über das Sinumerik Integrate CMI (Create-My-Interface-Modul) mit der Sinumerik 840D sl-Steuerung an den Werkzeugmaschinen, ERP- und Siemens PLM-System. Das Ergebnis dieser Integration und Automatisierung: Mit dem Arbeitsvorrat aus einem komplett beladenen Palettenlager kann der Maschinen-Cluster bis zu vier Tage im 24 Stunden Betrieb arbeiten – ohne weitere Eingriffe durch den Bediener.

Mit den intelligenten Messzyklen, die Sinumerik dem Maschinenbediener bietet, können Werkstücke kontinuierlich vermessen werden, um somit eine gleichbleibend hohe Qualität zu gewährleisten. (Bild: Jentzsch)

Mit den intelligenten Messzyklen, die Sinumerik dem Maschinenbediener bietet, können Werkstücke kontinuierlich vermessen werden, um somit eine gleichbleibend hohe Qualität zu gewährleisten. (Bild: Jentzsch)

Infos zum Anwender

Die Erfolgsgeschichte von Haidlmair beginnt 1979 als der Schmiedebetrieb mit einem Werkzeugbau erweitert wurde. In der Zwischenzeit hat sich der österreichische Familienbetrieb zu einem Technologieführer für Hochleistungs-Spritzgußwerkzeuge für die Getränkeindustrie und Intralogistik entwickelt. Großwerkzeuge von Haidlmair werden auch verwendet, um mannshohe Transportbehälter für die Abfallwirtschaft zu produzieren.

Erfolgsfaktor: Vernetzung von Maschinen und Menschen

Haidlmair betreibt den vollautomatisierten Maschinen-Cluster im 24/7-Betrieb und damit entkoppelt vom Ein-Schichtbetrieb des Bedienpersonals. So kann bei gleichem Personalaufwand deutlich mehr und flexibler produziert werden. In zwei bis drei Jahren sollen sich die umfangreichen Investitionen gerechnet haben.

Was sind die Erfolgsfaktoren in einem so innovativen und komplexen Projekt? „Die Schwierigkeiten liegen bei solchen Projekten in vielen Details. Für den Erfolg braucht es Partner, die sich engagieren und konstruktiv über den Tellerrand schauen. Und es braucht Systeme, die wirklich offen für Datenaustausch, Vernetzung und Integration sind“, zeigt sich Stefan Knödlstorfer mit Blick auf das Projekt überzeugt. Und Christian Riel ergänzt: „Wir führen und koordinieren solche Projekte selbst – auch um Know-how zu erwerben. Dazu braucht es Spezialisten für viele Bereiche, gleichzeitig darf die Zahl der externen Partner nicht zu groß geraten – sonst ist schon die Projektkommunikation nicht mehr beherrschbar. Wir haben uns bei den Steuerungen für Sinumerik entschieden – obwohl wir an den Einzelmaschinen in der übrigen Fertigung auch andere Steuerungen nutzen. Im Rückblick war Sinumerik eine sehr gute Entscheidung. Natürlich bezieht sich das zunächst mal auf die bereitgestellten Bearbeitungstechnologien, der über die Steuerung erreichbaren Geschwindigkeiten und die Qualität der Oberflächen für den Werkzeug- und Formenbau. Aber in diesem Projekt ging es um mehr als um hohe Performance beim Fräsen. Schon in unseren Vorgesprächen mit verschiedenen Anbietern zeigte sich: Viele Steuerungsanbieter denken noch in Inseln, sind neuen Prozessen und vernetzten Lösungen nicht wirklich aufgeschlossen. Allen Ankündigungen zum Trotz zeigen sich die meisten Hersteller nicht sehr offen, investieren auch nicht proaktiv in solche Projekte und stehen der Integration ihrer Produkte in Lösungen und Tools anderer Hersteller generell skeptisch gegenüber.“

Mit PLM-Software und Sinumerik 840D sl Steuerungen konnte Siemens bei diesem Projekt gleich zwei Bereiche abdecken – doch ein Selbstläufer war das Projekt dennoch nicht. Viele Details mussten in Workshops mit den Beteiligten bei Haidlmair, DMG-Mori, Promot und Siemens geklärt werden, oft waren Kontakte auf Expertenebene erforderlich. Auch die PLM- und Steuerungsspezialisten von Siemens mussten sich über ihre Organisationsgrenzen hinweg mit den Kollegen des jeweils anderen Bereichs austauschen – deutlich intensiver und detaillierter als sonst üblich.

„Ein so technisch ambitioniertes Projekt wie das hochautomatisierte, flexible Fertigungssystem bei Haidlmair erfordert bei allen Projektbeteiligten den Willen und die Fähigkeit, sich weit über das gewöhnliche Maß hinaus zu engagieren. Ob technisch, organisatorisch oder in Bezug auf die Projektkommunikation – es geht an die Grenzen. Aber es sind genau diese Projekte, an denen die beteiligten Unternehmen wachsen, neue Funktionalitäten und Arbeitsweisen entwickeln und daraus Erfahrungen und Kompetenzen in Bezug auf Digitalisierung und Industrie 4.0 gewinnen. Alle Partner haben aus diesem erfolgreichen Projekt viel gelernt – und werden diese Erfahrungen in kommende Kundenprojekte und die laufende Produktentwicklung aufnehmen“, zeigt sich Karl Netouschek überzeugt, der die Firma Haidlmair bei Siemens Österreich vertrieblich betreut.

Den technischen Durchbruch bei der Umsetzung brachte der Sinumerik Software Release 4.7 mit seinen vielen neuen Funktionalitäten. „So konnte Sinumerik schon immer Werkzeuge verwalten und deren Standzeiten erfassen, aber eben nicht verschiedene UIDs für baugleiche Werkzeuge. Eine andere Herausforderung war die Größe des Programmspeichers: Hier bieten wir Programmierern und Bedienern seit der Software 4.7 mit der EES-Funktionalität (Execution from External Storage) ganz neue Möglichkeiten. EES erleichtert das Protokollieren von Messergebnissen und das Abarbeiten großer Formenbauprogramme mit Unterprogrammaufrufen ganz wesentlich. Das Projekt zeigt, wie wichtig diese Funktionalitäten für die Zukunft der CNC-Bearbeitung sind – auch wenn sie bei der klassischen Werkstattprogrammierung selten zum Einsatz kommen“, berichtet Wolfgang Reichart, der das Projekt von der Sinumerik-Seite technisch unterstützte.

Früh übt sich: Bereits in der Lehrwerkstatt setzt Haidlmair auf Siemens. Das beginnt im Umgang mit der CAD Software NX und geht hin bis zur Bedienung, Programmierung und Simulation mit Sinumerik Operate. (Bild: Kronfeld)

Früh übt sich: Bereits in der Lehrwerkstatt setzt Haidlmair auf Siemens. Das beginnt im Umgang mit der CAD Software NX und geht hin bis zur Bedienung, Programmierung und Simulation mit Sinumerik Operate. (Bild: Kronfeld)

Nur ein Zwischenschritt

Das flexible Fertigungssystem für die automatisierte Bearbeitung dürfte in der Branche weltweit einzigartig sein. Für das Management und das Projektteam bei Haidlmair ist es dennoch nur ein Zwischenschritt. Erklärtes Ziel ist es, den Bau individueller, hochkomplexer Spezialwerkzeuge mit ähnlichen Automatisierungsgrad und Kostenpunkten wie in der Serienfertigung fahren zu können.

„Viele aus der Branche mögen mit dem Kopf schütteln, aber für mich sind Standardisierung von Vorprodukten, Prozessintegration und Big Data die Schlüssel für einen noch effizienteren Werkzeug- und Formenbau. Unsere Leute sind sehr gut. Aber ohne Unterstützung durch Computer und Software-Programme kann kein Mensch die komplexen Planungs- und Steuerungsprozesse in einem Unternehmen wie Haidlmair überblicken – und diese Systeme brauchen dann Echtzeitdaten aus der Fertigung“, legt Geschäftsführer Mario Haidlmair seine ambitionierten Planungen offen und bringt dazu ein einfaches Beispiel: "Wenn ein CAD-Experte eine Bohrung im Design festlegt, sollte er sofort und automatisch eine Rückmeldung aus der Fertigungsebene bekommen, falls hierfür ein neuer Bohrer erforderlich ist und er somit zusätzliche Prozesskosten erzeugt. Dann hat er die Möglichkeit, die Bohrung zu ändern und schon durch das Design Kosten zu sparen. Alle diese Daten liegen im System vor – jetzt müssen wir daran arbeiten, sie überall und besser nutzen zu können. Hierfür braucht es Partner wie Siemens, die mit ihren Spezialisten bei der Vernetzung aller Bereiche von der Entwicklung bis zur Maschinensteuerung und zurück helfen können. Die Vision ist ein 'Closed Loop' zwischen Entwicklung, Konstruktion und Produktion.“

Erste Schritte dazu sind gemacht. So können die Entwickler über das NX-Modul GEOLUS eine geometrische Gleichteilsuche starten und auf dieser Basis Entwicklungszeit sparen. Das ist auch notwendig, denn eine weitere Erkenntnis aus dem Cluster-Projekt ist: Der Engpass in der Fertigung bei Haidlmair ist jetzt oft nicht mehr die Anlagenkapazität, sondern die Zulieferung mit Daten aus Entwicklung und Arbeitsvorbereitung.

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