anwenderreportage

Von der Forschung in die Praxis

Industrie 4.0: Die weltweit erste funktionierende, herstellerübergreifende Industrie-4.0-Anlage wurde 2014 in Kaiserslautern fertiggestellt und wird seither stetig weiter entwickelt. Dort arbeitet ein Team von Forschern und Entwicklern, unterstützt von zahlreichen Industriepartnern, an der praktischen Umsetzung der vieldiskutierten Vision. Die Sensorik spielt in den Demonstrationsanlagen von SmartFactoryKL eine wichtige Rolle.

Interview mit Prof. Dr. Detlef Zühlke, Leiter der Technologieinitiative SmartFactory KL

Wie würden Sie SmartFactoryKL im internationalen Vergleich einordnen?

Unsere Initiative ist ziemlich einzigartig. In manchen Ländern, wie Korea, arbeiten einzelne Unternehmen an Konzepten für die Industrie der Zukunft. In den USA gibt es Konsortien wie das Smart Manufacturing Leadership Council oder das Industrial Internet Consortium (IIC). Das IIC fokussiert ganz allgemein auf Internet-Anwendungen, steigt aber nicht in die Tiefe der Produktion ein. Wir sind weltweit das einzige herstellerunabhängige Konsortium, das selbst auf der industriell-praktischen Ebene arbeitet und über eigene Demonstratoren verfügt. Zwei Mitglieder des IIC – Cisco und IBM – sind vielleicht gerade deshalb auch bei uns dabei.

Wo werden heute die Weichen für die Zukunft gestellt?

Dort, wo die Standards gesetzt werden. Vom Kabel und Stecker bis zu den Übertragungsprotokollen und zur Interoperabilität werden möglichst allgemein gültige Standards gebraucht, damit Industrie 4.0 in der Praxis funktionieren kann. Was wir für einen global ungehinderten Datenfluss vor allem brauchen, sind einheitliche Signalpakete oder Stacks für Sensoren, Aktoren und Antriebe. Damit würde echtes Plug&Produce möglich.

In der IT-Welt funktioniert Plug&Play schon. Kann man das nicht einfach übernehmen?

Im industriellen Umfeld ist das eine wesentlich komplexere Aufgabe. Wir haben eine große Bandbreite von Produkten, die man dafür klassifizieren muss. Es gibt gute Ansätze, aber noch viel Arbeit zu leisten. Funktionierendes Plug&Produce hat einschneidende Konsequenzen für die Anbieter – die Produkte werden austauschbar. Industrie 4.0 ist nicht nur eine Frage der Technik.

www.dfki.de

Wie kann man die neueste IT-Technologie für die industrielle Produktion nutzen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, wurde 2005 die Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V. gegründet. Zu den sieben Gründungsmitgliedern zählte auch Pepperl+Fuchs. Projektchef Prof. Dr. Detlef Zühlke leitet am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) in Kaiserslautern den Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme.

„Am DFKI wird visionär gedacht und auf hohem Niveau geforscht. Mit SmartFactoryKL wollten wir den Schritt in die industrielle Praxis vollziehen“, beschreibt Prof. Zühlke die Arbeitsteilung zwischen den beiden Institutionen. Bereits zwei Jahre nach der Gründung war die erste Demonstrationsanlage der SmartFactoryKL fertiggestellt. Darin wurde ein Prozess aus der chemischen Industrie abgebildet, bei dem ein kundenspezifisch konfiguriertes Produkt entsteht: eine individuell befüllte Seifenflasche ab Losgröße 1.

USB-Stecker für die Produktion

Für eine reibungslose Integration der Kommunikation und von Schnittstellen, sind einheitliche Standards unabdingbar. SmartFactoryKL hat diese inzwischen unter anderem für einen Stecker definiert, den Prof. Zühlke „unseren USB-Stecker“ nennt: Er kombiniert Anschlüsse für Betriebsstrom, Druckluft, Ethernet und einen Notauskreis. Mit diesem Stecker werden in der neuesten SmartFactoryKL-Anlage die Infrastukturboxen angeschlossen, die dem Produktionsprozess Energie und einen Kommunikationskanal zur Verfügung stellen. Die beteiligten Unternehmen haben unterschiedliche Varianten dieser Boxen entwickelt. Die Standardanbindung macht sie austauschbar: „Der potentielle Käufer kann die Einheiten vergleichen und sich ohne Einschränkung für das Produkt entscheiden, das seinen Anforderungen am besten entspricht. Die Standardisierung schafft also nicht nur technische Durchgängigkeit, sie öffnet auch den Wettbewerb in Richtung technischer und ökonomischer Effizienz auf der Feldebene“, erläutert Prof. Zühlke.

Die Infrastrukturboxen verrichten ihre Arbeit als Teile der Module, aus denen sich die Anlage zusammensetzt. Diese Module sind völlig autonom, sie kommen ohne direkte mechanische, elektronische oder informationstechnische Verbindung zueinander aus. Entfernt man eines von ihnen, umschifft die Anlage die entstandene Lücke und arbeitet mit den verbliebenen Möglichkeiten weiter. Wird ein Modul hinzugefügt, erkennen die Nachbarn den Neuzugang an seinem RFID-Tag und integrieren ihn in den Ablauf.

Sensorischer Schlüssel RFID

„RFID ist die einzige Übertragungstechnologie, mit der das Lesen und Beschreiben der Produktkennung funktioniert“, erläutert Hicham El Menaouar, Vertriebsingenieur bei Pepperl+Fuchs. „Sie ist ein unverzichtbarer sensorischer Schlüssel zur Industrie 4.0. Entscheidend ist, dass auch bei starken Störeinflüssen ein absolut verlässliches Signal entsteht. Der Sensor muss sich mit einer standardisierten Schnittstelle in die Kommunikationsarchitektur einfügen lassen und so einen durchgängigen Informationsfluss ermöglichen.“

Diese Durchgängigkeit ist in der SmartFactoryKL-Anlage prinzipiell umfassend. Ein integriertes ERP-System sorgt für Transparenz und Effizienz in dem sich ständig wandelnden Prozess. Betriebs- und Produktdaten aus den Produktionsmodulen werden über Protokolle wie OPC UA erfasst, angereichert und strukturiert. Ein Data-Monitoring-System kann bei Bedarf Alarm schlagen oder selbständig bestimmte Parameter ändern. Eine Datendrehscheibe verbindet die Module untereinander und mit den übergreifenden IT-Systemen. Die einzelnen Module können parallel aber auch autonom agieren: Das Fertigungsmodul etwa sendet seine Prozessdaten als Tweets, die über Twitter weltweit abrufbar sind.

Cloud-Kommunikation

Grundsätzlich kann der Demonstrator auch in der Cloud kommunizieren, doch vorerst gibt es dafür noch wenige praktische industrielle Anwendungsmöglichkeiten. Am DFKI wird aber intensiv in diese Richtung geforscht. Dort hat man im Projekt App Pro eine Cloud-Anbindung für Sensoren und Aktoren entwickelt, einschließlich Industrial App Store und passenden Apps, mit denen die Feldgeräte programmiert werden können. „Industrie 4.0 bedeutet auch, dass sich die Produktlebenszyklen noch weiter verringern. Die Hardware muss dann vielleicht alle paar Monate neu programmiert werden. Die Cloud-App-Lösung bietet dafür einen einfachen Weg“, erklärt Prof. Zühlke.

Infos zum Anwender

SmartFactory und DFKI

Die Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V. ist ein Netzwerk von Forschern und Industrieunternehmen, die gemeinsame Projekte mit Blick auf die industrielle Produktion der Zukunft durchführen. Als herstellerunabhängige Demonstrations- und Forschungsplattform entwickelt sie Informations- und Kommunikationstechnologien in realitätsnahen industriellen Produktionsumgebungen.

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) ist auf dem Gebiet innovativer Softwaretechnologien die führende Forschungseinrichtung Deutschlands. Gemessen an Mitarbeiterzahl und Drittmittelvolumen ist es das weltweit größte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und deren Anwendungen.

www.dfki.de

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