interview
Copa-Data zenon: Softwareplattform für die Digitalisierung
Universelle Industriesoftware steht vor Repositionierung: Programmieren durch Konfigurieren zu ersetzen, war vor mehr als 30 Jahren die Idee hinter der Software zenon. Was 1987 als HMI/SCADA-System begann, ist längst zu einer universell nutzbaren Softwareplattform geworden. Sie lässt die Grenzen zwischen OT und IT verschwimmen und bildet die Basis umfassender Lösungen für die industrielle Automatisierung und die Energiebranche. Dazu passend begann Copa-Data auf der SPS IPC Drives 2018, sein Flaggschiffprodukt neu zu positionieren. Was hinter den ersten Ankündigungen steckt, erfahren Sie von Hans-Peter Ziegler, Prokurist und Verkaufsleiter Copa-Data GmbH, CEE/ME. Das Interview führte Ing. Peter Kemptner / x-technik
So wie diese Steinpyramiden in Meroe hat auch die Automatisierungspyramide ihren Zweck erfüllt und wird durch zeitgenössische Architekturen abgelöst.
Hans-Peter Ziegler
Prokurist und Verkaufsleiter Copa-Data GmbH, CEE/ME
„Wir betrachten zenon als vielseitige Basis für Anwendungen in der Fertigung, der Energieverteilung und im Management von Infrastruktur. Deshalb positionieren wir zenon künftig als Softwareplattform.“
Manchmal braucht es Buzzwords wie Industrie 4.0 oder die digitale Transformation, um einer Entwicklung Schwung zu geben. Manchmal ist es aber auch umgekehrt. So wurde die Software zenon von Copa-Data bisher stets als HMI/SCADA-System bezeichnet. Dabei hat sie dessen Grenzen längst hinter sich gelassen und überspannt alle Ebenen der Automatisierungspyramide. Nun positioniert Copa-Data sein Flaggschiffprodukt als Softwareplattform. Grund genug, zu hinterfragen, was sich geändert hat.
zenon ist eine umfassende Software zur Steuerung und Visualisierung aller Prozesse in Produktionsbetrieben und der Energiewirtschaft.
Herr Ziegler, warum spricht Copa-Data neuerdings von einer Plattform?
In der digitalen Transformation wird die Software immer mehr zum zentralen Ankerpunkt jeder Innovation. In einer Welt, in der die klassische Automatisierungspyramide ihre Gültigkeit verloren hat, betrachten wir zenon als vielseitige Basis für Anwendungen in der Fertigung, der Energieverteilung und im Management von Infrastrukturen. Deshalb positionieren wir zenon künftig als Softwareplattform. Dabei handelt es sich lediglich um die Angleichung an den Istzustand.
Die Schublade SCADA/HMI ist längst zu eng geworden, denn zenon ist eine umfassende Software zur Steuerung und Visualisierung aller Prozesse in Produktionsbetrieben und der Energiewirtschaft geworden. Sie eignet sich für kleine und große Anwendungen, von der Einzelmaschine bis zum konzernweiten Anlagennetzwerk. Mit ihr lassen sich Produktionssteuerung und Energiemanagement verbinden. Die Information der Anwender erfolgt mit allen erdenklichen Mitteln, vom HMI-Gerät für den Maschinenbediener über den Großbildschirm im Chefbüro bis zum Smartphone des Instandhalters.
Software für die industrielle Automatisierung ergonomisch, offen, flexibel und skalierbar, zugleich aber auch sicher zu gestalten, erfordert individuelle, anpassungsfähige Architekturen.
Wird zenon durch ein Nachfolgeprodukt abgelöst?
Nein, es handelt sich um organische Weiterentwicklung. Wie bei der Modernisierung von Häusern ziehen wir dabei unter der Oberfläche manchmal auch neue tragende Strukturen ein. Im Fall von zenon geschieht diese Anpassung der Architektur, um die Software vom Betriebssystem oder der Datenbank-Engine unabhängiger zu machen. So hat z. B. die HTML5 Visualisierung bereits ab Version 7.60 die Unabhängigkeit von zugrunde liegenden Systemen erheblich verbessert. Die schrittweise Loslösung von der Basis dient auch dazu, Teile von zenon standortunabhängig auf verschiedenen Cloud-Plattformen nutzen zu können, später eventuell sogar als Software as a Service.
Die konfigurierbaren Anwendungen bringen einen weiteren Schritt zu noch effizienterem Engineering und beschleunigter Implementierung.
Bleibt Microsoft ein strategischer Partner?
Microsoft bleibt auch weiterhin ein strategischer Partner, unsere Kunden sollen aber nicht nur bei ihrer operativen Software, sondern auch bezüglich der unterlegten Systeme die volle Wahlfreiheit haben. Deshalb soll Windows nicht auf ewige Zeiten das einzige Betriebssystem bleiben, auf dem zenon läuft. Auch zum bisher ausschließlich verwendeten SQL Server gibt es populäre Alternativen. Schließlich bleibt Azure zwar unsere bevorzugte Cloud-Plattform, aber zenon wird seinen Nutzern künftig auch auf diesem Gebiet die Freiheiten lassen, die diese innerhalb der Software gewohnt sind.
Warum Softwareplattform und nicht z. B. Softwarelösung?
Das hat etwas mit unserem Geschäftsmodell zu tun: Copa-Data stellt ausschließlich Standard-Software her. zenon ist so gestaltet, dass es durch einfache Parametrierung personalisiert werden kann. Was Copa-Data verkauft, ist dennoch eine für den einzelnen Kunden individuell geschaffene Lösung. Kunden ohne passend aufgestellte und von Copa-Data geschulte Abteilungen erhalten diese von einem branchenkundigen Solution Partner aus dem Copa-Data Partnernetzwerk. Dieser verwendet dazu die modular aufgebaute Plattform, künftig ergänzt um sogenannte Anwendungspakete.
Was hat es mit den erwähnten Anwendungspaketen auf sich?
Die Anwendungspakete als erste leicht greifbare Innovation aus unserer neuen Plattformstrategie sind von Copa-Data selbst geschaffene, getestete Softwarebausteine. Sie lassen sich auf einfache Weise konfigurieren und senken den Konfigurationsaufwand noch einmal deutlich. Die dadurch erzielte Steigerung der Effizienz im Engineering beschleunigt die Umsetzung.
Welche Anwendungspakete werden die ersten sein?
Auf der Brauerei-Fachmesse BrauBeviale 2018 wurde bereits das Anwendungspaket Line Management vorgestellt. Es wird aktuell an ausgewählte Kunden für Beta-Tests ausgeliefert. Es wird die Aufgabe stark vereinfachen, mehrere Maschinen, Handhabungsgeräte, etc. zu einer Produktionslinie zusammenzufassen. Nach und nach werden viele weitere Pakete für verschiedene Branchen folgen.
Was ist der Hauptnutzen für zenon-Anwender?
Der wichtigste Aspekt ist sicherlich die schnelle und damit kostengünstige Realisierung einer kundenindividuellen Lösung mit hoher Funktionstiefe. Weil die Entwickler bei Copa-Data besser als jeder Externe wissen, wie weit man gehen kann, unterstützen die Anwendungspakete die Ausführenden dabei, die volle Bandbreite der Möglichkeiten auszuschöpfen. So unterstützt die Software die Digitalisierungsschritte der Kunden und ermöglicht diesen, z. B. Konzepte für Predictive Maintenance oder Augmented Reality in der Instandhaltung umzusetzen oder Predictive Analytics im Berichtswesen.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil für unsere Kunden ist die erheblich vereinfachte Wartbarkeit. Während der oft sehr langen Nutzungsdauer einer Anlage ergibt sich immer wieder die Notwendigkeit für Veränderungen, etwa um neu hinzu gekommene Hardware einzubinden oder geänderte Vorschriften und Berichtspflichten zu berücksichtigen.
Erweitert sich dadurch auch der Funktionsumfang von zenon?
Nicht mehr, als das in der laufenden Weiterentwicklung ohnedies der Fall wäre. Allerdings vereinfacht die Plattform-Architektur erheblich die Skalierung von Projekten in alle Richtungen. Das reicht vom Einbeziehen zusätzlicher Sensoren, Maschinen oder ganzer Werke über ein zusätzliches Management-Dashboard in der Konzernzentrale bis zur Verknüpfung mit der Gebäudeleittechnik, um die Energieeffizienz der Anlage zu steigern.
Wird es auch weiterhin zenon Logic geben?
Wie der zenon Analyzer wird auch zenon Logic nicht mehr extra ausgewiesen, sondern ist jetzt Teil der Plattform. Seine Funktion bleibt jedoch unverändert. Er kann – wie übrigens auch jede andere Steuerung – innerhalb der zenon-Gesamtapplikation eingebunden sein, um Steuerungsaufgaben zu lösen. Er kann vor allem aber eine Steuerungsfunktion dort einführen, wo diese lokal benötigt wird und sich der Einsatz einer eigenen SPS nicht lohnt. So lassen sich diese auch z. B. mit geringem Aufwand professionell steuern, ohne in bestehende Systeme einzugreifen. Und man kann zenon Logic auch für die Simulation nutzen, um mit virtueller Inbetriebnahme die Inbetriebnahmezeit vor Ort zu minimieren. Für Embedded-Anwendungen ist die Soft-SPS auch weiterhin unter dem Namen Straton separat verfügbar.
Wie sieht es mit der Kompatibilität zu bestehenden Installationen aus?
Wer zenon kennt, weiß, dass wir bei Weiterentwicklungen sehr genau darauf achten, stets kompatibel zu bleiben. Bestehende Anwendungen (Projekte) beim Wechsel auf neue zenon-Versionen einfach und ohne Verluste migrieren zu können, ist ein Teil unserer Erfolgsgeschichte. Da so die bisherige Engineering-Leistung erhalten bleibt, werden wir dieses Prinzip auch weiterhin konsequent berücksichtigen, um unseren Anwendern damit langfristigen Investitionsschutz und Agilität zu bieten. Die Plattform wird die volle Aufwärtskompatibilität bieten und bis Version 6.20 auch abwärtskompatibel sein.
Was ändert sich bei der Lizenzierung?
Aktuell kaufen unsere Kunden zenon über eine einmalige Lizenzgebühr. Sie können zusätzlich einen jährlichen Wartungsvertrag abschließen. Ergänzend dazu führen wir ein neues, Abonnement-basiertes Modell ein, das neben dem Nutzungsrecht für die Software Wartung und Support des Produktes bereits beinhaltet.
Wann werden diese Änderungen erstmals spürbar?
Erstmals werden wir zenon als Softwareplattform mit dem zenon Release Mitte 2019 ausliefern. Gleichzeitig mit dieser Version 8.10 sind auch die ersten Anwendungspakete zu erwarten.
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