anwenderreportage

PC-based Control von Beckhoff steuert Lackieranlage der Klavierfabrik Bösendorfer

Flexible Anlagenarchitektur und modulares Steuerungskonzept : Die österreichische Klavierfabrik Bösendorfer in Wiener Neustadt gehört zu den weltweit ältesten und renommiertesten Klavierherstellern im Premiumsegment. Um den hohen Energiebedarf beim Lackieren der Flügel zu senken, entschied sich Bösendorfer für eine moderne Lackieranlage des österreichischen Herstellers Berkmann. Durch die neue Anlage wurde der Energieverbrauch um 75 Prozent reduziert. Die Steuerung und Visualisierung der Lackieranlage, inklusive der Beleuchtung, erfolgt über PC-based Control von Beckhoff.

Das modulare I/O-System von Beckhoff setzt Erweiterungen und Änderungen keine Grenzen; auch zukünftige Ergänzungen sind problemlos möglich. Bild: Beckhoff

Das modulare I/O-System von Beckhoff setzt Erweiterungen und Änderungen keine Grenzen; auch zukünftige Ergänzungen sind problemlos möglich. Bild: Beckhoff

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Aufgabenstellung: Installation einer modernen Lackieranlage für die Herstellung von hochwertigen Instrumenten in Hinblick auf Nachhaltigkeit.

Lösung: Die Steuerung und Visualisierung der Lackieranlage, inklusive der Beleuchtung, erfolgt über PC-based Control von Beckhoff, eine intelligente Temperaturregelung wird mittels der TwinCAT Controller Toolbox umgesetzt, zentrale Steuerung der Lackieranlage besteht aus einem Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015, EtherCAT als Kommunikationssystem, den analogen und digitalen EtherCAT-Klemmen sowie TwinCAT 3 PLC. Auf dem Economy-Einbau-Control-Panel CP690x kommt die Visualisierung TwinCAT HMI zum Einsatz.

Nutzen: Durch die neue Anlage wurde der Energieverbrauch um 75 % reduziert. Zudem passiert weniger Ausschuss und die Anlage ist rentabler.

„Bis zu acht Polyesterschichten werden aufgebracht, um die brillante Oberfläche der Bösendorfer Flügel zu erzeugen: Je schwärzer der Lack, desto geringer ist die Streuung des Lichts und desto edler der optische Eindruck“, betont Thomas Broukal, Technischer Direktor bei Bösendorfer. Bei der Entscheidung für eine neue Anlage ging es Bösendorfer vor allem darum, hinsichtlich des Umweltschutzes und der Reduktion des Energieverbrauchs neue Maßstäbe zu setzen. „Damit haben wir die größte Investition in unserer Firmengeschichte getätigt, aber durch die Reduktion des Energieverbrauchs um bis zu 75 Prozent wird sich die Anlage schnell amortisieren“, unterstreicht er in seinen Ausführungen.

1828 gegründet, ist die Wiener Klavierfabrik Bösendorfer heute Teil des Yamaha-Konzerns. Nach dem für Bösendorfer charakteristischen Konstruktionsprinzip wird der Klangkörper zu einem überwiegenden Teil aus massivem Fichtenklangholz gefertigt. Rund 27 Wochen Arbeitszeit − ohne Berücksichtigung der Holztrocknung und Ruhezeiten zwischen den einzelnen Produktionsschritten − fließen in die Fertigstellung eines Flügels. Seinen letzten „Schliff“ erhält er durch die glänzende Oberfläche aus einer hochwertigen Polyester- oder Polyurethanlackierung.

Polyesterlack ist sehr anspruchsvoll in der Verarbeitung. Für ein optimales Ergebnis benötigt er konstant eine Raumtemperatur von 25 °C (±0,5°) sowie eine Luftfeuchtigkeit von 45 bis 50 Prozent . Außerdem muss die Luft in einer definierten Geschwindigkeit aus dem Lackierraum abgesaugt werden, um zu verhindern, dass sich Farbpartikel aus dem Spritznebel nachträglich auf der Lackoberfläche ablagern.

Die mit dem HTML5-basierten TwinCAT HMI erstellte Visualisierung und Bedienung der Lackieranlage erfolgt übersichtlich und komfortabel am Beckhoff Einbau-Touchpanel CP690x. Bild: Beckhoff

Die mit dem HTML5-basierten TwinCAT HMI erstellte Visualisierung und Bedienung der Lackieranlage erfolgt übersichtlich und komfortabel am Beckhoff Einbau-Touchpanel CP690x. Bild: Beckhoff

Thomas Broukal
Technischer Direktor bei Bösendorfer

„Durch die Wärmerückgewinnung der neuen Lackieranlage sparen wir bei der Heizungsleistung nicht nur 75 Prozent der Kosten, sondern reduzieren den CO₂-Ausstoß ebenfalls um 75 Prozent.“

Neue Freiheitsgrade im Anlagendesign

Berkmann Lackieranlagen, das Unternehmen, das mit der neuen Anlage beauftragt wurde, hatte bereits vor rund 30 Jahren die Vorgängeranlage installiert. „Die Prozesslogistik des neuen Lackierbetriebs folgt jedoch einem völlig neuen Konzept“, wie Rainer Berkmann, Leiter für Vertrieb und Technik, erläutert. Die Gerätezentrale, in der Lüftungsgeräte, Filteranlage, Wärmerückgewinnung und -erzeugung untergebracht sind, wurde getrennt von der Werkshalle in einem separaten Gebäude untergebracht. Hierdurch entstanden großzügige Arbeitsplätze im Lackierbereich sowie ein Vorbereitungsarbeitsplatz und Trockenräume. Auch das Lacklager und die Lackaufbereitung wurden in das Anlagenkonzept integriert.

„Unsere Arbeitsabläufe wurden hierdurch optimiert, was sich ebenfalls positiv auf die Oberflächenqualität der Lackierung auswirkt. Wir haben deutlich weniger Ausschuss in der Produktion und die Qualität ist durch geringere Verschmutzung nochmals um eine Stufe verbessert worden. Dies ist ein weiterer Vorteil, wenn es um die Rentabilität der neuen Anlage geht. Auch hier senken wir Kosten“, sagt Broukal. „Voraussetzung dieses neuen, modularen Anlagenkonzepts war die PC- und EtherCAT-basierte Steuerungstechnik von Beckhoff, für die größere Distanzen keine Rolle spielen“, ergänzt Berkmann.

Nach wie vor erfolgt das Lackieren der Flügel in Handarbeit, die viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung voraussetzt. Bild: Beckhoff

Nach wie vor erfolgt das Lackieren der Flügel in Handarbeit, die viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung voraussetzt. Bild: Beckhoff

Rainer Berkmann
Leiter für Vertrieb und Technik bei Berkmann

„Mit EtherCAT und der freien Programmierung nach IEC 61131-3 mussten wir zu keinem Zeitpunkt der Projektumsetzung Sorgen haben, dass wir mit der Auslegung der Steuerung an Grenzen stoßen würden. Auch zukünftige Erweiterungen sind mit EtherCAT problemlos möglich.“

Nachhaltig und kosteneffizient

Durch eine intelligente Temperaturregelung mittels der TwinCAT Controller Toolbox, der Nutzung von Brunnenwasser zur Kühlung sowie der Wärmerückgewinnung aus der Abluft des Lackierraums werden deutliche Energieeinsparungen realisiert. Die auf diese Weise vorkonditionierte Luft muss anschließend nur noch auf die für den Lackierprozess notwendige Raumtemperatur gebracht werden. Kann die Ist-Temperatur durch den dynamischen 250-kW-Holz-Wärmeerzeuger nicht gehalten werden, wird Fernwärme der Stadt zugeschaltet. „Die Energieeinsparung ist insbesondere in der kalten Jahreszeit ein kolossaler Gewinn. Durch die Wärmerückgewinnung sparen wir bei der Heizungsleistung nicht nur 75 Prozent der Kosten, sondern reduzieren den CO₂-Ausstoß ebenfalls um 75 Prozent. Wir reden hier von 70.000 m³ Luftmenge pro Stunde, die zu erwärmen sind, sodass sich mehrere 100 kWh Energie pro Stunde einsparen lassen“, erklärt Broukal.

„Der Clou der Anlage ist die Eliminierung der thermischen Nachverbrennung der Abluft aus dem Lackierraum, die mit einem enorm hohen Gasverbrauch und hoher CO₂-Belastung verbunden war“, betont Berkmann. „Aber nicht nur durch ihren ökologischen Fußabdruck und die High-Quality-Oberflächen überzeugt die neue Lackieranlage: Eine optimierte Beleuchtungstechnik der Spritzräume sowie ein verbesserter Lärmschutz erfüllen die höchsten Standards bezüglich Arbeitsschutzbedingungen.“

V.l. Rainer Berkmann, Leiter für Vertrieb und Technik, Berkmann Lackieranlagen, Thomas Broukal, Technischer Direktor Bösendorfer Klavierfabrik sowie Ralph Schmoll, Technischer Leiter Berkmann Lackieranlagen.

V.l. Rainer Berkmann, Leiter für Vertrieb und Technik, Berkmann Lackieranlagen, Thomas Broukal, Technischer Direktor Bösendorfer Klavierfabrik sowie Ralph Schmoll, Technischer Leiter Berkmann Lackieranlagen.

Ralph Schmoll
Technischer Leiter bei Berkmann Lackieranlagen

„Dank des modularen I/O-Systems von Beckhoff mussten wir die 60 Meter Entfernung zwischen den Schaltschränken, die durch die Separierung der Gerätezentrale von den Lackierräumen entstand, nicht mit komplexen, langen Thermoelementleitungen überbrücken, sondern konnten sie über LWL vernetzen − mit EtherCAT als Kommunikationsprotokoll.“

Offene, modulare Steuerungstechnik erhöht die Flexibilität

„Dank des modularen I/O-Systems von Beckhoff mussten wir die 60 Meter Entfernung zwischen den Schaltschränken, die durch die Separierung der Gerätezentrale von den Lackierräumen entstand, nicht mit komplexen, langen Thermoelementleitungen überbrücken, sondern konnten sie über LWL vernetzen − mit EtherCAT als Kommunikationsprotokoll. Diese Planungsänderung erforderte neben minimalen Anpassungen in der Software lediglich den Einsatz von zwei Modulen: dem Medienkonverter CU1521 und dem EtherCAT-Koppler EK1501 mit Multimode-LWL-Anschluss“, betont Ralph Schmoll, Technischer Leiter Berkmann Lackieranlagen. „Diese Flexibilität ist der große Vorteil der PC-basierten Steuerungstechnik, da sie zu jedem Zeitpunkt erlaubt, beliebig viele weitere Funktionen in die Steuerung einzubinden.“

Die österreichische Klavierfabrik Bösendorfer gehört zu den weltweit ältesten und renommiertesten Klavierherstellern im Premiumsegment. Bild: L. Bösendorfer Klavierfabrik

Die österreichische Klavierfabrik Bösendorfer gehört zu den weltweit ältesten und renommiertesten Klavierherstellern im Premiumsegment. Bild: L. Bösendorfer Klavierfabrik

Infos zum Anwender

Seit 1828 verbindet Bösendorfer Qualität aus Meisterhand mit der Leidenschaft für Musik und widmet sich mit bedingungsloser Hingabe jedem feinsten Detail der Bösendorfer Instrumente. Handgefertigt wird in Österreich. Heute ist die Wiener Klavierfabrik Bösendorfer Teil des Yamaha-Konzerns.

Effizienz als Voraussetzung

„Im weiteren Verlauf der Anlagenumsetzung ergaben sich kundenseitig immer wieder Änderungen und Ergänzungen, sodass wir unser eigentlich schon fertiges Steuerungsschema erweitern mussten“, erklärt Schmoll. „Wichtig war für Bösendorfer z. B. auch das Thema Energiemessung als Voraussetzung eines effizienten Energiemanagements. Zudem wurde doppelt so viel Beleuchtung realisiert wie ursprünglich geplant“, führt Broukal aus. Insgesamt wurden in der finalen Fassung der Steuerung zweieinhalb Mal so viele I/O-Klemmen verbaut wie anfänglich vorgesehen.

„Mit EtherCAT und der freien Programmierung nach IEC 61131-3 mussten wir zu keinem Zeitpunkt der Projektumsetzung Sorgen haben, dass wir mit der Auslegung der Steuerung an Grenzen stoßen würden. Auch zukünftige Erweiterungen sind mit EtherCAT problemlos möglich“, wie der Berkmann-Projektleiter unterstreicht. „Die langjährige Verfügbarkeit der Beckhoff-Steuerungskomponenten gibt unseren Kunden bei einer solch hohen Investition darüber hinaus die notwendige Planungssicherheit: Auch bei zukünftigen Änderungen an der Anlage ist kein Systemwechsel erforderlich“, ergänzt Berkmann.

Die Regelung von Temperatur, Geschwindigkeit und Volumen der Zuluft bzw. Abluft in der Lackierkabine ist alles andere als trivial: Zur Erzeugung einer hochqualitativen Lackschicht bedarf es einer hohen Präzision bei der Einhaltung der physikalischen Parameter. Die zentrale Steuerung der Lackieranlage besteht aus einem Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015, EtherCAT als Kommunikationssystem, den analogen und digitalen EtherCAT-Klemmen sowie TwinCAT 3 PLC. Auf dem Economy-Einbau-Control-Panel CP690x kommt die Visualisierung TwinCAT HMI zum Einsatz.

Zeitgemäßer Bedienkomfort

Die Bedienung der Anlage erfolgt über das Control Panel CP690x außerhalb der Lackierkabine. Realisiert wurde die Visualisierung mit der HTML5-basierten Software TwinCAT HMI. Durch die Webtechnologie kann von jedem PC oder mobilen Endgerät aus über einen einfachen Web-Browser innerhalb der Firma auf die Anlage zugegriffen werden. „Die Bedienoberfläche ist selbsterklärend und für den Operator einfach zu bedienen“, wie Ralph Schmoll erklärt. So kann der Lackierer aus vorinstallierten Funktionen auswählen: z. B. Lackschicht 1 bis 8, Trocknen oder Nachbearbeitung. Für die einzelnen Lackschichten sind jeweils die Luftzufuhr, -temperatur und -geschwindigkeit programmiert. Gegenüber der Vorgängeranlage wurde die Bedienoberfläche um verschiedene neue Funktionen erweitert, wie z. B. die vollständige Prozessdarstellung mit allen Sensoren sowie allen Anlagen- und Prozessparametern. Alarming und Trendaufzeichnung sind ebenfalls integriert, die sich u. a. für die Wartung und Optimierung der Lackieranlage nutzen lassen. „Der Bediener kann außerdem direkt in den Prozess eingreifen. Dies ist ein ganz großer Vorteil gegenüber der Vorgängeranlage“, so Schmoll.

Die Beleuchtung im gesamten Geschoss kann ebenfalls über das Control Panel CP690x bedient werden. „Auch die nicht Ex-Beleuchtung – das normale Gebäudelicht – läuft über die HMI“, ergänzt Schmoll. „Durch die frei programmierbare Steuerung kann die Anlage inklusive der Beleuchtung mit einem einzigen Schalter über die SPS ausgeschaltet werden. Alternativ lassen sich aber auch alle Anlagenfunktionen mittels Taster in den Lackierkabinen schalten. Das optimiert den Arbeitsprozess und bringt Flexibilität in die Arbeitsschritte der Mitarbeiter.“

„Die Klavierfabrik Bösendorfer ist ein wunderbares Beispiel, wie sich in einer zukunftsweisenden Produktion handwerkliche Tradition und modernste Technologie ergänzen“, betont Frederike Beckhoff, Assistenz der Beckhoff-Geschäftsleitung. „Ich bin stolze Besitzerin eines Bösendorfer-Flügels, den mir mein Großvater zu meiner Geburt geschenkt hat. Dass wir mit unserer Steuerungstechnologie dazu beitragen können, die Qualität der Hochglanzoberfläche und die Energieeffizienz des Lackiervorgangs zu steigern, freut mich ganz besonders.“

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