interview

Metris UX Plattform setzt neue Maßstäbe für IIoT Technologien

Vom Systemintegrator zum Prozess-Innovator: Andritz digitalisiert! Mit über 30 Jahren Erfahrung als reiner Inhouse-Systemintegrator in der Automatisierung von Prozesstechnologien lässt der aus Graz stammende, internationale Technologiekonzern Andritz nun mit der Eigenentwicklung einer innovativen Plattform inklusive digitaler Lösungen aufhorchen. Wie kaum ein anderes Unternehmen entwickelt Andritz basierend auf Industrial Internet of Things (IIoT) Erkenntnissen digitale Lösungen unter der Dachmarke Metris. In der Automation profitieren Klein- bis Großbetriebe von den positiven Performance-Effekten durch die Digitalisierung – egal ob für einzelne Maschinen oder die komplette Smart Factory. Bis dato wurden so Andritz-Kunden mehr als 150 Millionen an Einsparungen ermöglicht. Und diese Tendenz ist steigend. Wie dieser Innovationssprung Andritz gelungen ist und was sich unter ihrer neuesten innovativen Lösung, der Metris UX Plattform an digitalen Leistungen verbirgt, das erfuhr x-technik im Gespräch mit Hermann Obermair, Senior Vice President Automation Sales bei Andritz Automation. Das Gespräch führte Luzia Haunschmidt, x-technik

Andritz hat seinen bisherigen Fokus auf Maschinen und Produktionslinien um die gesamte Prozessbetrachtung inklusive der ERP-Welt – vom Lieferanten bis zum auszuliefernden Produkt – aus der holistischen Brille eines produzierenden Unternehmens erweitert. 

Hermann Obermair, Senior Vice President Automation Sales bei Andritz Automation

Andritz hat seinen bisherigen Fokus auf Maschinen und Produktionslinien um die gesamte Prozessbetrachtung inklusive der ERP-Welt – vom Lieferanten bis zum auszuliefernden Produkt – aus der holistischen Brille eines produzierenden Unternehmens erweitert. Hermann Obermair, Senior Vice President Automation Sales bei Andritz Automation

Der Technologiekonzern Andritz

Andritz ist einer der weltweit führenden Lieferanten von Anlagen, Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke, die Zellstoff- und Papierindustrie, die metallverarbeitende Industrie und Stahlindustrie sowie für kommunale und industrielle Fest-Flüssig-Trennung. Weitere wesentliche Geschäftsfelder sind die Tierfutter- und Biomassepelletierung sowie die Automatisierung, wo Andritz unter der Marke Metris eine breite Palette von innovativen Produkten und Dienstleistungen im Bereich Industrial Internet of Things (IIoT) anbietet. Darüber hinaus ist der internationale Technologiekonzern auch im Bereich der Energieerzeugung (Dampfkesselanlagen, Biomassekraftwerke, Rückgewinnungskessel sowie Gasifizierungsanlagen) und Umwelttechnik (Rauchgasreinigungsanlagen) tätig und bietet Anlagen zur Produktion von Vliesstoffen, Viskosezellstoff und Faserplatten sowie Recyclinganlagen an.

Der Hauptsitz des börsennotierten Konzerns befindet sich in Graz, Österreich. Mit über 170 Jahren Erfahrung, zirka 29.600 Mitarbeitern und über 280 Standorten in mehr als 40 Ländern weltweit unterstützt Andritz als verlässlicher und kompetenter Partner seine Kunden dabei, ihre Unternehmens- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

www.andritz.com

Herr Obermair, wie kaum ein anderer Maschinen- und Anlagenbauer hat sich Andritz am internationalen Markt einen herausragenden Ruf geschaffen. Doch selbst diese top Marktstellung war Andritz – so wie es scheint – noch nicht gut genug. Können Sie kurz umreißen, was Andritz heute im Bereich der Automatisierungstechnik vom reinen Inhouse Systemintegrator zum Prozess-Innovator aufsteigen hat lassen?

Mit 30 Jahren Know-how im Bereich Maschinen- und Anlagensteuerungssystemen, welche von Kleinmaschinen bis hin zu Großanlagen im Einsatz sind, konnte sich die Division Andritz Automation mit 2.000 Mitarbeitern und 110 Standorten weltweit zu einem der führenden Unternehmen in diesem Gebiet etablieren. Dabei war der Fokus auf die Andritz Kernindustrien, und hier auf das eigene Automation-Business und jene Projekte welche Elektrik, Instrumentierung, Engineering und Automatisierung – von der Antriebs- bis zur Sicherheitstechnik beinhalten – gelegt worden. Dies erfolgte mittels zugekaufter automatisierenden Fremdsysteme, welche von Andritz zu Gesamtanlagen veredelt wurden. Unter dieser gewachsenen Perspektive war Andritz Automation – bis vor kurzem – ein reiner Inhouse-Systemintegrator.

Nun, diese Ausrichtung hat sich mittlerweile sehr verändert: Im Zuge der Digitalisierung hat Andritz sein Expertenwissen zu nutzen gewusst und die Chance ergriffen, sich vom ursprünglichen reinen Systemintegrator zum Prozess-Innovator zu entwickeln.

Andritz entwickelt basierend auf Industrial Internet of Things (IIoT) Erkenntnissen digitale Lösungen unter der Dachmarke Metris.

Andritz entwickelt basierend auf Industrial Internet of Things (IIoT) Erkenntnissen digitale Lösungen unter der Dachmarke Metris.

Das lässt vermuten, dass Andritz nun eigene digitale Produkte und Services anbietet …

Absolut richtig! Denn Andritz hat seinen bisherigen Fokus auf Maschinen und Produktionslinien um die gesamte Prozessbetrachtung inklusive der ERP-Welt (Enterprise Resource Planning) – vom Lieferanten bis zum auszuliefernden Produkt – aus der holistischen Brille eines produzierenden Unternehmens erweitert.

Dazu wurde bereits 2007 eine eigene Division geschaffen, die Andritz Process Optimization – kurz APO –, welche heute mit mehr als zehn Jahren Expertise in der Digitalisierung bereits eine Vielzahl an entscheidenden Schlüsselprojekten erfolgreich umgesetzt hat. So werden beispielsweise mithilfe der von APO entwickelten Lösung Metris OPP (Optimization of Process Performance), Anlagen der Zellstoff-, Chemie- und Stahlindustrie schon seit Jahren digital optimiert.

Den Auftakt zur Entwicklung der Plattform Metris UX gab der DCS-Bereich, der heutigen Automatisierungslösung Metris X.

Den Auftakt zur Entwicklung der Plattform Metris UX gab der DCS-Bereich, der heutigen Automatisierungslösung Metris X.

Was darf man sich unter Metris OPP vorstellen?

Metris OPP ist eine Auswertungs- und Analysesoftware, die Daten aus diversen Systemen über jeden einzelnen Regelkreis, jedes Regelventil, jeden Motor sowie andere Regelgrößen im Anlagenprozess sammelt. Modernste Signalverarbeitung und statistische Werkzeuge erkennen das Optimierungspotenzial, das in Folge von den Andritz-Experten, die mit dem kundenseitigen Betriebs- und Wartungspersonal zusammenarbeiten, bewertet wird. Der Effekt davon ist, dass die Anlagensicherheit steigt und es deutlich weniger Produktionsverluste gibt.

Und natürlich wurde und wird Metris OPP unter der Prämisse dreier Treiber – nämlich Automatisierung, IT und neuen Technologien basierend auf Deep Learning – kontinuierlich weiterentwickelt. Die Kombination von State-of–the-Art Sensortechnologien, neuartigen Datenanalysemethoden und dem weltweiten Experten-Netzwerk von Andritz hat bis dato unseren Kunden mehr als 150 Millionen Euro an Einsparungen ermöglicht – und die Tendenz ist steigend.

Die bereits anfangs erwähnte Metris UX Plattform, in welcher Metris OPP integriert ist, ist mit seiner Architektur nicht nur auf einzelne Produktionslinien, sondern auch auf Fabriken in ihrer Gesamtheit ausgerichtet. Das bedeutet, dass auch MES- und ERP-Systeme sowie Enterprise Applications mit Cloudlösungen mit abgedeckt sind. Andritz bietet das in einer All-In-One Lösung an und kann hierbei auch die jeweiligen Inhouse-Entwicklungen sowie Technologien und Systeme von Drittanbietern integrieren. Die Metris UX Apps und alle Metris OPP Services decken mit ihrer umfangreichen Produktpalette so derzeit mit einer Auswahl von 60 Apps und rund 500 kundenspezifischen Features eine breite Palette an digitalen Kundenlösungen an.

Kunden können auch von den Smart Services von Andritz Automation profitieren – diese ermöglichen nebst einer Anlagenstillstand-Prävention, Zeit- und Kostenersparnis.

Kunden können auch von den Smart Services von Andritz Automation profitieren – diese ermöglichen nebst einer Anlagenstillstand-Prävention, Zeit- und Kostenersparnis.

In welchen Branchen kommen Metris Technologien, insbesondere die erwähnte Metris UX Plattform in Kombination mit Metris OPP, zum Einsatz?

Metris OPP ist unser Innovationspaket für prozessnahe Anlagen – gleich ob für Greenfield- oder Brownfield-Anlagen. In den neueren Anlagen werden naturgemäß ausschließlich aktuellste Technologien implementiert. Bestehende Anlagen hingegen erleben ihre Modernisierung meist unter der Voraussetzung auf existierendes Automatisierungsequipment aufsetzen zu müssen, was beispielsweise durch ein modernes Process Control System erfolgt. Bei Andritz Automation können wir dies mit der Metris UX Plattform lösen.

Metris OPP ist in den letzten 10 Jahren vorwiegend in der Papierindustrie erfolgreich eingesetzt worden – die dahinterliegende Technologie von Metris OPP als auch Metris UX umfasst jedoch jegliche Branchen, welche prozessnahe Anlagen im Einsatz haben.

Welche Applikationslösungen konzentriert dabei Andritz unter seiner Automation-Architektur?

Unter dieser Architektur konzentrieren wir uns auf die im Jahr 2018 neu entwickelten Apps, nämlich DCS (Distributed Control System), Cybersecurity und Business Intelligence mit verschiedenen Assets zur Performance-Steigerung. Darüber hinaus fokussieren wir dazu auch die entsprechenden Kommunikationsschnittstellen. Die Bündelung all dieser Themen findet sich in der von Andritz Automation geschaffenen Plattform Metris UX.

Das hört sich nach einer sehr mächtigen Plattform an. Mit welcher dieser Thematiken wurde Metris UX gestartet und was fokussiert diese?

Den Auftakt zur Entwicklung der Plattform Metris UX gab der DCS-Bereich, der heutigen Automatisierungslösung Metris X. Unter einem Dach bietet Andritz Automation Supportleistungen für Industrieanlagen – von verschiedensten Steuerungssystemen unterschiedlichster Anbieter (was heißt, dass Andritz hier als DCS full packager fungiert) bis hin zu digitalen High-End-Lösungen – über deren gesamten Lebenszyklus. Die Synergien zwischen Automatisierung und IT bilden dabei die Basis für optimierte, individuelle Lösungen aus einer Hand. Und selbstredend wird hierzu ein umfangreiches Portfolio an integrierten Engineering-Funktionen geboten.

Und welche Effekte können mit welchen Apps unter Business Intelligence ermöglicht werden?

Unter Business Intelligence verstehen wir u. a. die Apps Production Management und Production Performance, Process Optimization, integrierte Echtzeit-Simulation für die Produktions- und Anlagenebene, Digital Twin, Maintenance und Condition Monitoring sowie Collaboration & Workplace.

All diese Apps zielen auf eine hohe Skalierbarkeit ab – ob für einzelne Maschinen oder für smarte Fabriken – und das in sämtlichen Branchenlösungen. Auch werden alle gesammelten und neu generierten Datensätze ganz nach Wunsch entweder vor Ort oder mithilfe einer Cloud-Lösung gespeichert. Die Effekte, die mit Hilfe dieser Apps erreicht werden, sind höhere Produktivität sowie eine erhebliche Reduzierung der Ausfallzeiten. Darüber hinaus können Kunden auch von den Smart Services von Andritz Automation profitieren – auch diese ermöglichen nebst einer Anlagenstillstand-Prävention eine Zeit- und Kostenersparnis.

Apropos Kosten – können Lösungen wie Metris OPP oder Metris UX nur per Lizenz erworben werden oder auch in Tarif-Varianten wie beispielsweise „Pay-per-Use“?

Einen klassischen Lizenz-Vertrag gibt es für die Nutzung von Metris Lösungen prinzipiell nicht – dieses Nutzungsmodell ist heutzutage schlichtweg abgelaufen. Dafür gibt es die wesentlich nutzerfreundlichere Pay-per-Use Abgeltung entsprechend der verschiedenen Leistungsklassen unserer Metris Apps.

Eine Besonderheit hierzu stellt unser Bereich für Pulp and Paper dar. Hier werden von Zellstoff- und Papierfabriken in wirklich großen Anlagendimensionen unsere Metris OPP Modernisierungen nicht mithilfe des üblichen „Pay-per-Use“ Schemas beglichen, sondern – und das wird weltweit einzigartig nur bei Andritz geboten – ausschließlich über „Pay-per-Effort“ bezahlt. Unsere Kunden dieser beiden Branchen wissen diese spezielle Art der „Nutzungsgebühr“ zu schätzen, denn ihr Risiko bei einem durchzuführenden Retrofit ihrer Anlagen ist praktisch gleich Null, da sie nur die tatsächlich realisierte Performance-Steigerung abgelten.

„Kostenfreundlichkeit“ hört man immer gerne! Doch auch die Benutzerfreundlichkeit spielt für App-Anwender mittlerweile eine immer größere Rolle …

Dessen sind wir uns bei Andritz vollkommen bewusst. Daher unterstützt die Sprachsteuerung „Sophia“ die User in allen 60 Apps der Metris UX Plattform. Dass in der Entwicklung der einzelnen Apps die Usability ein große Rolle spielt, ist für uns ohnehin ein Muss.

Das klingt alles sehr verlockend, doch haftet aktuellen IoT-Lösungen immer noch die berechtigte Furcht an, Opfer einer Cyberattacke zu werden. Wie begegnet Andritz dieser Situation auf der operativen Technologie-Ebene?

Es freut mich besonders, dass wir hier eine integrierte Security von der OT-Ebene bis hin zur Feldebene (!) über unser gesamtes Metris-Portfolio an digitalen Lösungen anbieten. Dazu haben wir jüngst ein Joint Venture mit dem israelischen Unternehmen Otorio geschlossen.

Otorio wurde von ehemaligen Cyberexperten der israelischen Armee gegründet und kann somit auf jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Cybersecurity verweisen. Das kam Andritz sehr entgegen – und so konnten wir gemeinsam mit Otorio ein umfangreiches Cybersecurity-Programm entwickeln, das von Bewertungen und vertieften Beratungsdienstleistungen bis hin zur Anwendung bewährter Cybersecurity- und Risikomanagementtechnologien reicht.

Demnach hat Andritz die innovativen Lösungen von Otorio in die eigenen marktführenden Produkte und Dienstleistungen integriert und stellt dadurch sicher, dass jede Maschine/Anlage die höchsten Cybersecurity-Standards erfüllt. Die hochentwickelten Leistungen werden auf sicherster Art und Weise geliefert und sorgen für kontinuierliche, effiziente und wirksame Produktion – und das mit urheberrechtlich geschützter Datensicherheit.

Proprietäre Systeme waren in der Vergangenheit gang und gäbe – doch heute sind offene Systeme der Standard. Welche Architektur-Strategie verfolgen Metris Technologien?

Als langjähriger Systemintegrator hat Andritz die Vorteile offener Systeme schon immer zu schätzen gewusst und darüber hinaus auch erkannt, dass dieser Trend bei der Entwicklung von Metris Produkten und Lösungen unabdingbare Voraussetzung ist. Somit ist das Metris Portfolio in all seinen Ausprägungen entsprechend den heutigen Forderungen des Marktes als durchgängige, offene System-Architektur gestaltet.

Herr Obermair, ein herzliches Dankeschön für den Überblick über die neuesten Metris Entwicklungen! Ich hoffe bereits jetzt, dass unsere Leserschaft in nächster Zeit noch detailliertere Informationen zur Metris UX Plattform erhalten wird …

Frau Haunschmidt, darauf können Sie gerne wetten … (sprachs, und ließ mich verschmitzt lächelnd, hoffnungsvoll sitzen …)

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