anwenderreportage

Roboter am Bau – Utopie oder schon Realität?

ABB-Roboter an der TU Graz eröffnet neue Möglichkeiten in innovativer Bautechnik: Neben der praxisnahen und kreativen Ausbildung von Architekturstudenten zählt eine forschungsorientierte und wissenschaftliche Arbeit, auch in Kooperation mit Unternehmen aus der Bauindustrie, zu den wesentlichen Aufgaben des an der TU Graz situierten Instituts für Tragwerksentwurf. Schwerpunkt der Forschung am Institut bilden die Entwicklung innovativer Hybridbauweisen unter Verwendung neuer Materialien sowie die Implementierung neuartiger robotergestützter Prozesstechniken für das Bauwesen. Dafür steht im eigenen „Roboter Design Labor“ eine Forschungs- und Versuchsanlage zur Verfügung, die von ABB geplant und geliefert wurde. Autor: Ing. Norbert Novotny / x-technik

Roboter Design Labor

Ausstattung:
ABB Industrieroboter IRB 6660 (mit ForceControl)
Präzisionslinienachse
Bearbeitungsspindel 1 4.0 kW, 30.000 U/min
Bearbeitungsspindel 2 11.8 kW, 18.000 U/min
Werkzeugbahnhof mit automatischem Werkzeugwechsel
Aufspanntisch 2.000 / 1.500 / 300 bzw. 1.000 mm

Software:
CAD-Programm Rhino
Parametrisches Konstruieren mit Grasshopper
CAM-Programm hyperMILL
Übersetzung in Roboterdaten mit pi-Path
offline-Programmierung mit RobotStudio

Tragkonstruktionen sind ein formgebender Bestandteil eines jeden Bauwerks und deren sicheres Funktionieren ist eine unabdingbare Notwendigkeit. Deshalb sind sowohl das Verstehen des Tragverhaltens sowie das Aufzeigen der Formenvielfalt von Tragkonstruktionen wichtige Bestandteile in der Lehre für Architekturstudenten. Das Institut für Tragwerksentwurf an der Fakultät für Architektur in Graz spannt dabei den Bogen von der Vermittlung des Grundlagenwissens über mechanische und baupraktische Zusammenhänge einfacher Tragstrukturen wie Balken, Fachwerk, Seil, Bogen und Rahmen bis hin zu aktuellen Fragestellungen wie des Entwurfs und der Umsetzung von Tragkonstruktionen in zunehmend komplexen Prozessen der digitalen Planung.

Die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Bauindustrie, bietet die Möglichkeit zum forschungsorientierten aber praxisnahen, kreativen und wissenschaftlichen Arbeiten. Angestrebt wird dabei ein enger Kontakt zur Baupraxis durch Kooperationen mit ausführenden Firmen sowie das Aufzeigen der Machbarkeit durch die Umsetzung von Prototypen. „Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften suchten wir nach einer umfassenden Lösung, das den gesamten, auch digitalen, Prozess des Tragwerksbaus von der Planung bis zum fertigen Werkstück abbilden sollte“, erinnert sich Ass.Prof. DI Dr.nat.techn. Andreas Trummer, stellvertretender Leiter des Instituts für Tragwerksentwurf.

Vom Formenbau bis zur Nachbearbeitung

Für den eigentlichen Fertigungsprozess von Tragwerkskonstruktionen aus Beton wünschte man sich für dieses Projekt in Graz eine Forschungs- und Versuchsanlage, bei der ein Roboter sowohl die Formen für die zu gießenden Betonwerkstücke fräst als auch die fertigen Bauteile nachbearbeitet. „Man hatte die Vision einer Universalmaschine, die die digitalen Planungsdaten aus dem CAD übernimmt, und vom Formenbau bis zur Bearbeitung des Fertigteils alles in einer Anlage durchführt“, so Andreas Trummer.

Dabei forderten die Grazer bei der Bearbeitung sowohl harter als auch weicher Materialien bei einer maximalen Bauteilabmessung von 6.000 x 1.000 x 1.200 mm eine Genauigkeit von +/- 0,2 mm über den gesamten Arbeitsbereich. Dies waren Vorgaben, die der Anlage ein Höchstmaß an Flexibilität und Präzision abverlangte. Zudem plante man in Graz mit Versuchsreihen mit ultrahochfestem Beton (UHPC). Dieser verfügt über herausragende Materialeigenschaften, die sich von jenen eines herkömmlichen Betons in vielen Bereichen grundlegend unterscheiden und somit völlig neue Möglichkeiten im Betonbau – wie beispielsweise besonders schlanke, leichte und weit gespannte Tragwerke – eröffnen.

Nach zahlreichen Gesprächen mit Roboteranbietern stellte sich schnell heraus, mit wem die Grazer dieses Projekt realisieren wollten: „ABB war der einzige Hersteller, der sich an die praktische Umsetzung dieser Anlage heranwagte und garantierte, uns während des gesamten Projektes ganzheitlich zu betreuen“, verrät Trummer und er fährt fort: „Von der Realisierung der Schnittstelle zum CAD-Programm Rhino 4.0 über die Implementierung der CAM-Software bis zur Inbetriebnahme des Roboters inklusive dessen Peripherie. Ein Komplettpaket, das uns überzeugte und in der Nachbetrachtung all unsere Erwartungen erfüllen konnte“.

„Nach einem Abgleich der breit aufgestellten Anforderungen seitens des Instituts mit der technischen Machbarkeit konnte ein gemeinsames Anlagen-Setup gefunden werden, die die gewünschte Präzision erfüllt und zudem mit einer sehr einfachen Programmierbarkeit von der CAD/CAM-Schnittstelle bis zu Roboterprogrammierung punktet“, zeigt sich auch DI (FH) Martin Kohlmaier, Leiter Robots & Applications bei ABB Robotics Österreich, zufrieden.

Roboter für Hochleistungsapplikationen

Herzstück der Anlage ist der starke und robuste Industrieroboter IRB 6660 von ABB, der auf einer zusätzlichen Linearachse montiert ist, die ermöglicht, Bauteile bis zu sechs Meter Länge zu bearbeiten. „Er ist der Knickarmroboter mit der höchsten Steifigkeit auf dem Markt. Das wirkt sich äußerst positiv auf die Genauigkeit beim Fräsen aus. Die parallele Armkonstruktion und eine kompakte mechanische Struktur prädestinieren den IRB 6660 für die Bearbeitung hochfester Werkstoffe. Doppelte Lagerungen sowie leistungsstarke Motoren und Getriebe ergänzen den Roboter optimal“, argumentiert DI (FH) David Kittl, Verkaufs- und Projektmanager bei ABB Robotics Österreich.

Darüber hinaus ist der Roboter mit dem ABB-Funktionspaket ForceControl ausgestattet. „Die Krafteinwirkung beim Bearbeitungsprozess wird mittels eines Sensors erfasst und durch die Anpassung der Vorschubgeschwindigkeit und der Bearbeitungskraft bei Einhaltung der Bahn sicher geregelt, wodurch wiederum bessere Prozessergebnisse und eine konstante Produktqualität erreicht werden“, ergänzt Kohlmaier.

Da die Nachbearbeitung der ultrahochfesten Betonsorte UHPC nur in der Nassbearbeitung funktioniert und somit die Anlage eine feuchtigkeitstaugliche Ausstattung benötigte, wurde der Roboter in der in rauen Umgebungsbedingungen bewährten Ausführung Foundry Plus 2 geliefert. „Es war jedoch unumgänglich, auch eine gegen Feuchtigkeit und Betonstaub resistente Linearachse zu realisieren. In Kooperation mit der Partnerfirma Nomotec konnte eine Fahrbahn mit der geforderten Schutzklasse entwickelt werden, die dazu die nötige Präzision über die gesamte Strecke gewährleisten konnte“, so Martin Kohlmaier.

Vielschichtige Aufgaben erfordert Flexibilität

Da für die Forschungs- und Versuchsanlage neben der Betonbearbeitung auch Aufgaben aus dem Modellbau bzw. Design anstehen, arbeitet der Roboter mit zwei unterschiedlichen Bearbeitungsspindeln. Für schwere Bearbeitung wird eine starke Spindel mit einer Leistung von 12 kW und 18.000 U/min eingesetzt, die Werkzeuge werden manuell gewechselt. Im Modellbau leistet für feinste Fünf-Achs-Bearbeitungen von Werkstücken aus Holz oder Styrodur eine kleinere, hochdrehende Spindel mit 30.000 U/min und 4 kW Leistung hervorragende Dienste. Hier erfolgt der Werkzeugwechsel automatisch, wobei die Werkzeuge aus einem Werkzeugbahnhof entnommen werden.

„Beim Werkzeugeinsatz stehen wir selbst noch am Anfang und lernen jeden Tag dazu. Die Aufgaben der Anlage sind sehr vielschichtig – vom Feinschliff für Betonproben, um Faserorientierungen darin ablesen zu können, bis zur Ermittlung von maximalen Abtragsmengen und –geschwindigkeiten als Basis für eine eventuell in Zukunft realisierte Fertigteilproduktion. In enger Zusammenarbeit mit Werkzeugbaufirmen werden die Werkzeuge kontinuierlich optimiert“, erläutert Andreas Trummer.

Durchgängige CAD/CAM-Prozesskette

Als die zum CAD-Programm Rhino 4.0 passende CAM-Lösung wählte man hyperMILL von Open Mind – in Österreich vertreten durch die Westcam Datentechnik GmbH. „In diesem Bereich arbeiten wir mit dem CAM-Spezialisten Westcam zusammen. Diese Partnerschaft beweist, dass vorhandene Kompetenz zweier Unternehmen ausgezeichnet miteinander verknüpft werden kann“, freut sich Kohlmaier. Aus dem im Rhino konstruierten Modell wird in hyperMILL die Frässtrategie entwickelt und schafft somit eine durchgängige CAD/CAM-Prozesskette. Anschließend wird das generierte Fräsprogramm mittels der von ABB bereitgestellten Software pi-Path in ein Bewegungsprogramm für den Roboter umgewandelt.

„Neben unserem Know-how in Sachen Roboter und der Erfahrungen in der mechanischen Oberflächenbearbeitung können wir solche Projekte auch softwaretechnisch ganzheitlich bedienen – vom Import der Rohdaten bis zur Bearbeitung des Werkstückes. Der Kunde erhält alles aus einer Hand“, veranschaulicht Martin Kohlmaier die Stärke von ABB.

Ständiger Austausch mit Projektpartner

Als wesentlichen Bestandteil des Projekterfolges sieht Trummer den sehr regen Erfahrungsaustausch sowie die stetige Interaktion zwischen Mitarbeitern der TU Graz, ABB aber auch Westcam bei der Erarbeitung der Konfiguration der gesamten Anlage. „Gerade während des eigentlichen Inbetriebnahmeprozesses und der sehr intensiven Test- und Kalibrierungssphase benötigt man eine konzentrierte Unterstützung durch den Projektpartner. Hier war ABB immer zur Stelle, unter anderem auch, um den Ablauf der Prozesse flüssiger sowie die Bedienung der Anlage schlüssiger zu gestalten“, zeigt sich der stellvertretende Institutsleiter äußerst zufrieden.

Am meisten freut sich Trummer aber darüber, mit der neuen Bearbeitungsanlage sowohl Studierenden als auch Forschern die konkrete Auseinandersetzung mit speziellen Materialien und die reale Bearbeitung von Bauteilen zu ermöglichen: „Es werden gerade immens wichtige Erfahrungswerte gesammelt, die der Vision einer Mechanisierung der Baustelle sehr nützlich sind.“ Somit ist man der Idee, Roboter auf Baustellen zu integrieren, wieder ein Stück weit näher gekommen.

ABB-Roboter-Schulungszentrum an der TU Graz

Im Rahmen eines Kooperationsvertrages wurde die Zusammenarbeit zwischen der TU Graz und ABB noch weiter intensiviert. So errichtet ABB an der Universität in Graz ein zusätzliches Roboterlabor, das in Zukunft sowohl für den Lehrbetrieb als auch für Forschung verwendet wird.

Eröffnung:
12. und 13. Dezember mit einem kostenfreien Schulungsworkshop durch ABB auf der Konferenz ROBARCH 2012 (www.robarch.org).

Ausstattung:
2 x IRB 140 für Pick and Place
1 x IRB 140 für Fräsanwendungen
Handhabungsmodule und Greiftechnik
RobotStudio-Lizenzen für die offline-Programmierung

Ass.Prof. DI Dr.nat.techn. Andreas Trummer
stellvertretender Leiter des Instituts für Tragwerksentwurf.

„ABB war der einzige Hersteller, der sich an die praktische Umsetzung dieser Anlage herranwagte und garantierte, uns während des gesamten Projektes ganzheitlich zu betreuen. Von der Realisierung der Schnittstelle zum CAD-Programm über die Implementierung der CAM-Software bis zur Inbetriebnahme des Roboters inklusive dessen Peripherie. Ein Komplettpaket, das all unsere Erwartungen erfüllen konnte.“

DI (FH) Martin Kohlmaier
Leiter Robots & Applications bei ABB Robotics Österreich

„Nach einem Abgleich der breit aufgestellten Anforderungen seitens des Instituts mit der technischen Machbarkeit konnte ein gemeinsames Anlagen-Setup gefunden werden, die die gewünschte Präzision erfüllt und zudem mit einer sehr einfachen Programmierbarkeit von der CAD/CAM-Schnittstelle bis zu Roboterprogrammierung punktet.“

DI (FH) David Kittl
Verkaufs- und Projektmanager bei ABB Robotics Österreich

„Die parallele Armkonstruktion, eine kompakte mechanische Struktur und seine hohe Steifigkeit prädestinieren den IRB 6660 für die Bearbeitung hochfester Werkstoffe. Doppelte Lagerungen sowie leistungsstarke Motoren und Getriebe ergänzen den Roboter optimal.“

Infos zum Anwender

An der Fakultät für Architektur der TU Graz beginnen jährlich ca. 350 Studenten ihre Ausbildung. Die angehenden Architekten werden im Institut für Tragwerksentwurf über Tragwerkslehre zunächst mit den Grundsätzen der Baumechanik und deren aktuellen Fragestellungen vertraut gemacht. Sie bekommen darüber hinaus einen Einblick in die Systematik der Baukonstruktionen und werden mit den für die Ausführung der verschiedenen Systeme zweckmäßigen Baustoffen und Baumethoden, sowie mit den jeweils neuesten Bausystemen und Bauweisen bekannt gemacht.

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