Flexibilitäts-Plus für die Automatisierung

Skalierbarkeit als Voraussetzung für die Maschinenbau-Individualisierung: Mit Scalability+ und reACTION Technology hat B&R in der jüngsten Vergangenheit Lösungen vorgestellt, die Maschinen- und Anlagenbauern die Entwicklung zahlreicher Maschinenvarianten wesentlich erleichtern. Was hinter diesen Begriffen steckt, wie dadurch Systembrüche verhindert werden und mit welchen Innovationen im kommenden Messeherbst zu rechnen ist, erläutern Hermann Obermair, General Manager Sales Region Austria, und Anton Meindl, Business Manager Controls bei B&R, im Interview mit x-technik AUTOMATION. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Die hundertprozentige Softwarekompatibilität vom stärksten Automation PC mit mehreren Prozessorkernen bis hinunter zur kleinsten Kompaktsteuerung – im Bild die X20-Kompaktsteuerung mit x86-Prozessor und 32 integrierten digitalen und analogen I/Os – ermöglicht Maschinen in unterschiedlichen Ausführungen mit nur einmaliger Softwareentwicklung.

Die hundertprozentige Softwarekompatibilität vom stärksten Automation PC mit mehreren Prozessorkernen bis hinunter zur kleinsten Kompaktsteuerung – im Bild die X20-Kompaktsteuerung mit x86-Prozessor und 32 integrierten digitalen und analogen I/Os – ermöglicht Maschinen in unterschiedlichen Ausführungen mit nur einmaliger Softwareentwicklung.

Hermann Obermair
General Manager Sales Region Austria bei B&R

„Seine hervorragende Marktstellung verdankt der europäische Maschinenbau seinen hochgradig adaptierbaren High-End-Lösungen mit hoher Präzision und Leistungsfähigkeit. Mit dem Solution-Programm Scalability+ bietet B&R den Maschinen- und Anlagenbauern die Möglichkeit, weltweit auch im Midrange- und Low-End-Maschinenmarkt erfolgreich zu sein.“

Vor welcher Herausforderung stehen Maschinen- und Anlagenbauer in Mitteleuropa und speziell in Österreich in Bezug auf den weltweiten Wettbewerb?

Die mit industrietauglichen Displays ausgestatteten Power Panels der T- und C-Serie ermöglichen den Betrieb mit integrierter oder separater Prozessor-Einheit ohne Unterschiede für die Software oder die äußere Gestaltung der Maschine.

Die mit industrietauglichen Displays ausgestatteten Power Panels der T- und C-Serie ermöglichen den Betrieb mit integrierter oder separater Prozessor-Einheit ohne Unterschiede für die Software oder die äußere Gestaltung der Maschine.

Anton Meindl
Business Manager Controls bei B&R

„reACTION Technology verlagert Teile der Systemintelligenz in die Peripherie und ermöglicht so den Ersatz teurer und überdimensionierter Komponenten durch ultraschnelle Automatisierungslösungen, die auf Standard-Hardware basieren und sich in der gewohnten Softwareumgebung programmieren lassen.“

Hermann Obermair:

Maschinen- und Anlagenbauunternehmen in Westeuropa, besonders in den deutschsprachigen Ländern, behaupten ihre hervorragende Stellung auf dem Weltmarkt durch klare Alleinstellungsmerkmale: hohe Funktionalität, solide Qualität und die Fähigkeit zur Individualisierung ihrer Produkte. Mit Spitzentechnologie allein lässt sich heute der Weltmarkt jedoch nicht mehr erobern. Low-End- und Midrange-Maschinen drängen längst auch auf den europäischen Markt und verschärfen die Preissituation am Markt. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen auch europäische Maschinen- und Anlagenbauer ihr Portfolio entsprechend anpassen. Sie bieten deshalb zunehmend Maschinenvarianten an. Allerdings stehen sie hier vor einer großen Herausforderung. Sie sind in den meisten Fällen zwischen der High-End- und der Low-End- oder Midrange-Maschine mit Systembrüchen konfrontiert.

Es ist nach wie vor Stand der Technik, dass Anwendungssoftware für Low-End- und Midrange-Maschinen mit anderen Engineering Tools programmiert wird als für High-End-Maschinen. Das verursacht einerseits einen erheblich höheren Entwicklungs- und Wartungsaufwand für die Software und zehrt andererseits oftmals auch heftig an der Softwarequalität. Jedenfalls ist für erfolgreiche Serienmaschinenbau-Unternehmen aller Branchen und Märkte die optimale Anpassungsmöglichkeit einer so genannten Standardmaschine an die jeweils individuellen Bedürfnisse eines Endkunden – sowohl technisch als auch wirtschaftlich – absolut essentiell. Die Erwartungshaltung von Zukunftskapitänen zur effizienten und profitablen Umsetzung der Serienmaschine mit Losgröße 1 steigt ungebrochen.

Durch Verlagerung eines Teils der Intelligenz in die Peripherie können zeitkritische Vorgänge kostengünstig umgesetzt werden. Das entlastet Feldbus und Steuerrechner und ermöglicht die durchgängige Entwicklung auch besonders zeitkritischer Prozesse mit Standard-Hardware.

Durch Verlagerung eines Teils der Intelligenz in die Peripherie können zeitkritische Vorgänge kostengünstig umgesetzt werden. Das entlastet Feldbus und Steuerrechner und ermöglicht die durchgängige Entwicklung auch besonders zeitkritischer Prozesse mit Standard-Hardware.

B&R hat unter dem Namen Scalability+ ein neues Solution-Programm vorgestellt, das den Anspruch erhebt, die Skalierbarkeit weiter zu treiben als bisher am Markt üblich. Was steckt hinter dieser Bezeichnung?

Anton Meindl:

Das von Herman Obermair genannte Bedürfnis des Maschinen- und Anlagenbaus nach möglichst durchgängiger Skalierbarkeit der Automatisierungstechnik hat B&R bereits früh erkannt und zu einer Maxime der Produkt- und Systementwicklung gemacht. Das zeigt sich an dem seit über 20 Jahren kontinuierlich weiterentwickeltem Automation Studio. Wir bieten eine Automatisierungssoftware für alle Anwendungsmöglichkeiten, gemäß unserem Slogan „one tool, many targets“. Damit die Software rein nach Maßgabe der gewünschten Funktionalität entwickelt und auf die tatsächlich verwendete Hardware geladen werden kann, achtet B&R auf die volle Kompatibilität aller Hardwareprodukte.

Eine uneingeschränkte Skalierbarkeit ermöglicht, dass auch die kleinste Kompaktsteuerung bei Bedarf dieselben mathematischen Berechnungen ausführen kann wie der stärkste Steuerrechner mit mehreren Prozessorkernen, nur eben nicht so schnell. Ähnliches trifft auf die Sicherheitssteuerung SafeLOGIC für die funktionale Sicherheit zu, die mittels der virtuellen Sicherheitssteuerung SafeLOGIC-X auch in Kleinstanwendungen wirtschaftlich anwendbar wird. Das sind zwei Beispiele für unser Solution-Programm Scalability+. Dabei ist nicht nur ein Downsizing des bestehenden Maschinenparks einfach umzusetzen, die Lösung lässt sich effizient und kostengünstig ebenso auch an gestiegene Anforderungen anpassen, also nach oben skalieren.

Scalability+ ist somit ein ganzheitlicher Ansatz, den B&R sowohl auf die Software wie auch Hardware-Produkte anwendet?

Hermann Obermair:

Scalability+ ist eine Produkt- und Lösungsphilosophie, die dafür sorgt, dass sich B&R-Produkte nur in ihrer Leistungsfähigkeit und Funktionalität unterscheiden, nicht aber in der Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Märkten, Branchen oder Regionen. Mit ihrer Hilfe lässt sich integrierte Automatisierung mit geringstem Aufwand und höchster Qualität an unterschiedlichste Performance-Anforderungen anpassen.

Scalability+ beschränkt sich keineswegs auf die Hardware, sondern manifestiert sich auch in häufig weniger beachteten Bereichen. So ist etwa die Kommunikation über standardisierte Mechanismen wie OPC-UA ein Beitrag zur uneingeschränkten Skalierbarkeit von Automationslösungen, ebenso die Fähigkeit zur generischen Diagnose von B&R-Automatisierungs- und Sicherheitshardware beliebiger Größe und Komplexität mit dem Analysetool SDM (System Diagnostics Manager). Gleiches gilt für die werksseitige Assemblierung individueller X20-Systeme zu einbaufertigen Kompletteinheiten. Diese fertig assemblierten und vorgetesteten Steuerungseinheiten reduzieren deutlich die Handlingzeiten im Schaltschrankbau und ermöglichen nebenbei bemerkt einen qualitativ abgesicherten Workflow zum Outsourcing an Dritte.

Wie passen die kürzlich vorgestellten controllerbasierten Visualisierungsprodukte Power Panel T-Series und C-Series in dieses Konzept?

Anton Meindl:

Im Vordergrund stand bei der Entwicklung der neuen Power Panels eine hohe Kompaktheit bei geringen Kosten. Gleichzeitig wollten wir bei Leistungsfähigkeit oder Industrietauglichkeit einschließlich zertifizierter EMV-Verträglichkeit keine Kompromisse eingehen. Die mit industrietauglichen Displays ausgestatteten Geräte ermöglichen den Betrieb mit integrierter oder getrennter Prozessor-Einheit ohne Unterschiede für die Software oder die äußere Gestaltung der Maschine. Sie sind nahtlos eingebettet in das Konzept von Scalability+, bieten die Möglichkeit der hardwareunabhängigen Softwareentwicklung und erlauben so die Anpassung an unterschiedliche Leistungsanforderungen.

Mit bisher kaum vorstellbaren Reaktionszeiten von 1 µs macht reACTION Technology von sich reden. In welchen Anwendungen ist diese Performance ein Vorteil?

Anton Meindl:

In all jenen Anwendungen, wo Präzision und Wiederholgenauigkeit eine wichtige Rollen spielen. Denken Sie da z. B. an eine moderne Abfüllanlage. Dort werden bei sehr hohen Geschwindigkeiten PET-Rohlinge zu Flaschen geformt und anschließend abgefüllt. Je präziser und schneller dieser Vorgang erfolgt, desto dünner kann die Plastikflasche sein, was Material spart. Und desto genauer ist die Befüllung.

Durch Verlagerung eines Teils der Intelligenz von der zentralen Steuerung in die Peripherie können zeitkritische Vorgänge mit hoher Geschwindigkeit, aber gleichzeitiger Kostenreduktion realisiert werden. Die Auslagerung des besonders schnellen Prozesses in die I/Os entlastet sowohl den Feldbus als auch den zentralen Steuerrechner. Beide können sparsamer ausgelegt werden.

Hermann Obermair:

Für besonders zeitkritische Vorgänge sind auch heute noch kostenintensive Rechnersysteme und in Ausnahmefällen sogar sehr teure DSP-Lösungen (Digital Signal Processor) unumgänglich. reACTION Technology wurde mit dem Ziel entwickelt, eine wirtschaftlich attraktive Lösung anzubieten, die mit Automation Studio programmiert werden kann. reACTION Technology ist IEC-61131-kompatibel und nutzt Standard-Hardware. Dass der Markt die Vorteile dieser Technologie erkannt hat, beweist die stürmische Nachfrage im ersten Halbjahr 2014.

Was bringt die Zukunft?

Hermann Obermair:

Einige Trends sind klar zu erkennen: Der Markt fordert universelle Kommunikation über Maschinen und Produktionszellen hinweg. Zukünftig werden Fabriken von der ERP-Ebene bis zum einzelnen Sensor oder Aktor durchgängig vernetzt sein. Deshalb sehe ich für die nähere Zukunft neben einer weitgehenden Durchdringung aller Systeme mit OPC-UA als vereinheitlichtem Kommunikationsmechanismus einen messbaren Anstieg der M2M-Kommunikation zur wirtschaftlichen, standortübergreifenden Maschinenvernetzung. Maschinenübergreifend gestaltet sich auch zunehmend häufiger die funktionale Sicherheit, weshalb ich hier eine Ausweitung der Angebote rund um openSAFETY als einzigem busunabhängigen Safety-Standard erwarte.

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