Messtechnische Lösung für den Tierschutz

In den meisten Ländern dieser Erde dürfen Tiere nur nach einer Betäubung geschlachtet werden. Durch Ausschaltung der höheren Hirnfunktionen soll vermieden werden, dass die Tiere Schmerzen durch den Schlachtvorgang (betäuben und entbluten) erleiden. In der Schweineschlachtung hat sich die CO2-Betäubung durchgesetzt. Moderne Messtechnik überwacht den Entblutungsvorgang.

Deckel des Blutauffanggefäßes mit eingebautem Liquicap M und Reinigungssprühkugel.

Deckel des Blutauffanggefäßes mit eingebautem Liquicap M und Reinigungssprühkugel.

Das niedersächsische Schlachtunternehmen Brand Qualitätsfleisch GmbH & Co. KG hat sich seit seiner Gründung im Jahre 1930 aktiv an der Entwicklung und dem Einsatz moderner Technologien beteiligt. Fortlaufende Innovationen trugen in den vergangenen 70 Jahren zur Verbesserung der Produktqualität, der Hygiene und Arbeitsbedingungen bei. Im Jahr 1989 führte Brand als erster Schlachtbetrieb Niedersachsens die schonende CO2-Betäubung ein. Neun Jahre später wurde mit einem Neubau eine der modernsten Schlachtlinien Deutschlands errichtet. Da Tierschutz und Fleischqualität immer im direkten Zusammenhang stehen, wurden viele Investitionen auf diese Ziele ausgerichtet. Dieses spiegelt sich auch in entsprechenden Zertifizierungen und der Zusammenarbeit mit namhaften Instituten wider. Auch in vielen anderen technischen Bereichen ist man innovativ. In der Abwasserreinigung z. B. hat das Unternehmen die Entwicklung der sogenannten „Online-Flotation“ maßgeblich unterstützt, wodurch sich die Abwasserbelastungen auf sichere und einfache Weise (ohne Misch- und Ausgleichsbecken) erheblich reduzieren lässt. Ein Verfahren, welches heute in vielen abwasserintensiven Betrieben zum Standard geworden ist.

Graphischer Kurvenverlauf des Füllstandanstiegs. Je steiler die Flanke, desto schneller erfolgt der Entblutevorgang.

Graphischer Kurvenverlauf des Füllstandanstiegs. Je steiler die Flanke, desto schneller erfolgt der Entblutevorgang.

Betäubungs- und Entblutungsvorgang

Für die derzeitige Jahresproduktion von 560.000 Schweinen werden in Lohne ca. 2.000 Schweine täglich geschlachtet. In kleinen Gruppen von bis zu vier Schweinen gelangen die Tiere in eine moderne CO2 –Betäubungsanlage der Marke „BUTINA“, Typ „Backloader“. Hier erfolgt die rasche Betäubung durch das Einatmen des CO2-Gases. Die betäubten Schweine werden nach Auswurf in eine Schlingkette eingehängt und zum Stechkarussell der Marke „ANITEC“ gefördert. Hier erfolgt die rasche Entblutung durch ein Hohlstechmesser. Der korrekte Stich und die damit verbundene schnelle Entblutung ist von enormer Bedeutung für eine tierschutzgerechte Tötung der Tiere. Durch den raschen Verlust einer großen Blutmenge werden das Gehirn und weitere lebenswichtige Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Der Tod tritt innerhalb kürzester Zeit ein. Eine zu langsame Entblutung hätte zur Folge, dass das Tier aus der Betäubung aufwachen und Schmerzen empfinden könnte. Durch eine Eigenentwicklung im Hause Brand wurde dieser Vorgang transparent und sicher gemacht. In jahrelanger Zusammenarbeit mit den wichtigsten Technikpartnern auf dem Gebiet der Betäubung, Entblutung und der dazugehörigen Messtechnologie wurde ein modernes System entwickelt. Hierbei erhalten das Unternehmen und das Personal vor Ort erstmals die Informationen in Echtzeit zur Entblutegeschwindigkeit und Entblutemenge der einzelnen Tiere. Ein nicht korrekter Entblutestich und somit ein zu langsames Ausbluten werden unmittelbar angezeigt und würden gegebenenfalls ein sofortiges Nachstechen ermöglichen. Alle Messwerte werden kontinuierlich aufgezeichnet und ermöglichen lückenlose Dokumentation einer richtigen Arbeitsweise.

Entblutekontrolle im Prozess: Über den am Hohlstichmesser befestigten Schlauch fließt das Blut in das Auffanggefäß. Dort misst der Liquicap M die Anstiegsgeschwindigkeit des Füllstands.

Entblutekontrolle im Prozess: Über den am Hohlstichmesser befestigten Schlauch fließt das Blut in das Auffanggefäß. Dort misst der Liquicap M die Anstiegsgeschwindigkeit des Füllstands.

Realisierung der Entblutemessung

Zum Schutz der Tiere suchte man bei Brand eine Lösung, die die Entblutungsgeschwindigkeit für jedes Tier einzeln sicher erfasst. Da Paul Brand, der das Unternehmen in der dritten Generation führt, mit der Messtechnik- und Automatisierungskompetenz von Endress+Hauser schon bei der „Online-Flotation“ sehr gute Erfahrungen gemacht hatte, klopfte man mit der Fragestellung hier an. Er und sein Sohn Nikolaus Brand waren sich am Anfang noch unklar, welches Messprinzip am besten geeignet wäre. Der Ansprechpartner musste also eine Vielzahl an Möglichkeiten anbieten. Die Erfassung mittels Durchflussmessung war nicht möglich, da der am Stechmesser befestigte Schlauch immer nur teilgefüllt ist. Zusätzlich hätten Luftblasen und Schaum das Messergebnis stark beeinträchtigt. Somit blieb nur die Möglichkeit, die Geschwindigkeit des Füllstandanstiegs im Blutauffanggefäß zu messen. Das Messgerät muss entsprechend kompakt sein, um in dem ca. zehn Liter großen Gefäß eingebaut werden zu können. Das Entblutekarussell bei Brand stammt von der Firma Anitec und besitzt sechs Blutauffanggefäße, die über eine Sprühkugel gereinigt werden. Der Vorgang vom Ansetzen des Hohlstechmessers bis zu seiner Entfernung incl. automatischer Reinigung dauert ca. 60 Sekunden. Bei einer Verweildauer des Hohlstechmessers im Tierkörper von ca. 50 Sekunden sind schon 2,5 bis 3,2 Liter Blut ausgetreten. Doch schon nach wenigen Sekunden kann zuverlässig beurteilt werden, ob das Tier korrekt gestochen wurde. Die kapazitive Sonde Liquicap M erfüllte alle Anforderungen, da sie sekundenschnell die Anstiegsgeschwindigkeit des Füllstands hochgenau erfasst. In der Anlage kommt die Version mit abgesetztem Transmitter zum Einsatz, der spritzwassergeschützt in einem Edelstahlgehäuse untergebracht ist. Da die Blutauffanggefäße auf einem Karussell sitzen, erfolgt die Signalübertragung mittels Schleifringkontakte an den Bildschirmschreiber Memograph M. Neben der Vor-Ort-Visualisierung können die Daten mittels Ethernet an die Anlagensteuerung weitergeleitet und dank integriertem Web-Server über Intra- und Internet einem weiteren Personenkreis zur Verfügung gestellt werden. Dieses Konzept könnte sich in die bereits für die Aufsichtsbehörden freigeschaltete Online-Überwachung der Betäubungsanlage eingliedern.

Das Ergebnis einer tierschutzgerechten Schlachtung – gleichbleibend gute Fleischqualität.

Das Ergebnis einer tierschutzgerechten Schlachtung – gleichbleibend gute Fleischqualität.

Weiterentwicklung des Systems

Mit der Einführung der Entblutekontrolle hat Brand Qualitätsfleisch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Tierschutzes im Schlachtbetrieb geleistet. Aber auch die Mitarbeiter profitieren vom neuen System. Dadurch dass der Mitarbeiter am Stechkarussell unmittelbar Rückmeldung zu seiner Tätigkeit erhält, wird er in der Arbeit immer sicherer. Von Tier zu Tier kann das Ergebnis verglichen und die Technik des Stechens optimiert werden. Aktuell befasst sich Nikolaus Brand im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit zum Maschinenbaustudium mit der Programmierung der Anlagensteuerung. Ziel ist es eine informative und schnelle Visualisierung und Beurteilung des Entblutevorgangs am Arbeitsplatz zu erreichen, aussagekräftige Statistiken in der Dokumentation zu erzeugen und in die Steuerung generell einzuwirken, um Fehler ggf. schnell erkennen und korrigieren zu können.

Fazit

Seit über zwei Jahren ist das System der Entblutekontrolle erfolgreich im Einsatz. Der Liquicap M hat in dieser Applikation seine Praxistauglichkeit bestanden. Die Genauigkeit der Messung wird weder durch das Arbeiten mit Blut noch durch unterschiedliche Nutzungsdauer beeinträchtigt. Der Memograph M stellt das sichere Datenhandling und die „Vor-Ort-Visualisierung“ sicher. Davon profitieren nicht nur Tier und Mensch, sondern auch die Verbraucher durch gelebten und nachvollziehbaren Tierschutz sowie eine gleichbleibend gute Fleischqualität. Die Firma Brand Qualitätsfleisch unterstreicht mit der Realisierung der Entblutekontrolle, dass für sie der Tierschutz im Schlachtbetrieb wichtig ist, und offen sind, dieses Wissen mit anderen zu teilen.

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