interview

Das adaptive Auge der Produktion oder wie B&R die Vision-Welt aufrüttelt

Zeitenwende im Maschinenbau: Sie lesen Barcodes, messen Füllstände, positionieren Robotergreifer, überprüfen die Montage und vieles mehr – Machine Vision ist für die Fertigungsautomatisierung unverzichtbar. Doch weshalb sind viele Vision-Systeme von B&R für die adaptive Fertigung besonders prädestiniert und welchen Mehrwert hat die Anwendungsseite? Nikolai Feurer, Experte für Verpackungstechnik bei B&R, und Andreas Waldl, Produktmanager Vision-Systems bei B&R, erklären ihre Sicht der Dinge.

„Bei einer adaptiven Fertigung muss die Bilderkennung mit der Besonderheit umgehen, dass sich das zu erkennende Produkt im Extremfall von Losgröße 1 mit jedem Takt ändert.“Andreas Waldl, Product Manager Integrated Vision bei B&R

„Bei einer adaptiven Fertigung muss die Bilderkennung mit der Besonderheit umgehen, dass sich das zu erkennende Produkt im Extremfall von Losgröße 1 mit jedem Takt ändert.“Andreas Waldl, Product Manager Integrated Vision bei B&R

Herr Waldl, bringen wir es gleich zu Beginn auf den Punkt bitte: Welche Rolle spielt das Vision-System als Baustein in der adaptiven Maschine?

Andreas Waldl: Gerne. Eine Maschine, die sich automatisch an kontinuierlich ändernde Produkte und Anforderungen anpassen kann, muss eine „sehende Maschine“ sein. Als Auge dient dabei das Vision-System, das wir konsequent in die Steuerungstechnik integriert haben.

„Unsere Vision-Lösung ist vollständig in das B&R-System integriert, wodurch sich eine mikrosekundengenaue Kommunikation mit Steuerungen, Antrieben, Sicherheitstechnik und Industrie-PCs aus dem B&R-Portfolio umsetzen lässt.“ Nikolai Feurer, Experte für Verpackungstechnik bei B&R

„Unsere Vision-Lösung ist vollständig in das B&R-System integriert, wodurch sich eine mikrosekundengenaue Kommunikation mit Steuerungen, Antrieben, Sicherheitstechnik und Industrie-PCs aus dem B&R-Portfolio umsetzen lässt.“ Nikolai Feurer, Experte für Verpackungstechnik bei B&R

Herr Feurer, hätten Sie zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Praxis?

Nikolai Feurer: Nehmen wir als Beispiel eine Abfüllanlage für Shampooflaschen unterschiedlicher Form und Größe. Die leeren Flaschen werden ungeordnet auf einem Förderband zugeführt. Zur Befüllung ist im Vorfeld ein Aufrichten der Flaschen notwendig, hierzu kommen in der Regel Pick-and-place-Roboter zum Einsatz. Um die Flasche greifen zu können, benötigt die Steuerung in Echtzeit Informationen darüber, wo sich die Flasche gerade befindet und wie sie ausgerichtet ist. Außerdem werden Informationen zu den Abmessungen benötigt, um die Flaschen zwischen zwei Shuttles des Transportsystems ACOPOStrak zu klemmen. All diese Prozesse – das ist entscheidend – sind auf die Daten des Machine Vision-Systems angewiesen und müssen im Bereich weniger Mikrosekunden synchronisiert ablaufen.

Alle Leuchten von B&R lassen sich mit bis zu vier unterschiedlichen LED-Farben ausstatten.

Alle Leuchten von B&R lassen sich mit bis zu vier unterschiedlichen LED-Farben ausstatten.

Und hier kommt die tiefe Integration des Vision-Systems von B&R in den Automatisierungsverbund zum Tragen?

Waldl: Exakt. Bei einer adaptiven Fertigung muss die Bilderkennung mit der Besonderheit umgehen, dass sich das zu erkennende Produkt im Extremfall von Losgröße 1 mit jedem Takt ändert. Je schneller sich die Beleuchtung an das jeweilige Produkt anpasst, umso höher ist die Taktgeschwindigkeit. Aufgrund der tiefen Integration in die Automatisierungslösung kann sich das B&R Vision-System, vor allem die Beleuchtung, zur Laufzeit flexibel an Änderungen anpassen – ohne Einbußen bei der Erkennungsqualität. Die Beleuchtung mit maximaler Homogenität und Intensität, die bereits in 150 Nanosekunden erreicht wird, sorgt dafür, dass alle Erkennungsprozesse bei höchstmöglicher Taktgeschwindigkeit mit reproduzierbaren Ergebnissen ablaufen.

Das leistungsstarke Vision-System setzt neue Industriestandards: Kameras, intelligente Bildverarbeitungsalgorithmen und ein innovatives Beleuchtungssystem sind integraler Bestandteil des Steuerungssystems.

Das leistungsstarke Vision-System setzt neue Industriestandards: Kameras, intelligente Bildverarbeitungsalgorithmen und ein innovatives Beleuchtungssystem sind integraler Bestandteil des Steuerungssystems.

Der Knackpunkt liegt also in der schnellen automatischen Anpassungsfähigkeit des kompletten Erkennungsprozesses pro Produkttakt bei konstanter Erkennungsqualität?

Feurer: Unsere Vision-Lösung ist vollständig in das B&R-System integriert, wodurch sich eine mikrosekundengenaue Kommunikation mit Steuerungen, Antrieben, Sicherheitstechnik und Industrie-PCs aus dem B&R-Portfolio umsetzen lässt. Jetzt kann sich die Kamera mit der Achse synchronisieren oder eine Motorposition als Trigger nutzen. Besonders für hochdynamische Anwendungen schaffe ich damit zielgenaue Aufnahmen, ohne die Ausbringung durch Halte- oder Abbremsperioden zu senken.

Waldl: Voraussetzung für eine zuverlässige Erkennung ist die produktindividuelle Beleuchtung, die sich an die jeweils erforderliche Situation mit Beleuchtungswinkel, Lichtfarbe und Belichtungsdauer anpasst. Dafür bietet B&R eine in der Industrie einmalige Auswahl an externen Beleuchtungssystemen, die sich innerhalb kürzester Zeit auf die jeweils erforderlichen Anforderungen umschalten lässt.

Bietet das B&R Vision-System weitere Vorteile über den eigentlichen Erkennungsprozess hinaus?

Waldl: Durchaus. Ein Kunde entscheidet sich für eine adaptive Anlagenlösung, weil sie die Herstellung individualisierter Produkte unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Massenfertigung ermöglicht. Zentrale Überlegung ist daher letzten Endes, wie wirtschaftlich die gewählte Vision-Lösung ist. Wir reden also über den Beitrag einer Vision-Lösung zur Gesamtanlageneffektivität (OEE) und über die Kosten, die ihr Betrieb über den kompletten Lifecycle verursacht – also die Total Cost of Ownership.

Welche Vorteile bietet denn eine Vision-Lösung von B&R in Hinsicht auf die Gesamtanlageneffektivität (OEE) in der adaptiven Maschine?

Waldl: Zum einen sparen sie Material und Energie für Ausschuss, der sonst aufgrund schlechter oder fehlender Synchronisation bei hochfrequenten Produktwechseln anfallen würde. Auch Fehlfunktionen durch Fremdlichteinfluss oder optische Störeinflüsse lassen sich mit dem B&R Vision-System eliminieren und damit die Gesamtausbringung steigern. Aber insgesamt ist es die Tatsache, dass die adaptive Anlage eine breite Produktvarianz bei höchsten Taktraten mit maximaler Zuverlässigkeit erkennt.

Und wie sieht es hinsichtlich der Total Cost of Ownership aus?

Feurer: Die Vorteile erstrecken sich über den kompletten Lifecycle – von der Planung über die Projektierung, die Inbetriebnahme, den Betrieb und den Service. Als vollwertiger Teilnehmer am POWERLINK Kommunikationsbus wird das Vision-System in der gleichen Art projektiert wie jede andere Komponente in Automation Studio mit einer eigenen mapp-Komponente – mapp Vision. Dies erleichtert das Engineering, die Inbetriebnahme, die Wartung, die Parametrierung, die Diagnose oder das Aufspielen neuer Firmware. Außerdem ist das Vision-System sofort in die Visualisierung integriert.

Wie wirkt sich das in der Praxis aus?

Waldl: Das fängt beim Engineering an. Es ist viel einfacher und weniger fehleranfällig, wenn das Entwicklungsteam in einem gemeinsamen Tool wie unserem Automation Studio arbeitet, anstatt mit zwei oder mehr unterschiedlichen Werkzeugen. Zudem erleichtert die Einbindung das Plug-&-play. Unsere Vision-Sensoren sind ab Werk noch mit keinen Funktionen wie Erkennung von Mustern oder Barcodes ausgerüstet. Erst wenn der Vision-Sensor mit der Maschine verbunden wird, bekommt er von der Steuerung automatisch alle benötigten Funktionen und Parameter aufgespielt. Und wenn der Betreiber die Kamera oder die Beleuchtung austauschen muss, erfolgt auch die Neuparametrierung per Plug-&-play. Kameras und Beleuchtungen von B&R sind werkskalibriert. Reproduzierbare Ergebnisse, ohne Anpassungen der Belichtungsparameter an der Maschine sind so garantiert.

Feurer: Unterm Strich benötigen Sie für eine Standard-Applikation keinen Vision-Experten mehr, sondern Sie können mit der intuitiv bedienbaren mapp Vision-Oberfläche Anwendungen projektieren.

Ist die Integration denn immer noch etwas Besonderes für die Vision-Welt?

Waldl: Ja, das ist es nach wie vor. Traditionell ist ein Vision-System eine Art „Insel“ mit eigener Programmierung. Es ist nicht als gleichberechtigter Teilnehmer in die Gesamtautomatisierung integriert, sondern gibt lediglich über eine Standardschnittstelle Daten auf den Bus. Solche Lösungen sind daher nicht aus einem Guss und bieten unter dem Strich oft nur durchschnittliche Performance, denn die Regelkreise mit der verbundenen Steuerung werden nicht optimiert. Für den Anwender bedeutet das höhere Kosten durch den zusätzlichen Aufwand.

Vielen Dank für das Gespräch!

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