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Ein Stratege und ein Vollbluttechniker im Zwiegespräch

Im Wandel der Zeit Industrie 4.0 – die neue industrielle Revolution ist in aller Munde. Doch hinter diesem oft aus marketingstrategischen Gründen propagierten Schlagwort verbergen sich teils schon heute reale technische Entwicklungen. Bis zur Umsetzung der Vision einer „virtuellen Fabrik“ wird es aber wohl noch ein bisschen dauern. Evolution oder Revolution? x-technik folgt im Gespräch mit Ing. Wolfgang Keiner, dem ehemaligen Geschäftsführer von FESTO Österreich, und DI Rainer Ostermann, der als Country Manager Anfang Jänner 2014 die Leitung der Aktivitäten von FESTO am österreichischen Markt übernommen hat, der Spur des Wandels eines Unternehmens, das sich in 90 Jahren vom Pneumatikspezialisten zum umfassenden Automatisierungsanbieter entwickelt hat. Eine Evolution zum Partner für die Automation der Zukunft. Autorin: Luzia Haunschmidt / x-technik

Ing. Wolfgang Keiner und DI Rainer Ostermann, der neue Country Manager von Festo Österreich.

Ing. Wolfgang Keiner und DI Rainer Ostermann, der neue Country Manager von Festo Österreich.

Herr Keiner, nach zwölf regen Jahren als Geschäftsführer von FESTO Österreich, gehen Sie nun in Pension. Haben Sie sich für die nähere Zukunft schon etwas vorgenommen oder wollen Sie es erst einmal ruhiger angehen?

Elektrische Handlinglösung: Das kompakte Mini H-Portal EXCM zeigt beim Kleinteilehandling was es  kann – als einbaufertiges System liefert Festo das Flächenportal direkt an die Maschine.

Elektrische Handlinglösung: Das kompakte Mini H-Portal EXCM zeigt beim Kleinteilehandling was es kann – als einbaufertiges System liefert Festo das Flächenportal direkt an die Maschine.

Ing. Keiner:

Ich werde keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen – sonst würde ich ja gleich bei FESTO bleiben. Meine Ambitionen werden nun neben mehr sportlicher Aktivitäten meiner Leidenschaft für China gelten. Ich plane im Frühjahr für fünf Wochen das Land zu bereisen und begleitend einen Sprachkurs zu besuchen. Bin ich danach in der Lage, mich mit Chinesen zumindest grundlegend zu verständigen, möchte ich im Herbst das Studium der Sinologie in Wien beginnen.

Das Bürogebäude von Festo Österreich im 14. Bezirk von Wien.

Das Bürogebäude von Festo Österreich im 14. Bezirk von Wien.

Tja, so wie auch in Ihrer Vergangenheit werden Sie wohl weiterhin ihr Leben sehr lebendig gestalten. Auf welche Höhepunkte Ihrer FESTO Ära blicken Sie besonders gerne zurück?

Highspeed-Handling mit geringer bewegter Masse: der Tripod EXPT hebt die Bügelverschlüsse vom bewegten Band.

Highspeed-Handling mit geringer bewegter Masse: der Tripod EXPT hebt die Bügelverschlüsse vom bewegten Band.

Ing. Keiner:

Als ich vor zwölf Jahren bei FESTO begonnen habe, lernte ich ein faszinierendes Unternehmen kennen. Die besonders herzliche Aufnahme ist mir all die Jahre in Erinnerung geblieben. Und auch die Zusammenarbeit mit dem ambitionierten Team hat mir immer Spaß gemacht. Betrachte ich rückblickend meine Zeit bei FESTO, so sind es insbesondere die schwierigeren Zeiten, rund um das Krisenjahr 2009, in denen sich die Stärke dieses tollen Teams und die Kontinuität des Familienunternehmens Festo gezeigt hat.

Besondere Highlights für mich persönlich waren auch der Neubau unseres österreichischen Standortes vor etwa acht Jahren und das 50jährige Jubiläum von FESTO Österreich vor drei Jahren. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich in einem Unternehmen arbeiten und mitgestalten durfte, das derart innovativ und erfolgreich ist.

Herr Keiner, wer übernimmt nun Ihre Funktion bei Festo?

Ing. Keiner:

Ein zweiköpfiges Geschäftsleitungsteam hat meine Agenden übernommen. Festo Österreich bildet mit eigenständigen Tochtergesellschaften und Niederlassungen die Drehscheibe für alle mittel- und osteuropäischen Konzernaktivitäten. Verantwortlicher Regional Manager für diese Länder ist Ing. Herbert Pfeiffer, der als Mitglied der Geschäftsleitung nun auch die Funktion des handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers der Festo Gesellschaft m.b.H. in Österreich inne hat. Als weiteres Mitglied der Geschäftsleitung und Country Manager zeichnet seit Anfang Jänner 2014 DI Rainer Ostermann für die operative Leitung der Aktivitäten von Festo am österreichischen Markt verantwortlich. Er hat also den Großteil meiner österreichspezifischen Agenden übernommen.

Werden Sie Herrn Ostermann anfangs noch zur Seite zu stehen?

Ing. Keiner:

Herr Ostermann hat bereits längere Zeit im Headquarters von FESTO und auch hier bei FESTO in Österreich verbracht. Zudem verfügt er über exzellentes technisches Know-How und hat langjährige Erfahrung in leitenden Positionen. Ich weiß daher Festo in den besten Händen. Sollte dennoch mal mein Rat gefragt sein, stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.

Somit darf ich den neuen Country Manager von FESTO zu Wort kommen lassen. Herr Ostermann, dürfen unsere Leser etwas mehr über Ihre beruflichen Werdegang erfahren?

DI Ostermann:

Wie Herr Keiner bereits gesagt hat, schlägt mein Herz für die Technik – begleitend zu meiner technischen Lehre absolvierte ich das Studienfach Wirtschaftsinformatik. Wie man bestimmt hört, stamme ich aus Vorarlberg. Nach meiner Ausbildung war ich 17 Jahre für ein Elektronik-Unternehmen in Liechtenstein tätig. Davon verbrachte ich zwei Jahre in Japan, ein Jahr in Südkorea sowie ein weiteres Jahr in der chinesischen Provinz Taiwan. Die letzten Jahre dieser Ära, also bis 2005, führten mich wieder zurück nach Liechtenstein, wo ich als Leiter Engineering ein etwa 60-köpfiges Team führte. Mechanik, Elektrik, Software, unterschiedlichste Applikation und Prozesse waren dort die täglichen technischen Herausforderungen.

2005 begann meine Kariere bei FESTO zunächst als Manager Display Technologies und von 2007 bis 2011 als Head of Key Account and ISM Flat Panel / Solar. Die Herausforderung in einem damals derart boomenden Markt tätig sein zu können, nahm ich gerne an. Die folgenden Jahre im Headquarters bei FESTO waren wieder ausgesprochen reiseintensiv – am Plan standen Kundenbesuche in Europa, Asien und Amerika.

2012 ging ich als CEO in die Schweiz zu einem Contract Manufacturer. Dort zeichnete ich für die Restrukturierung der Zweigstelle Bern sowie den Aufbau des Standortes in Malaysien verantwortlich. Seit Mitte 2013 bin ich bei Festo in Österreich und freue mich erneut auf eine spannende und erfolgreiche FESTO Zeit.

Ihr Werdegang klingt äußerst ereignisreich – welche ambitionierten Ziele werden Sie in Ihrem ersten Jahr als Country Manager von FESTO Österreich nun verfolgen?

DI Ostermann:

Festo Österreich wurde von Herrn Keiner ausgesprochen erfolgreich geführt. Der Neubau gelang in kurzer Zeit bei gleichzeitiger flexibler Ausrichtung für die Zukunft und durch das schwierige Wirtschaftsjahr 2009 führte er das Unternehmen mit ruhiger, sicherer Hand. Die erfolgreiche Entwicklung fortzuführen und weiter auszubauen ist mein Ziel. Mein klarer Fokus heißt daher Vertrieb – die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden werden unsere tägliche Arbeit bestimmen.

Gibt es Marktsegmente die FESTO Österreich betreut, in denen Sie dringenden Handlungsbedarf sehen?

DI Ostermann:

FESTO kommt aus der Pneumatik und hat sich im Laufe der Jahre stark in Richtung Elektronik und Elektrik weiterentwickelt. Die Produktinnovationen bzw. ihre Technologien sind also für unsere Märkte und ihre Bearbeitung entscheidend. Der Einsatz rein pneumatischer oder elektrischer Komponenten sowie deren Kombination hängen immer von der Applikation ab – wir wollen unseren Kunden immer die optimale Lösung für ihren ganz spezifischen Anwendungsfall bieten, das ist unser Ziel.

Neben dem sehr erfolgreichen Geschäftsbereich Automation, bietet FESTO in einem zweiten großen Geschäftsfeld – der Didactic – Trainingsangebote, Lernsysteme und jüngst auch Industrie Consulting an. Was dürfen sich Ihre Kunden davon erwarten?

DI Ostermann:

Für das Geschäftsfeld Didactic und ganz besonders auch unser Consulting-Angebot gilt: Wir sind keine „Folien-Tiger“. Damit unterscheiden wir uns maßgeblich von vielen anderen Consultingunternehmen, die reichlich Folien produzieren, diese präsentieren und am Ende die Betriebe bei der Umsetzung mehr oder weniger alleine lassen.

FESTO hat über 90 Jahre Erfahrung aus der eigenen Produktion. Wir wissen daher, wie man Produktionsabläufe effizient, schlank und ergonomisch gestaltet. Dieses Wissen wollen wir weitergeben und unsere Kunden auch bei der Implementierung begleiten. Unsere Experten gehen also mit ihnen gemeinsam in ihre Fertigung, analysieren je nach Wunsch einzelne Anlagen, Prozesse oder Prozessketten und spüren Optimierungspotenziale auf. Dann erarbeiten wir einen Maßnahmenkatalog und unterstützen den Kunden bei der Umsetzung der Maßnahmen.

Erfolgt das Lösungsangebot bei FESTO Industrie Consulting eingeschränkt auf FESTO Produkte oder können Ihre Kunden hier eine systemunabhängige Beratung erwarten?

DI Ostermann:

Unser Consulting- bzw. Didactic-Business ist losgelöst vom Automatisierungsangebot. Dies gewährleistet eine absolut offene, systemunabhängige Beratung – egal ob es sich um strukturelle Analysen oder tiefgehende technische Diskurse handelt. Gibt es Synergien zwischen unserem Didactic- und Automatisierungsgeschäft zur Erreichung der gewünschten Kundenziele, werden wir diese natürlich aufzeigen.

Ing. Keiner:

Erlauben Sie mir dazu ein Beispiel: FESTO Didactic bietet Kurse für Hydraulik, obwohl FESTO keine Hydraulik-Komponenten im Angebot hat. Ein anderes Beispiel sind unsere erfolgreichen Programmierkurse für Siemens-Steuerungen, für die wir von unseren Teilnehmern oft großes Lob erhalten. Wir bieten also Trainings, die weit über den eigenen Automationswarenkorb hinausgehen. Im Bereich Consulting ist das umso ausgeprägter.

DI Ostermann:

FESTO Industrie Consulting deckt heute drei große Bereiche ab: Kompetenzentwicklung, Energy Saving inklusive sicherheitstechnischer Ausstattung und Lean Production. Die Consulting-Leistungen sind dabei in den meisten Fällen zunächst technologieunabhängig. In die technologische Tiefe begibt man sich erst bei der Lösungsimplementierung und hier unbedingt in einer systemunabhängigen, ausschließlich zielorientierten Form. Letztendlich zählt nur der Erfolg des Kunden durch die gesetzten Maßnahmen, an ihm werden unsere Consulting-Aktivitäten gemessen.

Herr Keiner und Herr Ostermann, Industrie 4.0 ist derzeit in aller Munde – wie begegnet FESTO dieser Thematik; sehen Sie dies als revolutionären Schritt, Marketing-Hype oder ist Ihrer Meinung nach eine Evolution im Gange, welche schon vor Jahrzehnten ihren Ursprung gefunden hat?

Ing. Keiner:

Egal, von welchem industriellen Zeitalter man spricht – Tatsache ist, Technik entwickelt sich immer weiter. Als ich vor 25 Jahren mein erstes Autotelefon hatte, war man glücklich, wenn man über dieses kommunizieren konnte und die Kosten dafür beliefen sich auf etwa 100.000,- Schilling. Heute besitzt nahezu jeder ein Mobiltelefon mit einer unglaublichen Fülle an Zusatzfunktionen und es kostet mittlerweile fast nichts mehr. Natürlich hat das Mobiltelefon und vor allem seine heutigen Möglichkeiten maßgebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft – dahinter steht jedoch eine Evolution in der Entwicklung der Technik. Ich sehe die gegenwertige industrielle Entwicklung daher als Evolutionsphase.

DI Ostermann:

Ich stimme da mit Herrn Keiner überein. Industrie 4.0 steht für selbstorganisierende Systeme und untereinander kommunizierende Einheiten, die vollautomatisch Tätigkeiten übernehmen. Der nächste Schritt auf dem Weg zu Industrie 4.0 sind daher selbststeuernde Systeme, die weitgehend ohne menschliche Bedienung auskommen. Heute gibt es bereits Maschinenkonzepte, bei denen z. B. ein Werkstückträger den nächsten triggert. Und während wir hier sitzen und darüber sprechen, schreitet die Entwicklung voran. Der Trend geht klar in Richtung einer voll funktionsfähigen, virtuellen Fabrik.

Trendbarometer Industrie – in welchen Applikationsfeldern sieht FESTO für sich noch Wachstumspotentiale?

DI Ostermann:

Immer stärker Nachgefragt werden einbaufertige Lösungen. Wir können aus unseren über 30.000 Komponenten sehr rasch einbaufertige Subsysteme konfigurieren, die optimal auf die konkreten Anforderungen abgestimmt sind. Und das mit einem für unsere Kunden interessanten Preis- / Leistungsverhältnis. Dabei wird jede Lösung von FESTO vorab geprüft und mit Dokumentation geliefert – der Maschinenbauer braucht diese nur mehr einzubauen und einzuschalten. „Plug and work“ in Reinkultur.

Ing. Keiner:

Ein anschauliches Beispiel dazu: Flaschen mit Bügelverschlüssen sind wieder mehr gefragt. Diese Verschlüsse sind aber aufgrund ihrer Ausführung (in Porzellan und Draht) schwer handhabbar – sie verhaken sich leicht ineinander und bedürfen somit eine speziellen Entwirrungsvorrichtung sowie eines Zuführsystems zu den Flaschen. Einer unserer Kunden benötigte eine derartige Lösung – wir haben ihm dabei unterstützt. Nach einer Vereinzelung per Aufrüttelung erkennt eine Kamera die Bügelverschlüsse und ihre Lage auf einem Förderband, dann greift unser Tripod einzelne Verschlüsse und übergibt sie geordnet dem Flaschenzuführsystem. Die Komponenten der Lösung gab es schon länger bei FESTO, der Kunden bekam sie jedoch nun als einbaufertige Systemlösung direkt an seine Maschinen geliefert – Softwareerstellung für den Tripod inklusive.

DI Ostermann:

Unser jüngst in Österreich gegründetes Technic- and Applicationcenter ist ein weiterer Schritt, um solche Kundenwünsche noch rascher realisieren zu können. Über 20 Spezialisten aus verschiedenen Bereichen sind hier unter der Leitung von Ing. Leopold Schagl tätig. Sie arbeiten gemeinsam an der optimalen Systemlösung für jede einzelne Anwendung.

Herzlichen Dank, Herr Keiner und Herr Ostermann, für dieses interessante Gespräch!

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