interview
B&R OPC UA TSN: Plug & Produce mit OPC UA over TSN
Einheitlicher Kommunikations-Standard im Industrial IoT mit Österreich-Bezug: OPC UA over TSN wird der einheitliche Kommunikationsstandard im Industrial IoT. Die herstellerneutrale OPC Foundation kümmert sich um Standardisierung und Weiterentwicklung von OPC UA für die Feldebene, unterstützt durch praktisch alle namhaften Hersteller von Automatisierungstechnologie. Damit scheint ein lang gehegter Wunsch von Maschinenbauern und -anwendern in Erfüllung zu gehen: Eine allgemein gültige, herstellerneutrale Lösung für den Datentransport als Voraussetzung für die Interoperabilität aller Systeme. Wie es dazu kam und was das für die Anwender bedeutet, erläutert Stefan Schönegger, Vice President Product Strategy and Innovation bei B&R. Das Interview führte Ing. Peter Kemptner / x-technik
Dietmar Bruckner ist bei B&R für alle Entwicklungsaktivitäten rund um OPC UA over TSN verantwortlich und ist seit Oktober 2017 Mitglied im Technical Advisory Council (TAC) der OPC Foundation.
Stefan Schönegger
Vice President Product Strategy and Innovation bei B&R
„Die Zeiten unterschiedlicher, inkompatibler Protokolle in der Industrie sind bald vorüber.“
„Die Zeit proprietärer Systeme in der Automation ist vorbei“, sagte Stefan Schönegger bereits 2010 in einem Interview für x-technik (nachzulesen in AUTOMATION 3/2010). Acht Jahre später kommt tatsächlich Bewegung in die Sache. Auf der SPS IPC Drives 2018 stellte die OPC Foundation ‚OPC UA including TSN down to field level‘ vor, eine universelle, echtzeitfähige Plattform für eine vollständig durchgängige und transparente Kommunikation von der Sensorebene bis zur Cloud. Dadurch können IT und OT zu einem gemeinsamen Netzwerk für sämtliche Anwendungen im Industrial IoT verschmelzen.
OPC UA over TSN als herstellerneutraler industrieller Kommunikations-Standard ermöglicht die volle Datendurchgängigkeit von der Chefetage bis zur Feldebene als Voraussetzung für Industrie 4.0.
Herr Schönegger, was hat B&R als Erfinder von Ethernet Powerlink dazu gebracht, neue Lösungen für die industrielle Kommunikation zu suchen?
Für Ziele der vierten industriellen Revolution im industriellen Internet der Dinge ist mit rasch wachsenden Netzwerkgrößen und Datenmengen zu rechnen. Das bringt auch schnelle Ethernet-basierende Protokolle wie Powerlink an ihre Grenzen. Deshalb gab es bereits zu Beginn dieses Jahrzehntes Gespräche über die Notwendigkeit eines Technologiesprunges. Dieser sollte aber nicht in einen weiteren Feldbuskrieg führen, sondern auf Basis eines weltweit einheitlichen IoT-Kommunikationsstandards erfolgen.
B&R war Gründungsmitglied der Shapers Group, die diesen Stein vor zwei Jahren ins Rollen brachte. Wie ist es dazu gekommen?
Gemeinsam mit TTTech suchten und fanden wir mehr und mehr Firmen, die die Situation ähnlich sahen. In dieser Gruppe starteten wir eine Initiative, um mittels vorhandener, zukunftsfähiger Technologien und in Zusammenarbeit mit unabhängigen Organisationen wie der OPC Foundation, IEEE, der Avnu Alliance und dem Industrial Internet Consortium einen neuen, herstellerneutralen Kommunikationsstandard zu etablieren.
Der Publisher-Subscriber-Mechanismus ist schneller als die bisher ausschließlich verwendete Client-Server-Architektur von OPC UA.
Was lässt Sie hoffen, dass sich dieser Standard tatsächlich gegenüber anderen, auch bereits bestehenden, Protokollen durchsetzt?
Ich war schon immer davon überzeugt, dass die Zukunft herstellerunabhängigen, offenen Lösungen gehört. Jede Grenze zwischen unterschiedlichen proprietären Systemen ist eine Hürde und ein Ärgernis bei Entwicklung, Betrieb und Wartung von Industrieanlagen. Zudem haben sich praktisch alle namhaften Hersteller von Automatisierungstechnologie als Unterstützer hinter den Standard gestellt, statt wie früher hinter verschlossener Tür an eigenen Lösungen zu basteln.
Als erstes OPC-UA-over-TSN-Produkt bringt B&R 2019 einen Buscontroller auf den Markt.
Was hat Ihrer Meinung nach dazu geführt, dass bisherige Konkurrenten gemeinsam an der Entwicklung eines neutralen Standards arbeiten?
Offenbar hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass Alleingänge nur teure Schnittstellenprobleme verursachen und sich nicht für die Kundenbindung eignen. Im Wettbewerb kann und soll man ausschließlich mit spezifischen Vorteilen der eigenen Systeme punkten.
Und was haben Maschinenbauer und Anwender von OPC UA over TSN?
Es ist schon allein ein Vorteil, sich nicht mit der Überbrückung von Systemgrenzen beschäftigen zu müssen. Weit darüber hinaus wird OPC UA over TSN Produktionsanlagen ermöglichen, in denen die Administration und Konfiguration von Maschinen, Handhabungsgeräten oder Optionsbaugruppen ähnlich einfach wird wie die Inbetriebnahme eines Bürodruckers. Das ermöglicht Konzepte wie Plug & Produce.
Bringt OPC UA over TSN auch Vorteile bezüglich der Übertragungsrate?
Absolut. Ende 2017 wurden in Tests Zykluszeiten erreicht, die bis zu 18 Mal schneller waren, als das mit allen heute am Markt verfügbaren Protokollen möglich wäre.
Was bringt das in industriellen Anwendungen?
Durch die hohe Datenrate erlaubt OPC UA over TSN mehr als 10.000 Knoten in einem Netzwerk und erfüllt so die Anforderungen zukünftiger IoT-Anwendungen. Da die Technologie auch von Bandbreitenerweiterungen des Ethernet-Standards profitiert, bleiben damit auch große Datenmengen problemlos handhabbar, z. B. für integrierte Vision-Applikationen. Zusätzlich eröffnet das neue Möglichkeiten bei Antriebsapplikationen und Steuerungsaufgaben mit hohem Synchronitätsbedarf.
Welche Rolle spielt B&R bei der weiteren Entwicklung des neuen, einheitlichen Kommunikationsstandards?
B&R ist einer der Hauptakteure der Initiative zur Entwicklung und Standardisierung von OPC UA over TSN. Das Unternehmen nimmt eine führende Rolle in den beteiligten Standardisierungsorganisationen OPC Foundation, IEC/IEEE und VDMA ein. So ist B&R seit Oktober 2017 durch Dietmar Bruckner im Technical Advisory Council der OPC Foundation vertreten. Er ist bei B&R für alle Entwicklungsaktivitäten rund um OPC UA over TSN verantwortlich.
Wird OPC UA over TSN Protokolle wie Powerlink ersetzen?
OPC UA over TSN deckt alle Anwendungen ab, die derzeit mit den verschiedenen Industrial-Ethernet-Protokollen abgedeckt werden. Aber wir werden natürlich bestehende Geräte mit den etablierten Technologien weiter unterstützen. Aufgrund der entsprechenden Companion-Spezifikation können Powerlink und OPC UA over TSN übrigens problemlos in einem Netzwerk eingesetzt werden. Wir werden unsere Geräte parallel zu OPC UA over TSN auch weiterhin mit Powerlink anbieten. Jeder Kunde kann also selbst entscheiden, ob, wann und wie er auf die neue Technologie umsteigen möchte.
Wann sind von B&R erste Seriengeräte mit OPC UA over TSN zu erwarten?
Als erstes Gerät mit OPC UA over TSN steht ein X20-Buscontroller kurz vor dem Start der Serienproduktion. Steuerungen werden als nächstes folgen und danach unsere Antriebe. Damit geben wir Maschinenbauern und -betreibern die Möglichkeit, bereits sehr früh von der harmonisierten Kommunikation bis zur Feldebene zu profitieren.
Herr Schönegger, besten Dank für Ihre Einschätzungen!
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