Beckhoff EtherCAT G: GBit-Ethernet-Option für mikrosekundenschnelle, industrielle Kommunikation

Pünktlich zum 15-jährigen Jubiläum der EtherCAT-Technologie präsentierte Beckhoff Automation auf der SPS IPC Drives 2018 den nächsten Evolutionsschritt in Sachen mikrosekundenschneller, industrieller Kommunikation: Gigabitfähiges Ethernet. Mit EtherCAT G bzw. EtherCAT G10 lässt sich in Verbindung mit einem ebenfalls in Nürnberg neu vorgestellten Branch-Konzept je nach Applikation ein Performance-Zuwachs um den Faktor 2 bis 7 erreichen. Es wurde nämlich nicht nur die Bandbreite erhöht, sondern auch die Durchlaufverzögerung beim Weiterleiten von Ethernet-Telegrammen minimiert. Von Sandra Winter, x-technik

EtherCAT G hebt die EtherCAT-Technologie auf das nächste Performance-Level und bleibt dabei gewohnt einfach sowie kompatibel zum Standard-EtherCAT.

EtherCAT G hebt die EtherCAT-Technologie auf das nächste Performance-Level und bleibt dabei gewohnt einfach sowie kompatibel zum Standard-EtherCAT.

Mit der Technologieerweiterung EtherCAT G erreicht das Echtzeit-Ethernet-System von Beckhoff das nächste Performance-Level. Denn ab sofort kann für besonders datenintensive Anwendungen auf GBit-Ethernet aufgesetzt werden. Wobei EtherCAT G bzw. EtherCAT G10 keineswegs „das Standard-EtherCAT“ auf Basis von 100 Mbit/s ablösen, sondern vielmehr nach oben hin ergänzen soll, wie Hans Beckhoff in Nürnberg betonte.

„Die EtherCAT-G-Kommunikation wurde entwickelt, um für die Zukunft des IoT-Zeitalters bestmöglich gerüstet zu sein. Unsere ‚Flying Motion-Lösung‘, das XPlanar-Transportsystem beispielsweise, wäre ohne EtherCAT G gar nicht realisierbar gewesen, weil durch die permanente Positionserfassung der in sechs Freiheitsgraden frei schwebenden Mover extreme Datenmengen innerhalb weniger Mikrosekunden zu übertragen sind. Und auch für die Einbindung von Vision-Kameras oder von Messtechnik-Komponenten mit hohen Abtastraten ist Gigabit-EtherCAT die perfekte Lösung“, erklärt Dipl.-Ing. Thomas Rettig, Senior Management Control System and Communication Architecture bei Beckhoff.

„Wir sehen in Zukunft einen gleichzeitigen Gebrauch von 10 GBit/s, 1 GBit/s und 100 MBit/s in Steuerungsnetzen“, prophezeit Dipl.-Ing. Thomas Rettig, Senior Management Control System and Communication Architecture bei Beckhoff Automation.

„Wir sehen in Zukunft einen gleichzeitigen Gebrauch von 10 GBit/s, 1 GBit/s und 100 MBit/s in Steuerungsnetzen“, prophezeit Dipl.-Ing. Thomas Rettig, Senior Management Control System and Communication Architecture bei Beckhoff Automation.

EtherCAT G ist zu 100 % EtherCAT-kompatibel

EtherCAT wurde von Anfang an für schnelle Automatisierungsaufgaben mit einem hohen Motion-Anteil spezifiziert und entwickelt. „Die Protokoll-Definition und die Umsetzung ist uns damals so gut gelungen, dass wir das EtherCAT-Protokoll seit nunmehr fünfzehn Jahren stabil halten können“, zeigt sich Dipl.-Phys. Hans Beckhoff, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Unternehmens stolz auf eine Lösung, die mittlerweile in vielen Ländern zu den meistgenutzten Automatisierungsstandards zählt.

EtherCAT G ist die Fortführung des EtherCAT-Erfolgsprinzips unter Nutzung moderner Übertragungsgeschwindigkeiten. Ansonsten bleibt alles „wie gewohnt“: Ein vom EtherCAT-Master ausgesandtes Telegramm durchläuft alle Teilnehmer. Die einzelnen Slaves lesen die an sie adressierten Ausgangsdaten „on the fly“ und legen ihre Eingangsdaten in den weitergeleiteten Frame – allerdings jetzt auch mit 1 bzw. 10 GBit/s falls gewünscht. Alle anderen bewährten Technologie-Eigenschaften von EtherCAT wie umfassende Diagnosemöglichkeiten, das integrierte Konzept der verteilten Uhren (Distributed Clocks), Hot Connect für optionale Maschinenmodule oder die Konformität zum Ethernet-Standard IEEE 802.3 sind bei EtherCAT G ebenfalls gewährleistet.

„Das Protokoll bleibt gleich, die Mechanismen bleiben gleich und die Konfiguration bleibt gleich. Eigentlich sind nur die Bausteine, die den physikalischen Zugriff auf die Leitung machen, durch eine Gigabit-Variante zu ersetzen“, beschreibt Thomas Rettig. „Der Master benötigt keine neue Software, nur einen Gigabit-Port, der heutzutage bei den meisten PCs ohnehin fix mit an Bord ist. Es können sogar die gleichen Kabel weiterverwendet werden – Cat.5-Kabel für EtherCAT G und Cat.6-Kabel für EtherCAT G10“, fügt er ergänzend hinzu.

Perfekt für besonders datenintensive Anwendungen: Beckhoffs „Flying Motion-Lösung“, das XPlanar-Transportsystem, wäre ohne EtherCAT G gar nicht realisierbar.

Perfekt für besonders datenintensive Anwendungen: Beckhoffs „Flying Motion-Lösung“, das XPlanar-Transportsystem, wäre ohne EtherCAT G gar nicht realisierbar.

Mehr Bandbreite ist nicht alles

„Wir sehen in Zukunft einen gleichzeitigen Gebrauch von 10 GBit/s, 1 GBit/s und 100 MBit/s in Steuerungsnetzen“, prophezeit Thomas Rettig und präsentiert im gleichen Atemzug eine anwenderfreundliche Lösung, mit der sich EtherCAT und EtherCAT G in einem Netzwerk nicht nur mischen, sondern auch parallel betreiben lassen – das Branch-Controller-Konzept. Denn nur mit einer Erhöhung der Bandbreite alleine halte sich der Performance-Gewinn bei zahlreichen Anwendungen in sehr bescheidenen Grenzen, wie Thomas Rettig zu bedenken gibt. Es sei nämlich in Wahrheit vor allem die Optimierung der Durchlaufzeiten, die die „letzten“ Mikrosekunden Zeitersparnis bringe.

„Mit dem neuen EtherCAT-G-Koppler EK1400 oder den Branch-Controllern CU 14xx lässt sich ein EtherCAT-Netzwerk in mehrere Segmente aufteilen. Die einzelnen Telegramme müssen nicht mehr das gesamte EtherCAT-Netzwerk durchlaufen, sondern lediglich mit dem für ‚ihr‘ Segment zuständigen Master kommunizieren“, beschreibt der Senior Manager Control System and Communication Architecture bei Beckhoff. Da dieses Konzept durch entsprechende EtherCAT-Abzweige einen parallelen Betrieb von 100-MBit/s-EtherCAT und 1- bzw. 10-GBit/s-EtherCAT-G-Segmenten erlaubt, verkürzen sich die Kommunikations- und Zykluszeiten erheblich.

Der EtherCAT-TSN-Koppler EK1000 erweitert die Einsatzmöglichkeiten von EtherCAT in heterogenen Netzwerkumgebungen.

Der EtherCAT-TSN-Koppler EK1000 erweitert die Einsatzmöglichkeiten von EtherCAT in heterogenen Netzwerkumgebungen.

7 x schneller mit dem Branch-Konzept

Was eine wohlüberlegte Kombination von Gigabit-EtherCAT mit dem Branch-Controller-Konzept tatsächlich an konkreter Zeitersparnis zu bringen vermag, wurde von der Firma Beckhoff anhand eines großen Maschinennetzwerks mit 128 Servoachsen errechnet. „Wir gingen von einer ‚Standard-Datenbreite‘ von 8 Byte in and out pro Teilnehmer aus. Das macht in Summe 1.024 Byte In bzw. Out pro Zyklus. Bei einer klassischen EtherCAT-Kommunikation durch alle Teilnehmer unter Berücksichtigung der Hardware Delay Time sowie der Telegrammlänge kommen wir auf 237 μs reine Kommunikationszeit. Ersetzen wir die Standard-EtherCAT-Megabit-Geräte durch EtherCAT G-Geräte können wir die Kommunikationszeit auf 150 μs reduzieren, weil wir aufgrund der höheren Bandbreite von einer kürzeren Frame-Länge profitieren. Aber teilen wir dann zusätzlich noch das gesamte Netzwerk in acht 1-GBit/s-EtherCAT-G-Segmente mit jeweils 16 Servoantrieben auf, so ist dadurch eine Kommunikationszeit von nur noch 34 μs erreichbar. Das bedeutet: Wir sind siebenmal schneller“, freut sich Thomas Rettig über einen neuen Performance-Level, der „die Kunden dabei unterstützen soll, die besten und leistungsfähigsten Maschinen der Welt zu bauen.“

Je nach Bedarf können auch Prioritäten vergeben werden, in welcher Reihenfolge die einzelnen Frames zu verschicken sind. „Über die einzelnen Branches lässt sich das gesamte EtherCAT-Netzwerk sehr schön kaskadieren. Schließlich wollen wir es den Anwendern so einfach wie möglich machen, von dieser Technologie zu profitieren“, betont der Senior Manager.

Ergänzen sich gut: EtherCAT und TSN

Generell verfolge Beckhoff laut Thomas Rettig die Philosophie: „Alles, was an Kommunikationssystemen Markt-Relevanz hat, unterstützen wir auch.“ Demzufolge engagiere man sich auch beim Thema OPC UA TSN. „Die Idee, ein einheitliches Bussystem zu kreieren, ist natürlich eine gute. Allerdings glaube ich persönlich eher nicht an eine ‚Eier legende Wollmilchsau‘, die alles abdecken kann – die die Performance von EtherCAT bis unten in die Feldebene schafft, aber gleichzeitig die Durchgängigkeit und Konfigurierbarkeit von OPC UA verspricht“, zeigt sich der Beckhoff-Senior Manager skeptisch. Für ihn seien vor allem das Netzwerkmanagement und die Netzwerkdiagnose die Punkte, bei denen sich noch zeigen muss, ob diese mit EtherCAT mithalten können: „Ich sehe OPC UA mit TSN vor allem als Bindeglied zwischen Maschinenmodulen und Mastern bis nach oben ins ERP-System. Ob es in der Feldebene auch punkten kann, bleibt abzuwarten“, sagt er.

Technologisch gerüstet für TSN ist Beckhoff bereits jetzt: Der EtherCAT-Koppler EK1000 erlaubt es, EtherCAT-Segmente elegant und einfach an beliebige TSN-Switche anzuschließen. Er unterstützt die Übertragung von EtherCAT über ein geswitchtes Ethernet-Netzwerk und verbindet Time Sensitive Networking mit dem breiten I/O-Spektrum der EtherCAT-Klemmen. Darüber hinaus entwickelte die EtherCAT Technology Group (ETG) in enger Zusammenarbeit mit der IEEE 802.1 Working Group eine EtherCAT-TSN-Stream-Adaption, die eine direkte Anbindung herkömmlicher EtherCAT-Slave-Geräte an heterogene TSN-Domänen ohne Änderungen an den EtherCAT-Geräten ermöglicht. Mehrere Switch-Hersteller – u. a. Moxa, Hirschmann, Hilscher und Xilinx – wollen diese TSN-Stream-Adaption künftig in ihren TSN-Switches und Infrastrukturprodukten implementieren.

„Die besondere Stärke von EtherCAT liegt darin, Prozessdaten hochperformant und streng deterministisch zu transportieren und dabei extrem einfach und durchgängig konfiguriert und diagnostiziert werden zu können. OPC UA basierend auf TSN wiederum eignet sich hervorragend für einen Einsatz in heterogenen Umgebungen. Somit ergänzen sich diese beiden Technologien gut“, erklärt Thomas Rettig abschließend.

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