interview

Zentraler Hub für die Industrielle Kommunikation bei Hilscher

Hilscher mit Österreich-Niederlassung auf Wachstumskurs: Als einer der Vorreiter und führenden Technologie- und Lösungsanbieter auf dem Gebiet der industriellen Kommunikation bietet die Hilscher Gesellschaft für Systemautomation mbH Lösungen auf der Chip-, Modul- und Systemebene zur Integration in Maschinen und Gesamtsysteme an. Seit knapp zwei Jahren bearbeitet der deutsche Hersteller den österreichischen Markt von einer eigenen Vertriebsniederlassung in Linz aus, die nach jahrzehntelanger, erfolgreicher Zusammenarbeit mit Vertriebspartner Vipa den nächsten Step bildete. Über deren Erfolg und die weiteren Planungen von Hilscher Österreich spricht im Interview Vertriebsleiter Ing. Selim Kuljici, B.Sc. (FH).

„2022 konnten wir vor allem durch aktive Akquise und intensive Zusammenarbeit mit Bestandskunden ein Wachstum von über 50 % erzielen.“ Ing. Selim Kuljici, B.Sc. (FH), Vertriebsleiter bei Hilscher Austria Bilder: Hilscher Gesellschaft für Systemautomation mbH

„2022 konnten wir vor allem durch aktive Akquise und intensive Zusammenarbeit mit Bestandskunden ein Wachstum von über 50 % erzielen.“ Ing. Selim Kuljici, B.Sc. (FH), Vertriebsleiter bei Hilscher Austria Bilder: Hilscher Gesellschaft für Systemautomation mbH

Herr Kuljici, was steht hinter der Produktphilosophie, die Hilscher zu einem der erfolgreichsten Anbieter von industrieller Kommunikation gemacht hat?

Von zentraler Bedeutung ist für uns als Hilscher die Multiprotokollfähigkeit, duch die sich unsere Systeme für die Verwendung in allen möglichen Formen der industriellen Kommunikation eignen. Wo das heute noch nicht der Fall ist, wird daran gearbeitet, diese Eignung herzustellen. Das ist im Grunde der USP und die Geschäftsgrundlage von Hilscher.

Hilscher-Systeme eignen sich dank netX-Technologie für die Verwendung in allen möglichen Formen der industriellen Kommunikation.

Hilscher-Systeme eignen sich dank netX-Technologie für die Verwendung in allen möglichen Formen der industriellen Kommunikation.

Wodurch erhalten Hilscher-Produkte diese beinahe schon universellen Kompatibilitätseigenschaften?

Was Hilscher von den meisten anderen Anbietern auf dem Gebiet der industriellen Kommunikation unterscheidet, ist unsere multiprotokollfähige netX-Technologie. Dabei handelt es sich um Kommunikationsprozessoren, die nicht auf ein bestimmtes Protokoll zugeschnitten sind, sondern die dahinterliegenden generischen Funktionen für die Datenakkumulierung und -übertragung beherrschen, und zwar sowohl als Master als auch als Slave. Die Ertüchtigung für ein bestimmtes Protokoll erfolgt mittels Firmware. Das ermöglicht es Geräte-, Maschinen- und Systemherstellern, für alle relevanten und möglicherweise von Kunden vorgeschriebenen Varianten von Industrial Ethernet dieselbe Hardware zu verbauen. Diese Möglichkeit reduziert den Aufwand bei Entwicklung, Logistik, Produktion und Test erheblich. Zudem hat der aktuelle netX90-Chip einen weiteren Prozessorkern für Kundenanwendungen an Bord, der die Gestaltung von Geräten stark vereinfacht und verbilligt und die Anbindung auch recht kleiner Einheiten mit voller Kompatibilität ermöglicht.

Hilscher netX-Kommunikationsprozessoren können sowohl als Master als auch als Slave für verschiedene Varianten von Industrial Ethernet verwendet werden. Das reduziert den Aufwand bei Entwicklung, Logistik, Produktion und Test von Geräten, Maschinen und Systemen erheblich.

Hilscher netX-Kommunikationsprozessoren können sowohl als Master als auch als Slave für verschiedene Varianten von Industrial Ethernet verwendet werden. Das reduziert den Aufwand bei Entwicklung, Logistik, Produktion und Test von Geräten, Maschinen und Systemen erheblich.

Seit dem Jahreswechsel 2021/22 gibt es eine eigene Hilscher-Niederlassung in Österreich. Wie kam es dazu?

Bis dahin hatte Hilscher ausschließlich im Chip-Bereich eine Handvoll Kunden im Direktvertrieb bedient. Der Vertrieb des Modul- und Geräteprogramms mit Standardkomponenten wie Protokollkonverter, PC-Karten, Gateways etc. erfolgte in Österreich über die Vipa Elektronik-Systeme GmbH. Als sich deren Gründer und Geschäftsführer Martin Zöchling zur Ruhe setzen wollte, war das Anlass genug für Hilscher, sich neu aufzustellen. Also beauftragte mich Hilscher damit, die Niederlassung einzurichten und ein Team aufzubauen.

Durch seinen kleinen Formfaktor eignet sich der aktuelle Kommunikationscontroller-Chip netX90 zur Integration in kleine Einheiten wie den Buscontroller CPC12 von E-T-A.

Durch seinen kleinen Formfaktor eignet sich der aktuelle Kommunikationscontroller-Chip netX90 zur Integration in kleine Einheiten wie den Buscontroller CPC12 von E-T-A.

Das bringt uns zu Ihnen. Bitte erzählen Sie auch etwas über sich selbst und Ihren beruflichen Werdegang.

Sehr gerne. Nach meiner Mechatronik-Ausbildung an der HTL Linz in der Paul-Hahn-Straße studierte ich, meiner kaufmännischen Neigung folgend, an der FH Steyr Produktion und Management. Anschließend war ich bei einem namhaften österreichischen Hersteller von Automatisierungssystemen tätig, wo ich bis zum Area Sales Manager Robotik für Österreich, Schweiz, Süddeutschland, Benelux und Skandinavien aufstieg. Anschließend leitete ich bei einem Hersteller von Soft-SPS den Vertrieb. Parallel dazu wurde ich vor einigen Jahren an der Wirtschaftskammer als Prüfer für die Ingenieurzertifizierungen zur internationalen Gleichstellung von Ing. (HTL) mit Bachelor tätig. Zweimal jährlich habe ich dort vier bis sechs Kandidaten zu beurteilen.

Mit netFIELD bietet Hilscher Kunden die Möglichkeit, neue und bestehende Produktionsanlagen sehr einfach über das IoT zu verknüpfen.

Mit netFIELD bietet Hilscher Kunden die Möglichkeit, neue und bestehende Produktionsanlagen sehr einfach über das IoT zu verknüpfen.

Wie groß ist Hilscher Österreich, wie weit reicht der Geschäftsumfang der Niederlassung?

Aktuell besteht das Team aus drei Personen. Es soll jedoch noch um weitere zwei oder drei Personen vergrößert werden. 2022 war ein Übergangsjahr, dennoch konnten wir vor allem durch aktive Akquise und intensive Zusammenarbeit mit Bestandskunden ein Wachstum von über 50 Prozent erzielen.

In Hattersheim am Main, etwa auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Mainz, arbeitet die Mehrzahl über 400 Hilscher-Mitarbeiter an führenden Lösungen auf chip- modul- und systemebene für die industrielle Kommunikation.

In Hattersheim am Main, etwa auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Mainz, arbeitet die Mehrzahl über 400 Hilscher-Mitarbeiter an führenden Lösungen auf chip- modul- und systemebene für die industrielle Kommunikation.

Und wie sieht die Perspektive für die nähere Zukunft aus?

Die Stunde der Wahrheit schlägt 2024. Dann wird das Geschäft in Österreich vollumfänglich in der Verantwortung von Hilscher Austria liegen. Dann wird auch der Wirkungsbereich der Niederlassung über Österreich hinaus erweitert, beginnend mit einigen Nachbarländern. Dabei kommt mir meine Herkunft sehr gelegen. Als ich 1996 im Wege eines Familiennachzuges mit acht Jahren nach Österreich gekommen bin, hatte ich bereits zwei Klassen Volksschule besucht und dabei auch Kenntnisse der serbokroatischen Sprache und der in meiner früheren Heimat Kosovo üblichen kyrillischen Schrift erworben. Mein Deutsch ist deutlich besser als mein Serbokroatisch, aber Geschäftspartner in diesen Ländern schätzen es sehr, wenn man sich mit ihnen in ihrer Sprache unterhalten kann.

Was ist Ihr Eindruck von der SMART Automation 2023, auf der Hilscher ja auch vertreten war?

Nachdem wir keinen eigenen Standplatz ergattern konnten, sind wir als Subaussteller auf dem Stand des Mechatronik-Clusters aufgetreten. Die Messe war für uns ein voller Erfolg, die Gespräche zahlreich und niveauvoll und die generierten Leads ebenfalls sehr vielversprechend. Vor allem hatten wir hervorragende Gelegenheit, die von vielen nur einseitig wahrgenommene Positionierung von Hilscher ins rechte Licht zu rücken.

Was konkret meinen Sie damit?

Nun, die Sicht des Kunden ist abhängig von seinem Bedarf. Für die einen sind wir ein Chiphersteller, die anderen interessieren sich nur für unsere Module, mit denen man z. B. auch ältere Anlagen an moderne Netzwerke oder an Cloud-Applikationen anschließen kann. Noch andere sehen uns – vor allem seit der Einführung unserer universellen, IoT-Infrastrukturlösung netFIELD – als Enabler einer systemunabhängigen Kommunikation zwischen Maschinen und Anlagen sowie allen anderen Teilnehmern im IIoT.

Was meinen Sie mit „systemunabhängige Kommunikation im IIoT“?

Als Toolset für den Aufbau von IoT-Kommunikationsnetzwerken bietet netFIELD Kunden die Möglichkeit, neue und bestehende Produktionsanlagen sehr einfach über das IoT zu verknüpfen. Es nutzt Daten und Informationen, die es passiv von Feldbussen, Netzwerken oder Schnittstellen wie IO-Link passiv abgreift, ohne deren Fluss dort zu stören. Dabei hilft Hilscher die Fähigkeit, über praktisch alle Standards zu kommunizieren, einschließlich sämtlicher Ausprägungen von Industrial Ethernet. Über netFIELD kann zudem Hard- und Software im IIoT zentral verwaltet werden, Stichwort Edge Management. Bei der Umsetzung neuer Industrie 4.0-Anwendungen wird dieser essenzielle Part oft unterschätzt. Hier bieten wir unseren Kunden eine umfassende Lösung.

Auf dem Markt herrscht die Erwartung, dass OPC UA die verschiedenen Ausprägungen von Industrial Ethernet ablösen wird. Stimmt das?

Ja und nein. Einerseits hat OPC UA vor allem in Kombination mit Ethernet TSN (Time-sensitive Networking) die Möglichkeit, die Informationen über den ganzen vertikalen Weg von der Feldbus-Ebene bis in die Cloud deterministisch zu übertragen. Andererseits sehen wir Ankündigungen von Gigabit-Varianten gängiger Systeme wie Profinet, also scheint das Begehen separater Wege noch lange nicht aufzuhören. Zusätzlich muss die enorme Verbreitung von Komponenten älterer Feldbussysteme in den langlebigen industriellen Installationen berücksichtigt werden, zu denen auch viele neue Produkte weiterhin kompatibel sein müssen.

Wie können Anwender sicher sein, dass ihre Anforderungen auch auf längere Sicht erfüllt werden?

Diese Frage kann ich nur mehrstufig beantworten und sie bringt mich zurück zu netX. Diese Technologie hat sich bereits seit 2005 bewährt und wird von uns stetig weiterentwickelt. Dabei handelt es sich nicht wie bei manchen anderen Produkten um programmierbare Logik, sondern um ein echtes SoC (System on Chip) in einem ASIC (application specific integrated circuit). Dieses ist schneller als programmierbare Logik und praktisch nicht zu decodieren. Das Design von netX liegt voll in der Hand von Hilscher. Vor allem werden die Stacks für die konkreten Protokolle von den Softwareentwicklern bei Hilscher ständig gepflegt und weiterentwickelt, die auch direkt in den Standardisierungsgremien sitzen. Das betrifft ebenso ältere Protokollvarianten und erstreckt sich auch auf die – zugegebenermaßen eingeschränkte – Möglichkeit, mit kombinierten Stacks mehrere Protokolle simultan zu bedienen.

Hilscher nimmt also seinen Kunden das Kompatibilitätsrisiko ab?

Das ist tatsächlich ein wesentliches Kaufmotiv und auch recht einfach zu erklären. Muss sich der Systemhersteller oder -integrator nicht um die Kompatibilität mit Normen kümmern, die sich auch verändern können, dann reduziert das den Zeit- und Kostenaufwand in der Entwicklung – und den Bedarf an hoch qualifizierten Know-how-Trägern auf einem Gebiet, das nicht zu den Kernkompetenzen eines Geräte- oder Maschinenherstellers gehört.

Was erwartet Besucher am Hilscher-Stand auf der diesjährigen SPS?

Auf der SPS 2023 zeigen wir z. B. im Hinblick auf neue Chip-Generationen, wie wir mit Themen wie Security und Gigabit-Netzwerke in Zukunft umgehen werden. Grundvoraussetzung ist dabei immer eine möglichst einfache Integration für unsere Kunden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land