Lenze: Maschinen- und Anlagencheck am laufenden Band

Digitalisierung ist ein allgegenwärtiges Thema und bietet zahlreiche Chancen – angefangen bei der Produktivitätssteigerung bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Um die Tragweite zu begreifen, lohnt sich ein Blick auf die Zahlen: Weltweit belaufen sich die geschätzten Kosten, die allein durch ungeplante Stillstände verursacht werden, auf bis zu 56 Mrd. Dollar pro Jahr. Entsprechend groß ist das Einsparpotenzial für OEM und Endkunden. Der Maschinenbauer steht also vor der Herausforderung, die Verfügbarkeit und den Zustand seiner Maschinen transparent zu machen, um so die Wartungsarbeiten und Materialbevorratung zu reduzieren und die Anlageneffizienz- und Verfügbarkeit zu erhöhen.

Mit einem vollfunktionsfähigen Showcase zeigte Lenze bereits auf der SPS 2019 einen modell- und einen datenbasierten Ansatz für den laufenden Maschinen- und Anlagencheck.

Mit einem vollfunktionsfähigen Showcase zeigte Lenze bereits auf der SPS 2019 einen modell- und einen datenbasierten Ansatz für den laufenden Maschinen- und Anlagencheck.

Meinungen und Ansätze zur Digitalisierung gibt es viele. Dabei einen Überblick zu behalten, ist nicht trivial. Einen besonders hohen Nutzen erwartet ein Großteil der Marktteilnehmer im Bereich der Instandhaltung. Der Wechsel von einer zeitbasierten zur zustandsorientierten Instandhaltung erhöht die Wirtschaftlichkeit einer Anlage, weil Komponenten erst dann ausgetauscht werden müssen, wenn es notwendig ist und nicht prophylaktisch, bevor sie ihr Lebensende erreicht haben. „Condition Monitoring“ und „Predictive Maintenance“ sind in diesem Zusammenhang häufig zu hören – und damit verbunden die Erwartung, die Kosten von ungeplanten Stillständen durch bessere Sichtbarkeit in den Zustand der Komponenten unmittelbar zu reduzieren und mögliche Anlagenfehler rechtzeitig zu unterbinden. Einhergehend damit ist der Gedanke des Effizienzgewinns und der Fehlervermeidung, die sich durch eine bessere Sichtweise in die Anlage, den Prozess und den Zustand der Komponenten automatisch ergeben würde. Einen Schritt weitergedacht, sind Anwendungsmodelle wie Pay-per-use und die sich daraus ergebenden Geschäftsmodelle möglich, für die die vollumfängliche Digitalisierung des Zustands einer Anlage und vor allem auch deren Leistung eine Grundvoraussetzung ist. Nur so ist eine Abrechnung möglich. Leider sieht man weiterhin häufig, dass Maschinenbauern lediglich partielle Lösungen angeboten werden, die angestrebte Gesamtlösung der Digitalisierung bleibt jedoch meist unklar und wird dem Kunden überlassen.

Ansätze für eine nutzbringende digitale Transformation

Der Antriebs- und Automatisierungsspezialist Lenze begleitet dagegen seine Kunden ganzheitlich bei diesem Transformationsprozess. Die Basis bildet ein Phasenmodell, das alle erforderlichen Schritte zur Digitalisierung aufzeigt. Im ersten Schritt geht es darum, Daten zu visualisieren, eine Transparenz über die installierte Basis sowie der Systemleistung konsolidiert zu erhalten und Systemstillstände oder Ausfälle aufzuzeigen. Nicht selten hat der Maschinenbetreiber keine komplette Übersicht darüber. Die Maschine oder die Gesamtanlage stehen dabei im Fokus, was dieses Konzept von früheren Modellen unterscheidet, bei denen nur einzelne Komponenten oder Maschinenabschnitte beurteilt werden konnten. Die Visualisierung der Systemleistung und Balancierung der Systemauslastung sind dabei besonders interessant. Sie lassen wesentliche Rückschlüsse auf die Prozesse und Abläufe der vernetzten Anlagenabschnitte zu, denn was bringt eine Leistungssteigerung einer einzelnen Komponente wie einem Regalbediengerät, wenn die Waren nicht weiterverarbeitet oder abgefördert werden können, weil noch kein Lkw an der Verladerampe steht? Zudem können durch Fernwartung Inbetriebnahme- und Servicekosten erheblich reduziert und Personal wesentlich effizienter eingesetzt werden.

Im nächsten Schritt unterstützt Lenze seine Kunden mit digitalen Diensten und Cloud-Services rund um die Maschine. Mit der Ausweisung der OEE (Overall-Equipment-Efficiency oder Gesamtanlageneffektivität) können z. B. die Verfügbarkeit, der Durchsatz und die Produktionsausbeute der Maschine oder Anlage optimiert werden. Besonders ist dabei, dass die Daten maschinen-, anlagen- und vor allem auch werksübergreifend verglichen werden können, was Aufschluss über die „echte“ Performance bietet. Auf Basis dieser Daten und mit dem vorhandenen Domänenwissen werden erste Modelle hergeleitet, die über Condition Monitoring Ausfallzeiten reduzieren. Basierend auf den verbauten Komponenten lassen sie zudem eine genaue Aussage über den allgemeinen Zustand der Maschine zu. Tritt in einer Anlage gehäuft ein Fehler auf, der in einer anderen identischen vernetzten Anlage nicht vorkommt, lässt sich nach der Analyse die Fehlerursache beheben. Klar ist, dass für diesen Schritt die Vernetzung der Anlage, eine hohe Transparenz und ein ausreichend hoher Grad an Domänenwissen essenziell sind.

Ist all das erreicht, geht es im letzten Schritt an die Generierung vorausschauender Modelle. Predictive Analytics zeigen beispielsweise Auffälligkeiten, die zu einem möglichen Anlagenstillstand führen würden, selbstständig auf. Erste Projekte für Predictive Maintenance mit Lenze sind in Europa und in Asien bereits in der Umsetzung.

Zustandsbeschreibung oder Vorhersage?

Condition Monitoring und Predictive Maintenance – beide Bezeichnungen werden häufig synonym verwendet, obwohl es sich um zwei unterschiedliche Konzepte handelt. Predictive Maintenance ist die Vorhersage von Ereignissen oder der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, beispielsweise wann die Wahrscheinlichkeit, dass ein Getriebedefekt in den nächsten 50 Betriebsstunden auftritt, auf über 90 % steigt. Mit einer solchen Prognose könnte man den Austausch des Getriebes rechtzeitig planen, bevor die Anlage tatsächlich ausfällt. Condition Monitoring dagegen ist eine Vorstufe, die aus der Interpretation vorhandener Daten eine tiefergehende Beschreibung des aktuellen Zustands ermöglicht. Dazu bedarf es eines tiefen Verständnisses von Maschinen und Prozessen, um aus „nackten“ Daten aussagekräftige Informationen zu generieren. Analysen auf Basis von Machine Learning (ML) und KI können dazu beitragen, Anomalien schneller aufzuspüren.

Lenze setzt sich intensiv mit beiden Themen auseinander. Mit einem vollfunktionsfähigen Showcase zeigte das Unternehmen bereits auf der SPS 2019 einen modellbasierten und einen datenbasierten Ansatz. Der modellbasierte Ansatz vergleicht die erfassten Daten mit einem mathematisch angenommenen Modell der Anwendung und interpretiert die erkannten Abweichungen zum zuvor definierten Modell. Der datenbasierte Ansatz hingegen nutzt ein neuronales Netzwerk oder umgangssprachlich Ansätze der Künstlichen Intelligenz, und lernt selbstständig das Maschinenverhalten. Interpretiert werden dann die aufgenommenen Werte mit denen der selbsterlernten Eigenschaften. So kann beispielhaft auch die Kombinatorik mehrerer Faktoren zu einem Verhalten zusammengeführt werden. Die erhöhte Motordrehzahl, reduzierte Stromaufnahme und längere Förderlaufzeit zwischen Lichtschranken geben so einen Hinweis auf Schlupf oder Verschleiß eines Fördergurtes über die Antriebstrommel. Der Rechenbedarf ist bei diesem Ansatz jedoch wesentlich größer, sodass aktuell die Verarbeitung noch in einer übergeordneten Steuerung oder der Cloud stattfinden muss, der Edge-Controller dient zur lokalen Datenkompression. Durch Moore’s Law werden die technologischen Möglichkeiten innerhalb kürzester Zeit drastisch zunehmen und zu ausgeprägteren Modellen und Verarbeitungsmöglichkeiten in der Steuerung und dem Frequenzumrichter führen.

Erste Projekte in der Automobilindustrie bereits in Umsetzung

Die bereits in der Umsetzung befindlichen Projekte nutzen in der ersten Ausbaustufe Daten von jeweils rund 1.000 Antriebspaketen, die auf mehrere Anlagen verteilt sind. Der reine Datenzugriff ermöglicht es bereits, Daten der Anlagen zu vergleichen und Abweichungen zu erkennen. Die Daten werden lokal innerhalb des firmeneigenen Netzwerks gespeichert und ausgewertet. So können erste Erfahrungen mit dem Umgang, der Datenmenge, der Verarbeitung und Analyse der Informationen gesammelt werden. Das System ist offen gestaltet und verteilt die Last auf mehrere Edge-Controller, die an den übergeordneten Datenservern bzw. Data Lake per MQTT kommunizieren und nach unten gerichtet OPC UA verwenden. Das ermöglicht neben dem eigentlichen Ethernet-basierten Feldbus als Verbindung zu eigenen Komponenten, auch externe Fremdkomponenten an das System anzubinden und ist über die Anzahl der Edge-Controller weiterhin nach oben skalierbar. Das macht die gewonnenen Erkenntnisse auch für Großinstallationen wie Gepäckförderanlagen in Flughäfen oder vollautomatisierten Warenhäuser interessant, wo sich nicht selten mehr als 10.000 Antriebspakete und Komponenten verschiedenster Zulieferer im Einsatz befinden. Die Edge Controller ermöglichen es, Erfahrungen mit Datenvorverarbeitung, Kompression, Echtzeitverhalten, Einbindung von Fremdkomponenten sowie die Anbindung an den Data Lake zu sammeln.

Im zweiten Schritt geht es dann um Predictive Maintenance in der Praxis und die Anwendung der bereits im Laborumfeld verifizierten Algorithmen zur Erkennung von Systemanomalien sowie die Verifikation der erforderlichen Daten für die Domäne. Im Laborumfeld lieferten die aufbereiteten Daten bereits gute Ergebnisse. Interessant wird die Erkenntnis sein, wie sich die massive Datenvorbearbeitung mit Fast-Fourier-Transformation, Kalman-Filter oder Hüllkurvenanalyse auf die reale Datenmenge und die Auslastung im produzierenden Anwendungsbereich auswirkt. Eine unmittelbare Übertragung von theoretischen und labortechnischen Erkenntnissen im praktischen Umfeld kann nämlich nicht immer gewährleistet werden. So können sich Fehlerbilder für die Algorithmen aufgrund der um die Sensoren und Antriebspakete verbauten Komponenten und deren Eigenverhalten negativ auswirken und die Adaption und Robustheit des datenbasierten Modells auf solche Beeinflussungen eine interessante Erkenntnis aus dieser Untersuchung ergeben. Aus dem Alltag kennt man ein solches Problem und Phänomen, wenn im Hängeschrank in der Küche Gläser klappern, die Ursache dafür jedoch nicht im Hängeschrank, sondern im Umfeld des befindlichen Kompressor des Kühlschranks zu finden ist, der gerade die Kühlleistung erhöht hat.

Sind wir also schon im „Übermorgen“ und reichen die entwickelten Verfahren bereits aus, um Effizienzgewinn zu sichern und ungeplante Anlagenstillstände zu vermeiden? Die Zukunft bleibt spannend.

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