interview

IIoT-basierte digitale Produktionsoptimierung mit voller Datensouveränität

Um die Smart Factory Realität werden zu lassen, müssen neben Produkt und Produktionsanlagen auch die Prozesse optimiert werden. Zur Abrundung des Angebotes von Rittal, Eplan und Cideon bietet das ebenfalls zur Friedhelm Loh-Gruppe gehörende Unternehmen German Edge Cloud mit ONCITE DPS ein IIoT-basierendes, digitales Produktionsystem an, das mit der umgebenden Technik Daten austauschen und diese zur Optimierung der Produktionsprozesse nutzen kann, und das bei vollem Erhalt der Datensouveränität.

„Das digitale Produktionssystem ONCITE DPS macht die Prozesse und Energieflüsse der Smart Production transparenter und effizienter und damit optimierbar.“ Bernd Kremer, COO Digital Industrial Solutions bei der German Edge Cloud GmbH & Co. KG

„Das digitale Produktionssystem ONCITE DPS macht die Prozesse und Energieflüsse der Smart Production transparenter und effizienter und damit optimierbar.“ Bernd Kremer, COO Digital Industrial Solutions bei der German Edge Cloud GmbH & Co. KG

Auf der Smart Automation Austria zeigte Rittal gemeinsam mit seinen Schwesterunternehmen Eplan, Cideon und German Edge Cloud die Digitalisierung der Smart Factory (siehe Vorbericht in AUTOMATION 3/2023). Eine wesentliche Rolle spielte dabei der Digitale Zwilling, besser gesagt die drei digitalen Zwillinge des auf einer Maschine oder Anlage herzustellenden Produkts, der (Schalt- oder Steuerungs-)Anlage und des Fertigungsprozesses.

Als Mitglied der Friedhelm Loh-Gruppe kann Rittal seinen Kunden alles für den Aufbau einer voll digitalisierten, durchgängigen Wertschöpfungskette im Schaltanlagenbau nötige anbieten. Dazu gehört neben der Schaltschrank-Hardware und Maschinen für die automatisierte Schaltanlagenfertigung auch eine breite Palette an Softwareprodukten. Eplan und Rittal treiben den Digitalen Zwilling der Maschinen und Anlagen voran und machen die Daten im Betrieb nutzbar, Cideon steigert – etwa mit der Softwarelösung Conify für die PDM-konforme Ausgabe konfigurierter CAD-Daten – die Datendurchgängigkeit rund um den Digitalen Produktzwilling mit der Schnittstellenkompetenz für CAD/CAM, PDM/PLM und Produktkonfiguration.

ONCITE DPS kann existierende ERP-, MES- oder PPS-Lösungen sowie Leitsysteme und Steuerungen problemlos verbinden und wie der Dirigent in einem Chor oder Orchester zu einem harmonischen Gesamtwerk formen.

ONCITE DPS kann existierende ERP-, MES- oder PPS-Lösungen sowie Leitsysteme und Steuerungen problemlos verbinden und wie der Dirigent in einem Chor oder Orchester zu einem harmonischen Gesamtwerk formen.

Auch die Prozesse optimieren

Wie man mithilfe des digitalen Fertigungszwillings die Effizienz und Flexibilität der Fertigung steigern kann, zeigte auf der Smart Automation in Linz German Edge Cloud (GEC), ebenfalls ein Unternehmen der Friedhelm Loh Gruppe. Zentral ist dabei das ONCITE Digital Production System (DPS) mit dem sich laut Hersteller IIoT-gestütztes Produktionsmanagement einfach, datensouverän und anwendungsfreundlich umsetzen lässt.

Für viele Maschinen- und Produkthersteller spielt die Optimierung nicht nur ihrer Produkte, sondern vor allem auch der Herstellungsprozesse eine wichtige Rolle. Deshalb wollten wir unseren Lesern zu diesem in Österreich neuen Angebot mehr Informationen anbieten. Diese erhielten wir in einem persönlichen Gespräch von Bernd Kremer, COO Digital Industrial Solutions bei German Edge Cloud.

Das ONCITE Digital Production System DPS ist die Plattform für das IIoT-gestützte Produktionsmanagement mit vollständiger Datensouveränität.

Das ONCITE Digital Production System DPS ist die Plattform für das IIoT-gestützte Produktionsmanagement mit vollständiger Datensouveränität.

Herr Kremer, German Edge Cloud ist in Österreich noch nicht sehr bekannt. Bitte stellen Sie unseren Lesern das Unternehmen und sein Angebot kurz vor!

German Edge Cloud ist auf innovative Edge- und Cloud-Lösungen für industrielle Anwendungen spezialisiert. Diese machen Daten in vernetzten Umgebungen schnell, einfach und sicher verfügbar und unterstützen damit z. B. die Optimierung von Produktionsprozessen über Data Analytics. Dabei behält der Kunde die volle Datensouveränität in der Anbindung an die Public oder Private Cloud als auch für die Edge (lokale Installation).

Als Option für die passende Infrastruktur für ONCITE DPS sind hochgradig skalierbare ONCITE Factory Edges verfügbar.

Als Option für die passende Infrastruktur für ONCITE DPS sind hochgradig skalierbare ONCITE Factory Edges verfügbar.

Was verstehen Sie unter „Datensouveränität“ und warum ist diese so wichtig?

Vor allem Automobilzulieferer, aber auch andere Fertigungsunternehmen, stehen vor der Herausforderung, mächtigen Kunden OEMs über deren Online-Plattformen Fertigungsdaten liefern zu müssen. Diese müssen einerseits ohne zusätzlichen Aufwand erhoben und bereitgestellt werden. Andererseits sollen die Rohdaten im Haus bleiben und nur die geforderten Werte vor unbefugtem Zugriff geschützt übertragen werden.

Wie Pyramide des Djoser im ägyptischen Saqqara sind auch die Stufen der Automatisierungspyramide nicht mehr scharf abgegrenzt. Ihr klassisches Schichtenmodell wurde in Zeiten des IIoT weitgehend aufgelöst und durch amorphere Strukturen ersetzt.

Wie Pyramide des Djoser im ägyptischen Saqqara sind auch die Stufen der Automatisierungspyramide nicht mehr scharf abgegrenzt. Ihr klassisches Schichtenmodell wurde in Zeiten des IIoT weitgehend aufgelöst und durch amorphere Strukturen ersetzt.

Wie schaffen Sie diesen Spagat?

Der Name ist eine phonetische Entsprechung von „On Site“, zu Deutsch „vor Ort“, denn es handelt sich um ein digitales Produktionssystem, das nicht nur der Cloud konsumiert, sondern auch in ein fabrikinternes Edge Cloud Rechenzentrum integriert werden kann. Dieses bieten wir auch als einfach in die IT- und OT-Umgebung beim Kunden zu integrierendes, skalierbares und fix fertig in Rittal-Datentechnikschränke eingebautes Komplettpaket, ein sog. Appliance, an. Dieses erleichtert die Einbindung abgesetzter Standorte und damit standortübergreifende Optimierungen und kann um cloudbasierte Szenarien ergänzt werden.

Vorteile sind neben der Vermeidung von Kosten für nicht unbedingt erforderliche Datenübertragungen die nahezu Echtzeitfähigkeit und der Erhalt der vollen Datenhoheit. ONCITE DPS erfüllt z.B. die strengen Catena-X Anforderungen und hat im Mai 2023 das Catena-X Zertifikat erhalten.

Die RiZone OTM Suite von Rittal ermöglicht auf Basis der Technologie von GEC ONCITE DPS ein Status- und Energiemonitoring im Rechenzentrum und lässt sich einfach in bestehende Systemlandschaften integrieren.

Die RiZone OTM Suite von Rittal ermöglicht auf Basis der Technologie von GEC ONCITE DPS ein Status- und Energiemonitoring im Rechenzentrum und lässt sich einfach in bestehende Systemlandschaften integrieren.

Auf der SMART Automation ging es um den digitalen Fertigungszwilling. Wie lässt sich dieser mit ONCITE DPS realisieren?

Auf Basis der gesammelten Daten aus der Fertigung ermöglicht German Edge Cloud ein IIoT-gestütztes Produktionsmanagement. Dazu haben wir ein eigenes Produkt geschaffen, das ONCITE DPS (Digital Production System). Als hochgradig skalierbares System nutzt es Micro-Services, um z.B. aus den Massendaten Informationen abzuleiten. Diese stellt es in Form von Visualisierungen und Handlungsanweisungen zur Verfügung, die es auch in Form von Befehlen an andere Systeme automatisiert weitergeben kann.

Der deutsche Pressenhersteller Schuler AG nutzt die Technologie von German Edge Cloud für eine innovative Track-&-Trace-Lösung.

Der deutsche Pressenhersteller Schuler AG nutzt die Technologie von German Edge Cloud für eine innovative Track-&-Trace-Lösung.

Das klingt bekannt. Wie unterscheidet sich ONCITE DPS von etablierten SCADA-Systemen oder Leitsteuerungen?

Diese Begriffe sind Teil des Schichtenmodells der klassischen Automatisierungspyramide, und das wurde in Zeiten des IIoT weitgehend aufgelöst und durch skalierbare Strukturen ersetzt. Ohne ein System für alles schaffen zu wollen, haben wir mit ONCITE DPS ein System entwickelt, das vom ERP-System bis zum Sensor mit der umgebenden Technik Daten austauschen kann und dabei nicht an die Grenzen strenger Hierarchien gebunden ist.

Mit seiner offenen Software-Architektur und API (Application Programming Interface) Schnittstellen kann ONCITE DPS existierende ERP-, MES- oder PPS-Lösungen sowie Leitsysteme und Steuerungen problemlos verbinden und wie der Dirigent in einem Chor oder Orchester zu einem harmonischen Gesamtwerk formen. Es kann diese ergänzen, aber auch schrittweise ablösen. Insofern ist ONCITE DPS mehr als nur ein SCADA- oder Leitsystem. Im Englischen gibt es für diese Gesamtfunktionalität den Begriff Manufacturing Operations Management (MOM). Wir nennen es nicht ohne Grund Digital Production System.

Mit welchem Aufwand ist bei der Einführung von GEC ONCITE DPS zu rechnen?

Das lässt sich nicht leicht beziffern, denn eine schlagartige Einführung „von 0 auf 100“ ist ohnedies meist keine sinnvolle Option. Der Einstieg kann sukzessive erfolgen, auch während des laufenden Betriebes, der dadurch kaum gestört wird. Die schlüsselfertige und zugleich skalierbare Hardware der ONCITE Factory Edge erleichtert den Einstieg weiter. Der Ausbaugrad ist variabel. Man muss die bestehende Ausstattung nicht ersetzen, sondern kann klein beginnen und dann in überschaubaren Schritten ausbauen.

Welche Datenquellen und Systeme sollte man jedenfalls integrieren?

Die erzielbaren Effekte sind umso besser, je breiter die Datenbasis der Lösung innerhalb der gesamten Fertigung ist. Beginnen sollte man jedenfalls mit Bereichen, in denen man größere Effizienzpotenziale vermutet. Erfahrungsgemäß kommt der Appetit mit dem Essen. Ich empfehle, den Blick über die eigentlichen Produktionsmaschinen und -anlagen hinaus schweifen zu lassen. In der Sektorenkopplung, vor allem in der Einbeziehung der Gebäudetechnik, stecken oft große Einsparungspotenziale, vor allem beim Energieverbrauch, die sich vergleichsweise einfach heben lassen. ONCITE DPS bietet zahlreiche vorgefertigte Microservices, die sich dafür nutzen lassen.

Ist GEC ONCITE DPS ganz neu oder gibt es bereits Erfahrungen aus dem praktischen Einsatz?

Als Produktbezeichnung gibt es ONCITE DPS tatsächlich erst seit etwas mehr als einem Jahr. Es bündelt und erweitert die vielfältigen IIoT-Anwendungen der ONCITE Industrial Suite, die bereits seit einigen Jahren im Rittal-Werk in Haiger im Einsatz steht, wo in einer auf Industrie 4.0 Standards ausgerichteten Fertigung täglich bis zu 9.000 Klein- und Kompaktgehäuse entstehen.

Der deutsche Pressenhersteller Schuler AG, eine Andritz-Tochter, nutzt unsere Technologie für seine Track- & Trace-Lösung für Presswerke. Die Schuler Digital Suite mit der Anwendung „Track & Trace powered by GEC“ kommt unter anderem im Smart Press Shop, einem Joint Venture von Schuler und Porsche, zum Einsatz. Das Unternehmen sorgt damit für eine vollständige Transparenz in der Produktion. So kann etwa bei Rückrufaktionen die komplette Lieferkette lückenlos nachvollzogen und die Fehlerursache schnell identifiziert werden.

Können Anwender Digitalisierungsprojekte in ihren Fabriken selbst umsetzen oder brauchen sie dazu Ihre Hilfe?

Meist liefern wir solche Installationen in Form kundenspezifischer Projekte mit allem, was dazugehört, auch der Personalisierung. Die Offenheit der von Catena-X für die Track-&-Trace zertifizierte Lösung und die kürzlich erfolgte Integration von Scheer PAS als Low-Code-Integrationsplattform ermöglichen Unternehmen, schnell und flexibel auf Veränderungen zu reagieren, ohne tatsächlich in die Programmierung eingreifen zu müssen. Für umfangreichere und weltweite Implementierungen setzen wir auf unserem Partner IBM.

Durch Parametrieren statt Programmieren konnte z. B. bei Rittal in Haiger in kürzester Zeit der Energiefluss als neue Messgröße eingeführt und so die Transparenz der Fertigung um einen Faktor mit steigender Relevanz gesteigert werden. Schuler erweiterte das zentrale Software-Modul von GEC mit eigenen Modulen nach dem „User Centered Design“-Ansatz. Entsprechend qualifizierte Mitarbeiter mit Domänenwissen vorausgesetzt, können Kunden also durchaus auch ihre eigenen Lösungen entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch.

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