gastkommentar

Single Pair Ethernet ist kein Zufallsprodukt

Single Pair Ethernet (SPE) wurde nur aus einem einzigen Grund entwickelt. Es soll eine der letzten großen Lücken in einer TCP/IP-orientierten Netzwerkwelt schließen – die Lücke zwischen der klassischen IT und der immer wichtiger werdenden Sensorik. Es geht nicht darum, vierpaarige Verkabelungen zu ersetzen, sondern darum, Sensor-/Aktornetzwerke barrierefrei an IT-Netze anzudocken. Deshalb wird SPE auch als „Enabler“ für IoT und IIoT bezeichnet. Von Rainer Schmidt, Business Development Manager Cable Systems bei Harting Electronics

Rainer Schmidt, Business Development Manager Cable Systems bei Harting Electronics: „Es ist Zeit, mit einigen Hypothesen aufzuräumen: SPE und SPE-Steckgesichter haben nichts mit RJ45 zu tun. Man hat sich bereits auf ein Steckgesicht für die Industrie (IEC 63171-6) geeinigt. Die Prozessautomatisierung bestimmt nicht die Entwicklung von SPE, sondern es ist genau umgekehrt.“

Rainer Schmidt, Business Development Manager Cable Systems bei Harting Electronics: „Es ist Zeit, mit einigen Hypothesen aufzuräumen: SPE und SPE-Steckgesichter haben nichts mit RJ45 zu tun. Man hat sich bereits auf ein Steckgesicht für die Industrie (IEC 63171-6) geeinigt. Die Prozessautomatisierung bestimmt nicht die Entwicklung von SPE, sondern es ist genau umgekehrt.“

Single Pair Ethernet (SPE) ist kein Zufallsprodukt, sondern die einfache Antwort auf die Frage, wie zukünftige Automatisierungslösungen aussehen müssen, damit sie erfolgreich am Markt umgesetzt werden können. Diese Frage hat drei Branchen besonders umgetrieben: die Automobilindustrie, die Industrie- und die Gebäudeautomatisierung. Alle drei Anwendungsfelder benötigen für den nächsten Schritt in den jeweiligen Automatisierungslösungen ungehinderten Zugang zu Sensor-/ Aktornetzwerken. Nur so lässt sich autonomes Fahren, Durchgängigkeit im Sinne von Industrie 4.0 oder das intelligente Gebäude realisieren.

Da jeder SPE-Anwendungsbereich seine eigene Historie und sein ganz spezielles Anforderungsprofil hat, gibt es mehrere Steckgesichter.

Da jeder SPE-Anwendungsbereich seine eigene Historie und sein ganz spezielles Anforderungsprofil hat, gibt es mehrere Steckgesichter.

Kein Alleskönner in Aussicht

Im Auto muss SPE einfach, schnell und trotzdem stabil, bei zum Teil extremen Betriebsbedingungen, implementiert werden. Für die Autobauer heißt das: einfache Ansteuerung aller relevanten Komponenten mittels SPE. Die Verkabelung dazu wird im Allgemeinen ungeschirmt und mit eigens entwickelter Verbindungstechnik erfolgen. Schon jetzt werden erste Modellreihen mit SPE ausgeliefert. In zehn Jahren wird diese Technik Standard sein und den heutigen CAN-Bus oder vergleichbare Lösungen vollständig abgelöst haben.

Bei der Industrieautomatisierung sieht das im Grunde ganz ähnlich aus. Auch hier spielen extreme Bedingungen wie große abzudeckende Temperaturbereiche, Schock und Vibration aber auch der IPx Schutz vor Staub und Nässe eine wichtige Rolle beim Design der Verbindungstechnik. Allerdings werden in der Industrie zum absolut überwiegenden Teil geschirmte Verkabelungen eingesetzt, um hohe Störfestigkeit im Bereich der EMV zu garantieren. Somit orientiert sich das Design der Steckverbinder für SPE in der Industrieautomatisierung an robusten geschirmten IP20-Verbindern bis hin zu IP65/67 geschützten Varianten in den weitverbreiteten M12- bzw. M8-Bauformen.

In der Gebäudeautomatisierung wird sich erst entscheiden, wie bzw. in welchem Umfang Lösungen wie KNX, LON, EchoNet, TRON etc. SPE zukünftig nutzen wollen. Über den Innovationsdruck von SPE in der Sensortechnik werden sie an dieser Technologie nicht vorbeikommen. Ob sie diesen Technologiewechsel dann aber auch noch für weitreichendere Veränderungen, z. B. hin zu komplett ethernetbasierten Systemen nutzen werden, bleibt abzuwarten.

In allen drei Bereichen – Auto, Industrie und Gebäude – spielt der RJ45 bei der Einführung von SPE keine Rolle. Dennoch hat jeder Anwendungsbereich seine eigene Historie und sein ganz spezielles Anforderungsprofil. Das führt zu speziellen Designs in der SPE-Anschlusstechnik. Es wird also nicht DIE EINE Lösung geben, den Alleskönner unter den SPE-Steckern. Vielmehr kristallisiert sich heraus, dass es drei Lösungen an SPE-Steckgesichtern geben wird: eine (oder auch mehrere, je nach Hersteller) fürs Auto, eine für die Industrie und eine für die Gebäudeinstallation.

Einheitliches Steckgesicht für die Industrie

Mit der Festlegung der ISO/IEC auf ein SPE-Steckgesicht für die Industrie (IEC 63171-6/Harting-Konzept) und ein Steckgesicht für die Gebäudeinstallation (IEC 63171-1/CommScope-Konzept) gehen die Arbeiten an den weiterführenden Verkabelungsnormen nun sukzessive weiter. Dabei werden die Beschlüsse zum SPE-Steckgesicht konsequent in die entsprechenden Papiere von ISO/IEC, TIA und IEEE eingearbeitet. Die gute Nachricht für alle Anwender: das einheitliche SPE-Steckgesicht für die Industrie nach IEC63171-6 wird konsequent in alle relevanten Verkabelungsnormen übernommen und dort verbindlich vorgeschrieben. Das betrifft im Einzelnen:


ISO/IEC 11801-3 AMD-1: Information technology — Generic cabling for customer premises (Strukturierte Verkabelung) Teil 3: Industrie, AMD-1: SPE


ANSI/TIA-1005-B: Telecommunications Infrastructure Standard for Industrial Premises – SPE cabling


IEC 61918 Ed 4.0 AMD-1: Industrial communication networks – Installation of communication networks in industrial premises, AMD-1 SPE

Sonderfall Prozessautomatisierung

Dann gibt es noch die Diskussion um die Prozessautomatisierung (PA) und die Bedeutung von SPE für die anstehenden Innovationen in diesem Bereich. Richtig ist, dass die PA eine gewisse Sonderstellung innerhalb des breiten Spektrums an Industrieautomatisierungslösungen einnimmt. So hat die PA mit ihren Anwendungsbereichen in der Öl- und Gasindustrie, in der Chemie- und Pharmabranche aber auch im Bergbau, der Wasserwirtschaft, Zement- und Glasfertigung, Lebensmittelindustrie usw. ebenfalls ein spezielles Anforderungsprofil. Dieses Anforderungsprofil wird u. a. von großen Entfernungen geprägt, daher auch die 1.000 m in IEEE802.3cg. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Querschnitte der Kupferkabel, AWG16, AWG 18 und sieht somit neben klassischen Steckverbindungen für SPE auch Anschlussblöcke (Klemmentechnik) vor.

Außerdem spielt das Thema Ex-Schutz nach IEC/EN 60079-0 und IEC/EN 60079-7 eine wichtige Rolle. Somit muss die Anschlusstechnik in einigen Einsatzfällen der PA den Vorschriften zur Eigensicherheit genügen, was wiederum ein spezielles Design nach sich zieht. Auch Lösungen zur Fernspeisung (remote powering) sind davon betroffen. Vernetzungskonzepte mit SPE in der PA sehen z. B. den Betrieb von SPE Switchen in Ex-geschützen Bereichen vor. Das bedeutet wiederum höhere Leistungsanforderungen, die von PoDL nicht oder nur teilweise erfüllt werden können. Somit werden Anbieter von PA-Lösungen auch auf eigene Fernspeisungskonzepte zurückgreifen.

Nun ist allerdings die Frage, welche Marktrelevanz die Prozessautomatisierung für die Entwicklung von IIoT und SPE hat. Und hier muss man ganz nüchtern sagen: eine doch recht geringe. Die Prozessautomatisierung ist „nur“ ein Anwendungsfall für SPE in der Industrie. Aufgrund der speziellen Anforderungen der PA sind teilweise Anpassungen bei SPE-Komponenten erforderlich. Aber dennoch bestimmt die Prozessautomatisierung nicht die Entwicklung von SPE, sondern es ist genau umgekehrt: SPE gibt der PA die Möglichkeit, die Innovation bei der Entwicklung von TCP/IP-Netzen umzusetzen.

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