anwenderreportage

Renaissance in der Füllstandsmessung

Füllstandmessungen in Behältern die über mehrere Stockwerke gehen, mögen von der Messung her einfach sein, doch die Montage und Handhabung kann hier schon eine besondere Herausforderung darstellen. Die elektronische Differenzdruckmessung bietet nicht nur messtechnische Vorteile sondern auch praktische, wie das Beispiel bei der Wacker Polymers GmbH & Co. KG zeigt.

Thomas Moog (WACKER AG) und Martin Goray (Endress+Hauser, rechts) am Abscheidebehälter mit der Füllstandmessung, bestehend aus den zwei Sensoren am Behälter sowie dem Transmitter (links).

Thomas Moog (WACKER AG) und Martin Goray (Endress+Hauser, rechts) am Abscheidebehälter mit der Füllstandmessung, bestehend aus den zwei Sensoren am Behälter sowie dem Transmitter (links).

Infos zum Anwender

Der Geschäftsbereich WACKER POLYMERS bietet Kunden ein technologisch führendes Portfolio an polymeren Bindemitteln und Additiven in Verbindung mit individuellen Services. Basis dafür sind hochentwickelte Produktionsprozesse, kontinuierliche Innovation und ein globales Netzwerk engagierter Spezialisten. Am Standort Köln betreibt WACKER eine Anlage zur Produktion von Vinylacetatethylen-Dispersionen für die Klebstoff-, Coating/Farben- und Nonwoven/Vliesindustrie.

Die Wacker Polymers produziert am Standort Köln Dispersionen auf Basis von Polyvinylacetat und Vinylacetat-Copolymeren. Diese hoch entwickelten Bindemittel und Additive kommen z. B. in Klebstoffen, Faserverbundstoffen und Lacken zum Einsatz. In einem Abscheidebehälter wird das Abgas aus der Produktion gesammelt und der Füllstand mittels Differenzdruck gemessen. Das gereinigte Abgas wird nach dem Abscheider zum Gasometer geführt. Der Behälter ist im Außenbereich aufgestellt und unterliegt somit starken Temperaturschwankungen durch Wettereinflüsse wie beispielsweise Sonneneinstrahlung. Eine Instrumentierung mit Wirkdruckleitung, klassischem Differenzdrucktransmitter und Ventilblock schied wegen Verstopfungsgefahr aufgrund klebriger Reststoffe im Medium aus. Deshalb kam bisher ein Differenzdrucktransmitter mit Kapillarleitungen und angeschweißtem Flanschdruckmittler zum Einsatz.

Dipl. Ing.(FH) Thomas Moog, verantwortlich für die Mess- und Regeltechnik bei Wacker Polymers, konnte zwar mit der Genauigkeit von der Messanordnung leben, die Reproduzierbarkeit, die Empfindlichkeit der Kapillardruckmittler und das Ersatzteilkonzept waren jedoch Aspekte die ihn veranlassten, Alternativen zu suchen. Auch für andere Messstellen mit Kapillardruckmittler suchte Moog Alternativen allein wegen der aufwändigen Montage (z. B. 7 m Kapillare über 3 Etagen) und der Gefahr einer Beschädigung beim Ausbau während der jährlichen Wartung.

Stutzenabstand bis 30 m und Transmittermontage an beliebiger Stelle möglich.

Stutzenabstand bis 30 m und Transmittermontage an beliebiger Stelle möglich.

Elektronische Differenzdruckmessung zur Füllstandmessung

Für die Füllstandmessung gibt es einige Messprinzipien die in Frage kommen: frei abstrahlendes Radar, geführtes Radar, Ultraschall, Kapazitiv oder Hydrostatisch mittels Druck bzw. Differenzdruck. Die Hydrostatik ist nach wie vor einer der am häufigsten eingesetzten Messprinzipien, weil die Messung einfach zu projektieren (1 m = ca. 100 mbar) und problemlos in Betrieb zu nehmen ist. Oberflächenschaum und Behältereinbauten bzw. Behältergeometrien haben keinen Einfluss auf die Messung. Auch kann die Masse im Tank unabhängig von der Dichte gemessen werden. In drucküberlagerten Behältern kann der Füllstand mit zwei einzelnen Druckaufnehmern, mit einem Differenzdrucktransmitter montiert über Impulsleitung oder über einem Differenzdrucktransmitter mit angebautem Druckmittler, gemessen werden.

Für die optimale Auswahl sind verschiedene Aspekte entscheidend, wie beispielsweise das Prozessmedium (z. B. korrosives Medium), evt. Totraumfreiheiten wegen der Reinhaltung wie z. B. in Lebensmittelanwendungen, die Drucküberlagerung in Relation zum messenden Füllstand, Montagebedingungen (z. B. Außenmontage mit schwankenden Umgebungsbedingungen), bauliche Gegebenheiten, geforderte Genauigkeit der Füllstandmessung und die Kosten der Messstelle, von Ersatzteilen und die der Lagerhaltung.

Weniger Ersatzteile, da das System aus drei Einzelkomponenten besteht.

Weniger Ersatzteile, da das System aus drei Einzelkomponenten besteht.

Ein Transmitter, zwei Module

Der neue Deltabar FMD71/72 von Endress+Hauser weckte hierbei die Neugier von Moog. Und seine Neugier hat sich gelohnt. Die elektronische Differenzdruckmessung Deltabar FMD71/72 kombiniert bewährte Drucksensortechnologie, wahlweise mit kapazitiver keramischer Messzelle oder piezoresistiver Messzelle auf eine neue und innovative Weise: Das System besteht aus einem Transmitter und zwei Sensormodulen. Der Transmitter berechnet die Druckdifferenz aus den beiden Sensoren und leitet den Füllstand, das Volumen oder die Masse mittels 4…20 mA an die Steuerung. Über das HART-Signal können weitere Prozesswerte wie Kopfdruck oder Sensortemperatur ausgelesen werden. Der Transmitter kann dank der Separatinstrumentierung mit Standardkabel zum einfachen Ablesen der Anzeige oder Parametrierung der Messstelle an einem beliebigen Ort montiert werden.

Thomas Moog erkannte gleich mehrere praktische Vorteile für seine Anwendung: „Wir konnten die vorhandene Infrastruktur, etwa die Transmitter-Verdrahtung mit 4 bis 20 Milliampere, nutzen. Außerdem waren extra Softwareanpassungen im Leitsystem nicht notwendig." Darüber hinaus werden nun weniger Ersatzteile benötigt, da nur Einzelkomponenten statt komplette Kapillarsysteme in unterschiedlichen Längen vorgehalten werden. Auch sind die Einzelsensoren deutlich unempfindlicher in der Montage und Handhabung als Kapillardruckmittler. Die intuitive Bedienphilosophie mittels 3-Tasten ist auch die gleiche wie bisher – diese war dem Betriebspersonal durch den Einsatz der Micropilot Radarmessung und Coriolis Massemesser bereits bekannt. Die Inbetriebnahme war somit innerhalb weniger Minuten durchgeführt. Das Allerbeste allerdings ist, dass die elektrische Differenzdruckmessung in Sachen Genauigkeit und Reproduzierbarkeit gegenüber der zuvor angewandten Messung deutlich überlegen ist.

Für jede Applikation die richtige Sensorik.

Für jede Applikation die richtige Sensorik.

Einsatzfelder der elektronische Differenzdruckmessung

Die elektronische Differenzdruckmessung mit zwei Drucktransmittern ist heute schon weit verbreitet: die Signale zweier Drucktransmitter werden im Leitsystem oder mit einem Prozesstransmitter mit Steuereinheit verrechnet. Auch zur Filterüberwachung wird diese Messanordnung gerne verwendet. Vor allem wenn der Kopfdruck in Füllstandanwendungen als zusätzlicher Messwert benötigt wird, ist diese Variante zu bevorzugen. Allerdings ist, im Gegensatz zu der elektronischen Differenzdruckmessung mit einem Transmitter, eine zusätzlich Eingangskarte und Programmieraufwand notwendig. Eine zusätzliche Anzeige für den berechneten Füllstand ist ebenfalls erforderlich. Grundsätzlich gilt bei der elektronischen Differenzdruckmessung aber nach wie vor die Einschränkung: je höher der Kopfdruck in Relation zum Füllstand, desto ungenauer wird die Messung. Beispielsweise ist eine Füllstandmessung von 1 m (entspricht ca. 100 mbar) bei einem statischen Kopfdruck von 2 bar mit einer klassischen Differenzdruckmessung deutlich genauer als mit der elektronischen Differenzdruckmessung. Um die Genauigkeit der Messanordnung unter den tatsächlichen Einsatzbedingungen ermitteln und auslegen zu können, empfiehlt es sich, die Messstelle mit dem kostenlosen Software Applicator von Endress+Hauser (www.de.endress.com/applicator) zu prüfen.

Foto: Dominik Gierke

Foto: Dominik Gierke

Fazit

Neben der Wacker Polymers gibt es viele weitere Kunden weltweit, die auf dem Geschmack gekommen sind. Ob wie bei Wacker die Entscheidungsgründe für eine elektronische Differenzdruckmessung, wegen der Handhabung oder aufgrund der Reproduzierbarkeit bzw. Unempfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen, gefallen sind – jeder Anwender hat seine eigenen Ermessensgründe, um sich für die elektronische Differenzdruckmessung zu entschließen.

„Die Problematik rund um Kapillarsysteme und Wirkdruckleitungen bei unseren Kunden hat uns veranlasst solch ein System zu entwickeln“, erklärt Roland Keser, Produkt-verantwortlicher für die Druckmesstechnik bei Endress+Hauser. „Trotzdem ist man sehr gespannt wie die Kunden auf diese neue Innovation anspringen. Erfreulicherweise hat die bisherige Resonanz unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Als Ersatz für eine bestehende Differenzdruckmessung begeistert die elektronische Differenzdruckmessung viele Anwender, weil man die vorhandene Infrastruktur einer Differenzdruckmessung verwenden kann und keine Softwareanpassungen notwendig sind. Aber auch bei der Erstinstrumentierung bietet das System viele Vorteile hinsichtlich Reproduzierbarkeit und Messstellenkosten. Mit einer keramischen oder einer piezoresistiven Messmembran kann immer der optimale Sensor passend zum Medium verwendet werden“ so Roland Keser weiter.

Die elektronische Differenzdruckmessung mit zwei Sensormodulen und einem Transmitter ist ein weiterer Beleg dafür, dass man auch in der vermeintlich konventionellen Druckmesstechnik mit neuen Innovationen sicherer, zuverlässiger und kosteneffizienter messen kann als bisher.

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