Mitten in der Industrie-Revolution

PC-basierte, zentrale und dennoch modulare Automatisierung: Mit konsequent PC-basierter Automatisierung samt Internetanbindung sieht sich Beckhoff von vorn herein gut gerüstet für Industrie 4.0. Dass es zu den zahlreichen Schritten, die Beckhoff bereits auf dem Weg dorthin zurückgelegt hat, noch viele weitere braucht, erfuhr x-technik AUTOMATION im Gespräch mit Armin Pehlivan, Geschäftsführer von Beckhoff Automation Österreich. Neben Visionen ging es dabei um Strategien und neuen Entwicklungen, um bisher getrennte Lösungsansätze zum Nutzen der Anwender zusammen zu führen. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Erfreuliche Unternehmenszahlen mit ca. 15 % Wachstum auf rund € 500 Mio. konnte Gründer und Geschäftsführer Hans Beckhoff in Nürnberg präsentieren.

Erfreuliche Unternehmenszahlen mit ca. 15 % Wachstum auf rund € 500 Mio. konnte Gründer und Geschäftsführer Hans Beckhoff in Nürnberg präsentieren.

Dipl.-Wirt.-Ing. Armin Pehlivan
Geschäftsführer Beckhoff Automation GmbH

„Die Vision von voll-adaptiven Fertigungseinrichtungen ist nichts weiter als die logische Fortsetzung dessen, was Beckhoff seit seiner Gründung angetrieben hat.“

„Wir stecken bereits mitten drin in der vielzitierten vierten industriellen Revolution“, ist DI Armin Pehlivan überzeugt. Trotz ihres Namens versteht der Geschäftsführer von Beckhoff Österreich diese nicht als plötzliche Umwälzung, sondern als kontinuierlichen Prozess, dessen Auswirkungen so gravierend sein werden, dass sie im Rückblick revolutionär erscheinen. „So war es ja auch bei den ersten drei sogenannten Revolutionen“, sagt er. „Wir von Beckhoff verstehen uns da auch als Wegbereiter, denn das von Beginn an verfolgte Prinzip der PC-based Automation kann als eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine Konvergenz von IT- und Automatisierungstechnik gelten und bringt auch den Anschluss an das Internet und die Cloud gleich mit.“

Diese Technologie ermöglichte auch erst die Abkehr von starr vertakteten Abläufen und die Hinwendung zu ereignisabhängigen Steuerungskonzepten. „Dadurch wurden adaptive, womöglich auch noch selbst-konfigurierende Produktionsmittel überhaupt erst denkbar“, sagt Armin Pehlivan, dessen Verständnis von Industrie 4.0 sich weiterentwickelt hat, seit der Begriff vor wenigen Jahren geprägt wurde. Er findet, „Industrie 4.0 ist mehr als nur die Verflachung der Automatisierungspyramide durch die fortschreitende Angleichung von Intelligenz und Entscheidungskompetenz der einzelnen Ebenen.“

Eine Kostenersparnis bei Serienmaschinen mit höherer Stückzahl verspricht das Busklemmen-System EJ für die Leiterplattenmontage.

Eine Kostenersparnis bei Serienmaschinen mit höherer Stückzahl verspricht das Busklemmen-System EJ für die Leiterplattenmontage.

Vernetzung aller Dinge

Wie bisher streng getrennte Welten in der industriellen Automatisierung immer mehr verschwimmen, schließt Armin Pehlivan per Analogie aus den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in der IT-Welt. „Auch dort hat man sich vor 20 Jahren nicht träumen lassen, dass Menschen ständig einen oder mehrere Computer bei sich tragen und sich damit an Programmen und Datenbeständen aus weltweit verteilten Systemen bedienen.“ Deshalb hält er auch die Bezeichnung ‚Internet of Things‘ für viel aussagekräftiger. „Wenn wir nach Visualisierung, Steuerungs- und Antriebstechnik sowie Sicherheitstechnik auch das Internet integrieren, wird das die Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle in der Industrie nachhaltig verändern.“

Dabei ist der Anschluss an das Netz nicht das, was für Armin Pehlivan den Unterschied ausmacht, denn bereits im Jahr 1997 ging erstmals eine Beckhoff-Steuerung ans Netz. „Es geht vielmehr darum, wie Funktionalitäten innerhalb einer Maschine oder Anlage realisiert werden“, präzisiert er. Mussten zu Beginn der SPS-Ära sämtliche Funktionen individuell programmiert werden, können mit heutigen modularen Programmiertechniken Funktionsblöcke integriert werden, auch von externen Herstellern zugekaufte. In Zukunft könnten bei Bedarf webbasierte, also auf den Servern unabhängiger Anbieter laufende, Services aufgerufen werden. Im Konsumbereich ist das bereits heute gängige Praxis. So ist z. B. die Spracherkennungssoftware für das iPhone nicht auf dem mobilen Endgerät installiert, sondern läuft auf leistungsfähigen Servern ihres Anbieters.

„Die historische Kette von teurer Individualprogrammierung über Lizenzkopien zu Pay-per-Use erinnert an die Entwicklung der Produktion vom Handwerk über die Massenfertigung zur Serienfertigung mit Losgröße 1“, zeigt Armin Pehlivan eine frappierende Analogie auf. Genutzt werden könnten solche Verfahren zuerst vor allem für aufwändige oder rechenintensive, aber selten genutzte Funktionalitäten wie Condition Monitoring, bei dem Server-basierte Spezialprogramme hochgeladene Maschinendaten auswerten könnten.

Das modulare Multiachs-Servosystem AX8000 für höchste Anforderungen an Regelgeschwindigkeit und -genauigkeit optimiert die Raumausnutzung im Schaltschrank.

Das modulare Multiachs-Servosystem AX8000 für höchste Anforderungen an Regelgeschwindigkeit und -genauigkeit optimiert die Raumausnutzung im Schaltschrank.

Pyramidenspitze in die Cloud?

„Ich bin überzeugt, dass sich solche Angebote rasch einer großen Nachfrage erfreuen und immer weitere Teile der Logik in Automatisierungssystemen abdecken werden“, sagt Armin Pehlivan. Immerhin bieten sie Maschinenbau-Automatisierern die Möglichkeit, ihre eigenen Lösungen ohne erhebliche Investitionen in die Software-Entwicklung mit von Experten geschaffenen, getesteten Funktionalitäten zu versehen. „Noch ein wenig weiter in die Zukunft blickend kann ich mir vorstellen, dass nur noch die Basis der Automatisierungspyramide – die Sensor- und Aktorebene – in der heutigen Form an der Maschine oder Anlage bleibt und die Spitze der Pyramide nach und nach komplett ins Internet, in die Cloud, abwandert.

„Eine ausreichend hohe Bandbreite vorausgesetzt, ist eigentlich völlig unerheblich, wo sich die Steuerungsintelligenz befindet, und die Reduktion der vor Ort verbauten Technik reduziert neben dem Investitionsbedarf den Platz- und Ressourcenverbrauch“, beschreibt Armin Pehlivan die Vorteile einer solchen Entwicklung. „Und der Energieverbrauch einer von vielen Maschinen genutzten, serverbasierten Steuerung ist mit Sicherheit geringer als bei lokaler Ausstattung jeder einzelnen Maschine.“

Noch ist – vor allem für zeitkritische Anwendungen – diese Voraussetzung nicht gegeben. Der weit verbreiteten Angst, sich im Internet Sicherheitsrisiken auszusetzen, begegnen sichere Kommunikationsmechanismen wie OPC UA. Zudem ist Armin Pehlivan davon überzeugt, dass auf dem Weg in eine solche Zukunft zahlreiche Teilschritte der heute noch recht undurchsichtigen Cloud den Schrecken nehmen werden. Und dass sich das Bild dessen verändern wird, welche Teile der Automatisierungsaufgaben ein hohes Maß an Schutz brauchen und welche nicht.

Auf ihren bis zu 36 Prozessorkernen kann die C6670 unterschiedlichste IT- und Steuerungsaufgaben parallel abarbeiten.

Auf ihren bis zu 36 Prozessorkernen kann die C6670 unterschiedlichste IT- und Steuerungsaufgaben parallel abarbeiten.

Für Industrie 4.0 gerüstet

Obwohl vieles von dem, was im Rückblick als vierte industrielle Revolution erscheinen wird, noch gar nicht abzusehen ist, sieht Armin Pehlivan Beckhoff hervorragend dafür aufgestellt. „Das liegt daran, dass die Vision von voll-adaptiven Fertigungseinrichtungen nichts weiter als die logische Fortsetzung dessen ist, was Beckhoff seit seiner Gründung vor 35 Jahren angetrieben hat“, sagt Armin Pehlivan. So hat das ostwestfälische Unternehmen bereits im Jahr 1986 eine Maschine mit einer PC-Steuerung ausgerüstet, die Fenster in Losgröße 1 produzierte. „Wir sind nicht nur mit unserem Angebot an Automatisierungsplattformen bestens für Industrie 4.0 gerüstet, denn bereits im Standard können die Steuerrechner mit der Cloud kommunizieren, beispielsweise über die offene und flexible Plattform Microsoft Azure.

„Bereits seit längerem ist eine direkte Verbindung unserer PC-basierten Automatisierungslösungen zu ERP- und MES-Softwarepaketen ebenso möglich wie zu Engineering-Systemen wie Matlab Simulink oder EPLAN“, ergänzt Armin Pehlivan. „Offene Schnittstellen und Protokolle wie das Twincat Automation Interface für .Net-Programmiersprachen und moderne Skriptsprachen wie die Windows Powershell oder Iron Python, wie OPC UA für die Rohdatenübertragung oder IO-Link für den letzten Meter zu intelligenter Sensorik sorgen dafür, dass sich neue Informationstechnologien – etwa Google Glass als neuem Konzept für die Maschinenbedienung – sofort adaptieren lassen.“

Darüber hinaus ist Beckhoff Teil des regionalen Spitzenclusters ‚It’s OWL‘ aus 174 Unternehmen, Hochschulen, wissenschaftlichen Kompetenzzentren und wirtschaftsnahen Organisationen zum Thema intelligente technische Systeme, der in Deutschland als Wegbereiter für Industrie 4.0 gilt.

Modularität weiter gedacht

Gerade in der industriellen Automatisierung laufen viele unterschiedliche Prozesse gleichzeitig ab. „Das begünstigt nicht nur eine konsequent modulare Gestaltung der Software, die Twincat 3 mit modularen Softwarebausteinen, objektorientierter Programmierung und Integration von Matlab-Simulink und Visual-Studio maximal unterstützt“, sagt Armin Pehlivan. „Das schreit auch geradezu nach einer echten Parallelisierung.“

Dazu nutzt Beckhoff Prozessoren, die nach dem Moore‘schen Gesetz rasch leistungsfähiger werden, neuerdings indem die Anzahl ihrer Prozessorkerne steigt. „In den Embedded-PCs der Serie CX51xx und in den Panel-PCs der Serien CP27xx, CP37xx sowie im Schaltschrank-PC C6915 kommt die neue Generation der Bay-Trail-Prozessoren von Intel als Single-, Duo- oder Quadcore zum Einsatz“, berichtet Armin Pehlivan. „Und mit dem in Anlehnung an frühere IBM-Mainframe-Computer ‚Big Iron‘ genannten High-End-Modell der Schaltschrank-PC-Serie C66xx gehen wir ein großes Stück darüber hinaus.“

Steuerungs-Kernkraftwerk

Ausgestattet mit bis zu 36 leistungsfähigen Prozessorkernen und 128 bis 2.048 GByte Arbeitsspeicher wird das Modell C6670 der leistungsfähigste PC, den Beckhoff je gebaut hat. „Mit diesem Aggregat verfolgen wir konsequent die Beckhoff-Philosophie, auch in komplexen Applikationen von Motion über Vision und Safety bis zur ingenieurwissenschaftlichen Algorithmik alle Steuerungsfunktionalitäten der Maschine in einer einzigen Software auf einer leistungsfähigen CPU abzuarbeiten“, bestätigt Armin Pehlivan. „Mit Twincat 3 lassen sich alle Cores effizient nutzen, indem diesen die einzelnen Steuerungstasks zugeordnet werden.“

Bei diesem Rechenkraftwerk mit zahlreichen Kernen handelt es sich natürlich „nur“ um ein Stück Hardware, das wie die ebenfalls neu vorgestellten Busklemmen im Formfaktor für die Leiterplattenmontage der schrittweisen Reduktion von Ressourcenverbrauch, Standfläche und Kosten von Maschinen und Anlagen dient. Dennoch war es einer der wesentlichsten Blickfänge auf dem Beckhoff-Stand zur SPS IPC Drives 2014. Es illustriert recht griffig, wie sich unterschiedliche Aufgaben der Produktionsautomatisierung nutzbringend verbinden lassen, indem die bisher meist streng getrennten Welten der IT- und Maschinenprogrammierung verschmolzen werden. „Noch ist der Weg zur vierten industriellen Revolution längst nicht zurück gelegt“, weiß Armin Pehlivan. „Aber Beckhoff hat auf diesem Weg schon viele Schritte getan und täglich werden es mehr.“

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