anwenderreportage

Sigmatek S-DIAS: Lebensrettung mittels Industrie-Automatisierung

Hage entwickelt Notfall-Beatmungsgerät mit Hard- und Software von Sigmatek: Infolge der Coronavirus-Pandemie drohte im März 2020 der Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Um diesem entgegenzuwirken, entwickelten Hage Sondermaschinenbau und Hage3D in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Graz ein druckkontrolliertes Beatmungsgerät. Darin stecken die langjährige Erfahrung des steirischen Familienunternehmens aus Entwicklung und Bau von Sondergroßmaschinen sowie 3D-Druckern für den industriellen Einsatz. Wie diese läuft der „Respirator“ mit Automatisierungstechnologie von Sigmatek. Von Ing. Peter Kemptner / x-technik

Sondermaschinenbauer Hage entwickelte in Rekordzeit ein Notfallbeatmungsgerät. Verwendet werden ausschließlich industriell verfügbare Teile, die nicht durch Verwendung in medizinischen Wertschöpfungsketten knapp sind.

Sondermaschinenbauer Hage entwickelte in Rekordzeit ein Notfallbeatmungsgerät. Verwendet werden ausschließlich industriell verfügbare Teile, die nicht durch Verwendung in medizinischen Wertschöpfungsketten knapp sind.

Shortcut

Aufgabenstellung: Entwicklung eines Notfall-Beatmungsgerätes für die Großserienproduktion.

Lösung: Steuerungs- und I/O-System S-DIAS sowie intelligentes 7“ Touchterminal HZS 771 von Sigmatek.

Vorteil: Platzsparende, kostengünstige und leistungsfähige Lösung mit hoher kurzfristiger Verfügbarkeit.

Die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 greift primär die Atemwege an. Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf benötigen intensivmedizinische Behandlung mit künstlicher Beatmung. Der Beginn der COVID-19-Pandemie war gekennzeichnet von exponentiell ansteigenden Fallzahlen. Deshalb war mit einer Überlastung von Intensivstationen zu rechnen, vor allem aber damit, dass die Anzahl der vorhandenen Beatmungssysteme nicht ausreichen würde.

Bedienung und Visualisierung des Notfallbeatmungsgerätes erfolgen über ein intelligentes Touchterminal HZS 771 7“ WVGA TFT-Farbdisplay.

Bedienung und Visualisierung des Notfallbeatmungsgerätes erfolgen über ein intelligentes Touchterminal HZS 771 7“ WVGA TFT-Farbdisplay.

DI Peter Freigassner
technischer Geschäftsführer, Hage Sondermaschinenbau GmbH

„Bei der Steuerungs- und Visualisierungslösung konnten wir auf die Erfahrungen der Hage 3D mit dem Produktportfolio von Sigmatek zurückgreifen.“

Globales Problem, regionale Lösung

In der weltweiten Pandemie beschränkte sich der drohende Engpass nicht nur auf Österreich. Und schnell stand fest, dass die etablierten Lieferanten den erhöhten Bedarf nicht würden decken können. Deshalb entstand eine österreichische Initiative zur Entwicklung eines kurzfristig verfügbaren, druckgeregelten Beatmungsgerätes.

„Die im Internet kursierenden Entwürfe erschienen uns nicht zielführend, um über viele Wochen hinweg einen konstanten, überwachten und damit sicheren Betrieb zu gewährleisten“, erklärt DI Peter Freigassner, technischer Geschäftsführer der Hage Sondermaschinenbau GmbH. „Deshalb beschlossen wir, unsere Erfahrungen aus dem Bau von Sondermaschinen und 3D-Druckern zu nutzen, um eine kontrollierte Beatmungsform für Krisen- bzw. Notsituationen zu schaffen.“

Die Automatisierungshardware besteht aus Komponenten der schlanken Serie S-DIAS von Sigmatek mit weniger als 100 mm gesamter Breite.

Die Automatisierungshardware besteht aus Komponenten der schlanken Serie S-DIAS von Sigmatek mit weniger als 100 mm gesamter Breite.

Fertige Maschine in nur drei Wochen

Das Beatmungsgerät entstand in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Graz. Sie spezifizierte die Anforderungen, von Drücken und Strömungsgeschwindigkeiten bis zur Bedienergonomie. Dabei erwies sich als vorteilhaft, dass das Schwesterunternehmen Hage3D während der Entwicklung eines 3D-Druckers für Implantate bereits Erfahrungen in der Medizintechnik gemacht und Kontakte zur Universität geknüpft hatte.

„Den ersten Prototypen hatten wir nach einer Woche fertig“, berichtet Peter Freigassner, der diesen auf Basis eines Beatmungsbeutels und eines Pneumatikzylinders selbst schuf. „Er bestand großteils aus Komponenten, die wir auf HAGE3D-Druckern additiv gefertigt haben.“ Vom ersten Prototyp an kam das S-DIAS Automatisierungssystem von Sigmatek zum Einsatz, das zu diesem Zeitpunkt von Hage eigenem Personal mit der Lasal-Engineeringplattform projektiert wurde. Zwei Tierversuche und einige Optimierungsschritte später bestand der Prototyp einen ersten Test von Prof. Dr. Horst Olschweski, Abteilungsleiter der Pulmonologie an der Uniklinik in Graz.

Nur drei Wochen nach Beginn der Entwicklung konnte Hage eine fertig entwickelte, getestete und in Betrieb genommene Beatmungsmaschine zeigen. Diese ist sehr kompakt und beweglich aufgebaut, sodass sie in jedem Krankenzimmer mit den passenden Anschlüssen eingesetzt werden kann. Der Druck der Sauerstoffzufuhr wird über ein patientennahes Ventilsystem im Beatmungsschlauch geregelt und durch Sensoren kontrolliert, die übermittelten Werte auf dem Touchdisplay angezeigt. Ein Warnsystem meldet visuell und akustisch Abweichungen von definierten Sollwerten. Bei der Programmierung dieser zusätzlichen Anforderungen wurde das Hage-Team von der Applikationsabteilung der Firma Sigmatek unterstützt.

Bei der Entwicklung des Beatmungsgerätes konnten die Hage-Techniker auf die Erfahrungen der Hage3D GmbH mit Schrittmotoren und Sigmatek-Automatisierungstechnik zurückgreifen. Das 2019 gegründete Spin-off von Hage Sondermaschinenbau entwickelt und vertreibt Lösungen für die additive Fertigung wie diesen 3D-Drucker HAGE3D 140L.

Bei der Entwicklung des Beatmungsgerätes konnten die Hage-Techniker auf die Erfahrungen der Hage3D GmbH mit Schrittmotoren und Sigmatek-Automatisierungstechnik zurückgreifen. Das 2019 gegründete Spin-off von Hage Sondermaschinenbau entwickelt und vertreibt Lösungen für die additive Fertigung wie diesen 3D-Drucker HAGE3D 140L.

DI Bernd Hildebrandt
Vertrieb Sigmatek GmbH & Co KG

„Ein Sigmatek-Applikationsmitarbeiter war einige Zeit lang vor Ort, um unter diesen ungewohnten Entwicklungsvoraussetzungen ein schnelles Ergebnis zu gewährleisten.“

Automatisierung mit Industrie-Hintergrund

Teile aus dem 3D-Drucker spielen in der endgültigen Ausführung keine Rolle mehr, denn die Maschine sollte sich zur Herstellung in großen Stückzahlen mit hoher Stabilität eignen. „Unser Ziel war, durch Verwendung industriell verfügbarer Teile, die nicht durch ihren Einsatz in klassischen Beatmungsgeräten knapp sind, wöchentlich bis zu 1.000 Maschinen produzieren zu können“, definiert Peter Freigassner die Anforderungen. „Angesichts der langwierigen Zulassungsverfahren sollte es auch kein Medizintechnikprodukt werden, sondern als Notfallgerät die Zeit bis zur erneuten Verfügbarkeit zugelassener Beatmungsgeräte überbrücken helfen.“

Die genannten Anforderungen bestimmten auch die Ausstattung des Notfallbeatmungsgerätes mit Automatisierungstechnik. „Größe, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit sprachen für eine Lösung mit den kompakten Sigmatek-Produkten sowie dem Einsatz von Schrittmotoren“, weiß Peter Freigassner. „Bei der Steuerungs- und Visualisierungslösung konnten wir auf die Erfahrungen der Hage3D mit dem Produktportfolio von Sigmatek zurückgreifen.“

Die Verwendung des objektorientierten Programmiersystems Lasal ermöglichte den Hage-Technikern die Entwicklung der Software für das Notfall-Beatmungsgerät innerhalb kürzester Zeit. Hardwareseitig kommt das modulare, skalierbare und kompakte S-DIAS-System zum Einsatz. Herzstück ist das CPU-Modul CP112, das über die S-DIAS-Backplane mit je einem analogen (AM221) und digitalen (DM161) Mischmodul sowie mit den S-DIAS Schrittmotor-Endstufen ST 151 verbunden ist. Für die Bedienung und Visualisierung steht das intelligente Touch-Terminal HZS 771 mit 7“ WVGA TFT-Farbdisplay zur Verfügung.

„Das Terminal wurde in erster Linie unter den Gesichtspunkten der kurzfristigen Produzierbarkeit der geforderten Mengen ausgewählt, da dieses Gerät in hohen Stückzahlen bei Biomasseprodukten zum Einsatz kommt“, teilt DI Bernd Hildebrandt, Vertriebsleiter Österreich bei Sigmatek, mit. „Die Sicherstellung der kurzfristigen Verfügbarkeit aller notwendigen Produkte trotz coronabedingter Liefereinschränkungen war eine Herausforderung in diesem Projekt“.

Zur raschen Umsetzung der Projektziele konnte sich Hage auf die schnelle und unbürokratische Unterstützung des österreichischen Herstellers verlassen. „Nach dem verletzungsbedingten Ausfall eines Hage-Programmierers war ein Sigmatek-Applikationsmitarbeiter einige Zeit lang vor Ort, um unter diesen ungewohnten Entwicklungsvoraussetzungen ein schnelles Ergebnis zu gewährleisten“, bestätigt Bernd Hildebrandt.

Am 12. Mai 2020 stellten Hage und die Med Uni Graz das zur Serienreife entwickelte Notfall-Beatmungsgerät der Öffentlichkeit vor. Der Steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer lobte die herausragende gemeinsame Leistung der heimischen Forschung und Industrie.

Am 12. Mai 2020 stellten Hage und die Med Uni Graz das zur Serienreife entwickelte Notfall-Beatmungsgerät der Öffentlichkeit vor. Der Steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer lobte die herausragende gemeinsame Leistung der heimischen Forschung und Industrie.

Infos zum Anwender

Seit 1982 entwickeln und fertigen die rund 130 Mitarbeiter des Familienunternehmens Hage Sondermaschinenbau imposante Hightech-Anlagen, vor allem Lösungen zur Bearbeitung von Großprofilen aus Aluminium und Stahl sowie Rührreibschweißanlagen. Präzise 3D-Drucklösungen für industrielle Anwendungen entwickelt und vertreibt die 2019 ausgegliederte Hage 3D GmbH.

Serienreifes Übungsstück

Am 12. Mai 2020 stellten Hage und die Med Uni Graz das zur Serienreife entwickelte Notfallbeatmungsgerät der Öffentlichkeit vor. „Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass der Bedarfsfall zum Glück ausgeblieben ist und das österreichische Gesundheitswesen ohne unser Notfallbeatmungsgerät auskommt. Wir betrachten das Ergebnis unserer Entwicklungsanstrengungen somit als Übungsstück“, erklärt Peter Freigassner mit ein wenig Bedauern, vor allem aber mit Erleichterung. „Es beweist unsere Fähigkeit, sehr kurzfristig valide Lösungen für plötzlich auftauchende Problemstellungen zu finden.“ Und es beweist, dass dem Unternehmen mit Sigmatek ein Partner zur Seite steht, der diese Fähigkeit mit der passenden Technik und mit persönlichem Einsatz bestens unterstützen kann.

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