anwenderreportage

Pepperl+Fuchs SmartRunner: Digitaler Zwilling ermöglicht ausschussfreie Produktion in Losgröße 1 - Videobeweis für Industrie 4.0

Dreidimensional und mit beinahe beliebig vielen Kantungen verformen Biegezentren von Salvagnini Blechzuschnitte. Hauptzeitparallel positionierte Standardwerkzeuge sowie der Ausgleich materialbedingter Biegefehler durch einen aktiven digitalen Zwilling ermöglichen eine vollautomatische Blechbearbeitung in Losgröße 1. Davon konnten sich die Besucher der Hannover Messe 2018 überzeugen. In einer gemeinsamen Installation von Pepperl+Fuchs, LCM, Neoception und Salvagnini konnten sie von dort aus Produktionsaufträge für eine Maschine in Österreich erfassen und deren Abarbeitung per Video verfolgen. Von Ing. Peter Kemptner, x-technik

Digitalisierung live bei einem gemeinsamen Messeauftritt von Pepperl+Fuchs, LCM und Salvagnini: Besucher konnten Teile auswählen und deren vollautomatische Produktion in Losgröße 1 per Video verfolgen.

Digitalisierung live bei einem gemeinsamen Messeauftritt von Pepperl+Fuchs, LCM und Salvagnini: Besucher konnten Teile auswählen und deren vollautomatische Produktion in Losgröße 1 per Video verfolgen.

Shortcut:

Aufgabenstellung: Nachweis der Möglichkeit einer vollautomatischen Produktion in Losgröße 1.

Lösung: Cloud-basierende Applikation mit aktivem digitalen Zwilling, Vermessung der Teile mit einem kamerabasierten 3D-Laserscanner mit SmartRunner-Technologie von Pepperl+Fuchs.

Vorteil: Selbstoptimierender Biegeprozesses sichert Maßhaltigkeit unabhängig von Stückzahl, Blechdicke oder Material.

Vom E-Herd bis zum Automobil bestehen viele Produkte, die wir täglich nutzen, zu einem erheblichen Teil aus gestanzten und gebogenen Blechteilen. Diese weisen eine hohe und ständig steigende Komplexität auf. Eine günstige Möglichkeit, sie angesichts wachsender Mengen und sinkender Losgrößen zu verträglichen Preisen zu fertigen, sind die automatischen Biegezentren von Salvagnini. Diese arbeiten mit fix in der Anlage installierten universellen Biegewerkzeugen, die sich automatisch und hauptzeitparallel einstellen. Das eliminiert die Rüstzeiten und ermöglicht die vollautomatische Produktion ganzer Sequenzen unterschiedlicher Blechteile.

Abhängig von den Materialeigenschaften der verwendeten Bleche federt das umgeformte Stück nach dem Biegen immer leicht zurück, sobald keine Kräfte mehr darauf einwirken (rechts). Gemeinsam mit dem Linz Center of Mechatronics entwickelte Biegemaschinenhersteller Salvagnini einen aktiven digitalen Zwilling, der diesem Effekt entgegensteuert und für ein von Materialeinflüssen unabhängiges Biegeergebnis sorgt (links).

Abhängig von den Materialeigenschaften der verwendeten Bleche federt das umgeformte Stück nach dem Biegen immer leicht zurück, sobald keine Kräfte mehr darauf einwirken (rechts). Gemeinsam mit dem Linz Center of Mechatronics entwickelte Biegemaschinenhersteller Salvagnini einen aktiven digitalen Zwilling, der diesem Effekt entgegensteuert und für ein von Materialeinflüssen unabhängiges Biegeergebnis sorgt (links).

Wolfgang Kunze
Prokurist und technischer Leiter, Salvagnini Maschinenbau GmbH

„Mit der Funktion MAC 2.0 wird das Biegeergebnis live ausgewertet und mit Korrekturwerten gegengesteuert Damit lassen sich materialbedingte Abweichungen zumindest halbieren, und das völlig verzögerungsfrei.“

Unsicherheitsfaktor Material

„Einen wesentlichen Einfluss auf das Biegeergebnis haben die Materialeigenschaften der verwendeten Bleche, und die können von Liefercharge zu Liefercharge stark variieren“, sagt Ing. Wolfgang Kunze MSc MBA, Prokurist und technischer Leiter der Salvagnini Maschinenbau GesmbH in Ennsdorf (NÖ). „Deshalb sind unsere Blechbiegezentren seit einigen Jahren mit der Funktion MAC 2.0 (Material Attitude Correction) ausgestattet, die materialbedingten Abweichungen entgegensteuert und diese weitgehend ausgleicht“, ergänzt er.

Bis Salvagnini diese Technologie zur Euroblech 2014 erstmals stellen konnte, musste viel Aufwand in Forschung und Entwicklung fließen. „Vor ca. 15 Jahren begannen wir gemeinsam mit Salvagnini, per Finite-Elemente-Methode (FEM) ein Simulationsmodell der kompletten Maschine mit sämtlichen am Biegevorgang beteiligten Teilen und den Blecheigenschaften zu erstellen“, erinnert sich DI Gerald Schatz, Geschäftsführer der Linz Center of Mechatronics GmbH (LCM), einem international gut vernetzten Forschungsunternehmen. „Das diente einerseits dazu, den Biegevorgang gründlich zu analysieren, andererseits lässt sich so durch Entwurfsüberprüfung mit beliebig vielen Iterationen am Computermodell der Aufwand für den Prototypenbau wesentlich senken“, erklärt er.

Um die Teileproduktion auf den Großbildschirmen am Messestand erlebbar zu machen, war die Maschine in Ennsdorf mit sieben Kameras ausgestattet worden. Diese ermöglichten Einblicke in sonst unzugängliche Teile des Herstellungsprozesses.

Um die Teileproduktion auf den Großbildschirmen am Messestand erlebbar zu machen, war die Maschine in Ennsdorf mit sieben Kameras ausgestattet worden. Diese ermöglichten Einblicke in sonst unzugängliche Teile des Herstellungsprozesses.

Digitaler Zwilling denkt mit

Erst mit marktgängigen Standard-Tools, dann mit der hauseigenen virtuellen Entwicklungsumgebung SyMSpace schuf LCM zu einer Zeit, als das Schaffen eines Datenmodells für eine Maschine noch nicht so genannt wurde, einen digitalen Zwilling von Material und Maschine, der den gesamten Biegeprozess virtuell abbildet. Gemeinsam gelang es den Entwicklern von LCM und Salvagnini, allgemeine dimensionslose Gleichungen zu erstellen, die nur noch mit Werkstoff- und Werkstückparametern versehen werden müssen, um optimale Werkzeugwege zu erzielen.

„Um im praktischen Betrieb das Optimum aus geringstem Energieaufwand und kleinster Relativbewegung zwischen Werkzeug und Blech zur Vermeidung von Beschädigungen der Oberfläche zu erzielen und Materialeinflüsse auszugleichen, muss diese Berechnung innerhalb weniger Millisekunden erfolgen“, weiß Wolfgang Kunze. Einbußen bei der Zykluszeit würde kein Kunde akzeptieren.

„Ein digitaler Zwilling bringt nichts, wenn er auf irgendeinem Großrechner abseits der Maschine läuft“, bestätigt Gerald Schatz. „Nur wenn das Simulationsmodell im Produktionsprozess parallel mitläuft, lässt sich durch Vergleich mit echten Daten aus der Sensorik der Maschine die laufende Fertigung hinreichend schnell beeinflussen“, betont er.

Die Kompensationsrechnung auf Basis der Finite Elemente Simulation erfolgt daher nicht in einem Leitsystem, sondern neben der Steuerungssoftware direkt auf der Maschinensteuerung. Indem er ständig das Biegeergebnis auswertet und Korrekturwerte errechnet, also live „mitdenkt“, ermöglicht der aktive digitale Zwilling durch ständige Anpassung an reale Gegebenheiten eine ausschussfreie Serienproduktion mit Losgröße 1.

Messebesucher konnten über Webshop-ähnliche Bildschirminhalte und ein IO-Link-basierendes RFID-System von Pepperl+Fuchs die zu produzierenden Teile auswählen.

Messebesucher konnten über Webshop-ähnliche Bildschirminhalte und ein IO-Link-basierendes RFID-System von Pepperl+Fuchs die zu produzierenden Teile auswählen.

Gerald Schatz
Geschäftsführer, Linz Center of Mechatronics GmbH

„In Hannover konnten wir Industrie 4.0 konkret erlebbar machen und beweisen, dass das Zusammenspiel aus vernetzter Produktion und einer durch den von LCM entwickelten digitalen Zwilling lernfähigen Maschine eine ausschussfreie Produktion ermöglicht.“

Digitale, vernetzte und flexible Fabrik

Neben der automatisierten Anpassung an veränderliche Gegebenheiten wie schwankenden Materialeigenschaften stellt die zunehmende Individualisierung von Großserienprodukten per Online-Konfigurator die Produzenten vor Herausforderungen. Hinzu kommt, dass viele der metallverarbeitenden Unternehmen nicht nur Großserien, sondern auch Kleingrößen fertigen und ihre Produktion von überall auf der Welt aus steuern möchten.

Die bereits heute gegebenen Möglichkeiten der Digitalisierung und der globalen Vernetzung demonstrierte eindrucksvoll der gemeinsame Messeauftritt von Pepperl+Fuchs, LCM und Salvagnini auf der Hannover Messe 2018. Um die Produktion in Losgröße 1 nach Industrie 4.0 darzustellen, zeigte die Firmenkoalition unter dem Motto „Digital Advantage from Development to Production” eine konkrete, im Echtbetrieb laufende Anwendung im Twin Space, der Verbindung realer und virtueller Produktionswelten.

Den Nachweis der materialunabhängigen Maßhaltigkeit erbrachte die Vermessung jedes einzelnen Stücks durch einen 3D-Laserscanner mit SmartRunner-Technologie von Pepperl+Fuchs.

Den Nachweis der materialunabhängigen Maßhaltigkeit erbrachte die Vermessung jedes einzelnen Stücks durch einen 3D-Laserscanner mit SmartRunner-Technologie von Pepperl+Fuchs.

Thomas Brezina
Geschäftsführer, Pepperl+Fuchs GmbH

„Pepperl+Fuchs entwickelt sich immer mehr vom Komponenten- zum Lösungsanbieter. Durch die Bündelung unserer Kompetenzen mit denen unserer Partner bieten wir unseren Kunden einen echten Mehrwert und schaffen Transparenz auf allen Ebenen.“

IIoT-Lösung für die Unikatproduktion

Dazu hatte die Neoception GmbH, ein für die Entwicklung von IIoT-Lösungen gegründetes Tochterunternehmen von Pepperl+Fuchs, eine Cloud-basierende Applikation geschaffen. Diese verband den vom LCM geschaffenen digitalen Zwilling der Maschine, die Auftragserfassung und die Visualisierung auf dem Koop-Messestand. Dort und an einem weiteren Messestand konnten Besucher über Webshop-ähnliche Bildschirminhalte und ein IO-Link-basierendes RFID-System von Pepperl+Fuchs zu produzierende Teile auswählen. Dabei standen drei Formen in drei Materialqualitäten zur Auswahl, insgesamt also neun Möglichkeiten.

Über die Neoception-Cloud wurden die Bestellungen ins Salvagnini-Werk übertragen. Dort arbeitete ein Blechbiegeautomat die Fertigungsliste in der Reihenfolge der eingehenden Aufträge ab. „Dank MAC 2.0 konnte die Produktion der Teile in den verschiedenen Materialqualitäten mit nur einem Programm erfolgen. So konnten wir im Echtbetrieb zeigen, dass die vollautomatische Produktion von Einzelstücken möglich ist, unabhängig von Stückzahl, Blechdicke oder Materialqualität“, erklärt Wolfgang Kunze.

Ausschussfreie Produktion: Beweis erbracht

Am Ende des nur 30 Sekunden dauernden Produktionsvorgangs erfolgte noch eine Vermessung der Teile zum Nachweis der Maßhaltigkeit. Zum Einsatz kam ein kamerabasierter 3D-Laserscanner mit SmartRunner-Technologie von Pepperl+Fuchs. „Sämtliche im Rahmen der Hannover Messe gefertigten Werkstücke waren im grünen Bereich“, bestätigt DI Thomas Brezina, Geschäftsführer Fabrikautomation bei der Pepperl+Fuchs Ges.m.b.H. „Mit unserem Messe-Use-Case haben wir im Echtbetrieb den Beweis erbracht, dass ein ausschussfreies Produktivsystem mit der richtigen Sensorik und der Anwendung des aktiven digitalen Zwillings einfach und kostengünstig umsetzbar ist“, fügt er abschließend hinzu.

Erbracht wurde dieser Beweis in Hannover vor zahlreichen Zeugen. Die Auftraggeber der Teile konnten bereits unmittelbar nach der Auftragserfassung an Großbildschirmen am Messestand deren Produktion verfolgen. Dazu war die Maschine in Ennsdorf zuvor mit sieben Kameras ausgestattet worden, teilweise auch im Inneren, sodass Einblicke in sonst unzugängliche Teile des Herstellungsprozesses möglich wurden.

Infos zum Anwender

Mit mehr als 1.500 Mitarbeitern produziert Salvagnini Maschinen und flexible Systeme für die Blechbearbeitung und ist auf diesem Gebiet Weltmarktführer. Produktion und Entwicklung finden an Standorten in Italien, in den USA und in Österreich statt. Am Standort Ennsdorf mit über 400 Mitarbeitern entwickelt und produziert das Unternehmen jährlich rund 200 Biegeautomaten für die blechverarbeitende Industrie.

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