anwenderreportage

Standardisiertes Safety-Konzept für die SmartFactoryOWL

Industrie 4.0-Anlagen einfach sicher betreiben Fertigungslinien werden immer modularer, kommunikativer, intelligenter und vor allem schneller adaptierbar. Allerdings fehlt meist eine passende Sicherheitsstrategie mit aufeinander abgestimmten Safety-Geräten, entsprechenden Kommunikations-Schnittstellen, Anwender-Software und der sicherheitstechnischen Nachweis-Dokumentation.

Flexible und wirtschaftliche Lösung für modulare Anwendungen

Die Ein- und Ausgangsmodule der SafetyBridge Technology (SBT) von Phoenix Contact tauschen die sicherheitsgerichteten Signale untereinander aus. Da sie die Sicherheitsfunktionen selbst verarbeiten, werden weder eine Safety-Steuerung noch ein sicheres Feldbussystem benötigt. Dabei lassen sich die SBT-Module sogar in gemischten Netzwerken – z. B. Profibus und Profinet – flexibel platzieren. Je nach Standard-Steuerung muss lediglich der passende Buskoppler aus dem Inline-Installationssystem ausgewählt werden (Bild oben).

Das SBT-Logikmodul kommuniziert mit bis zu 16 abgesetzten sicheren I/O-Modulen mit jeweils 16 sicheren Eingängen. Mit einer SBT-Insel können also maximal 256 sichere Eingänge erfasst oder maximal 136 sichere Ausgänge ausgegeben werden. Bis zu 31 derartiger Inseln sind an einer Standard-Steuerung betreibbar. Die SafetyBridge Technology bietet sich somit auch in weitläufigen, modular aufgebauten Maschinen und Anlagen an. Die sicheren I/O-Module, die alle Safety-Anforderungen bis SIL 3 und PL e erfüllen, werden mit der Software Safeconf komfortabel parametriert. Das Tool dient ebenfalls der Konfiguration der Sicherheitslogik. Darüber hinaus unterstützt Safeconf die Online-Ansicht des sicheren Programm-Codes sowie die Klartextausgabe von Diagnose-Ereignissen.

Kraftbetriebene Arbeitsmittel – wie Maschinen – fallen in Europa unter die Maschinenrichtlinie. Hersteller müssen die Konformität ihrer Produkte zur Richtlinie durch ein CE-Zeichen und eine EG-Konformitätserklärung bestätigen. Bisher sind Maschinen eher statisch und die Verkettung mit Nachbarmaschinen ist werksseitig oft nicht vorgesehen. Zur Verkettung sind die jeweiligen Schnittstellen sicherheitstechnisch zu betrachten und abzusichern. Anschließend ist für die Gesamtheit von Maschinen ein Gesamt-CE-Zeichen inklusive EG-Konformitätserklärung zu vergeben. Da die Schnittstellen und Wechselwirkungen der Teilmaschinen im Vorfeld nicht bekannt sind, muss so vorgegangen werden. Doch vor dem Hintergrund des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 ist dieser Ansatz ebenso wie das Kommunikationskonzept und die Datenhaltung zu überdenken.

Plattform für den Wissens- und Technologietransfer

Im Rahmen von Industrie 4.0 gibt es viele Forschungsprojekte, in denen die Anforderungen an die erforderlichen technischen Systeme erarbeitet sowie Lösungsstrategien realisiert und funktional überprüft werden. Dazu gehört auch die SmartFactoryOWL als Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft und der Hochschule OWL. Dabei handelt es sich um eine knapp 2000 qm große Forschungsfabrik in Lemgo, die Ende 2015 eröffnet wird. Sie umfasst sowohl eine Forschungsplattform als auch einen echten Produktionsbetrieb mit spanenden und additiven Herstellungsverfahren bis zur Endmontage eines marktfähigen Produkts. Als Plattform für den Wissens- und Technologietransfer unterstützt die SmartFactoryOWL insbesondere mittelständische produzierende Unternehmen, Maschinen- und Anlagenbauer sowie Fabrikausrüster bei der Digitalisierung der Industrie. Sie können hier etwa Pilotlinien aufbauen sowie diese mit Industrie-4.0-Lösungsbausteinen ausstatten und testen, um ihre Fertigungssysteme und -abläufe zu optimieren oder Mitarbeiter zu schulen.

Netzwerk- und steuerungsunabhängige Sicherheitslösung

Die Modellanlage der SmartFactoryOWL besteht mechanisch gesehen aus einem Transfersystem für Werkstücke sowie verschiedenen modularen Bearbeitungsstationen. Das modularisierte Montagesystem demonstriert Funktionen wie Wandlungsfähigkeit, Plug-and-Play und Benutzerfreundlichkeit. Auf der Suche nach einem geeigneten System zur sicherheitsgerichteten Vernetzung der Bearbeitungsstationen mit dem Transfersystem wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit bei Prof. Dr. Jürgen Jasperneite, Leiter der beiden Forschungsinstitute Fraunhofer- Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA) und Institut für industrielle Informationstechnik (inIT), unterschiedliche Produkte und Lösungsvorschläge verglichen. Eingesetzt werden soll nun das Konzept des Competence Center Safety von Phoenix Contact. Die Sicherheits-Experten schlugen den Einsatz der unternehmenseigenen SafetyBridge Technology in Verbindung mit dem Echtzeit-Ethernet-Protokoll Profinet IO vor. Über die netzwerk- und steuerungsunabhängige Safety-Lösung und den inzwischen weit verbreiteten Übertragungsstandard lassen sich alle Maschinen miteinander koppeln.

Automatische Vernetzung und Aktivierung der Safety-Funktionen

Durch Verwendung der SafetyBridge Technology verfügt jede Bearbeitungsstation über eine eigene sichere Steuerungslogik, die sich beim Andocken an das Transfersystem automatisch mit diesem vernetzt und übergreifende Sicherheitsfunktionen – wie Not-Halt – aktiviert. Die Bearbeitungsstation nimmt die Produktion auf, sobald die sichere Kommunikation zum Transfersystem aufgebaut ist und keine Sicherheitsanforderung vorliegt. Das Abkoppeln einer Bearbeitungsstation wird per Tastendruck angekündigt. Danach bleibt dem Bediener ausreichend Zeit, um die Verbindung zu trennen. Das Transfersystem arbeitet ununterbrochen weiter. Wird die Verbindung nicht getrennt, hat der Tastendruck keinen Einfluss auf den Prozess. Ein unangekündigtes oder zu spätes Trennen führt zum Not-Halt von Transfersystem und Bearbeitungsstation. Die Bearbeitungsstationen beinhalten zudem die Sonderbetriebsart „Wartung“. So können Reparaturen oder sonstige Instandhaltungs-Tätigkeiten der Bearbeitungsstationen abseits vom Transfersystem durchgeführt werden, ohne den Fertigungsprozess zu beeinträchtigen. Der jeweilige Hersteller nutzt diese Betriebsart zum Testen oder Freigeben seiner Maschinen.

Deutliche Reduzierung des bürokratischen Aufwands

Durch diesen sicherheitstechnischen Ansatz sind die Schnittstellen zwischen den Maschinen standardisiert sowie die Wechselwirkungen im Vorfeld bekannt, betrachtet und berücksichtigt. Außerdem ist eine werksseitige Prüfung, Freigabe und Dokumentation sämtlicher Maschinen vorhanden. Die Bearbeitungsstationen werden hierdurch als „auswechselbare Ausrüstungen“ im Sinne der Maschinenrichtlinie deklarierbar. Der Anwender selbst kann sie bedarfsgerecht an das Transfersystem andocken und in Betrieb nehmen. Aus der Betriebsanleitung ergibt sich wie die sichere Handhabung zu erfolgen hat. Dieses Vorgehen über die „auswechselbare Ausrüstung“ hat sich bereits bei Anbaumaschinen für Gabelstapler sowie Land- und Baumaschinen bewährt. Die Definition der Bearbeitungsstationen als „auswechselbare Ausrüstung“ im Sinne der Maschinenrichtlinie befreit den Betreiber von jeglichen bürokratischen Anforderungen der Richtlinie. Er verwendet die Maschinen bestimmungsgemäß und sicher, ohne sie wesentlich zu verändern oder zu verketten. Somit hat das Competence Center Safety ein modulares und wirtschaftliches Sicherheitskonzept erarbeitet und präsentiert. Nachdem die Eignung dieses Konzepts für den konkreten Anwendungsfall nachgewiesen ist, kann es als universelle sichere Steuerungslösung angewandt werden.

Umfassendes Dienstleistungs-Portfolio

Das Competence Center Safety stellt ein umfassendes Portfolio an sicherheitstechnischen Dienstleistungen zur Verfügung. Grundlage des Angebots ist das Phasenmodell zum Sicherheitslebenszyklus, das sich aus den zur Maschinenrichtlinie harmonisierten Normen ableitet. Der Sicherheitslebenszyklus visualisiert einen Prozess, der alle gesetzlichen und normativen Anforderungen an die funktionale Sicherheit umfassend erfüllt, die zur Konstruktion von Maschinen notwendig sind. Die strukturierte Vorgehensweise unterstützt bei der Anwendung und Einhaltung der Normen. Denn wenn beispielsweise ein Betreiber Veränderungen an seiner Maschine durchführt, Maschinen miteinander verkettet oder unvollständige zu vollständigen Maschinen zusammenbaut, wird er unter Umständen zum Maschinenhersteller.

Maschinenhersteller und Systemintegratoren werden ebenfalls von der Risikobeurteilung über die Spezifikation der Sicherheitsfunktionen und deren sicherheitstechnische Bewertung bis zur Programmierung und Funktionsprüfung begleitet. Darüber hinaus bietet das Competence Center Safety unterschiedliche Seminarinhalte und –typen an. Die Seminare lassen sich in Safety-Technologie- und Safety-Produktseminare unterteilen. Bei Safety-Technologieseminaren erlangen die Teilnehmer je nach Kenntnisstand Grundlagen-Wissen oder frischen ihr bestehendes Know-how auf. Fortführend bauen die Teilnehmer weitreichende Kenntnisse zur Safety-Technologie auf und bestätigen diese in Form einer TÜV-Prüfung. Bei den Safety-Produktseminaren erlernen sie die sichere und effiziente Realisierung von Sicherheitsfunktionen mit den für ihre Anwendung vorgesehenen Produkten und Systemen von Phoenix Contact. Anwender der unternehmenseigenen Sicherheits-Hardware und -Software können das Competence Center Safety von Phoenix Contact ferner von der technischen Vorklärung bis zur Planung und Umsetzung ihrer Sicherheitslösung inklusive deren Integration in den Standardprozess ansprechen.

www.phoenixcontact.at

Infos zum Anwender

Die knapp 2000 qm große Forschungsfabrik SmartFactoryOWL wird Ende 2015 in Lemgo eröffnet (Bildquelle: Centrum Industrial IT (CIIT).

In der Lemgoer Forschungsfabrik SmartFactoryOWL, einer Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft und der Hochschule OWL, werden Technologien für die intelligente Automation erforscht, erprobt und demonstriert. Die SmartFactoryOWL ist ein herstellerunabhängiges Industrie 4.0 Anwendungs- und Demonstrationszentrum für den Mittelstand. Durch Demonstration des Anwendernutzens von Industrie 4.0-Bausteinen sollen Unternehmen für die Potentiale der Digitalisierung sensibilisiert, informiert und bei der Umsetzung im eigenen Unternehmen unterstützt werden.

www.smartfactory-owl.de

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land