interview
Clevere „Low Cost“-Automatisierung mit igus-Köpfchen
Low Cost Automation bzw. Low Cost Robotic sind Themen, die nicht neu sind, aber in ihrer Bedeutung zunehmen. Doch wie gelingt der optimale Einstieg und wen sprechen die Lösungen an? Der Low Cost Automation-Baukasten von igus bietet schnelle, einfache und kostengünstige Komponenten, um manuelle Arbeitsschritte zu automatisieren. Alexander Mühlens, Prokurist und Leiter Geschäftsbereich Low Cost Automation bei igus, weiß dabei um die Raffinessen genauso wie um die Herausforderungen, gezielt den ersten Schritt zu setzen. Doch auf was sollten Unternehmen besonders achten?
Alexander Mühlens, Prokurist und Leiter Geschäftsbereich Low Cost Automation bei igus, sprach mit AUTOMATION Chefredakteurin Stephanie Englert über die unterschiedlichen Ansätze der Low Cost Robotic, auch in Bezug auf KI. (Bild: x-technik)
Herr Mühlens, wie definieren Sie als Experte für Low Cost Robotic/Automation eine „smarte Produktion“?
Unter der Begrifflichkeit „smarte Produktion“ definieren wir als igus eine sehr intelligente Produktion mit vielen digitalen Verstrebungen, in alle möglichen Richtungen. Das bedeutet konkret, dass man innerhalb der smarten Produktion auf verschiedene Gegebenheiten schnellstmöglich reagieren kann. Gleichzeitig bedeutet eine smarte Produktion auch, dass die umfassenden Möglichkeiten, die die Robotik bietet, berücksichtigt werden. Wir haben somit eine Vielzahl an automatisierten Prozessen vorliegen, gepaart mit Lean-Prozessen – kurzum sehr schlanke Prozesse, die eine smarte Produktion ausmachen.
Low Cost Robotic ist ein Thema, dass nicht nur Unternehmen anspricht, die kleinere Betriebsgrößen vorweisen. Robotik soll für alle zugänglich sein.
Und wie definiert igus diesen Begriff für sich als Unternehmen bei den hauseigenen Prozessen?
Für uns ist es entscheidend, dass wir in sogenannten Tiny Teams, sprich in kleinen Organisationseinheiten, arbeiten. Der Vorteil liegt dabei auf der Hand: Man kann sich schnell zu größeren Einheiten zusammenschließen und gleichzeitig wieder sehr schnell auf eine wesentliche Größe „schrumpfen“, in der jeder die Prozesse kennt, die in diesen kleinen Organisationen funktionieren. Dieser wichtige Part gehört auch zu einer smarten Produktion bzw. einem smarten Betrieb dazu und wir leben ihn ebenfalls – neben vielen weiteren Optimierungen im Haus – aus.
Ein entscheidender Vorteil der Automatisierung ist, dass es für viele, sehr einfache, aber entscheidende Prozesse, keine menschlichen Einsatzkräfte mehr geben wird bzw. bereits nicht mehr gibt.
Die Robotik, über die wir sprechen und für die Sie verantwortlich sind bei igus, bildet einen großen Teil einer smarten Produktion ab. Ist es Ihrer Auffassung nach der wichtigste Teil?
Der wichtige Teil ist für mich tatsächlich das Mindset und das Agieren aller Mitarbeitenden als Teil des Ganzen bzw. als Teil einer smarten Produktion. Weder der Roboter, auch nicht die KI oder anderes Technisches, bilden das A und O eines smarten Gesamtprozesses in einer Produktion bzw. in einem Unternehmen ab, sondern der Mensch als solches. Dieser muss mit an Bord sein, um die Prozesse und die Produkte schlussendlich so konstruieren und zu planen, dass diese auch smart integrierbar sind. Die Herausforderung dabei ist, dass man oft viele Arbeitsschritte vorliegen hat, die auf einem digitalen Level „noch“ nicht miteinander verknüpft sind und einem in Folge kein Feedback geben können. Hier muss man ansetzen.
igus-Expertise ist bei Partnern gefragt. Bei der Low Cost Robotic geht es oft um die Frage der so genannten lohnenden Investition, sprich: Ab wann lohnt sich eine Anschaffung für einen schnellen ROI.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, um genauer zu erläutern, was Sie damit meinen?
Ich kann als simples Beispiel eine Aufzugtür nehmen. Diese ist häufig der „Endgegner“ in jeder Produktionshalle, wenn man ein fahrerloses Transportsystem durch die Produktion fahren lässt. Denn die analoge Aufzugstür, die dann den menschlichen Mitarbeiter benötigt, der manuell den Knopf drückt, um zu funktionieren, ist bereits eine Hürde im digitalen Gesamtkomplex. Hier müsste man eine weitere Schnittstelle berücksichtigen – und zwar bereits in der Planung.
igus zeigt auf unterschiedlichsten Veranstaltungen zum einen die Produktvielfalt, des igus-Sortiments, zum anderen auch beratend Lösungen für alle Betriebsgrößen. (Bild: x-technik)
Low Cost Robotic ist ein Thema, dass nicht nur Unternehmen anspricht, die kleinere Betriebsgrößen haben, diesen aber den ersten Schritt in automatisierte Prozesse erleichtern kann. Somit wird die Robotik damit für „jedermann“ zugänglich. Stimmen sie dem zu?
Ja, so kann man es kurz zusammenfassen. Wir als igus haben beispielsweise 2024 insgesamt 12.500 Roboter in den Markt gebracht und damit wächst unser Marktwert in diesem Segment stetig. Der Bereich der Robotik ist ursprünglich bei uns im Haus aus einem einfachen Grund entstanden: Vor einigen Jahren haben wir unsere Prozesse automatisiert und sind auf Hürden gestoßen. Mit diesem Schritt ist uns die Komplexität der Robotik, angefangen bei den Preisen, die bei kleinsten Automatisierungslösung bereits um die 100.000 Euro und mehr lagen, erst bewusst geworden. Aus unserer Sicht ist das eine Schmerzgrenze, die bei vielen Unternehmen erreicht wird, die dann keinen Weg in die Robotik bzw. in automatisierte Prozesse finden, sondern zurückschrecken. Wir konzentrieren uns daher auf kostengünstige, bezahlbare Automatisierung. Übliche von uns verwendete Robotiklösungen bewegen sich zwischen 20.000 bis 45.000 Euro vollintegriert oder um sogar unter 12.000 Euro, wenn die Integration selbst übernommen wird. Und ja, ich glaube, wir als igus sind inzwischen auch dafür bekannt, mit steigender Tendenz.
Auf der SPS in Nürnberg kamen zahlreiche Besucher, um sich über Low Cost-Robotik-Lösungen und mehr bei igus zu informieren. (Bild: x-technik)
Dennoch gibt es Unternehmen, die von diesen ersten, doch einfachen Schritten in automatisierte Prozesse noch nichts wissen. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach? Fehlt es an Aufklärungsarbeit, die geleistet werden muss, oder mangelt es gar am Mut von Seiten der Unternehmer, gezielt zu investieren?
Ich glaube, dass Unternehmer generell sehr mutig sind. Doch wenn man sich vor allem sehr kleine Betriebe in ihrer Struktur anschaut, sind selbst 20.000 Euro für eine komplette Roboterzelle oder „nur“ 5.000 Euro für einen Cobot sehr viel Geld. Wenn zudem Unsicherheiten vorherrschen, ob die Lösung dann auch wirklich zu „meinen Prozessen“ passt, stecken viele in ihren Entscheidungsprozessen fest. Hierzu haben wir als igus eigens eine Kampagne gestartet, die dahingehend unterstützen soll, das Potenzial von Robotik zu definieren – im eigenen Betrieb. Denn nur ein funktionierender Roboter kann sich schlussendlich rentieren und es wird weiter automatisiert. Ich denke daher, dass es nicht an Mut fehlt, sondern man muss der Investition Zeit geben und neue Ideen verwirklichen, um schlussendlich zu sehen, ob der Einsatz von Robotik sinnvoll und zielführend ist und „meinem Betrieb“ weiterhilft. Diese Herausforderung betrifft jedoch nicht ausschließlich KMU, im Gegenteil. Auch große Unternehmen. Diese haben die gleichen Fragestellungen nach dem Return on Invest und der schlussendlichen Risikominimierung.
„Automatisierung lohnt sich, gerade im Low Cost-Bereich, für alle Unternehmensgrößen.“ Alexander Mühlens, Prokurist und Leiter Geschäftsbereich Low Cost Automation bei igus (Bild: x-technik)
Das ist ein guter Stichpunkt – mit den Investitionsherausforderungen „kämpfen“ alle Unternehmensgrößen. Doch die Frage ist immer gleich: Was bringt mir die Investition?
Fakt ist: Automatisierung lohnt sich aktuell immer dann, wenn man mindestens 100.000 Teile von „irgendwas“ produziert. Und 100.000 Teile ist, um ehrlich zu sein, eine große Anzahl. Ein entscheidender Vorteil der Automatisierung ist, dass es für viele sehr einfache, aber entscheidende Prozesse, keine menschlichen Einsatzkräfte mehr geben wird bzw. bereits nicht mehr gibt. Ich war – um ein Beispiel zu geben – vor ein paar Wochen in einer Müllsortieranlage vor Ort, die zu den modernsten in ganz Europa zählt. Auch dort gibt es immer noch Menschen am Ende des Bandes, die zu sehr unwürdigen Bedingungen an den Förderbändern arbeiten. Warum? Das liegt daran, dass man sich nicht bewusst ist, dass eine Investition in Low Cost Robotic durchaus sinnvoll sein kann – für alle Beteiligten.
Um bei diesem Beispiel zu bleiben, stellt sich die Frage: Woran scheitert hier der erste Schritt in einer automatisierte Prozessentwicklung?
Schlussendlich ist es so, dass Menschen nie nach „dem Roboter“ als Lösung suchen, sondern nach dem Kommissionierer aus dem Regal, nach dem Schuhklebeautomaten etc. Von einem Roboter an und für sich ist erst einmal nicht die Rede. Hieraus ist vor einigen Jahren die RBTX-Plattform entstanden. Auf dieser unterstützen alle Beteiligten direkt dabei, die ersten Schritte der automatisierten Prozesse zu nehmen. RBTX hat zudem sein Angebot international weiter ausgebaut und macht Low Cost Automation in insgesamt 44 Ländern zugänglich. Wir sehen, der Bedarf am Markt ist vorhanden und die Möglichkeiten ebenfalls.
Dennoch könnte sich für Unternehmen eine Investition nicht lohnen. Wie schaut es mit Mietmodellen aus?
Das stimmt, auch 5.000 Euro können in bestimmten Situationen sehr viel Geld sein. Von daher bieten wir in dem Onlineshop unterschiedliche Möglichkeiten an – beginnend beim Leasing über die Ratenzahlung bis zum Mietkauf. Die Möglichkeiten sind vorhanden und somit reagieren wir dort auf sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen der Betriebe.
Kommen wir nun noch zu einem Thema, dass auch innerhalb der Robotik einen immer größeren Stellenwert einnimmt: Künstliche Intelligenz. Ich gehe davon aus, dass KI auch bei igus nicht spurlos vorbeizieht?
KI oder selbstlernende Algorithmen sind grundsätzlich nichts Neues. Gerade in den zurückliegenden Jahren hat KI Einzug in unterschiedliche Technologien wie etwa Kameras gefunden. Grundsätzlich helfen selbstlernende Algorithmen dabei, nach dem Ease-of-Use-Prinzip Einstellungen an Kameraanwendungen vorzunehmen oder zu verbessern. Künstliche Intelligenz oder autonom entscheidende Systeme sind zudem im Bereich der Intralogistik ein wichtiges Thema. Ich gehe sehr stark davon aus, dass in Zukunft dem Roboter gewisse Aufgaben vorgegeben werden können und dieser die Anwendungen gezielt selbstständig durchführt. Vor allem bei Pick & Place-Aufgaben spielt dies eine Rolle. Dem Roboter ist es dann mit KI „egal“, ob er eine Banane oder Schokolade nimmt und platziert.
Entscheidend ist auch die Unterscheidung zwischen KI in industriellen Anwendungen oder KI im Alltag.
KI wird im Alltag häufig bei der Datenauswertung und Datenerzeugung genutzt, zum Beispiel bei Large Language-Modellen. KI in der Industrie hat meist auch immer Sicherheitsthemen und Prozessfähigkeit inkludiert. So ist eine Schweißanwendung in der Regel schwieriger zu automatisieren, als einen Weihnachtskalender mit Schokolade zu bestücken. Die Bestückungsaufgabe ist dabei ein Schritt, die auch eine KI vorgeben könnte und damit bewegen wir uns mit KI innerhalb der Robotik auf einem richtigen Weg. Diese soll die Prozesse vereinfachen und den Bertreibenden unterstützend zur Seite stehen.
Und wohin führt die Reise? Was wird es in Zukunft gerade in Bezug auf KI noch geben?
Vor allem das Thema selbstlernende Algorithmen für die eben erwähnte Kameratechnik ist ein Thema, dass wir intern stark fokussieren werden. Der Markt ist hierbei riesig und wir sehen enormes Potenzial, denn sobald man über Kameratechnik spricht, wird es „teuer“ und dem möchten wir mit optimierten Lösungen entgegenwirken. Einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft haben wir zudem auf der RBTX-Plattform mit dem Roboter-Berater umgesetzt. Einfache Fragen werden hierbei mittels einer ChatGPT-Lösung beantwortet. Und dies sind nur wenige, weitere Möglichkeiten, die mittels KI künftig optimiert werden können – ich blicke demnach sehr positiv in die Zukunft mit ihren technischen Möglichkeiten. Wir werden uns in diesem Jahr stark mit der humanoiden Robotik auseinandersetzen, auch da spielt KI die zentrale Rolle.
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