interview

Copa-Data zenon: Die Produktion à la carte modularisieren

Die produzierende Industrie braucht mehr Flexibilität, um angemessen mit immer kürzeren Produkt- und Innovationszyklen umzugehen. Um die Automatisierung modularer Produktionsanlagen zu erleichtern, hat der Prozessindustrieverband NAMUR einen herstellerunabhängigen Datenstandard geschaffen. Dieser heißt Module Type Package (MTP) und ist neuerdings direkt in die Softwareplattform zenon von Copa-Data integriert. Johannes Petrowisch, Geschäftsführer von Copa-Data CEE/ME, erklärt im Interview, welchen Nutzen Anlagenbetreiber und Automatisierungsentwickler daraus ziehen können und wie dieser Standard die Produktion auch in Branchen außerhalb der Prozessindustrie revolutionieren wird.

Die Integration der MTP-Dateien in zenon POL ermöglicht die automatisierte Projekterstellung im Engineering Studio und damit das Erstellen eines kompletten Prozessleitsystems mit wenigen Handgriffen.

Johannes Petrowisch, Geschäftsführer der Copa-Data CEE/ME

Die Integration der MTP-Dateien in zenon POL ermöglicht die automatisierte Projekterstellung im Engineering Studio und damit das Erstellen eines kompletten Prozessleitsystems mit wenigen Handgriffen. Johannes Petrowisch, Geschäftsführer der Copa-Data CEE/ME

Die Großserienproduktion stark individualisierter Produkte in kleinen Chargen stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität der Produktionsanlagen. Konventionell aufgebaute prozesstechnische Anlagen lassen meist die nötige Anpassungsfähigkeit vermissen. In besonders starkem Ausmaß erlebt diese Herausforderung die Pharma- und Prozessindustrie. Dort sorgen schnell wechselnde Kundenpräferenzen oder die Notwendigkeit rascher Wirkstoffanpassungen für immer kürzere Produkt- und Innovationszyklen.

Auf der Suche nach flexibleren Lösungen setzen die Bereiche Chemie, Nahrungsmittel, Kosmetik und Pharma auf die Modularisierung der Produktionsprozesse mittels der sogenannten Module Type Packages (MTP). Diese sind neuerdings direkt in die Softwareplattform zenon von Copa-Data integriert. Johannes Petrowisch, Geschäftsführer von Copa-Data CEE/ME, erklärt im Interview, warum Copa-Data diesen Schritt getan hat und was das Automatisierungsentwicklern auch in anderen Produktionszweigen bringt.

Die Prozessindustrie braucht flexiblere Produktionssysteme, um besser mit immer kürzeren Produkt- und Innovationszyklen umgehen zu können. Der von NAMUR und ZVEI geschaffene neue Datenstandard MTP erleichtert den modularen, herstellerunabhängigen Aufbau von Produktionsanlagen und verleiht diesen mehr Flexibilität.

Die Prozessindustrie braucht flexiblere Produktionssysteme, um besser mit immer kürzeren Produkt- und Innovationszyklen umgehen zu können. Der von NAMUR und ZVEI geschaffene neue Datenstandard MTP erleichtert den modularen, herstellerunabhängigen Aufbau von Produktionsanlagen und verleiht diesen mehr Flexibilität.

Herr Petrowisch, könnten Sie zunächst unseren nicht so prozesstechnik-affinen Lesern näherbringen, worum es sich bei MTP handelt?

MTP wurde von der NAMUR, der Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie, gemeinsam mit dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie – kurz: ZVEI – geschaffen. Dabei handelt es sich um eine Konvention zur herstellerneutralen Beschreibung modularer Produktionsanlagenteile. Diese besteht aus einer vereinheitlichten Beschreibung der Informationen der einzelnen Module – Welche Datenobjekte werden erfasst? Welche Dienste sollen ausgeführt werden? – und der Schnittstellen. Durch die Einbindung unterschiedlicher Module in gemeinsame Leitsysteme soll die herstellerunabhängige Automatisierung modularer Anlagen erleichtert werden.

Um es etwas besser veranschaulichen zu können, greife ich auch gerne auf den Vergleich mit einem Druckertreiber zurück: Der Drucker wird unabhängig vom Hersteller mit einem zentralen Rechner verbunden. Hier ist das Ziel ganz klar formuliert: Das Anschließen des Geräts soll möglichst einfach sein, um eine schnelle Inbetriebnahme zu ermöglichen. Der Rechner kann unkompliziert auf die Services „drucken“ oder „scannen“ zugreifen. Somit können die zur Verfügung stehenden Services der einzelnen Module erfasst und diese direkt angesteuert werden.

Mit einem Importtool lassen sich die MTP-Dateien in den übergeordneten Process Orchestration Layer von zenon (zenon POL) integrieren.

Mit einem Importtool lassen sich die MTP-Dateien in den übergeordneten Process Orchestration Layer von zenon (zenon POL) integrieren.

Was bringt das den Betreibern von Produktionsanlagen?

Die Initiative ging von den Anlagenbetreibern aus. Diese wollen ein bisschen mehr Unabhängigkeit von den Maschinen- und Anlagenherstellern. Manche davon haben ihre oft sehr starren, abgeschlossenen Systeme als Kundenbindungsinstrument genutzt. Durch MTP, definiert nach VDI/VDE/NAMUR 2658, soll die Entwicklung der Automatisierung für Maschinen oder Module einerseits und für die Gesamtanlage andererseits entkoppelt werden.

Das soll den Anlagenbetreibern z. B. ermöglichen, Maschinen oder Anlagenteile anderer Hersteller in eine Gesamtanlage einzufügen oder Anpassungen der Anlagenautomatisierung in die Hände lokaler Unternehmen zu legen. All dies hat zum Ziel, die Flexibilität von Produktionsanlagen zu steigern. Abgesehen von der größtmöglichen Flexibilität ermöglicht die modulare Produktion auch eine Senkung der Produktionskosten von bis zu 40 % sowie eine bis zu 50 % kürzere Time-to-Market. Ganz nach dem Motto: Plug & Produce.

Ähnlich wie bei den zenon-eigenen Smart Objects entsteht die Automatisierungslösung durch Anordnen, Verbinden und Parametrieren der MTP-Objekte in einem grafischen Editor.

Ähnlich wie bei den zenon-eigenen Smart Objects entsteht die Automatisierungslösung durch Anordnen, Verbinden und Parametrieren der MTP-Objekte in einem grafischen Editor.

Und was haben Hersteller und Automatisierer davon?

Ich beginne gerne mit der Anlagenautomatisierung. Dort ist es eine große Arbeitserleichterung, wenn man bei allen Teilsystemen von einheitlichen, getesteten Schnittstellen ausgehen kann und sich nicht mit den Eigenheiten unterschiedlicher Geräte herumschlagen muss. Das verringert die Gefahren zu tiefer Eingriffe in diese und stärkt die Konzentration auf die Kernaufgabe, die Gesamtanlagenoptimierung.

Maschinen- und Anlagenhersteller können ihre Produkte durch MTP mit der Fähigkeit zu Plug & Produce ausstatten. Sie verlieren zwar die Zwangsläufigkeit des Folgegeschäftes, können sich aber auf einem insgesamt breiteren Markt präsentieren.

Die MTP-Objekte enthalten auch Elemente für die Visualisierung, die nach deren automatisierter Erstellung auch noch angepasst werden können.

Die MTP-Objekte enthalten auch Elemente für die Visualisierung, die nach deren automatisierter Erstellung auch noch angepasst werden können.

Welche Voraussetzungen braucht es, um das Szenario einer Gesamtanlage mit den jeweils optimalen Modulen verschiedener Hersteller Realität werden zu lassen?

Neben der herstellerunabhängigen, vereinheitlichten Modulbeschreibung durch MTP ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen ein Automatisierungssystem, das diese Sprache spricht. Nur so lassen sich die Einzelmaschinen oder Anlagenmodule einfach, schnell und flexibel in die Gesamtanlage integrieren.

Der MTP-Editor ist Teil des zenon Engineering Studios und ermöglicht auch das Kreieren und Modifizieren von MTP-Objekten.

Der MTP-Editor ist Teil des zenon Engineering Studios und ermöglicht auch das Kreieren und Modifizieren von MTP-Objekten.

Deshalb hat Copa-Data also nun MTP in die Softwareplattform zenon integriert. Wie kann man sich das vorstellen?

Zunächst noch ein Nachsatz zur Definition von MTP: Die Gerätebeschreibung liegt in Form von MTP-Dateien vor. Diese enthalten neben der herstellerneutralen, funktionalen Beschreibung der Automatisierung von Prozessmodulen auch grafische Objekte, die man für die Gestaltung einer Visualisierung nutzen kann. Erinnert Sie diese Beschreibung an etwas? Dieselben Eigenschaften weisen die Smart Objects in zenon auf.

Wie funktioniert die Integration von MTP-Dateien in zenon?

Für die Integration in den übergeordneten Process Orchestration Layer (zenon POL) haben wir innerhalb des zenon Engineering Studios eine Importschnittstelle geschaffen. Über diese werden MTP-Dateien importiert und in Smart Object Templates (SOT) umgewandelt. Automatisierer mit zenon-Kenntnissen können diese nahtlos in ihre zenon-Gesamtprojekte integrieren und genauso behandeln wie native Objekte.

Für alle anderen haben wir im zenon Engineering Studio eine Toolbox mit MTP-Editor, MTP-Datei- und Geräteverwaltung und Prozessinteraktion geschaffen. Diese ermöglicht auch Mitarbeitern ohne vertiefende Softwarekenntnisse mit wenigen Handgriffen das vollautomatische Generieren eines vollständigen Prozessleitsystems (DCS). So können Anlagenbetreiber diese Aufgabe in vielen Fällen im Haus behalten.

Wie funktioniert die Programmierung im zenon MTP-Editor?

Wie man das bereits seit vielen Jahren von zenon kennt, gibt es auch hier keine Programmierung im herkömmlichen Sinn. Die Erstellung der Automatisierung erfolgt durch das Zusammenstellen und Verbinden der MTP-Objekte in einer vollgrafischen Umgebung. Aus den Vorlagen werden durch Instanziierung echte Objekte, die durch Verbindung von Ein- und Ausgangspunkten anschließend noch an manchen Stellen mit Parametern zu versehen sind.

Sie sagten, dass auch die Visualisierung mithilfe der MTPs entsteht. Wie geht das?

Zunächst bringt der Automatisierer Objekte und Objektgruppen durch Ziehen an die Positionen auf dem Bildschirm, an denen sie später auf dem Bedienpanel erscheinen sollen. Anschließend löst er mit einem Mausklick das Generieren eines zenon-Projektes aus. Dadurch synchronisieren sich die Funktionalitäten im Hintergrund und es entstehen ausführbare Programme. Zugleich lässt zenon automatisch aus Bibliotheken detaillierte Prozessbilder, Dashboards, Archive und alles entstehen, was zu einem funktionsfähigen zenon-Projekt gehört. Die dabei verwendeten, vordefinierten Steuerelemente lassen sich in der Folge noch an individuelle Bedürfnisse anpassen.

Wie steht es um das dynamische Umkonfigurieren verschiedener Anlagenmodule, um veränderten Anforderungen zu entsprechen?

Das ist die einfachste Übung. So schnell wie die Instanzen der MTP-Objekte grafisch angeordnet und verbunden wurden, können sie jederzeit auch wieder neu zusammengestellt werden. Sobald die Änderungen vorgenommen und die neuen Verbindungen überprüft sind: Projekt generieren und los geht’s, zuverlässig gesteuert und überwacht von zenon mit all seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Apropos anpassen: Kann man MTPs auch neu schaffen oder verändern?

Ja, das ist im zenon MTP Editor sehr komfortabel und mit vielen Möglichkeiten gewährleistet, bis hin zu Kommunikationsfunktionen, Validierung und einschließlich Revisionierung. Das ist dann aber schon etwas für erfahrene Techniker. Diese müssen dafür zwar nicht programmieren können, sollten aber die Anlagenlogik sehr gut kennen, weil sie diese schließlich beschreiben müssen.

Gibt es das nur für die Prozessindustrie oder auch für die diskrete Fertigung?

zenon mit MTP-Integration ist eine hoch performante Lösung für eine agile Produktion. Wie alles an zenon bringt diese nicht nur der Pharma- und Prozessindustrie Vorteile, sondern wird die Produktion zahlreicher anderer Branchen revolutionieren. Auch in der diskreten Fertigung erkennen immer mehr Unternehmen, dass eine Gesamtautomatisierungslösung – eventuell auch mit Einbeziehung der Gebäudetechnik – erhebliche Effizienzgewinne bringt. Ein Bearbeitungszentrum, ein 6-Achs-Roboter und eine Rollenbatterie sind aus deren Sicht auch nur Anlagenmodule, die sich ohne Weiteres mit MTP-Dateien beschreiben lassen.

Für viele Maschinen und Anlagenmodule sind keine MTP-Dateien verfügbar. Was dann?

Für viele, vor allem ältere, Maschinen und Anlagenmodule gibt es keine MTP-Dateien. Copa-Data bietet mit seinen Professional Services auch an, MTP-Dateien für bestehende Anlagenteile zu entwickeln. Damit möchten wir unseren Kunden die lückenlose Entwicklung zukunftssicherer modularer Gesamtanlagen auf Basis von MTP ermöglichen.

Wann wird diese Erweiterung des zenon Engineering Studios verfügbar sein?

Die Verarbeitung von MTP-Dateien ist mit unserer aktuell verfügbaren Version zenon 10 möglich und wird mit der kommenden Version zenon 11 im Jahr 2022 noch weiter ausgebaut. Folglich können unsere Kunden bereits jetzt schon vom neuen herstellerunabhängigen Standard zur Beschreibung von Prozessmodulen profitieren und hierzu mit einer bestmöglichen Betreuung und Beratung unsererseits rechnen. An dieser Stelle bin ich auch stolz, sagen zu können, dass wir als Copa-Data hier ganz klar eine Vorreiterrolle einnehmen und die Bedürfnisse von morgen jetzt schon bedienen können.

Besten Dank für diese Einblicke!

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