Endress+Hauser Computersimulation: Sprungbrett zur Innovation

Numerische Simulation zählt zu den wichtigsten Treibern des Produktdesigns. Der Messgerätehersteller Endress+Hauser hat damit Sensoren mit überragenden Produkteigenschaften geschaffen. Entsprechende Geräte liefern eine nie zuvor erreichte Messgenauigkeit selbst in komplexen Einbausituationen.

Dank Simulation: Der Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q für große Nennweiten erzielt eine bislang unerreichte Genauigkeit der Messergebnisse.

Dank Simulation: Der Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q für große Nennweiten erzielt eine bislang unerreichte Genauigkeit der Messergebnisse.

Wenn Schiffe hohe Mengen Erdöl, Erdgas oder raffinierte Kohlenwasserstoffe verladen, dann können schon kleinste Messungenauigkeiten zu großen Fehlbeträgen führen. Hohe Volumen exakt und rasch zu verfrachten, ist ein harter Kostenfaktor. Dabei liegt die Herausforderung für Coriolis-Durchflussmesser darin, dass die schwingenden Messrohre die Vibration nicht aufs Gehäuse und in die Prozessleitung übertragen: Resultierende Rückkopplungen drohen die Messung zu verfälschen.

Gegenphasige Grundschwingung der Messrohre bei etwa 100 Hz und einigen Mikrometer Auslenkung (überhöht dargestellt) im Vergleich zur gegenphasigen Oberschwingung bei etwa 1000 Hz (überhöht dargestellte Auslenkung).

Gegenphasige Grundschwingung der Messrohre bei etwa 100 Hz und einigen Mikrometer Auslenkung (überhöht dargestellt) im Vergleich zur gegenphasigen Oberschwingung bei etwa 1000 Hz (überhöht dargestellte Auslenkung).

Proline Promass Q sorgt für Genauigkeit

Insbesondere bei großen Messrohren, wie sie in der in der Öl- und Gasindustrie benötigt werden, sind die auf das Gehäuse einwirkenden Restkräfte der schwingenden Messrohre vergleichsweise groß – die Nullpunktstabilität wird beeinträchtigt. Simulationsprogramme wiesen den Weg, wie durch zwei kombinierte Doppel-Messrohre in einem einzigartigen Vier-Rohrsystem die Restkräfte gemindert und damit die erwünschte Nullpunktstabilität erreicht werden kann. Der 2022 auf den Markt gebrachte Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q für große Nennweiten erzielt damit nicht nur eine bislang unerreichte Genauigkeit der Messergebnisse. Er ermöglicht zugleich eine 25-prozentig höhere Durchflusskapazität.

Endress+Hauser Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q.

Endress+Hauser Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q.

Überragende Produktleistungen dank Simulation

„Wir kommen mit Computersimulationen in Innovationsbereiche, die auf konventionellen Wegen nicht erreichbar sind“, sagt Dr. Wolfgang Drahm, der ein hochspezialisiertes Entwicklerteam bei Endress+Hauser leitet. Wo früher physikalische Fragen sukzessive am experimentellen Prototyp getestet wurden – Experiment, Korrektur, Experiment, Korrektur, … –, ersetzt man heute die Optimierungsschleife durch Simulation.

„Dadurch können wir ungleich mehr Ideen und Optionen durchtesten als im physischen Experiment“, berichtet Dr. Drahm. Bei der Entwicklung des Coriolis-Promass-Q-Masse-Durchflussmessers für kleine Nennweiten etwa hatte das Entwicklerteam begleitend zu den Experimenten tausende von Simulationsläufen durchgeführt und so die Anzahl an realen Prototypen und die Entwicklungszeit erheblich reduziert. Das Messgerät wurde schließlich mit dem Swiss Technology Award und dem German Innovation Award ausgezeichnet.

„Simulation macht Entwicklungsprozesse nicht nur schneller und effizienter, sondern auch die Produkte robuster und besser“, sagt Dr. Alfred Rieder, der die simulationsgestützte Entwicklung der neuen Generation von Proline Promass Q-Geräten maßgeblich mit vorantrieb. Simulationsberechnungen nehmen zahlreiche potenzielle Störungen im Feld vorweg und beseitigen diese, so dass die Geräte immer weniger störanfällig werden. „Mit reinen Messungen können wir solche Optimierungen nicht erreichen“, sagt der Experte für Sensorik und Simulation. Dabei gliedert sich der Simulationsprozess klassischerweise in drei Abschnitte: die Modellbildung, die Gleichungslösung und die Interpretation.

Der Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q in einer Lebensmittelapplikation.

Der Coriolis-Durchflussmesser Proline Promass Q in einer Lebensmittelapplikation.

Mix von Simulation und Experiment

Ganz zu Beginn müssen die Fachexperten das richtige Simulationsmodell und seine Parameter festlegen: Denn Simulation bildet nie ein Gerät an sich, sondern immer eine bestimmte Fragestellung ab. Eine Strömungssimulation etwa benötigt ein anderes Modell, als wenn man die Schwingungseigenschaften oder die magnetischen Eigenschaften eines Durchflussmessgeräts berechnet. Wesentliche Daten des Modells betreffen seine Geometrie, seine Materialeigenschaften sowie Randbedingungen und Lasten. Hinzu kommen die speziellen Gleichungen der jeweiligen Physik, etwa die Laplace-Gleichung für Temperaturfelder, die Navier-Stokes-Gleichungen für Strömungsverhalten oder die Maxwell-Gleichungen für elektromagnetische Felder.

Modelle unterstützen

Ist das Modell aufgesetzt und sind die entsprechenden Daten eingegeben, beginnt die Simulationssoftware mit dem Durchrechnen der Gleichungssysteme. Sie arbeitet ihre Aufgabe weitgehend autonom ab, was für erheblichen Effizienzgewinn sorgt. „Wir können uns unseren Kernaufgaben als Physiker, Mathematiker, Informatiker widmen, während die Maschine für uns rechnet“, sagt Dr. Alfred Rieder. Im letzten Schritt einer Simulation sind wieder die Berechnungsingenieure gefragt, sie werten die Ergebnisse aus und interpretieren diese.

Simulation und Experiment

Dabei setzt Endress+Hauser auf die fruchtbare Symbiose von Simulation und Experiment: „Was Simulation errechnet hat, muss in der Realität gespiegelt werden“, sagt Alfred Rieder. „Und was sich im Experiment zeigt, wird manchmal durch Simulation verstehbar.“ Geklärt werden letztlich unterschiedlichste Fragen der Multiphysik. „Das reicht von einfachen statistischen Aufgabenstellungen bis hin zur Analyse von gekoppelten nichtlinearen Feldproblemen.“

Zum Einsatz kommt dabei kommerzielle Simulationssoftware von Ansys, Siemens oder Comsol, die von den eigenen Experten an die speziellen Fragestellungen des Unternehmens angepasst wird. Auch müssen die individuellen Workflows selbst programmiert werden, sprich verschiedene Simulationsprogramme und Felder miteinander kombiniert werden um die komplexen Fragestellungen berechnen zu können.

„Letztlich gewinnen wir durch Simulationsberechnungen ein tiefes Verständnis für die Funktionsweise eines Geräts“, sagt Dr. Alfred Rieder. Schon mehrfach hat Simulation zu Horizontverschiebungen geführt, indem sie Wege aufzeigte, die zuvor unerreichbar schienen: Der 2020 von Endress+Hauser eingeführte Promag W 0 x DN Full Bore ist ein solches Gerät, dass aus menschlicher Sicht nahezu nicht realisierbar – für Rechner aber möglich war. Es ist der erste magnetisch-induktiver Durchlaufmesser weltweit, der unabhängig von den Einbaubedingungen korrekt misst – selbst wenn es keinen geraden Rohreinlauf vor dem Messgerät gibt oder wenn Krümmungen oder Ventile das Strömungsprofil stören.

An welchen Parametern das liegt und wie diese gewählt werden müssen, das errechnete die Simulationssoftware. Nach Tausenden Optimierungsläufen lag die Blaupause für ein Gerät vor, das immer korrekt misst, egal wie das Strömungsprofil aussieht.

Kompensation von Messverzerrungen

Messverzerrungen können allerdings auch direkt im Gerät rein rechnerisch kompensiert werden. Auch diesen Weg wies die Simulation: Bei der „Flow Disturbance Compensation (FDC)“ für die E+H-Clamp-on-Ultraschall-Messgeräte korrigiert die Elektronik die verfälschten Messeffekte einer Strömungsstörung vor dem Gerät. Dadurch kann das Gerät sehr nah zu einer Störung und rotationsunabhängig montiert werden.

„Der Einsatz von Simulation ist ein klarer Wettbewerbsfaktor“, ist Wolfgang Drahm überzeugt. Zwar sind die Anfangs-Investitionen hoch – es braucht sehr viel Rechenleistung, teure Software und hochspezialisierte Experten –, doch die Innovationskraft steigt entsprechend. Bei Endress+Hauser löst man die genannten Herausforderungen unter anderem mit Hochleistungsrechnern, Pool-Lizenzen und einer großen Wissenscommunity für Simulation. Denn der human factor ist entscheidend. Nur wenn Menschen die Physik verstehen, mit der die Maschine arbeiten soll, wird Simulation zum Sprungbrett für Innovation.  

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