anwenderreportage

Fill Accubot: Composite-Teileprüfung per Roboter hebt ab

Das Werk München der GKN Aerospace ist spezialisiert auf die Erzeugung von Composite-Flugzeugteilen. Als sicherheitsrelevante Komponenten hauptsächlich von Verkehrsflugzeugen werden sie umfangreichen zerstörungsfreien Prüfungen unterzogen. Als Ersatz für eine langsame und unflexible Bestandsanlage entwickelte das Maschinenbauunternehmen Fill in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden Accubot eine multimodale Anlage mit höchster Flexibilität und Dynamik.

Im Werk München entwickelt und produziert GKN Aerospace Flugzeugteile aus Composite-Materialien, überwiegend für Verkehrsflugzeuge.

Im Werk München entwickelt und produziert GKN Aerospace Flugzeugteile aus Composite-Materialien, überwiegend für Verkehrsflugzeuge.

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Aufgabenstellung: Multimodale zerstörungsfreie Prüfung von Composite-Flugzeugteilen.

Lösung: ACCUBOT-Lösung von Fill mit zwei Stäubli TX200L-Robotern in der Hauptrolle.

Nutzen: Deutlich verkürzte Prüfzeiten, Kombination mehrerer Messverfahren in einer Anlage.

Strukturteile für Flugzeuge müssen einerseits hoch belastbar sein und dürfen andererseits nicht zu viel Masse aufweisen: Jedes Gramm Gewicht, das nicht auf 15.000 Meter Reiseflughöhe gehoben werden muss, spart wertvolles Kerosin und hilft, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Deshalb bestehen immer mehr Flugzeugteile nicht mehr aus Metall, sondern werden aus leichteren Kohlefaser-Verbundmaterialien hergestellt.

Mit der ACCUBOT-Anlage von Fill konnte GKN Produktivität und Zuverlässigkeit der zerstörungsfreien Bauteileprüfung deutlich und nachhaltig anheben.

Mit der ACCUBOT-Anlage von Fill konnte GKN Produktivität und Zuverlässigkeit der zerstörungsfreien Bauteileprüfung deutlich und nachhaltig anheben.

Dr.-Ing. Jakov Šekelja
Leiter Qualitätssicherung bei GKN Aerospace Deutschland GmbH

„Allein bei der Puls-Echo-Prüfung mittels Phased Array reduzierte sich die Prüfdauer der rund 10 m2 großen unteren Abdeckung einer Landeklappe für einen Interkontinental-Airliner um 93 % von bisher 100 auf nunmehr sieben Minuten.“

Composite-Strukturbauteile mit Tradition

Zu den bedeutendsten Herstellern von Komponenten für die Flugzeugindustrie gehört GKN Aerospace. Im Werk München des weltweit tätigen Unternehmens entwickeln und produzieren mehr als 460 Mitarbeitende ausschließlich Flugzeugteile aus Composite-Materialien, überwiegend für bekannte Hersteller von Flugzeugen für die Zivilluftfahrt.

Der Leichtbau hat an dem bereits seit 1934 mit der Luftfahrtindustrie verbundenen Standort eine lange Tradition: Eines der GKN-Vorläuferunternehmen produzierte hier 1973 erstmals in Deutschland Flugzeugkomponenten aus Faserverbundwerkstoff. Es handelte sich um Bremsklappen für den Alpha Jet. „Heute sind vollständig integrierte Strukturen, etwa größere Landeklappen, Holme oder Leitwerkteile unsere Spezialität“, berichtet Dr.-Ing. Jakov Šekelja, Leiter Qualitätssicherung bei der GKN Aerospace Deutschland GmbH. Diese entstehen überwiegend im Prepreg-Verfahren, sowohl von Hand als auch automatisiert.

Mit zwei Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen kann die ACCUBOT-Anlage von Fill in drei getrennten Zonen Composite-Bauteile zerstörungsfrei prüfen.

Mit zwei Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen kann die ACCUBOT-Anlage von Fill in drei getrennten Zonen Composite-Bauteile zerstörungsfrei prüfen.

Strengste Qualitätsanforderungen

Flugzeugbestandteile sind immer auch sicherheitsrelevant. Material- oder Verarbeitungsfehler können zum Verlust der Flugfähigkeit führen – mit möglicherweise fatalen Folgen für die Menschen an Bord. Deshalb unterliegen die Composite-Flugzeugteile strengsten Qualitätsanforderungen, deren Einhaltung regelmäßig überprüft wird.

„Die Qualitätssicherungsmaßnahmen gehen weit über die Überprüfung der Maßhaltigkeit hinaus, auch die inneren Werte zählen“, sagt der Qualitätsmanager, der auf 15 Jahre Erfahrung in der Herstellung von Composite-Flugzeugteilen zurückgreifen kann. „Neben einer Sichtprüfung unterziehen wir 100 % unserer Teile unter anderem einer Ultraschallprüfung, um Unregelmäßigkeiten wie Fremdkörpereinschlüsse, Delamination oder durch Materialfehler verursachte Porositäten aufzudecken“, erklärt er.

Zusätzliche Drehgeber machen die Stäubli-Roboter zum ACCUBOT, dem laut eigenen Angaben wahrscheinlich genauesten Roboter auf dem Markt, und verleihen ihnen eine einzigartige Absolut-Positioniergenauigkeit von weniger als 0,2 mm für die gemeinsame Ultraschallprüfung mittels Durchschallung mit 2 m/s Geschwindigkeit über 12,5 m Verfahrweg.
(Bild: raumpixel)

Zusätzliche Drehgeber machen die Stäubli-Roboter zum ACCUBOT, dem laut eigenen Angaben wahrscheinlich genauesten Roboter auf dem Markt, und verleihen ihnen eine einzigartige Absolut-Positioniergenauigkeit von weniger als 0,2 mm für die gemeinsame Ultraschallprüfung mittels Durchschallung mit 2 m/s Geschwindigkeit über 12,5 m Verfahrweg. (Bild: raumpixel)

Infos zum Anwender

GKN Aerospace gehört zu den weltweit führenden Tier-1-Herstellern von Komponenten für die Flugzeugindustrie. Das zur Beteiligungsgesellschaft Melrose Industries gehörende Teilunternehmen der GKN Plc. beschäftigt etwa 15.000 Mitarbeiter an Standorten in 14 Ländern. Es beliefert alle namhaften Flugzeug- und Triebwerkshersteller und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 3,6 Milliarden Euro, davon knapp 50 % mit Strukturbauteilen. Im Werk München erzeugen mehr als 460 Mitarbeiter ausschließlich Flugzeugteile aus Composite-Materialien.

NDT-Prüfanlage als Kapazitätsengpass

Als Jakov Šekelja 2016 zu GKN kam, ortete er im Bereich der zerstörungsfreien Bauteilprüfung (non-destructive testing; NDT) einen erheblichen Modernisierungsbedarf, den auch das GKN-Management erkannte. Die vorhandene Portalanlage für die automatisierte Ultraschallprüfung stammte aus dem Jahr 1986.

„Der einkanaligen Anlage fehlte es nicht nur an Flexibilität, sondern auch an der nötigen Dynamik, um die gestiegenen Anforderungen an die Prüfleistung zu erfüllen. Bei unseren typischerweise recht großflächigen Bauteilen betrugen die Prüfzeiten bis zu 100 Minuten“, beschreibt er. Angesichts der 100%-Prüfung stellte die Prüfanlage demnach eine Hürde für den Ausbau der Produktionskapazitäten im GKN-Werk München dar.

Die Roboterkalibrierung hat den Zeitbedarf für die jährliche Geometrieüberprüfung von elf Stunden auf eine halbe Stunde verringert.
(Bild: raumpixel)

Die Roboterkalibrierung hat den Zeitbedarf für die jährliche Geometrieüberprüfung von elf Stunden auf eine halbe Stunde verringert. (Bild: raumpixel)

Revolutionäre Anforderungen

Obwohl er sich in seiner bisherigen Berufslaufbahn viel mit kontinuierlichen Verbesserungsprozessen beschäftigt hatte, beschränkte sich Jakov Šekelja bei seiner Neuausschreibung der NDT-Prüfanlage nicht auf kleine Schritte. Sein Anforderungsprofil forderte nicht weniger als einen Methodenwechsel in der automatisierten zerstörungsfreien Bauteilprüfung.

Wichtigstes Ausschreibungskriterium war naheliegender Weise eine substanzielle Reduktion der Prüfzeiten. Dazu kam die Forderung nach ausreichender Flexibilität, um neben der eigentlichen Ultraschallprüfung auch noch andere Mess- und Prüfverfahren auf der Anlage durchführen zu können, etwa eine Maßhaltigkeitsüberprüfung per Laser Tracker. „Mir war klar, dass vor allem die Ultraschalluntersuchungen an größeren Teilen eine Zusammenarbeit von zwei Türmen oder Robotern erfordern würde“, erinnert sich Jakov Šekelja. „Diese sollten andere Tests auch einzeln und parallel zueinander ausführen können und so zugleich den Durchsatz und die Ausfallssicherheit wesentlich erhöhen“, fügt er ergänzend hinzu.

Weil der Betrieb solcher Anlagen zu den Methoden gehört, für die eine Freigabe durch die OEM-Kunden erforderlich ist, sollte erst nach deren Erlangung die Bestandsanlage stillgelegt werden. Wegen des beschränkten Platzes in der Halle war daher deren schrittweiser Ersatz gefordert.

Die applikationsunabhängige Programmier- und Bedienumgebung FILL Studio ermöglicht die hauptzeitparallele Programmierung und Simulation der Anlage ohne Programmierkenntnisse und bringt bedeutende Effizienzgewinne.
(Bild: P. Kemptner)

Die applikationsunabhängige Programmier- und Bedienumgebung FILL Studio ermöglicht die hauptzeitparallele Programmierung und Simulation der Anlage ohne Programmierkenntnisse und bringt bedeutende Effizienzgewinne. (Bild: P. Kemptner)

Zukunftsträchtiges Anlagenkonzept

Von ursprünglich fünf Bewerbern kamen drei in die engere Auswahl. Einer davon war die Fill Gesellschaft m.b.H. Die hochkomplexen Anlagen – überwiegend Einzelanfertigungen – dieses weltweit tätigen oberösterreichischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmens erleichtern Anwendern aus der Automobil-, Luftfahrt-, Sport- und Bauindustrie die Herstellung ihrer Produkte.

Das Unternehmen bot ein Lösungskonzept mit zwei gemeinsam, aber auch einzeln arbeitenden Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen an. Diese können Werkstücke in drei getrennten Zonen prüfen und durch automatischen Werkzeugwechsel Prüfungen mit unterschiedlichen Methoden durchführen, und das ohne Umspannung des Prüflings.

„Fill punktete mit einer überzeugend hohen Präzision der Roboteranlage, mit der hohen zu erwartenden Verfügbarkeit durch Anwendung der Standards aus dem Automotive-Bereich und nicht zuletzt mit der geografischen und kulturellen Nähe, die eine gute Service-Qualität versprach“, erläutert Jakov Šekelja. „Außerdem zeigten die Spezialisten aus Österreich eine hohe Bereitschaft, gemeinsam mit uns eine individuelle Anlage zu entwickeln, die zum neuen Referenzmaßstab in der zerstörungsfreien Prüfung großer Composite-Bauteile werden kann“, betont er.

Effizienzgewinn durch Multimodalität

Als zuverlässigen Partner hatte der Qualitätsmanager das Unternehmen Fill bereits im Rahmen seiner Vortätigkeit bei einem österreichischen Aerospace-Zulieferer kennen und schätzen gelernt. Für diesen hatte Fill 2009 eine Ultraschall-Prüfanlage für Kohlefaser-Flugzeugkomponenten konstruiert. „Wir waren der erste Maschinenbauer, der solche Anlagen herstellte und die Prüftechnik als intelligentes Werkzeug integrierte“, berichtet Dipl.-Ing. Wolfgang Haase, verantwortlich für den Vertrieb von NDT Aerospace Manufacturing Systems bei Fill. Bis dahin hatten die Prüftechnologie-Hersteller als Generalunternehmer den Maschinenbau untervergeben.

Diese Praxis war natürlich einer Flexibilisierung der NDT-Anlagen nicht förderlich gewesen. Mit der umgekehrten Logik machen die NDT-Spezialisten bei Fill ihren Kunden die Angebote führender Prüftechnologieanbieter aller Modalitäten in einer einzigen Anlage nutzbar. Diese Multimodalität spart schon dadurch enorm Zeit, dass man ein Bauteil zunächst per Ultraschall in Through Transmission Technik prüfen und anschließend flächige Puls-Echo Prüfungen per Phased Array durchführen kann. Zusätzlich lassen sich natürlich auch Röntgen, Tomographie und Thermographie sowie verschiedene berührungslose Messverfahren zur Geometrievermessung integrieren und weitere zeitraubende Manipulationen vermeiden.

„Richtig effizient wird das durch den von Fill auf Basis einer Standardkupplung geschaffenen Werkzeugwechsler FlexChange“, ergänzt Wolfgang Haase. „Dessen zahlreiche Anschlüsse beinhalten 196 elektrische Kontakte, die ein Einwechseln aller heute denkbaren Prüfköpfe mit voller Kompatibilität erlauben.“ Zu diesen gehört auch ein angetriebener Prüfkopf von Fill mit einer zusätzlichen rotatorischen Achse am Tool Center Point, der die Bauteilprüfung in kleinen, stark gekrümmten Bereichen ermöglicht.

Roboter-Flexibilität mit absoluter Präzision

Den entscheidenden Gewinn an Flexibilität gegenüber Portal- oder Turmanlagen bringt die Verwendung von Sechsachs-Roboterkinematiken. Auf zwei parallelen Linearachsen fahrend, können diese weite Arbeitsbereiche mit vielen Freiheitsgraden anfahren. Dadurch kann die Anlage Bauteile mit unterschiedlichen Geometrien in drei nebeneinander liegenden Arbeitsbereichen prüfen, in der mittleren davon auch durch eine einzigartige Echtzeitkopplung beider Roboter.

„Während Industrieroboter und die von ihren Herstellern angebotenen Linearachsen mit deren Wiederholgenauigkeit für klassische Pick and Place Aufgaben dimensioniert sind, würde ihre Absolut-Positioniergenauigkeit für die hoch performante Ultraschallprüfung im Durchschallungsprinzip sowie die berührungslose Bauteilvermessung nicht ausreichen“, weiß Ing. Thomas Gramberger, zuständig für Projektierung und Vertrieb von Aerospace Manufacturing Systems bei Fill. „Die Ultraschallsignale vom Sender des einen Roboters müssen bei langem X-Verfahrweg und einer Geschwindigkeit von bis zu 2 m/s mit minimalerkoaxialer Abweichung beim Empfänger ankommen“, erklärt er.

Die erforderliche Präzision erhielt die Anlage durch von Fill konstruierte und gefertigte, hochpräzise Linearachsen und zusätzliche abtriebsseitig eingebaute Drehgeber an den Bewegungsachsen der Roboter des schweizer Herstellers Stäubli. Diese Implantate ermöglichen eine akkurate Regelung der Bewegungen und machen so die Roboter vom Typ TX200L zum Accubot.

Zeitgewinn auf allen Ebenen

Dem Gewinn und Erhalt dieser hohen Präzision dient die Lasertracker-basierte Roboterkalibrierung. Diese hat beim Münchner Flugzeug-Komponentenhersteller den Zeitbedarf für die jährliche Geometrieüberprüfung von elf Stunden auf eine halbe Stunde verringert.

Bedeutende Effizienzgewinne bringt die neu entwickelte Anlagensoftware. Die Anlage wird – einschließlich der Roboterkinematiken – komplett von einer Sinumerik 840D sl gesteuert. Ihre technischen Details verbergen sich dem Anwender hinter der Oberfläche der Programmier- und Bedienumgebung FILL Studio. Diese Anwendersoftware ist wie die gesamte Anlage applikationsunabhängig. Sie ermöglicht die hauptzeitparallele Offline-Programmierung der Roboter einschließlich Simulation zur Kollisionsvermeidung. Dazu ist der digitale Zwilling der gesamten Anlage hinterlegt. Das ermöglicht auch die Anwendung von Augmented Reality.

„Bei erstmaliger Aufspannung neuer Teile verifizieren die Prüfenden mittels händischem Teach-In die Offlineprogrammierung, danach genügt das Einscannen des Barcodes auf dem Laufzettel“, erklärt Jakov Šekelja. Die früher erforderlichen zehn Minuten zum Initialisieren jedes zu prüfenden Bauteils entfallen komplett.

Der erheblichste Effizienzgewinn ergibt sich jedoch aus den deutlich schnelleren Prüfvorgängen in der Fill Accubot-Anlage sowie deren Fähigkeiten, diese zu kombinieren.

„Allein bei der Puls-Echo-Prüfung mittels Phased Array reduzierte sich die Prüfdauer der rund 10 m2 großen unteren Abdeckung einer Landeklappe für einen Interkontinental-Airliner um 93 % von bisher 100 auf nunmehr sieben Minuten“, freut sich Jakov Šekelja. Zudem entfällt nun die früher anschließend durchgeführte, mehrstündige taktile Messung der Wanddicke, da diese nun automatisch als Abfallprodukt der Ultraschallprüfung anfällt.

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