interview

Weit über das Kabel hinaus

Mit konfektionierten Kabeln und Schleppketten Mehrwert schaffen: In seiner „Strategie 2020“ hat Lapp angekündigt, in den kommenden vier Jahren den Umsatz auf 2 Mrd. Euro mehr als zu verdoppeln. Auch wenn Komplettangebote wie die halbautomatische Kabelkonfektionierung namens Ölflex Connect dazu geeignet sind, Umsatz und Wertschöpfung zu erhöhen, werden sie allein nicht zum Erreichen dieser ambitionierten Ziele ausreichen. Was hinter der Strategie steckt und wie Kunden von dem neuen Konfektionsangebot profitieren können, wollte x-technik AUTOMATION von DI Klemens Dolzer, Geschäftsführer Lapp Austria, wissen. Das Interview führte Ing. Peter Kemptner / x-technik

Kunden brauchen die Kompetenz eines Gesamtanbieters, der alle verwendeten Produkte sehr genau kennt, zur Unterstützung eigener Innovationen, und die Verlässlichkeit einer vom Basisprodukt bis zur fertigen Lösung durchgängigen Qualitätssicherung.

DI Klemens Dolzer, Geschäftsführer Lapp Austria Gmbh

Kunden brauchen die Kompetenz eines Gesamtanbieters, der alle verwendeten Produkte sehr genau kennt, zur Unterstützung eigener Innovationen, und die Verlässlichkeit einer vom Basisprodukt bis zur fertigen Lösung durchgängigen Qualitätssicherung. DI Klemens Dolzer, Geschäftsführer Lapp Austria Gmbh

Seit Oskar Lapp 1959 die erste mehradrige, flexible Steuerleitung mit Farbcodierung namens Ölflex entwickelte und zu fertigen begann, assoziiert man Lapp mit Kabeln für alle Anwendungsfälle. Mittlerweile ist das Stuttgarter Familienunternehmen Lapp einer der bedeutendsten Kabel- und Leitungshersteller in der Branche. Für Lapp hört jedoch die Welt keineswegs am Ende des Kabels auf, sondern schließt alles ein, was zur Verbindung gehört. Lapp ist zum Systemanbieter geworden, der auch bei Produkten rund um das eigentliche Kabel alle Aspekte der Verbindung abdeckt. So produziert das Unternehmen unter anderem Kabelverschraubungen, Kabelkennzeichnungssysteme, Steckverbinder und Kabelschutz- und Führungssysteme. Zudem ist Lapp Austria Generaldistributor für Schleppketten von Brevetti Stendalto sowie für elektrotechnische Komponenten von Thomas & Betts. Damit und mit der Möglichkeit, Kabel und Leitungen auch fertig konfektioniert zu beziehen, ist Lapp ein Systemlieferant, der seinen Kunden alles aus einer Hand anbieten kann.

Ölflex Connect reicht von völlig kundenspezifisch abgemantelten, abisolierten und bei Bedarf mit Steckern versehenen Kabeln über zu den Servo-Antriebssystemen führender Hersteller passende Anschlusslösungen bis zur montagefertig konfektionierten Schleppkette.

Ölflex Connect reicht von völlig kundenspezifisch abgemantelten, abisolierten und bei Bedarf mit Steckern versehenen Kabeln über zu den Servo-Antriebssystemen führender Hersteller passende Anschlusslösungen bis zur montagefertig konfektionierten Schleppkette.

Herr DI Dolzer, mit welchen zusätzlichen Produkten und Produktgruppen wird Lapp welche neuen Kunden und Kundengruppen ansprechen, um die Wachstumsziele der Strategie 2020 zu erreichen?

Es stimmt, dass die globale Strategie 2020 der Lapp-Gruppe eine Umsatzsteigerung von EUR 886 Mio. im Geschäftsjahr 2014/15 auf EUR 2 Mrd. im Jahr 2020 vorsieht. Diese ist allerdings differenziert zu betrachten. Das Wachstum wird sehr ungleich verteilt sein und zum Großteil in den aufstrebenden Märkten der BRIC-Länder und Afrikas stattfinden. Und es wird zu einem gewissen Teil nicht aus dem bestehenden Geschäft heraus kommen, sondern im Wege von Akquisitionen. Welche das sein werden, kann und darf ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Die Abschlusskappen der Lapp-Rundstecker werden bei der Montage nicht geschraubt, sondern verpresst, und bieten daher einen Anschluss in Schutzklasse IP67.

Die Abschlusskappen der Lapp-Rundstecker werden bei der Montage nicht geschraubt, sondern verpresst, und bieten daher einen Anschluss in Schutzklasse IP67.

Wie sieht das Ziel für Lapp Österreich aus, das Sie als deren Geschäftsführer zu verantworten haben werden?

Die Wachstumsziele für Europa – da liegt Österreich etwa im Mittelfeld – sind mit vier bis fünf Prozent ein paar Größenordnungen darunter. Auf diesem im Grunde bereits gesättigten Markt arbeitet Lapp daran, mit Produktinitiativen wie dem kürzlich vorgestellten Konfektionsangebot Ölflex Connect in ausgewählten Produktbereichen größere Marktanteile als bisher zu erobern.

Die um 6 db (Faktor 4) bessere Schirmdämpfung von Ölflex Connect Servo erleichtert Maschinenbauern die Einhaltung der strengsten EMV-Vorschriften und beugt Problemen durch Einkoppeln von Fremdsignalen aus benachbarten Maschinen vor.

Die um 6 db (Faktor 4) bessere Schirmdämpfung von Ölflex Connect Servo erleichtert Maschinenbauern die Einhaltung der strengsten EMV-Vorschriften und beugt Problemen durch Einkoppeln von Fremdsignalen aus benachbarten Maschinen vor.

Auf Ölflex Connect werden wir noch näher eingehen. Welche anderen Produktbereiche sollen wesentlich zum Wachstum von Lapp beitragen?

Ein Beispiel, das ich gerne nennen kann, ist der Bereich ‚Rolling Stock‘. Dabei handelt es sich um Kabel und Leitungen zur Verwendung in Eisenbahnfahrzeugen. Für diese gelten besondere Anforderungen, nicht weil sie bei besonders hohen und tiefen Temperaturen ihre Funktionalität behalten müssen, sondern auch wegen der einzigartig hohen Ansprüche an Sicherheit und Zuverlässigkeit. Passend zur strategischen Bedeutung dieses Marktsegments trat Lapp Ende September erstmals als Aussteller auf der Eisenbahntechnik-Fachmesse Innotrans in Berlin auf. Weil wir in Österreich bedeutende Spieler auf diesem Feld haben, war ich selbstverständlich ebenfalls auf dem Lapp-Stand zu finden. Weiter wachsend – allerdings nicht in Österreich – ist das Projektgeschäft, etwa im Energiebereich oder im Schiffbau, wo Lapp kundenspezifische Lösungen anbietet, dank der großen Fertigungstiefe bis hin zum individuell gestalteten Kabel.

Zum Thema kundenspezifisch passt auch das unter der Marke „Ölflex Connect“ zusammengefasste Angebot konfektionierter Kabel. Was beinhaltet dieses Angebot alles?

Mit Ölflex Connect bietet Lapp ein vollständiges Portfolio an Systemlösungen. Die fertig konfektionierten Verbindungen aus dem Hause Lapp gibt es in drei Ausprägungen: Ölflex Connect Cables verstehen sich als völlig kundenspezifisch abgemantelte, abisolierte und bei Bedarf mit Steckern versehene Kabel, beginnend bei der einadrigen Leitung für stationäre Anlagen. Ölflex Connect Servo bietet zu den Servo-Antriebssystemen führender Hersteller passende Anschlusslösungen in außergewöhnlichen Längen oder Konfigurationen. Ölflex Connect Chain ist das Lapp-Angebot einer montagefertig konfektionierten Schleppkette. Wie alle Lapp-Produkte gibt es Ölflex Connect in den drei Qualitätsstufen basic line, core line und extended line, die sich in erster Linie bezüglich Widerstandsfähigkeit, Lebensdauer und möglicher Längen unterscheiden.

„Ölflex Connect“-Kabelkonfektionen enthalten trotz des Namens nicht nur Ölflex-Leitungen, oder?

Keineswegs. Obwohl wir natürlich bevorzugt Kabel aus dem eigenen Haus einsetzen und diese für unsere Kunden meist Ausgangspunkt der Zusammenarbeit waren, verarbeiten wir selbstverständlich auch Fremdprodukte. Das ist weniger bei den Kabeln selbst der Fall als z. B. bei den Steckern. Zwar können wir viele davon aus eigener Produktion liefern, aber es gibt natürlich darüber hinaus auch noch eine breite Vielfalt. Für Ölflex Connect Chain verarbeiten wir Schleppketten aus Stahl oder Kunststoff unseres Partners Brevetti, auf Wunsch des Kunden aber auch anderer Hersteller. Die fertige Konfektion enthält nicht selten neben zahlreichen Kabeln mit Steckern auch z. B. Schläuche für Hydraulik und Pneumatik.

Welche Vorteile bietet Lapp seinen Kunden im Vergleich zu Unternehmen, die sich ausschließlich auf Kabelkonfektionen spezialisiert haben?

Österreich ist ein Markt voller Spezialitätenhersteller, oft als Hidden Champions Weltmarktführer in ihren engen Nischen. Das bedingt einerseits sehr geringe Stückzahlen und kurze Produktionszyklen sowie andererseits einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Gerade solche Unternehmen schätzen die Kompetenz eines Gesamtanbieters, der alle verwendeten Produkte sehr genau kennt, zur Unterstützung eigener Innovationen. Und sie brauchen die Verlässlichkeit einer vom Basisprodukt bis zur fertigen Lösung durchgängigen Qualitätssicherung. Das kann Lapp als Hersteller nicht nur der Konfektionen, sondern auch der meisten verwendeten Komponenten, besser.

Ab welchen Stückzahl-Dimensionen ist es sinnvoll, sich wegen einer Kabelkonfektion an Lapp zu wenden?

Bei Ölflex Connect gibt es keine Mindestmenge. Unabhängig von Größe und Komplexität der Lösung beginnt das Angebot ab einem einzigen Stück.

Wie schafft es Lapp, Konfektionen in so kleinen Mengen wettbewerbsfähig zu produzieren?

Ölflex Connect ist mehr als nur ein neuer Name für das bestehende Konfektionierungs-Angebot von Lapp. Der Konzern hat kräftig in die Produktionsanlagen in der Tschechischen Republik investiert. Dort erfolgen Produktion und Test der konfektionierten Kabel und Schleppketten nicht rein manuell, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil automatisiert. Das hilft uns nicht nur ganz allgemein, sehr attraktive Preise anzubieten, sondern unterstützt auch eine wirtschaftliche Fertigung mit Losgröße 1.

Warum sollten Anwender Ölflex Connect Servo den Original-Anschlussleitungen der Antriebshersteller vorziehen?

Neben der Möglichkeit, die Leitungen in jeder beliebigen Länge zu beziehen statt in einer begrenzten Auswahl, bieten die verwendeten, ansonsten voll kompatiblen Lapp-Rundstecker einen Anschluss in Schutzklasse IP67, weil ihre Abschlusskappen bei der Montage nicht geschraubt werden, sondern verpresst. Auch beim Anschluss der Regelgeräte auf der anderen Seite bietet die gasdicht gecrimpte Verbindung den Vorteil einer größeren Haltbarkeit. Ein wesentlicher Vorteil von Ölflex Connect Servo ist dessen deutlich besserer Schutz vor Ein- oder Abstrahlungen. Die um 6 db (Faktor 4) bessere Schirmdämpfung erleichtert Maschinenbauern die Einhaltung der strengsten EMV-Vorschriften und beugt Problemen durch Einkoppeln von Fremdsignalen vor.

Wie schafft Lapp diese wesentlich bessere EMV-Beständigkeit der Ölflex Servo Leitungen gegenüber Konfektionen mit Kabeln anderer Hersteller?

Der Unterschied liegt nicht am Kabel. Ich unterstelle, dass Kabel aller namhaften Hersteller eine sehr gute Schirmung aufweisen. Diese wird jedoch bei konventionellen Verfahren häufig beim Abmanteln beschädigt, sodass beim Anschlagen des Steckers nicht mehr das gesamte Schirmgeflecht kontaktiert wird. Nicht selten hängt gerade die sehr wichtige Schirmung nur an wenigen Drähten, also quasi ‚am seidenen Faden‘. Hier hilft uns die Automatisierung. Sie vermeidet das Anschneiden des Schirms beim Abmanteln und die Form der Werkzeuge für das Kontaktieren des Schirms sorgt dafür, dass eine 360°-Verbindung mit dem Stecker entsteht.

Bisher gibt es Ölflex Connect nach den Standards von Siemens, SEW Eurodrive und Rockwell. Ist auch an Varianten für die Antriebstechnik österreichischer Automatisierungssystemhersteller gedacht?

Selbstverständlich. Ölflex Connect Servo wird es auf Sicht nach den Standards aller wesentlichen Spieler auf diesem Gebiet geben, auch solche aus Österreich sind fixer Teil der Planungen. Auf der SPS IPC Drives stellen wir als nächste Variante eine Lösung für Fanuc vor, für die Lapp einen eigenen, aus zwei verschiedenen Kunststoffen aufgebauten, Stecker entwickelt hat.

Welche Neuheiten bezüglich Ölflex Connect erwarten Besucher des Lapp-Standes auf der SPS IPC Drives noch?

Wie bereits gesagt, umfasst das Lösungsportfolio Ölflex Connect nicht nur kupferbasierte Konfektionierungen. Auf der Nürnberger Messe zeigen wir einsatzfertige Konfektionen mit Hitronic-Lichtwellenleitern. Angesichts steigender Datenmengen und Prozessortakte und der damit verbundenen EMV-Problematik gewinnen diese rasch an Bedeutung sowohl im Maschinen- und Anlagenbau als auch im Büro-Umfeld. Diese LWL-Konfektionen ersparen Anwendern aufwändige Spleiß-, Anschluss- und Verlegearbeiten. Mit ihrer Fähigkeit zum Plug & Play bilden sie einen weiteren Baustein zur Kabelkonfektion mit dem Erfolgs-Gen.

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