interview

Sick PSDI: Wie Safety die Produktivität boostet

Sicherheitsvorkehrungen im Produktionsumfeld müssen sein. Was bisher eine ungeliebte Notwendigkeit war, wird jetzt zum Produktivitäts-Boost. Berthold Ketterer, Senior Vice President für Industrial Safety bei der Sick AG, spricht über neue Technologien, Industrie 4.0 und produktive Sicherheit.

Mit PSDI wird die Anwesenheit der Hände selbst als Ein- und Ausschalter genutzt.

Berthold Ketterer, Senior Vice President für Industrial Safety, Sick AG

Mit PSDI wird die Anwesenheit der Hände selbst als Ein- und Ausschalter genutzt. Berthold Ketterer, Senior Vice President für Industrial Safety, Sick AG

Herr Ketterer, als Sensorhersteller steht Sick im Zentrum von Industrie 4.0. Denn vernetzte Produktions- und Logistikprozesse brauchen grundsätzlich Daten welche wiederum von Sensoren geliefert werden. Was bedeutet das für einen Sensorentwickler und -hersteller, wie Sick es ist?

Der Sensor ist der Startpunkt von Industrie 4.0. Hier entstehen Daten. Damit haben wir die Chance, heute die Sensortechnologien zusätzlich als Datenquelle zu nutzen und unsere Kunden dabei zu unterstützen, Digitalisierung im industriellen Umfeld voranzutreiben.

Herkömmliche Sicherheits-Lösungen: Der Werker drückt den Schalter um das Pressen zu starten.

Herkömmliche Sicherheits-Lösungen: Der Werker drückt den Schalter um das Pressen zu starten.

Der nächste logische Schritt war, dazu die „Sensor Intelligence“ voranzutreiben, bei der die Sensoren der zentralen Steuerung bestimmte Aufgaben abnehmen und gleichzeitig Daten und Informationen bereitstellen ...

Genau. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden Daten meist in eine SPS geschickt, die daraus eine Automatisierungslogik erzeugte – nämlich das Steuern und Regeln von Maschinen. Damit endete dann auch die Nutzung der Daten und lieferte keinen Aufschluss über den Fertigungsprozess oder die Wertschöpfung in der Produktionslinie. Hier haben wir Abhilfe geschaffen, beispielsweise mit unserer PC-basierten Software FieldEcho, die für IO-Link-Sensoren die Daten über die Steuerung der Cloud zur Verfügung stellt. Aber sehr oft wird die Anlage heute durch eine zweite Verbindung neben der eigentlichen Steuerung ergänzt, indem Sensoren und Aktoren an ein Edge-Device, wie etwa eine Sensor Integration Maschine, gekoppelt werden. Dadurch eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten.

Lösungen für PSDI-Anwendungen für mehr Produktivität von Sick.

Lösungen für PSDI-Anwendungen für mehr Produktivität von Sick.

Wie wirkt sich das auf den Safety-Bereich auf der Sensorebene aus?

Auch im Safety-Bereich nutzen wir die Möglichkeiten neuer Technologien und treiben die Datenfusion und -analyse voran, um die Definition und die zukünftigen Möglichkeiten von Safety zu erweitern. Es wird Sie überraschen, aber die klassische Safety bekommt durch uns gerade Unterstützung in Form von Produktivität.

https://www.youtube.com/watch?time_continue=70&v=VpdsxK0ifow&feature=emb_logo

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Meinen Sie damit, dass Safety in den Hintergrund rückt, während die Produktivität in den Vordergrund tritt?

Das ist etwas provokant ausgedrückt, ich weiß! Safety wird immer dynamischer werden und unterschiedliche Safety Level bedienen. Damit verwandeln wir Safety von einer häufig unbeliebten Notwendigkeit in einen echten wirtschaftlichen Mehrwert. Zukünftig werden Safety-Applikationen die Fabriken und Anlagen unserer Kunden effizienter und produktiver machen. Das ist ein komplett neues Mindset für Safety-Lösungen.

Das alles wirkt insgesamt auf den ersten Blick wie eine Umwertung der teils ungeliebten, weil kostenintensiven Safety-Anforderungen ... Oder ist es eher eine Win-win-Situation zwischen Industrie 4.0 und dem Safety-Anliegen?

Ich würde sagen: Der Kunde gewinnt auf ganzer Linie. Stellen Sie sich eine Produktionslinie vor, wie sie überall zu finden ist. Wir messen die Durchlaufzeiten mit einer Stoppuhr. Und jetzt installieren wir eine unserer Safety-Lösungen. Dann messen wir wieder. Die Ergebnisse sind beeindruckend. In einem konkreten Fall, bei einem Kunden, der mechanische Pressen nutzt, gab es einen Effektivitätsgewinn von etwa 30 %.

Mit welchen speziellen Lösungen hilft Sick dabei, Anlagen gleichzeitig effizienter, schneller und sicherer zu machen? Könnten Sie das evtl. anhand eines Beispiels plausibel machen?

Das Stichwort lautet PSDI (Presence Sensing Device Initiating). Der Kunde, von dem ich sprach, setzt mechanische Pressen ein. Bei der herkömmlichen Sicherheitslösung legt der Bediener das Werkstück ein, nimmt die Hände aus dem Gefahrenbereich und drückt die zwei Schalter rechts und links neben der Maschine gleichzeitig. Erst dann startet der Pressvorgang. Mit PSDI wird über Intelligenz bzw. Algorithmen die Anwesenheit der Hände selbst als Ein- und Ausschalter genutzt. Das heißt, sobald die Hände aus dem gesicherten Feld des Prozessschrittes sind, ist die Anlage wieder im ‚working mode‘.

Dabei muss der Mitarbeiter aber natürlich auch tatsächlich darauf vertrauen, dass er ungefährdet mit beiden Händen arbeiten kann. Wie wird das in der Praxis angenommen?

Das ist in der Tat eine Umgewöhnung. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass der Einstieg in die neue Arbeitsweise für einen Bediener häufig zögerlich voran geht, aber selbst dann mit 10 bis 15 % Produktivitätsgewinn bereits erfolgreich ist. Im eingeschwungenen Modus kann die Produktivität auf bis zu 30 % erhöht werden. Dann haben die Mitarbeiter das Vertrauen erlangt und neue Gewohnheiten werden zur Routine.

Die beschriebenen Entwicklungen gehen ja auch einher mit neuen Ansprüchen an Organisation und Mitarbeiter – hier gibt es etwa den ausgebildeten Safety-Application-Specialist. Sick bietet ja auch dahingehend Schulungen weltweit. Wie sehen Ihre Aktivitäten dazu genau aus?

Unsere weltweit ca. 200 Safety-Application-Specialists sind im Bereich Safety hervorragend ausgebildet. Für die neuen Anforderungen brauchen sie auch Automations-Know-how. Dazu arbeiten wir mit Partnern zusammen. Wir erstellen e-learnings und Präsenztrainings, welche in mehreren Blöcken durchlaufen werden.

Herr Ketterer, der Begriff Industrie 4.0 hat Bedeutung in vielen verschiedenen Anwendungen. Auf welche Bereiche konzentriert sich Sick besonders? Wo investieren Sie am meisten? Und von welchem Wachstum gehen Sie jeweils aus?

Das klassische Safety-Geschäft wächst im einstelligen Prozentbereich. Betrachtet man Innovationsfelder, wie autonomes Fahren im industriellen Umfeld, Robotics und Outdoor-Applikationen, gehen wir von einem überdurchschnittlichen Wachstum aus. Wer da mitspielen will, muss liefern. Und das heißt auch investieren.

Sick produziert in seinem Stammhaus in Waldkirch / Deutschland – aber auch im Ausland. Wie ist das aufgeteilt?

Grundsätzlich produzieren wir „marktnah“ mit regionalem Fokus. In Amerika, Asien und Europa haben wir deshalb entsprechende Produktionsstandorte platziert. Gutes Wachstum sehen wir in Asien, dementsprechend werden dort derzeit die Kapazitäten angepasst.

Speziell unsere Fabrik in Freiburg ist ganz nach dem Industrie 4.0-Vorbild modular aufgebaut. Die einzelnen voll- und teilautomatisierten Fertigungsmodule sind über kleine autonom fahrende Carts (AGCs) miteinander verbunden. Damit haben wir die idealen Voraussetzungen geschaffen, um mit und an Industrie 4.0 zu wachsen. Wir sind somit quasi Kunde im eigenen Haus und sammeln dadurch jeden Tag wertvolles Know-how. Dabei geht es auch um die laufende Optimierung unserer Produkte, Lösungen und Dienstleistungen. Denn in den Anlagen sind ausschließlich unsere Sensoren und Sensorsysteme verbaut. Sie müssen hier unter Realbedingungen zeigen, was sie können. Das liefert uns wichtige Erkenntnisse, um u. a. auch aus dem Thema „Safe productivity“ weiteren Kundennutzen generieren zu können.

Herr Ketterer, besten Dank für Ihre ausführlichen Informationen!

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