interview
Mit Sicherheit bis ins Feld kommunizieren mit IO-Link Safety-Lösungen von Pilz
Der Schutz vor Verletzungen oder Beschädigungen ist ein wesentliches Kriterium im Maschinen- und Anlagenbau. Bisherige Lösungen sind oftmals entweder wenig flexibel oder teuer und widersetzen sich oftmals der Modularisierung von Maschinen und Anlagen. IO-Link Safety nutzt die bekannten Vorteile des Sensorik-Netzwerks IO-Link für die sicherheitsgerichtete Kommunikation mit Sensoren auf der Feldebene. Über die Vorteile des sicheren Netzwerks spricht im Interview Matthias Wolfer, M.B.A., Produktmanager für Controller bei Pilz.
„IO-Link Safety macht es sehr einfach, die Sicherheitstechnik durchgängig bis zu den Sensoren auf der Feldebene auszudehnen und bringt bisher in der Safety nicht gewohnte, neue Möglichkeiten bei der Datendiagnose. Pilz unterstützt Anwender dabei mit einer kompletten IO-Link Safety Systemlösung und weitreichender Unterstützung bei der Integration.“ Matthias Wolfer, MBA, Produktmanager für Controller bei Pilz
Industrial Safety, also Geräte und Systeme für die funktionale Sicherheit, ist die Kernkompetenz des deutschen Herstellers Pilz. In letzter Zeit gesellt sich zu dieser auch die Datensicherheit, die Security. Im Frühjahr 2024 kündigte Pilz an, künftig für die sichere Datenkommunikation vom und zum „letzten“ Sensor auf IO-Link Safety zu setzen. Das soll erhebliche Produktivitätssteigerungen bringen. Was es damit auf sich hat und wie Hersteller und Nutzer von Maschinen und Anlagen die angekündigten Produktivitätsgewinne tatsächlich lukrieren können, erfuhren wir am Rande des IO-Link Forums Österreich in Hallwang.
Bei IO-Link Safety handelt es sich um eine Erweiterung des IO-Link Standards. Im nach IEC 61139-2 weltweit standardisierten Kommunikationsprotokoll werden Safety-Telegramme mit bis zu 32 Byte Daten mit bis zu 230,4 KBit/s bidirektional übertragen.
Herr Wolfer, was veranlasst Pilz, zusätzlich zu den bestehenden Safety-Technologien noch eine weitere einzuführen?
Der Hauptgrund dafür ist, dass es IO-Link Safety sehr einfach macht, die Sicherheitstechnik durchgängig bis zu den Sensoren auf der Feldebene auszudehnen. Ein weiterer ist, dass IO-Link Safety auf die bewährte Funktionalität von IO-Link zurückgreifen kann. Das bringt bisher in der Safety nicht gewohnte, neue Möglichkeiten bei der Datendiagnose. Das unterstützt Maschinenbetreiber bei der Optimierung ihrer Prozesse.
Mit einheitlicher Device-Struktur und einfacher Verkabelung macht es IO-Link Safety einfach, sicherheitsgerichtete Sensoren anzubinden und stellt die bekannten Vorteile von IO-Link, etwa für die Diagnose, zur Verfügung.
Wie passt IO-Link Safety in das bestehende Pilz-Portfolio von Safety-Schaltungen und -Steuerungen?
Es ergänzt unser Portfolio perfekt in Richtung der einfachen Anbindung sicherer Sensorik. Lassen Sie mich dieses zunächst ein wenig gliedern: Unser Programm voreingestellter, konfigurierbarer und programmierbarer Safety-Controller reicht von den bekannten PNOZ-Sicherheitsrelais über die konfigurierbaren Sicherheitssysteme PNOZmulti bis zum Automatisierungssystem PSS 4000 mit der Visualisierungssoftware PASvisu. Mit diesem rückwirkungsfreien System können Sie Projekte für Sicherheit und Automation umsetzen und beide Welten miteinander verschmelzen lassen. Die sicherheitsrelevanten Daten und Zustandsinformationen werden dabei über das Echtzeit-Ethernet SafetyNet p ausgetauscht. IO-Link Safety hingegen ist eine feldbusunabhängige, sichere Punkt-zu-Punkt-Kommunikation zwischen der Steuerung und den Sensoren im Feld. Mit dieser neuen Technologie soll es die bewährten Safety-Methoden nicht ersetzen, sondern Richtung der an die Steuerung angeschlossenen Sensoren ergänzen.
Als Schnittstelle zur Sicherheitssteuerung ermöglicht der IO-Link Safety Master PDP67 IOLS von Pilz die bidirektionale Kommunikation mit Sicherheitssensoren mittels IO-Link Safety, Standard-IO-Link Sensoren und Aktoren sowie klassischen Sicherheitssensoren auf der Feldebene.
Wie kam Pilz überhaupt zu IO-Link?
Pilz hat von Anfang an das Potential von IO-Link erkannt und diese damals neue Technologie vorangetrieben. Bereits 2018 waren wir in den IO-Link Gremien vertreten und IO-Link ist bei uns bereits seit diesem Zeitpunkt ein Thema. In unserem Produktportfolio gibt es bereits seit längerem einen IO-Link Master, bisher allerdings nur in IP20-Ausführung. Da Sensoren über IO-Link meist direkt in der Maschine verbaut sind, ist ein IO-Link Master in IP67 zur direkten Montage am Maschinenrahmen sinnvoller. Einen solchen haben wir mit der Bezeichnung PDP67 IO-Link Safety auf der SPS 2023 vorgestellt. Zu dieser Zeit waren die Bestrebungen zur weltweiten Standardisierung des Kommunikationsprotokolls von IO-Link Safety nach IEC 61139-2 bereits weit gediehen. Pilz als führender Anbieter auf dem Gebiet der funktionalen Sicherheit war natürlich von Anbeginn an Teil der relevanten Gremien.
Pilz bietet eine komplette IO-Link Safety Systemlösung mit Master, Sensoren, Feldgeräten, vorkonfektionierten Kabeln und passendem Zubehör.
Wie ist die Funktionsweise von IO-Link Safety?
Zunächst ist mir wichtig, die Begriffe sauber zu trennen. Bei Safety over IO-Link reisen ProfiSafe-Informationen im Black Channel über IO-Link. Bei IO-Link Safety hingegen handelt es sich um einen zusätzlichen Safety Layer als integralen Teil der Spezifikation von IO-Link. Dieser ist sowohl auf Master- und Device-Seite spezifiziert, wobei beide Seiten ihren Teil zur Umsetzung beitragen. Bei IO-Link Safety werden Safety-Telegramme mit bis zu 32 Byte Daten bidrektional mit bis zu 230,4 kbit/s übertragen. Obwohl der Schritt von IO-Link zu IO-Link Safety sehr klein ist, lässt sich damit höchste Sicherheit erzielen, bis PL e nach EN ISO 13849-1 bzw. SIL 3 nach IEC 61508/62061.
Im Sicherheits-Lichtgitter PSENopt II advanced IOLS mit Mutingfunktion kann jeder inaktive Lichtstrahl sofort erkannt werden. Das ermöglicht ohne Mehraufwand z. B. eine Objektgrößenerkennung beim Materialtransport.
Welche Vorteile bringt die Nutzung der Basistechnologie IO-Link?
IO-Link und damit auch IO-Link Safety ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung. Diese vereinfacht deutlich die Verdrahtung der Sensoren im Feld und ist auf diesem Gebiet eine kostengünstige Alternative zu Safety über Industrial Ethernet. Für die Verbindung der Sensoren mit dem IO-Link Master genügen ungeschirmte dreiadrige Kabel mit industrieüblichen M12-Anschlusssteckern. IO-Link Safety-Geräte werden vom IO-Link Safety Master automatisch identifiziert, ihre Parameter direkt übernommen. Das ermöglicht die zeit- und platzsparende Integration der Sicherheitssensoren. Zudem sorgt es für einen einfachen Austausch von Komponenten. Damit reduziert es reparaturbedingte Stillstandzeiten der Maschinen und Anlagen.
Die Taster-Unit PITgatebox in der Systemlösung von Pilz ermöglicht die Verbindung zur Sicherheitszuhaltung PSENmlock, ohne dass weitere Ports am IOLS Master belegt werden.
Was sind weitere Eigenschaften von IO-Link, die sich hierbei als nützlich erweisen?
Alle Vorteile des etablierten IO-Link Standards sind eins zu eins auch für IO-Link Safety nutzbar. Das gilt auch für den Bereich der Datendiagnose. Hier schafft IO-Link Safety auf diese Weise völlig neue Möglichkeiten, vor allem für Instandhaltung und Wartung. So kommunizieren die IO-Link Safety Devices direkt mit dem IO-Link Safety Master und geben Auskunft über wichtige Statusinformationen. Diese können in der Steuerung für Prozessoptimierungen genutzt oder von einem Cloud-Service für die vorausschauende Instandhaltung ausgewertet werden.
Welche IO-Link Safety Produkte bietet Pilz bereits an?
Der Standard ist noch jung, die Produktpalette von Pilz für IO-Link Safety ist es auch. Hauptprodukt ist der dezentrale IO-Link Safety Master PDP 67 PN IOLS. Er bildet die Schnittstelle zur Sicherheitssteuerung und ermöglicht die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation bis in die Feldebene. Neben IO-Link Safety Geräten lassen sich an diesen auch herkömmliche IO-Link Sensoren sowie klassische Sicherheitssensoren anschließen. Weiters umfasst unser IO-Link Safety Portfolio aktuell das Sicherheits-Lichtgitter PSENopt II advanced IOLS mit Muting- und Blankingfunktionen und die Bedieneinheit PITgatebox IOLS. Diese kann unter anderem als „IO-Link Safety Hub“ für unsere Sicherheitszuhaltung PSENmlock dienen.
Was ist das Besondere an dem IO-Link Safety Lichtgitter?
Auch wenn das PSENopt II advanced IOLS mit Mutingfunktion zu den besten seiner Art gehört: Im Zusammenhang mit IO-Link Safety ist das Lichtgitter selbst eigentlich gar nicht das Unterscheidungsmerkmal. Der Telegrammaufbau und die Übertragungsgeschwindigkeit von IO-Link Safety ermöglichen die Überwachung jedes einzelnen Lichtstrahls in Echtzeit. Das schafft Möglichkeiten der Absicherung und der Definition von Ausnahmen, die bisher noch mit keiner Schutzeinrichtung möglich waren.
IO-Link Safety ist ein genormter, offener Standard. Warum sollten sich Interessierte eher an Pilz als an andere Hersteller wenden?
Der IO-Link Safety Master von Pilz bietet zusätzlich zu den vier IO-Link Safety Ports auch vier Failsafe Digital Input Output Ports (FDIO-Ports). Diese können als ein- oder zweikanalige sichere Ein- oder Ausgänge konfiguriert werden. Damit ermöglicht er auch die Integration marktüblicher Sicherheitssensoren. Darüber können auch Output Signal Switching Device (OSSD)-Signale verarbeitet werden. Das spart zusätzlich Aufwand für Geräte und Verkabelung. Zudem bietet das Gerät die Möglichkeit, Daten und Parameter über eine Micro-SD Karte auszutauschen. Als maßgeblicher Partner und Entwickler des IO-Link Safety Standards verfügt Pilz auf diesem Gebiet über eine tiefgreifende Expertise. Zudem bietet Pilz als führender Safety-Anbieter nicht nur die oben genannten Komponenten, sondern das komplette System mit Master und Sensoren aus einer Hand an, inklusive Kabel in den passenden Längen und einem passenden Konfigurationstool. Und natürlich bieten wir Anwendern weitreichende Unterstützung bei der Integration von IO-Link Safety in ihre Maschinen und Anlagen.
IO-Link Safety ist sehr jung. Wohin geht aus Sicht von Pilz die Reise?
Grundsätzlich ist bei IO-Link Safety-Systemen die Integration von Sicherheitssensoren und -aktoren in jedes bestehende Feldbussystem möglich, unabhängig von übergeordneten Systemen. Stand heute ist unser IO-Link Safety Master nur für Profinet/Profisafe verfügbar. Geplant sind Erweiterungen etwa um EtherCAT/FSoE, Ethernet IP und CIP Safety und auch OPC UA ist angedacht. Eine Implementierung von IO-Link Safety auf IO-Link Wireless liegt noch in fernerer Zukunft, da laufen im Konsortium und den jeweiligen Arbeitsgruppen erste Diskussionen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Produkt im Bericht
Pilz IO-Link Safety
Mit IO-Link Safety erfüllt sich der Wunsch nach einer flexiblen Automatisierung. Mit der sicheren und standardisierten Punkt-zu-Punkt-Kommunikation IO-Link Safety integrieren Anwender Sensoren bis ins Feld – und das schnell und komfortabel. Gleichzeitig bietet IO-Link Safety neue Möglichkeiten bei der Datendiagnose und unterstützt so bei der Optimierung der Prozesse.
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