anwenderreportage

Schunk JGZ: Hohe Flexibilität in der robotergestützten Tübbingproduktion

Lässt sich die Produktion von Betonfertigelementen für den Tunnelbau umfassend automatisieren? Ja, ist die Schweizer Marti Tunnel AG aus Moosseedorf überzeugt und realisiert gemeinsam mit der deutschen Herrenknecht Formwork Technology GmbH aus Schwanau eine Portalroboteranlage zur teilautomatisierten Tübbingproduktion. Ein Schnellwechselsystem von Schunk verleiht dem hängenden 6-Achs-Roboter die erforderliche Flexibilität und gewährleistet einen rasanten Wechsel der eingesetzten Werkzeuge.

Einbauteile und Dübel werden bei Marti mit dem Zentrischgreifer Schunk JGZ gehandhabt. Der Greifer eignet sich für unzählige Standardaufgaben in der industriellen Automation.

Einbauteile und Dübel werden bei Marti mit dem Zentrischgreifer Schunk JGZ gehandhabt. Der Greifer eignet sich für unzählige Standardaufgaben in der industriellen Automation.

Standardprogramm mit über 2.000 Schnellwechselvarianten

Mit insgesamt 22 Baugrößen für Zuladungen von 1,4 bis 4.080 kg und einer großen Vielfalt von über 2.000 Varianten decken die standardisierten Schunk-Schnellwechselsysteme zahlreiche Anwendungen ab. Sie bestehen aus zwei Teilen: einem Schnellwechselkopf, der am Roboterarm montiert ist und einem Schnellwechseladapter, der mit dem jeweiligen Werkzeug verbunden ist. Beim Werkzeugwechsel wird zwischen beiden in Sekundenschnelle eine stabile mechanische Verbindung hergestellt und die Durchleitung von Fluids, Strom und elektrischen Signalen ermöglicht.

Bereits in der Planungsphase hatte das Gemeinschaftsprojekt bei zahlreichen Kunden von Herrenknecht Formwork für Aufsehen gesorgt. Auf Initiative und in enger Abstimmung mit Marti bewies Herrenknecht Formwork einmal mehr Pioniergeist und realisierte am Marti-Standort Klus-Balsthal in der Schweiz eine robotergestützte Betonfertigteilproduktion für den maschinellen Tunnelbau. Die Basis der eigenen Angaben nach weltweit einzigartigen Anlage bildet ein verfahrbares Portal mit hängendem 6-Achs-Roboter, der über die gesamte Anlagenlänge von rund 30 m flexibel eingesetzt werden kann und im fliegenden Wechsel mannlos Schalungen öffnet und schließt, Flächen reinigt, Trennmittel aufträgt und Einbauteile positioniert. Ein einziger Roboter genügt, um im Takt der Betonierstation all diese Teilschritte vollautomatisch auszuführen.

Die Wechselschnittstelle des SWS ist robust ausgeführt und schmutzunempfindlich. Damit eignet sie sich auch für Einsätze in leicht verschmutzten Umgebungen.

Die Wechselschnittstelle des SWS ist robust ausgeführt und schmutzunempfindlich. Damit eignet sie sich auch für Einsätze in leicht verschmutzten Umgebungen.

Was sind Tübbinge?

Tübbinge sind Betonfertigteile, die in der Regel zu einem Ring kombiniert und als Versteifung von Tunneln und Schächten eingesetzt werden. Sie werden meist unmittelbar von Tunnelvortriebsmaschinen verlegt, die sich wiederum an den Rändern der bereits verlegten Tübbinge abstützen, um den erforderlichen Vortrieb zu erzielen. Abhängig von der Geologie kommen Tübbinge mit oder ohne Dichtungsbändern zum Einsatz. Bei deren Produktion sind Toleranzen von einem bis wenigen Millimetern einzuhalten.

Mehr Effizienz und Flexibilität

Im Vergleich zu herkömmlichen teilautomatisierten Lösungen mit stationären Robotern erweist sich die Portallösung als deutlich effizienter und flexibler, da alle Positionen der Linie unabhängig von der jeweiligen Elementgröße mit einem einzigen und vergleichsweise kleinen Roboter bequem erreicht werden. Bei Bedarf kann die Anlage zur Produktion von Sonderteilen auf manuellen Betrieb umgestellt werden. Für Marti Tunnel ist sie ein wirkungsvolles Instrument, um eigene Mitarbeiter von körperlich anstrengenden Arbeiten zu entlasten, die Zahl der Leiharbeiter zu reduzieren und so über eine Senkung der Lohnkosten auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Hinzu kommt, dass durch den Einsatz des Roboters die Arbeitssicherheit steigt.

Ein einziger Roboter genügt bei Marti, um in der Tübbingproduktion unterschiedlichste Arbeitsschritte zu erledigen.

Ein einziger Roboter genügt bei Marti, um in der Tübbingproduktion unterschiedlichste Arbeitsschritte zu erledigen.

Prozesssicherer Werkzeugwechsel

Eine Schlüsselkomponente für den prozesssicheren Betrieb der Anlage ist nach Ansicht von Projektleiter Kuno Hamm und Konstrukteur Marko Vollmer von Herrenknecht Formwork Technology das Roboterschnellwechselsystem Schunk SWS des Kompetenzführers für Greifsysteme und Spanntechnik Schunk aus Lauffen am Neckar. Es minimiert unproduktive Nebenzeiten und erhöht die Flexibilität des Roboters, indem ein Drehmomentschrauber, eine Reinigungswalze, ein Ausblas- und Einölbalken sowie ein Schunk JGZ-Zentrischgreifer vollautomatisiert gewechselt werden. Zwei Punkte seien bei der Auswahl von Schunk als Lieferant entscheidend gewesen: Die Flexibilität, die das System in der Anlage ermöglicht und die Variantenvielfalt des Schunk-Schnellwechselprogramms.

Der Schunk JGZ-Zentrischgreifer sorgt für eine präzise Positionierung der Dübel.

Der Schunk JGZ-Zentrischgreifer sorgt für eine präzise Positionierung der Dübel.

Shortcut

Aufgabenstellung: Die Produktion von Betonfertigelementen für den Tunnelbau sollte umfassend automatisiert werden.

Lösung: Eine Portalroboteranlage zur teilautomatisierten Tübbingproduktion. Ein Schnellwechselsystem verleiht dem hängenden 6-Achs-Roboter die erforderliche Flexibilität und gewährleistet einen rasanten Werkzeugwechsel.

Nutzen: Prozesssicherer Werkzeugwechsel, integrierte Leistungs-, Signal- und Medienversorgung, körperlich anstrengende Aufgaben fallen für Belegschaft weg.

Keine Insellösungen

„Das Wechselsystem spielt für uns in der gleichen Liga wie der Portalroboter“, unterstreicht Hamm. „Wenn ich das Werkzeug nicht prozesssicher wechseln könnte, fällt der Grundgedanke des Portalroboters, der alle vier Arbeitsstationen parallel bedient, weg. Wir wären gezwungen, auf Insellösungen zu gehen, die die Flexibilität der Anlage deutlich reduzieren würden. Für uns ist es daher entscheidend, dass das Werkzeugwechselsystem zuverlässig funktioniert“, so Hamm weiter. Aufgrund der Programmvielfalt bei Schunk habe man in der Projektierungsphase einen sehr hohen Freiheitsgrad in Bezug auf die Werkzeugauswahl besessen.

„Wir haben jeweils vorgegeben was wir planen, und Schunk hat die passenden Komponenten konfiguriert“, berichtet Vollmer. Änderungen oder Erweiterungen im Rahmen des Projektfortschritts konnten aufgrund der Baugrößenvielfalt und Modularität des Schnellwechselprogramms flexibel umgesetzt werden. Und auch im zweiten Projektabschnitt, einer automatisierten Glättstation, soll ein Schunk-Schnellwechselsystem zum Einsatz kommen, diesmal jedoch deutlich größer, um auch die rund 120 kg schwere Glättwalze handhaben zu können.

Der Portalroboter mit dem Schunk SWS-Schnellwechselsystem und dem JGZ-Greifer gewährleistet eine optimale Zugänglichkeit von allen Seiten.

Der Portalroboter mit dem Schunk SWS-Schnellwechselsystem und dem JGZ-Greifer gewährleistet eine optimale Zugänglichkeit von allen Seiten.

Paul Freudiger
Projektleiter bei der Marti Tunnel AG

„Wir haben uns für die Portallösung mit dem Schnellwechselsystem entschieden, weil sie die größte Flexibilität bringt.

Integrierte Leistungs-, Signal- und Medienversorgung

Als Pilotanwendung hatte Paul Freudiger, Projektleiter bei Marti, die Produktion von 3.500 Sohlsteinen für den Sarner Aa-Tunnel gewählt. Der kompakte und einfache Aufbau der Betonelemente ohne Dichtungen und Verschraubungen war aus seiner Sicht ideal, um Erfahrungen mit der Anlage zu sammeln und die einzelnen Prozessschritte zu optimieren. Dabei wechselt der Roboter automatisch zwischen dem elektrisch angetriebenen Drehmomentschrauber zum Lösen der Schrauben, der elektrischen Bürste zur Reinigung, dem mit Druckluft und Trennmittel versorgten Luft-/Ölbalken sowie dem pneumatisch gesteuerten Schunk-Zentrischgreifer zur Handhabung der Einbauteile und Dübel. Letzterer ist Teil der Greifer-Kompaktklasse von Schunk, die dank des erstklassigen Preis-Leistungs-Verhältnisses eine hohe Wirtschaftlichkeit ermöglicht.

Je nach Anwendung ermöglicht das SWS-Schnellwechselsystem in Sekundenschnelle eine stabile mechanische Verbindung, eine Durchführung von Pneumatik und Hydraulik, eine stabile Spannungsversorgung und eine Durchleitung mit elektrischen Signalen.

Je nach Anwendung ermöglicht das SWS-Schnellwechselsystem in Sekundenschnelle eine stabile mechanische Verbindung, eine Durchführung von Pneumatik und Hydraulik, eine stabile Spannungsversorgung und eine Durchleitung mit elektrischen Signalen.

Sämtliche Werkzeuge werden im SWM-Werkzeugmagazin an der Traverse abgelegt und eigenständig vom Roboter eingewechselt.

Sämtliche Werkzeuge werden im SWM-Werkzeugmagazin an der Traverse abgelegt und eigenständig vom Roboter eingewechselt.

Infos zum Anwender

Die Marti Tunnel AG aus Moosseedorf im Schweizer Kanton Bern ist ein Spezialist für den mechanisierten Tunnelvortrieb. Das Unternehmen verfügt über eine langjährige Erfahrung, fachbezogenes Know-how und eine moderne Ausrüstung für Vortriebe mit offener Tunnelbohrmaschine und Sohleeinbau, Schildtunnelbohrmaschinen und Tübbingeinbau, Teilschnittmaschinen, Rohrschirm- und Jettingmaschinen, Sprengvortriebe sowie spezielle Vortriebe für den Kern-, Schacht- oder Kavernenbau. In der zentral gelegenen Fabrikationsanlage in Klus-Balsthal produziert das Unternehmen Betonfertigteilelemente für den Untertage- und Tunnelbau.

Die Marti GmbH Österreich konzentriert sich hauptsächlich im deutschsprachigen Europa, projektspezifisch jedoch auch weltweit, verstärkt auf Tätigkeiten des Tunnel- und Kraftwerkbaus.
https://www.marti-tunnel.ch/de

Einsatz langer Finger möglich

Der Greifer vereint eine widerstandsfähige T-Nuten-Gleitführung mit kompakten Abmessungen und eignet sich aufgrund seiner großen Momentenaufnahme auch für den Einsatz langer Finger. Mit induktiven Näherungsschaltern oder magnetischen Nutenschaltern aus dem Schunk-Katalogprogramm lassen sich die Greifer einfach und zuverlässig überwachen. Zudem können sie um Zubehör der Flaggschiffe Schunk PGN-plus und PZN-plus ergänzt werden. Kraftmessbacken, analoge und magnetische Positionssensoren, Backenrohlinge und vieles mehr erhöhen die Optionsvielfalt. Nicht benötigte Werkzeuge werden im Schunk-SWM-Magazin an der Traverse des Portalroboters abgelegt.

Auch der Drehmomentschrauber, mit dem die Schalungen geöffnet und verschlossen werden, ist im SWM-Werkzeugmagazin abgelegt und mit einem SWA-Schnellwechseladapter ausgestattet.

Auch der Drehmomentschrauber, mit dem die Schalungen geöffnet und verschlossen werden, ist im SWM-Werkzeugmagazin abgelegt und mit einem SWA-Schnellwechseladapter ausgestattet.

Nach der Produktion müssen die Sohlsteine für den drei Kilometer langen Belchentunnel 28 Tage aushärten. Erst dann werden sie an der Tunnelbaustelle angeliefert und eingebaut.

Nach der Produktion müssen die Sohlsteine für den drei Kilometer langen Belchentunnel 28 Tage aushärten. Erst dann werden sie an der Tunnelbaustelle angeliefert und eingebaut.

Marti-Projektleiter Paul Freudiger, Schunk-Fachberater Norbert Fehrenbacher, Marti- Produktionsleiter Oskar Gisler und Anlagenprogrammierer Stefan Mattle von Herrenknecht Formwork Technology.

Marti-Projektleiter Paul Freudiger, Schunk-Fachberater Norbert Fehrenbacher, Marti- Produktionsleiter Oskar Gisler und Anlagenprogrammierer Stefan Mattle von Herrenknecht Formwork Technology.

Große Offenheit in der Belegschaft

Da sämtliche Prozessschritte bei Marti ohne visuelle Überwachung erfolgen, werden die Schalungen zunächst über Halte- und Positioniersysteme präzise fixiert. „Der Roboter muss die Aufgaben in einer vernünftigen Zeit lösen, aber nicht schneller sein als im manuellen Betrieb, denn Taktgeber ist das Betonieren“, erläutert Freudiger, der mit dem Ergebnis sehr zufrieden ist. „Den Schritt zu dieser Anlage würde ich auf jeden Fall wieder machen“, unterstreicht er in seinen Ausführungen und rät Automationseinsteigern, gerade bei neuartigen Projekten genug Zeit mitzubringen, um das erforderliche Feintuning der Anlage vorzunehmen und Kinderkrankheiten zu beseitigen.

Seitens der Belegschaft sei das Projekt mit großer Offenheit begleitet worden, wohl auch, weil man sieht, dass körperlich anstrengende und monotone Aufgaben wegfallen. Stattdessen konzentrieren sich die manuellen Arbeiten nun auf Sonderprojekte, die sich nicht automatisieren lassen und es besteht die Möglichkeit, bei größeren Projekten zusätzliche Schichten zu fahren, ohne auf externe Mitarbeiter zurückgreifen zu müssen.

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