Schunk SVH: Aufbruch zur Industrie 4.0
Smarte Greifer reagieren flexibel auf ihr Umfeld: Eine umfassende Kommunikation aller beteiligten Komponenten, eine hohe Transparenz auf Anlagen-, Leittechnik- und Unternehmensebene sowie eine dynamische Reaktion auf Ereignisse sind nach Ansicht von Schunk-Geschäftsführer Dr. Markus Klaiber die Schlüsselfaktoren auf dem Weg zur Industrie 4.0. Im Rahmen des 8. Deutschen Maschinenbau-Gipfels in Berlin erläuterte er, wie Schunk als Kompetenzführer für Spanntechnik und Greifsysteme die Potenziale von Industrie 4.0 einschätzt und das Produktportfolio sowie die eigene Produktion darauf ausrichtet.
Multifunktionales Greifen
Die modular aufgebaute 24-V-Greifhand Schunk SDH-2 ist die weltweit erste Industriegreifhand mit Fingerspitzengefühl. Das multifunktionale Modul verfügt über sieben unabhängige Freiheitsgrade und kann ohne Umrüstzeiten unterschiedlichste Objekte greifen und positionieren. Mit ihren drei identischen, zweigliedrigen Fingern, von denen sich zwei an ihrer Wurzel bewegungsgekoppelt um 90° in die entgegengesetzte Richtung drehen lassen, beherrscht sie u. a. die industriellen Greifarten „Dreifinger zentrisch“, „Zweifinger parallel“ und „Zylindergriff“ sowie viele weitere Variationen. Über taktile Sensoren ist die Hand in der Lage, die an den Greifflächen entstehenden Kontaktkräfte ortsaufgelöst zu erfassen. So ist es möglich, unterschiedlichste Objekte zu identifizieren und feinfühlig handzuhaben. Da die Sensoren erkennen, ob ein Objekt optimal gehalten wird, ist es möglich, einen Griff zu korrigieren, wenn z. B. der gegriffene Teil zu rutschen beginnt. Auf das Wesentliche reduziert ist die elegante, preisleistungsoptimierte Schunk SDH-X Einfingerhand, die in Kooperation mit dem Fraunhofer IPA in Stuttgart für den Assistenzroboter Care-O-bot® 4 entwickelt wurde. Mit ihrer breiten Handfläche und dem beweglichen „Daumen“ kann sie unterstützt von taktilen Sensoren unterschiedlichste Objekte greifen.
Volatile Märkte, kurze Produktlebenszyklen, eine steigende Variantenvielfalt und ein zunehmender Preisdruck prägen die moderne Produktion. „Industrie 4.0 ist als Antwort darauf zu verstehen“, erläutert Dr. Markus Klaiber, technischer Geschäftsführer/CTO der Schunk GmbH & Co. KG. „Ziel aller Maßnahmen von Industrie 4.0 ist eine umfassende Flexibilisierung der Produktionsprozesse bei maximaler Transparenz und Wirtschaftlichkeit.“ Daraus ließen sich sehr konkrete Forderungen für die Praxis ableiten: „Industrie 4.0 muss flexible und adaptierbare Komponenten und Strukturen zur Verfügung stellen, die es ermöglichen, auch kleine Lose wirtschaftlich zu produzieren.“
Anlagen und die darin verbauten Komponenten müssten also künftig so flexibel sein, dass auf Grundlage der im Prozessverlauf gewonnenen Daten innerhalb kürzester Zeit reagiert und der Prozess entsprechend angepasst und optimiert werden kann. Für das eigene Haus geht Klaiber sogar noch weiter: „Unser Ziel ist, auf zufällige Ereignisse wie den Ausfall einer Komponente oder das Überfahren der Produktion mit einem höher priorisierten Auftrag so dynamisch zu reagieren, dass die Produktion mit nur minimaler Verzögerung fortgesetzt werden kann.“ Konkret heißt das: Das System muss das Ereignis wahrnehmen, verarbeiten und im Zusammenspiel von Leittechnik, MES oder ERP-Systemen reagieren, indem z. B. auf eine andere Linie gewechselt oder ein anderer Auftrag vorgezogen wird. Im Mittelpunkt steht also auch hier – ähnlich wie in der Großserienproduktion – die maximale Anlagennutzung.
Umfassende Kommunikation als Basis
Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg von Industrie 4.0 ist nach Ansicht von Dr. Markus Klaiber eine durchgängige Kommunikation, die weit über die seit den 1980er Jahren in automatisierten Produktionswerken etablierten Kommunikationshierarchien hinausgeht. „In der Industrie 4.0 kommuniziert alles mit allem“, betont Klaiber. Greifmodulen und anderen Aktoren sowie der darin verbauten Sensorik kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Aufgabe zu, denn letztlich bilden sie die unmittelbare Schnittstelle zum Werkstück, zum Bauteil oder zum fertigen Produkt. „Der Schunk-Greifer ist das Modul, das als erstes nach der Bearbeitung mit dem Werkstück Kontakt hat. Er wird künftig die Intelligenz besitzen, zu erkennen, ob Vorgaben wie Toleranz, Gewicht oder Dimensionen eingehalten werden.“ Auf Basis dieser Daten ist es dann möglich, den Prozess entweder planmäßig fortzusetzen, korrigierende Qualitätsregelkreise anzustoßen oder fehlerhafte Teile auszuschleusen.
Leitfaden Industrie 4.0
Um für Unternehmen den Weg zur Industrie 4.0 zu verkürzen, hat der VDMA jüngst gemeinsam mit dem Fachgebiet Datenverarbeitung in der Konstruktion (DiK) der TU Darmstadt und dem wbk Institut für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) den „Leitfaden Industrie 4.0“ erarbeitet. Dieser gibt mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauern wie Schunk ein Werkzeug an die Hand, das sie bei der Entwicklung eigener Umsetzungen und Geschäftsmodelle von Industrie 4.0 unterstützt. Der Leitfaden zeigt konkrete Vorgehensweisen, wie Unternehmen ihre individuellen Stärken und Kompetenzen weiterentwickeln können, und begleitet sie Schritt für Schritt auf dem Weg zu eigenen Konzepten und Lösungen. Bei der Entwicklung des Leitfadens haben Prof. Dr.-Ing. Reiner Anderl vom DiK und Prof. Dr.-Ing. Jürgen Fleischer vom wbk großen Wert auf dessen Praxistauglichkeit gelegt. Vier Pilotunternehmen, darunter auch Schunk, hatten den Leitfaden auf seine Praktikabilität hin geprüft und in ersten Projekten zur Generierung von Geschäftsmodellen für neue Produkte und zur Verbesserung der Produktion erfolgreich angewendet.
Anhand des VDMA-Leitfadens hat Schunk eine Arithmetik erstellt, die den Weg vom Ist-Zustand zum intelligenten Greifer für Industrie 4.0 aufzeigt. Dabei wurde berücksichtigt, dass das Anforderungsprofil von intelligenten, vernetzten Systemen in der Smart Factory ausgesprochen vielschichtig ist. Es erstreckt sich von der Wahrnehmung der aktuellen Situation über die Bewertung bis hin zur individuellen Reaktion. Heruntergebrochen auf die Welt der Schunk-Greifer ergeben sich mehrere Abstufungen: Die Einstiegsklasse bilden einfache mechatronische Greifer. Es folgen intelligente mechatronische Greifer, die zusätzlich mit Sensorik ausgestattet sind, dann cyber-physikalische System, die darüber hinaus kommunikationsfähig sind. Den Abschluss schließlich bilden smarte Greifer 4.0, sprich cyber-physikalische Systeme, die zusätzlich auch noch webfähig sind. Letztere sind in der Lage, auf Basis der gewonnenen Daten eigenständig zu reagieren, über das Internet zu kommunizieren und sogar die eigene Funktionsfähigkeit zu prognostizieren. Anwendungsfelder für smarte Greifer sind die Smart Factory, die Mensch-Roboter-Kooperation, aber auch die kontinuierliche Zustandsüberwachung (Condition Monitoring), die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), sensitive Prüfungen oder die Inline-Qualitätssicherung.
Sensorik als Dreh- und Angelpunkt
Vor allem die Sensorik wird nach Einschätzung von Dr. Klaiber in Handhabung und Montage deutlich an Bedeutung gewinnen. Schon heute bietet Schunk, abgestimmt auf den erforderlichen Funktionsumfang, ein breites Programm an Standardgreifern an: Es reicht vom PGN-plus Universalgreifer mit Näherungssensorik über den einfachen Mechatronikgreifer Schunk EGP mit Positionsregelung und Überlastkontrolle sowie den intelligenten Schunk EGL mit integrierter Kraftmessung und -regelung bis zur flexiblen Schunk SDH, die mit ihren drei Fingern zusätzlich zur integrierten Kraft- und Positionsregelung auch noch ein hohes Maß an Flexibilität bei den Greifoperationen ermöglicht.
Damit der Weg zur Industrie 4.0 gelingt, braucht es nach Ansicht von Dr. Markus Klaiber eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg. Schunk sieht seine Stärke in der Entwicklung intelligenter, vernetzbarer und flexibel einsetzbarer Greifsystemkomponenten. „Dieses Know-how werden wir aktiv in bestehende und neue Projekte zur Industrie 4.0 einbringen.“
DI (TH) Dr. Markus Klaiber
Technischer Geschäftsführer/CTO Schunk Lauffen.
„Der Schunk-Greifer ist das Modul, das als erstes nach der Bearbeitung mit dem Werkstück Kontakt hat. Er wird künftig die Intelligenz besitzen, zu erkennen, ob Vorgaben wie Toleranz, Gewicht oder Dimensionen eingehalten werden.“
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