Zweidraht-Ethernet für die Feldebene mit Endress+Hauser-Lösungen
Prozessdaten auch in gefährdeten Bereichen schnell und sicher austauschen: Produktionsanlagen sollen schnell in Betrieb zu nehmen und mit wenig Aufwand instand zu halten sein. Sie sollen mit hoher Effizienz arbeiten und agil auf Veränderungen reagieren können. Zu den Voraussetzungen für all dies gehört ein schneller, ungehinderter Zugriff auf reichhaltige Prozessdaten. In der Prozessindustrie bringt Ethernet-APL nun erstmals die Möglichkeit zur Kommunikation mit hoher Geschwindigkeit und über große Entfernungen über ein einziges 2-adriges Kabel. Der erst 2020 veröffentlichte eingeführte Standard eignet sich auch für den sicheren Betrieb in explosionsgefährdeten Bereichen. Auf Basis seines bereits recht breiten Portfolios passender Geräte ist Endress+Hauser bereits dabei, entsprechende Projekte in Österreich zu realisieren.
Ethernet-APL als neuer Kommunikationsstandard für die Prozessindustrie bringt die Möglichkeit, Anlagen durch permanenten Zugriff auf differenzierte Daten aus den Feldgeräten exakter zu fahren und so Produktqualität und Ausbeute zu erhöhen.
„Als Schlüsseltechnologie ermöglicht Ethernet-APL einen Paradigmenwechsel in der Prozessindustrie, denn das schnelle, eigensichere und einfach zu installierende Netzwerk schließt bisherige Lücken in der Automatisierungspyramide von der Cloud bis auf die Feldebene.“
Die Ziele der Prozessindustrie sind dieselben wie überall, und Gleiches gilt auch für die Wege, die dorthin verfolgt werden. Um bei steigender Produktionsmenge und zugleich sinkenden Losgrößen kürzere Stillstandszeiten eine hohe Qualität zu gewährleisten und zugleich die Ausbeute zu maximieren, setzt auch diese Branche auf die Digitalisierung.
Die hohe Datenrate bringt deutliche Erleichterungen und Zeitgewinne bei Inbetriebnahme und Instandhaltung.
Digitalisierung braucht Vernetzung
Die exaktere Überwachung und agilere Steuerung der Produktionsprozesse macht nicht nur immer mehr und bessere Sensoren und Messgeräte auf der Feldebene erforderlich. Diese müssen mit übergeordneten Steuerungs- und Leitsystemen, manchmal auch mit Auswertesystemen in der Cloud verbunden werden, um diesen die erforderlichen Informationen zu liefern. Und sie müssen bei der Inbetriebnahme neuer oder modernisierter Anlagen konfiguriert werden. Um eine reibungslose, exakte Funktion zu gewährleisten, muss ihr Zustand überwacht und müssen manche auch regelmäßig neu kalibriert werden.
Das alles ruft nach einer Vernetzung der verschiedenen Anlagenteile, die sämtliche Sensoren und Messgeräte im Feld einschließt. Eine solche verspricht nicht nur eine verbesserte Datenbasis für adaptive Produktionsstrategien analog zu den Grundsätzen von Industrie 4.0. Die Verfügbarkeit erweiterter Diagnosedaten und zusätzlicher Prozesswerte aus vernetzten Feldgeräten lässt auch auf eine Erleichterung und Beschleunigung von Inbetriebnahme und Instandhaltung hoffen. Solche Daten könnten sogar eine vorausschauende Wartung ermöglichen und damit ungeplante Ausfälle verhindern, was wiederum die Gesamtausbeute steigern würde.
Ethernet-APL bringt Datenraten bis 10 Mbit/s gemeinsam mit der Energieübertragung auf einer Zweidrahtleitung bei bis zu 1.000 m Reichweite.
Geschwindigkeit und Einfachheit
Allerdings stoßen die bisher in der Prozessindustrie verwendeten Technologien wie HART, PROFIBUS oder die 4…20 mA-Stromschleife an ihre Grenzen. Ihr Datendurchsatz ist zu gering, um die Potenziale heutiger Feldgeräte zur Datenbereitstellung voll auszuschöpfen. An vielen Systemgrenzen erforderliche Protokollkonvertierungen erhöhen die Komplexität.
Lange Zeit war in der Prozessindustrie auf der Feldebene der Umstieg auf das in vielen Bereichen etablierte Ethernet keine Option. Zwar lässt sich damit die erforderliche Übertragungsbandbreite erzielen und es gibt auch industrielle Varianten mit deterministischem Zeitverhalten. Bis vor Kurzem war jedoch der Aufwand für Ethernet-Installationen hoch, denn die Daten und die Energieversorgung für die Kommunikationstechnik vor Ort erforderten getrennte Kabel. Das änderte sich erst mit der kürzlich erfolgten Einführung von Single Pair Ethernet (SPE), das für beides mit einer Zweidrahtleitung auskommt.
Ethernet-APL ist eine neue physikalische Datentransportschicht für Ethernet, auf der sich jede standardkonforme Ethernet-Anwendung und jedes Industrial Ethernet-Protokoll implementieren lassen. Implementierungen von Profinet sind bei Endress+Hauser bereits verfügbar, weitere Industrial Ethernet Protokolle werden folgen.
Neuer Standard für den Datentransport
Diese Eigenschaften verhalfen SPE zu großer Popularität und schneller Akzeptanz in industriellen Anwendungen, allerdings in erster Linie in der disktreten Fertigung. Der Standard ist für viele Bereiche der Prozesstechnik nicht geeignet, weil er die Explosionsschutz-Kriterien nicht erfüllt.
Um diesen Mangel zu beheben, entwickelten Ingenieure aus verschiedenen Unternehmen in einem Arbeitskreis des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) den Ethernet Advanced Physical Layer, kurz APL. Bei dieser voll datenkompatiblen Erweiterung des Ethernet-Standards IEEE 802.3 handelt es sich um eine neue physikalische Schicht für den Datentransport.
Im Ethernet-EPL-Labor der BASF durchgeführte Tests zur Validierung der Technologie beweisen die Interoperabilität verschiedener Fabrikate auch im Zusammenspiel mehrerer hundert Komponenten und Geräte.
Nur ein Kabel für alle Protokolle
Vor allem für Anlagen der Prozessindustrie entwickelt, überwindet Ethernet-APL die Limitierungen bisheriger Netzwerkstandards, die deren Einsatz in diesem Bereich bisher erschwerte und oft sogar verhinderte. Der Standard ermöglicht im Full-Duplex-Modus Datenraten bis 10 Mbit/s. Dabei erfolgt der Datentransport gemeinsam mit der Energieübertragung auf einer Zweidrahtleitung. Durch die volle datentechnische Kompatibilität zum Ethernet-Standard IEEE 802.2 eignet es sich auch für den Betrieb mit Industrial Ethernet Protokollen wie z. B. PROFINET oder Ethernet-IP.
Profinet-APL ermöglicht eine konstante Überwachung der Prozessbedingungen durch kontinuierliche Diagnose, Verifizierung und Überwachung mittels Heartbeat Technology.
Große Reichweite, freie Topologiewahl
Nicht unwichtig für den Einsatz in prozesstechnischen Anlagen ist auch die Reichweite. Ethernet-APL ermöglicht das Überbrücken von Distanzen bis zu 1.000 m zwischen Switches und Steuer- oder Leitsystemrechnern sowie 200 m von den Switches zu den per Stichleitung verbundenen Feldgeräten.
Zwischen diesen herrscht weitgehende Topologiefreiheit. Stern- oder Bussysteme können ebenso aufgebaut werden wie eine Ringtopologie zur Herstellung einer Leitungsredundanz. Auch ermöglichen Ethernet-APL Netzwerke über ein FieldEdge-Device die Verbindung zu Cloud-Applikationen wie dem herstellerunabhängigen IoT-Ökosystem Netilion von Endress+Hauser. Das ermöglicht z.B. über den zweiten Kanal der Geräte ein vom Leitsystem unabhängiges Monitoring oder Asset Management.
Fit für alle Einsatzumgebungen
In vielen Prozessanlagen waren die Einsatzmöglichkeiten von Ethernet aufgrund von Sicherheitsrisiken stark eingeschränkt. Klassische Ethernet-Installationen, aber auch SPE eignen sich nicht für Anlagen, in denen explosionsgefährdete Substanzen erzeugt oder verarbeitet werden. Zu diesen gehören viel mehr als nur Chemieanlagen, die Öl- und Gasindustrie oder Wasserstoffproduktionsstätten.
Der 2-WISE-Standard (Two Wire Intrinsically Safe Ethernet) zum Ethernet-APL-Standard IEEE 802.3cg schreibt Grenzen der Gesamtenergie vor, die an den Daten- und Energieübertragungsschnittstellen auftreten darf. Das verhindert trotz der großen Distanzen zuverlässig das Entstehen einer Zündquelle und ermöglicht die vollständige Ethernet- und TCP/IP-Konnektivität in gefährlichen Umgebungen. Deshalb sind Geräte mit Ethernet-APL inhärent eigensicher und benötigen keinen Einzelnachweis für die Ex-tauglichkeit. Das war auch ein wesentliches Kriterium für das erste Projekt, das Endress+Hauser in Österreich mit Ethernet-APL Geräten ausstattet. Dabei handelt es sich übrigens um eine Anlage für die Lackproduktion.
Breites Produktspektrum
Endress+Hauser hat 2023 begonnen, seine Messtechniklösungen sukzessive umfassend auf die innovative Ethernet-APL-Technologie auszurichten. Bereits jetzt ist eine repräsentative Anzahl an Geräten für eine breite Palette von Messparametern mit Profinet-APL erhältlich. Als Profinet APL Variante verfügbar sind etwa die die Durchflussmessgeräte Promag und Promass mit den Geräteelektroniken Proline 300/500 und das Vortex-Durchflussmessgerät Prowirl 200. Im Bereich der Füllstandsmessung unterstützen die neuesten 80 GHz Radarsensoren der Micropilot-Serie Ethernet-APL, bei der Druckmessung sind es die High-End-Transmitter Cerabar und Deltabar, für die Temperaturmessung der innovative Kopftransmitter iTEMP TMT86. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Digitalisierungsservices für Ethernet-APL an.
Volle Interoperabilität
Der Markteinführung gingen umfangreiche Tests zur Validierung der Technologie voraus. Diese wurden im Ethernet-APL-Labor der BASF durchgeführt. Sie haben sowohl die Marktreife der Technologie bewiesen als auch die Interoperabilität verschiedener Fabrikate auch im Zusammenspiel mehrerer hundert Komponenten und Geräte. Ethernet-APL im Allgemeinen und Geräte von Endress+Hauser im Besonderen erfüllten dabei alle Anforderungen, einschließlich Netzlast, Skalierbarkeit, Fehlertoleranz und Redundanz-Umschaltzeiten, und übertrafen diese in einigen Bereichen sogar.
Schnellere Inbetriebnahme, einfachere Wartung
Ethernet-APL bringt nicht nur die Möglichkeit, durch den permanenten Zugriff auf hochauflösende Prozessdaten aus allen Bereichen der Prozesskette die Produktqualität zu optimieren und zugleich die Produktion effizienter zu gestalten. Die der gegenüber bisherigen Schnittstellen und Bussystemen um Größenordnungen höheren Datenrate von 10 Mbit/s beschleunigt enorm die Parametrierung und damit Inbetriebnahme. Dazu trägt auch die einfache Direktverdrahtung zwischen Feldkomponenten und den Switches bei.
Gleiches gilt für die Instandhaltung. Nicht nur können ausgetauschte Geräte bei Verwendung von Profinet durch wesentlich schnelleres, automatisches Nachladen der Parameter ohne Stillstand wieder in Betrieb gehen. Mit Ethernet-APL können Instandhalter von der Leitwarte aus über den integrierten Webserver bei entsprechender Berechtigung bis hinunter in das einzelne Feldgerät schauen, Daten abrufen und Probleme lösen. Darüber hinaus erleichtern die Daten aus den Endress+Hauser-Geräten mit Heartbeat-Technologie die zustandsorientierte, vorausschauende Wartung mit besser steuerbaren Wartungsintervallen.
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