anwenderreportage

PLCnext Technology regelt schwimmende nezzy-Anlage

Um dem Klimawandel zu begegnen, sind Ingenieure auf der Suche nach alternativen Energiegewinnungsmöglichkeiten. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Weiterentwicklung von Windenergieanlagen mit dem Ziel, neue Standorte zu erschließen. Die Aerodyn Engineering GmbH hat mit nezzy² ein Konzept für Offshore-Standorte erarbeitet, deren Wassertiefe sich nicht für normale Fundamente eignet. Diese neuen Anlagenkonzepte erforderten neue Wege bei der Automatisierung, die steuerungstechnisch Phoenix Contact hochprofessionell löste.

Während die äußeren Schwimmer für das Gleichgewicht verantwortlich sind, stehen auf dem Y-Schwimmfundament die zwei Türme für die Windenergieanlagen.

Während die äußeren Schwimmer für das Gleichgewicht verantwortlich sind, stehen auf dem Y-Schwimmfundament die zwei Türme für die Windenergieanlagen.

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Anforderung: Parallele Regelung zweier Windenergieanlagen (WEA) im Offshore-Bereich.

Lösung: Einsatz eines Profinet-Netzwerkes und in der Messstation verbaute Profinet-Controller sowie Profinet-Devices. Steuerung AXC F 2152 aus dem offenen Ecosystem PLCnext Technology von Phoenix Contact.

Nutzen: Bis zu acht Profinet-Devices können in das Netzwerk eingebunden werden. Für einen optimalen Betrieb der WEA können beiden Turbinen synchron geregelt und überwacht werden.

Sönke Siegfriedsen beschäftigt sich seit Anfang der 1980er Jahre mit der Entwicklung von Turbinen und verfügt über profunde Fachkenntnisse in diesem Gebiet. Gemeinsam mit Kunden konzipiert er innovative Windenergieanlagen (WEA), die zur Marktreife gebracht werden. Die in Büdelsdorf nahe Rendsburg (Deutschland) ansässige Aerodyn Engineering GmbH wurde 1997 gegründet, damit alle Patente des Physikers und jetzigen Geschäftsführers Sönke Siegfriedsen kommerzialisiert werden können. Eines dieser Projekte ist nezzy², eine auf einem schwimmenden Fundament installierte WEA.

An dem Konzept arbeitet Aerodyn Engineering bereits seit 2014, denn zur Realisierung sind neben einer umfangreichen Forschung und neuen Berechnungsmethoden auch vielfältige Tests notwendig. Dazu wurden Modelle im Maßstab 1:200, 1:36 und 1:10 konstruiert. Das 1:10-Modell nezzy², das zweimal 7,5 MW Energie erzeugen kann, wurde 2020 gemeinsam mit dem Partner EnBW (Energie Baden-Württemberg) zuerst in einem See und schließlich im offenen Meer in Norddeutschland erprobt.

Ein Techniker kontrolliert die Steuerungstechnik in einer der Bojen.

Ein Techniker kontrolliert die Steuerungstechnik in einer der Bojen.

Sönke Siegfriedsen
Geschäftsführer der Aerodyn Engineering GmbH

„Die PLCnext Technology erlaubt eine schnelle Anwendungsentwicklung, denn mehrere Mitarbeiter können gleichzeitig und unabhängig voneinander in verschiedenen Programmiersprachen am Projekt nezzy² arbeiten. “

Einfachere Bewertung der Seetauglichkeit

Um die Effizienz des Gesamtsystems weiter zu erhöhen, bringt aerodyn engineering gleich zwei gegeneinander abgespannte Windenergieanlagen auf der Plattform an. Bei nezzy² befinden sich auf dem Seeboden Betongewichte, die das Zentrum der WEA – eine halbtauchende Struktur – am Ende des Luvarms mit sechs Ankerketten an Ort und Stelle halten. Diese Struktur bildet das schwimmende Fundament der Windenergieanlage. Hergestellt wird sie aus vorgespannten Betonfertigteilen, die zusammen ein liegendes Ypsilon ergeben. Das schwimmende Fundament richtet sich automatisch durch die Windströmung aus. Anders als bei Onshore-WEA drehen bei nezzy² nicht die einzelnen Gondeln, sondern die gesamte über dem Wasser befindliche Anlage um ein im Luvarm eingebautes Mooring-Lager.

Auf dem Fundament stehen die beiden Türme, die schräg aufgestellt und durch Abspannseile miteinander sowie mit dem Fundament verbunden sind. Momentan drehen dreiflügelige Rotoren, während die alternativ entwickelten Zweiflügler noch auf ihre Erprobung warten. Komplettiert wird die Anlage durch große gelbe Schwimmer, die für die stabile Schwimmlage der Gesamtstruktur an der Wasseroberfläche sorgen. Nachdem der Prototyp seine Praxistauglichkeit hinlänglich bewiesen hat, baut aerodyn engineering aktuell in China die erste Anlage in der finalen Größe.

Nur weil die Test-WEA in Norddeutschland um den Faktor 10 kleiner ist, heißt das nicht, dass sie eine geringere Komplexität aufweist. Die kleine nezzy² entspricht in puncto Leistung und Funktionsumfang der 1:1-Version. Ihre geringere Baugröße bietet lediglich den Vorteil, dass sich die Seetauglichkeit der Windenergieanlage einfacher bewerten lässt.

Die PLCnext-Steuerung AXC F 2152 lässt sich flexibel um die jeweils benötigten Standard- und Funktionsmodule erweitern.

Die PLCnext-Steuerung AXC F 2152 lässt sich flexibel um die jeweils benötigten Standard- und Funktionsmodule erweitern.

Synchrone Regelung der Turbinen

Neue Anlagenkonzepte erfordern ebenfalls neue Wege bei der Automatisierung. Die besondere Herausforderung beim nezzy²-Konzept liegt im synchronen Betrieb von zwei WEA und der parallelen Regelung. In der Applikation im Maßstab 1:10 setzt sich das Profinet-Netzwerk aus einem in der Messstation verbauten Profinet-Controller sowie zwei jeweils in der Pitchbox und im Umrichter installierten Profinet-Devices zusammen. Steuerungstechnisch hat sich Siegfriedsen hier für den AXC F 2152 aus dem offenen Ecosystem PLCnext Technology von Phoenix Contact entschieden. Der AXC F 2152, der sich sowohl als Profinet-Controller wie auch als -Device parametrieren lässt, wird im nezzy²-Projekt in dieser Form genutzt. So können bis zu acht Profinet-Devices in das Netzwerk eingebunden werden.

Für einen optimalen Betrieb der Windenergieanlage sind die beiden Turbinen synchron zu regeln und zu überwachen. Aus diesem Grund haben sich die Experten von aerodyn engineering und Phoenix Contact für den Aufbau zwei komplett identischer Systeme ausgesprochen, die in der Parametrierung ebenfalls stets völlig synchron laufen. Somit verfügt jede der beiden Turbinen über ein eigenes Automatisierungssystem mit der entsprechenden Performance. Aufgrund einer speziell entwickelten Web-Visualisierung lassen sich die WEA für den Anwender als ein Kraftwerk darstellen. nezzy² besteht also aus zwei autark arbeitenden Windenergieanlagen, die als ein System betrachtet werden können.

In der Steuerungszentrale werden die 180 Sensoren erfasst, überwacht und das Verhalten der Anlage optimiert.

In der Steuerungszentrale werden die 180 Sensoren erfasst, überwacht und das Verhalten der Anlage optimiert.

Infos zum Anwender

Die 1997 gegründete Aerodyn Engineering GmbH ist Entwickler und Hersteller von Windkraftanlagen. Geschäftsführer Sönke Siegfriedsen beschäftigt sich seit Anfang der 1980er Jahre mit der Entwicklung von Turbinen. Gemeinsam mit Kunden konzipiert er innovative Windenergieanlagen (WEA), die zur Marktreife gebracht werden. Das Unternehmen sitzt in Büdelsdorf nahe Rendsburg (Deutschland).

Engmaschige Fernüberwachung

Damit sich das komplexe System auch aus der Ferne regeln lässt, ist nezzy² mit einem Datensammler ausgestattet worden. Die rund 400 Datenpunkte der WEA werden im Abstand von jeweils zehn Millisekunden abgefragt und synchron verarbeitet. Um diese Datenmenge auffangen und ausführen zu können, kommt eine weitere Steuerung AXC F 2152 zum Einsatz. Der Controller stellt darüber hinaus die Kommunikation zur Security Appliance FL mGuard sicher, welche die Daten anschließend an die Fernüberwachung weiterleitet. Bei den mGuard-Geräten handelt es sich um robuste Security-Komponenten, die Firewall-, Routing- und VPN-Funktionen zum Schutz vor Cyber-Attacken und ungewollten Störungen umfassen. Durch das engmaschige Remote Monitoring lässt sich die WEA bestens kontrollieren und die Parametrierung im Bedarfsfall optimieren.

Die hohe Anzahl an Datenpunkten ergibt sich aus der Tatsache, dass gleich zwei WEA parallel zu überwachen sind. Die besondere Abspann-Konstruktion macht eine Kontrolle in kurzen Abständen ebenfalls notwendig. Zur ständigen Überprüfung der Lasten an den Abspannseilen sowie dem Fundament sind in der nezzy²-Anlage zahlreiche Sensoren verbaut. Auch die hier anfallenden Daten werden vom Datensammler erfasst und zur Überwachung an das Remote Control Center übertragen.

Neue Anlagengrößen erfordern auch neue Automatisierungskonzepte, dies ist auch beim Projekt nezzy2 der Fall.

Neue Anlagengrößen erfordern auch neue Automatisierungskonzepte, dies ist auch beim Projekt nezzy2 der Fall.

Schnelle Anpassung an neue Anforderungen

Wie bereits erwähnt, verwendet Aerodyn Engineering zur Hauptsteuerung ebenso wie für den Pitch und den Datensammler den Controller aus dem Ecosystem PLCnext Technology. Die Geräte kombinieren die Sicherheit und Zuverlässigkeit der klassischen SPS-Welt mit der Offenheit und Flexibilität intelligenter Komponenten. Daher ist es möglich, Automatisierungsprojekte ohne die Einschränkungen proprietärer Systeme zu implementieren. Die PLCnext Controller bieten die SPS-typische Echtzeitleistung und Datenkonsistenz auch für Hochsprachen und modellbasierten Code.

Siegfriedsen hat ferner überzeugt, dass sich Open-Source-Software, Apps und zukünftige Technologien einfach in die Steuerungen integrieren lassen. „Wir können die vorhandenen SPSen also schnell an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und brauchen in dieser schnelllebigen Welt nicht ständig neue Geräte anzuschaffen“, so der WEA-Pionier. „Interessant ist ebenfalls die direkte Cloud-Verbindung des AXC F 2152, sodass Daten nicht mehr on the edge gespeichert und analysiert werden müssen.“

Schnelle Anwendungsentwicklung

Zudem erlaubt die PLCnext Technology eine schnelle Anwendungsentwicklung, denn mehrere Mitarbeiter können gleichzeitig und unabhängig voneinander in verschiedenen Programmiersprachen am Projekt arbeiten. Aufgrund ihrer besonderen Architektur lassen sich die PLCnext-Steuerungen darüber hinaus um Safety-Komponenten erweitern, weshalb ein sicherheitsgerichteter Betrieb machbar ist. Im nezzy²-Projekt bedeutet das, dass die gesamte Sicherheitskette über die steuerungs- und netzwerkunabhängige SafetyBridge Technology in das Steuerungssystem eingebunden wird. Eine zusätzliche Sicherheitssteuerung ist nicht erforderlich.

Bei der Realisierung des nezzy²-Projekts war das Entwicklungsteam mit vielen Herausforderungen konfrontiert, die auch mit Hilfe des offenen Ecosystems PLCnext Technology erfolgreich gelöst worden sind. Die schwimmende WEA hat ihre Praxistauglichkeit bewiesen und kann nun in die Serienreife überführt werden. Hat sich der Prototyp in Originalgröße bewährt, wird die innovative WEA in Zukunft neben den klassischen Offshore-Turbinen auf dem Meer zu finden sein. Wegen des schwimmenden Fundaments ergeben sich hier zahlreiche neue Standorte, die aufgrund der Wassertiefe bislang nicht für die Windenergie in Frage kamen.

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