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Nahtlos integriert: Das Auge der Automation

B&R stellt zur SPS IPC Drives 2017 eine eigene Vision-Lösung vor. Ihre nahtlose Integration in B&R-Automatisierungssysteme eliminiert Schnittstellen und mögliche Fehlerquellen, senkt den Integrationsaufwand und ermöglicht extrem kurze Reaktionszeiten. Damit können Maschinen- und Anlagenbauer leichter Systeme schaffen, die durch flexibles Reagieren die Anforderungen von Industrie 4.0 besser erfüllen. Im Interview erläutert Anton Meindl, Business Manager Controls bei B&R, die Beweggründe und Ziele dieser Innovation. Von Ing. Peter Kemptner, x-technik

Anton Meindl, Business Manager Controls bei B&R:

„Wir glauben, dass die Fähigkeit, Bildinformationen intelligent auszuwerten, die Zukunft der Automatisierung mitbestimmen wird.“

Anton Meindl, Business Manager Controls bei B&R: „Wir glauben, dass die Fähigkeit, Bildinformationen intelligent auszuwerten, die Zukunft der Automatisierung mitbestimmen wird.“

Barcode-Lesegeräte für industrielle Anwendungen, Vision-Sensoren und Systeme zur digitalen Bildverarbeitung sind an sich nichts Neues. Zahlreiche Hersteller bieten in diesem Segment eine breite Palette an Komponenten, Geräten und Systemen an. Die Miniaturisierung vor allem der Halbleiter hat dazu geführt, dass Vision-Systeme in immer mehr Teilbereiche der industriellen Automatisierung vordringen.

B&R stellt zur SPS IPC Drives eine Familie von Vision-Geräten zur nahtlosen Integration in Automatisierungsprojekte vor.

B&R stellt zur SPS IPC Drives eine Familie von Vision-Geräten zur nahtlosen Integration in Automatisierungsprojekte vor.

Herr Meindl, was motiviert B&R, mit Machine Vision einen bereits besetzten Markt zu betreten?

Machine Vision ist längst nichts Exotisches mehr, die digitale Bildaufnahme und -verarbeitung ist immer öfter selbstverständlicher Bestandteil vieler Maschinen. Wir glauben, dass die Fähigkeit, Bildinformationen für die Entscheidungsfindung in lernenden Maschinen auszuwerten, die Zukunft der Automatisierung mitbestimmen wird. Wenn das ausreichend einfach zu integrieren und kostengünstig ist, können Maschinenentwickler damit Anwendungen realisieren, vor denen sie wegen des Aufwandes heute noch zurückschrecken. Wir möchten ihnen diese Aufgabe erleichtern.

Wie alle Automatisierungsaufgaben – Steuerung, Antrieb, Kommunikation oder Visualisierung – ist auch die Vision-Lösung in die Entwicklungs- und Laufzeitumgebung Automation Studio integriert. Das spart Integrationszeit und Wartungskosten.

Wie alle Automatisierungsaufgaben – Steuerung, Antrieb, Kommunikation oder Visualisierung – ist auch die Vision-Lösung in die Entwicklungs- und Laufzeitumgebung Automation Studio integriert. Das spart Integrationszeit und Wartungskosten.

Es gibt bereits zahlreiche gute Kamera- und Bildverarbeitungssysteme. Wozu auf diesem Gebiet etwas Neues entwickeln?

Alle bisherigen Lösungen sind externe Komponenten oder Systeme. Die Software dafür muss mit eigenen Werkzeugen entwickelt werden, sie benötigen meist individuell programmierte Schnittstellen oder sind sogar hart verdrahtet. Selbst bei Feldbusintegrierten Lösungen fehlt häufig eine vollständige Eingliederung der Daten. In der Regel bringt die zu geringe Integrationstiefe operative Beschränkungen. Unsere Vision ist, die bisher streng getrennten Welten zusammenzubringen, ähnlich wie wir es vor 20 Jahren mit der Antriebstechnik getan haben. Das wird unter anderem bessere Voraussetzungen für die Entwicklung selbstoptimierender Systeme im Sinne von I4.0 schaffen.

Zum Programmieren der integrierten Vision-Lösung innerhalb eines Gesamtprojektes stehen komfortable mapp-Komponenten zur Verfügung.

Zum Programmieren der integrierten Vision-Lösung innerhalb eines Gesamtprojektes stehen komfortable mapp-Komponenten zur Verfügung.

Was ist neu und anders an B&R-Systemen für die Machine Vision?

Neu ist vor allem der hohe Integrationsgrad der Vision-Technologie in die Gesamtautomatisierung. Die direkte Anbindung der Hardwarekomponenten ermöglicht eine Synchronisation in harter Echtzeit, wir sprechen von weniger als einer Mikrosekunde. Entwicklung und Test der Software erfolgen innerhalb der gewohnten Umgebung von Automation Studio als integraler Teil des Gesamtprojektes. Vorgefertigte Softwarebausteine reduzieren den Aufwand für Programmierung und Installation. Und selbstverständlich wird auch eine virtuelle Inbetriebnahme möglich sein.

Vision-Produkte wird es von B&R in unterschiedlichen Varianten geben. Kunden können zukünftig zwischen unterschiedlichen Optiken, Sensoren und Beleuchtungen wählen.

Vision-Produkte wird es von B&R in unterschiedlichen Varianten geben. Kunden können zukünftig zwischen unterschiedlichen Optiken, Sensoren und Beleuchtungen wählen.

Zunächst zur Hardware: Welche Vision-Produkte wird es von B&R geben?

Die neuen Vision-Geräte von B&R werden alle Bildverarbeitungsfunktionen in einem Gerät vereinen, Kamera, Licht und Bildverarbeitung. Wie unsere Automation PCs und X20-Module werden die Geräte auftragsspezifisch komplettiert, um optimal auf die jeweilige Anwendung abgestimmt zu sein. Sie haben ein einheitliches Basisdesign, Sensorauflösung und Rechenleistung – sind jedoch hochgradig skalierbar, und es wird auch eine Auswahl an Optiken geben. Ebenso wichtig ist gerade im Inneren von Maschinen smartes Licht. In der Kamera integriert, aber auch als separates Zubehör wird es daher ebenso integraler Bestandteil des Systems sein.

Wie werden die Vision-Produkte von B&R hardwareseitig angebunden?

Sämtliche Hardwarekomponenten sind mit einem POWERLINK-Anschluss ausgestattet. Über das Protokoll dieses Echtzeit-Netzwerks erfolgt neben der hochpräzisen Synchronisierung mit Steuerung und Antriebstechnik auch der Informationstransfer für die Visualisierung. Das Triggern der Aufnahmen erfolgt direkt aus der Steuerungs- oder Antriebsapplikation heraus und gestattet die µs-genaue Steuerung von Licht und Kamera.

Was bringt das den Anwendern?

Da die Maschine z. B. bei der Qualitätskontrolle nach einem Druckvorgang nicht für die Aufnahme abgebremst werden muss, kann die Produktivität extrem hoch gehalten werden. Bisherige Systeme brauchen oft Verdrahtung, extra Sensorik und weiteren zusätzlichen Aufwand, um das zu erreichen. Das B&R-Vision-System lässt sich sehr einfach synchron mit dem gesamten Automatisierungssystem steuern, sodass auch Geschwindigkeitsänderungen einfach zu beherrschen sind.

Wie erfolgt die Einbindung softwareseitig?

Einer der wesentlichen Vorteile von B&R Machine Vision ist die Programmierung ohne separate Tools oder Engineering-Werkzeuge. Sie wird wie alle anderen Teile der Maschinen- und Anlagenautomatisierung in Automation Studio entwickelt, getreu unserer Devise „One Tool, many Targets“. Kamera und Licht sind darin genauso integraler Bestandteil wie I/Os, Servoachsen oder Safety. Parametrierung und Programmierung von Kamera- und Beleuchtungseinstellungen sowie Bildverarbeitungsroutinen sind dadurch Teil desselben Automatisierungsprojekts.

Welche Vorteile bringt diese Softwareintegration?

Allein, dass sämtliche Konfigurationsinformationen, Daten, Variablen, Parameter, etc. in einem einzigen System vorhanden sind, trägt zur Vermeidung zahlreicher Probleme bei. So ist bei einem servicebedingten Kameratausch keine umständliche Neukonfiguration erforderlich. Dass sich Entwickler nicht um Schnittstellen zu den Empfängern der gelieferten Informationen kümmern müssen, reduziert den Aufwand für Integration und Test und vereinfacht den Umgang mit Bildverarbeitung erheblich. Parameteränderungen für Kamera und Licht oder das Umschalten von Triggerbedingungen können in Echtzeit durchgeführt werden. So können die Vision-Systeme von B&R auch bei häufigen Produktwechseln und sinkenden Losgrößen schnell und einfach Bildinformationen liefern, die lernende Maschinen als Basis zur Entscheidungsfindung benötigen.

Wie können sich das unsere Leser konkret vorstellen?

Für unser Vision-System wird es eine mapp-Komponente mit umfangreichen Funktionen geben, z. B. für die Blob-Erkennung, etwa um Lunker in Gussteilen festzustellen. Sie ermöglichen die Erstellung von Applikationen ohne großen Programmieraufwand. In Automation Studio lassen sich alle Aktionen per grafischer Konfiguration festlegen. So können Steuerungsprogrammierer Vision-Aufgaben überwiegend selbst erledigen und müssen Vision-Experten nur hinzuziehen, wenn z. B. schwierige Lichtverhältnisse spezielles Know-how erfordern.

Was lässt sich auf diese Weise erreichen?

Durch die einfachere Implementierung und die Echtzeitfähigkeit erwarten wir ein rasantes Wachstum bei Vision-Anwendungen. Die preiswerten Geräte lassen sich im Maschinenbau zusätzlich zum Identifizieren von Codes und Aufschriften oder für die Qualitätskontrolle für zahlreiche andere Zwecke einsetzen, z. B. um einen Reinigungsdurchgang einzulegen, wenn Verschmutzungen festgestellt werden. Die integrale Entwicklung erleichtert die Gestaltung von Gesamtsystemen, die automatisch auf Bildinformationen reagieren.

Was verbessert sich sonst noch gegenüber gängigen Vision-Systemen?

Nicht nur die Maschinen, auch die Anwender sollen besser sehen. Da die mapp-Komponenten untereinander vernetzt sind, reichen wenige Klicks, um z. B. Bilder des Vision-Systems in eine mapp-View-Visualisierung zu integrieren. Die Anzeige der Bilder und der Bildverarbeitungsergebnisse kann erhebliche Vorteile für das Bedienen und Beobachten bringen, und das nicht nur an der Maschine innerhalb der gewohnten Bildschirmmasken. Durch ausreichend schnelle Übertragung über Powerlink und weiter in das Unternehmens-Netzwerk, bringt die Webvisualisierung die Bilder auch in die Büros.

Macht B&R das System tatsächlich selbst oder ist es zugekauft?

Wir hatten ursprünglich auch eine Partnerschaft mit einem der namhaften Anbieter von Vision-Systemen nicht ausgeschlossen. Analog zur Integration der Antriebstechnik mit ACOPOS vor 20 Jahren erkannten wir jedoch die Notwendigkeit, das Knowhow in ausreichender Tiefe ins Haus zu bekommen. Auch wenn wir die Technologie gemeinsam mit Experten entwickelt haben und vor allem in der Software hunderte Mannjahre Entwicklungsarbeit unserer Partner stecken, handelt es sich daher um ein eigenes System. Selbstverständlich wird die Einbindung und Verwendung von Vision-Fremdprodukten weiterhin möglich sein.

Wann werden die Produkte der Vision-Systeme von B&R tatsächlich verfügbar sein?

Die Pilotkundenphase hat bereits begonnen und wird bis in das zweite Halbjahr 2018 laufen. Bis zur Hannover Messe werden auch die kaufmännischen Festlegungen getroffen sein. Die Verfügbarkeit wird sich an die Pilotkundenphase anschließen. Sicherheitsgerichtete Ausführungen oder Fähigkeiten zur 3D-Bildauswertung haben wir derzeit noch nicht im Fokus, sie sind aber ein logischer nächster Schritt.

Herr Meindl, besten Dank für die ausführlichen Informationen!

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