Machine Vision: Ohne Licht kein Bild

Immer mehr Maschinen und Anlagen werden mit Vision-Kameras ausgestattet, um Prozesse zu regeln, Produkte zu sortieren oder deren Qualität zu überprüfen. Eines wird dabei häufig übersehen: Neben der Kamera kommt auch der Beleuchtung eine Schlüsselrolle zu. Sie bestimmt, wie das abzubildende Objekt wahrgenommen wird.

Bei der Vision-Lösung von B&R sind Maschinensteuerung, Kamera, Blitzcontroller und Licht Bestandteil des gleichen Systems. Die Lichtansteuerung wird im Sub-µs-Bereich mit dem Automatisierungssystem synchronisiert.

Bei der Vision-Lösung von B&R sind Maschinensteuerung, Kamera, Blitzcontroller und Licht Bestandteil des gleichen Systems. Die Lichtansteuerung wird im Sub-µs-Bereich mit dem Automatisierungssystem synchronisiert.

Interview mit Produktmanager Andreas Waldl

(h3)Herr Waldl, wie reagieren Ihre Kunden, wenn Sie Ihnen das Vision-System von B&R präsentieren?

Die erste Reaktion würde ich als verhaltene Neugier beschreiben. Die Kunden sehen einen Vorteil darin, dass sie ein System weniger in ihrer Applikation haben. Schließlich kommen Steuerungstechnik, Antriebstechnik, Safety und Vision dann aus einer Hand. Das erspart ihnen Arbeit und Ressourcen.

(h3)Das klingt doch nach handfesten Vorteilen, wieso sprechen Sie dann von verhaltener Neugier?

Weil die Kunden nur in den gewohnten Bahnen denken. Häufig wollen sie gleich ganz konkret über die Hardwarekomponenten und deren technische Daten reden – dann bremse ich immer und lasse mir erstmal Anwendungsfälle schildern. Wenn ich ihnen dann erkläre, wie sie unsere Vision-Lösung in diesem Fall einsetzen können, blicke ich oft in ungläubige Gesichter.

(h3)Wieso das?

Was wir tun, ist in der Welt der industriellen Bildverarbeitung völlig neu. Viele Leute können sich im ersten Moment gar nicht vorstellen, was mit einer vollständig integrierten Vision-Lösung möglich ist. Erst im Laufe des Gesprächs wird vielen klar, welch bedeutender Schritt das ist.

(h3)Was macht die Vision-Lösung von B&R zu „etwas Besonderem“?

Durch die vollständige Integration sind wir extrem synchron. Wir können Licht und Kameraeinzug im Sub-Mikrosekundenbereich synchronisieren. Licht, Kamera, Antriebe, Steuerung – alles hängt in einem Netzwerk und wird aus derselben Applikation heraus gesteuert. Das bedeutet natürlich auch, dass synchronisierte Regelschleifen möglich und umfangreiche Diagnosedaten jederzeit in Echtzeit verfügbar sind. Wir sind durch die Integration sogar so schnell, dass unsere Standard-Hardware in vielen Anwendungen hochspezialisierte High-Speed-Kameras ersetzen kann.

(h3)Man könnte also sagen, dass B&R High-Speed-Kameras anbietet?

Wir haben keine High-Speed-Kamera – und für die wenigsten Anwendungen brauchen unsere Kunden solche Spezialkameras. Das Geheimnis liegt ausschließlich in der Integration. Unser System ist hochsynchron und unsere LEDs weisen eine hohe Intensität auf. So können wir mit kurzen Blitzimpulsen auch extrem schnelle Bewegungen zu einem ganz exakten Zeitpunkt einfrieren, scharf abbilden und mit hochwertigen Algorithmen auch gleich auswerten. Es spielt keine Rolle, ob die kamerainternen LEDs oder externe Beleuchtungskomponenten eingesetzt werden.

(h3)Bitte nennen Sie uns ein Beispiel, wo eine B&R-Kamera für High-Speed-Applikationen eingesetzt wird?

Die extrem kurzen Belichtungszeiten führen so weit, dass ein B&R-Kunde aus der Lebensmittelbranche in der Entwicklung nun seine sündhaft teuren Highspeedkameras ausmustert und auf unsere Vision-Lösung setzen wird; zu einem Bruchteil der Kosten. Dieser Anwendungsfall entstand übrigens auch aus einem der bereits erwähnten Gespräche. Der Kunde war erst etwas skeptisch. Dann wurde ihm klar, dass er die bisherigen Beschränkungen von Vision-Systemen außer Acht lassen kann. Er kann sich einfach darauf konzentrieren, einen optimalen Maschinenprozess zu entwickeln. Durch die Integration in das Automatisierungssystem sind Vision-Systeme nun kein Hemmnis mehr, sondern eröffnen Möglichkeiten bei der Entwicklung von Maschinen, die bisher undenkbar waren.

„Die Beleuchtung ist eine kritische Komponente von Machine-Vision-Systemen“, verdeutlicht Andreas Waldl, Vision-Experte bei B&R. Neben Faktoren wie Lichtintensität, Abstrahlrichtung und Wellenlänge spielt eine hochpräzise und intelligente Licht-Steuerung eine entscheidende Rolle.

In der Realität bleibe eine exakte Synchronisierung aber oftmals auf der Strecke. „Vision-Sensoren, Leuchten, Blitzcontroller und Maschinensteuerung stammen sehr häufig von unterschiedlichen Herstellern. Da ein gemeinsames Kommunikationsprotokoll fehlt, erfolgt der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Geräten über digitale Ein- und Ausgänge“, erklärt Waldl. Dadurch entstehen jedoch zeitliche Verzögerungen und Ungenauigkeiten. So ist es zum Beispiel nicht möglich, dass Kamera und Blitz auf die Mikrosekunde genau zur gleichen Zeit blitzen und belichten. „Also bleibt dem Ersteller der Applikation nichts anderes übrig, als die Blitzdauer zu verlängern. So kann er gewährleisten, dass während der Belichtungszeit geblitzt wird“, sagt Waldl. Der gravierende Nachteil: Die Lebensdauer der LEDs sinkt beträchtlich.

Um das zu verhindern, kann der Applikationsprogrammierer die Blitzintensität reduzieren, wodurch er jedoch die Belichtungszeit verlängern muss. Bei High-Speed-Applikationen werden die Bilder dann schnell unscharf. Alternativ verstärkt der Programmierer das Sensorsignal. „Das allerdings hat zwei Konsequenzen: Das Bildrauschen steigt und die Qualität des aufgenommenen Bildes sinkt“, beschreibt Waldl. „Ein Teufelskreis“, wie er es ausdrückt.

Das komplette Beleuchtungsportfolio von B&R ermöglicht bis zu vier Lichtfarben pro Leuchte. Speziell entwickelte Linsen sorgen für eine homogene Ausleuchtung.

Das komplette Beleuchtungsportfolio von B&R ermöglicht bis zu vier Lichtfarben pro Leuchte. Speziell entwickelte Linsen sorgen für eine homogene Ausleuchtung.

Exakte Synchronisierung

Bei der Vision-Lösung von B&R sind Maschinensteuerung, Kamera, Blitzcontroller und Licht Bestandteil des gleichen Systems. Diese Integration bietet entscheidende Vorteile: Die Lichtansteuerung wird im Sub-µs-Bereich mit dem Automatisierungssystem synchronisiert und der Lichtimpuls kann extrem kurz gehalten werden. Dadurch erhöht sich die Lebensdauer der LEDs und auch bei High-Speed-Applikationen werden die Bilder gestochen scharf. Zudem ist die Ausleuchtung sehr homogen und jederzeit reproduzierbar. Die Qualität der Vision-Applikation steigt.

Kamera und Beleuchtung sind vollständig in das Maschinennetzwerk integriert.

Kamera und Beleuchtung sind vollständig in das Maschinennetzwerk integriert.

Hohe Lichtintensität

„Durch die extrem kurze Blitzdauer können wir die LEDs problemlos mit bis zu 300 % des Nennstroms betreiben“, erklärt Waldl. Damit erreicht B&R eine Lichtintensität, die mit herkömmlichem Dauerlicht nicht realisierbar ist. Das ermöglicht sehr kurze Belichtungszeiten, senkt das Rauschen und eliminiert zugleich nahezu jeglichen Einfluss von Fremdlicht.

„Maschinen stehen in Produktionshallen, in denen oft schwierige und tageszeitlich wechselnde Lichtverhältnisse herrschen, daher ist Fremdlicht eine häufige Quelle für Störungen“, sagt Waldl. Die Qualität von Mess- und Prüfergebnissen lässt sich wesentlich steigern, wenn der Einfluss des Fremdlichts ausgeschaltet wird. Das kann der Maschinenbauer mit aufwendigen und platzraubenden Einhausungen erreichen – oder durch Lichtblitze mit hoher Intensität.

Die kamerainternen LEDs der B&R-Vision-Lösung leuchten eine Fläche homogen aus (rechts). Bei anderen kamerainternen Beleuchtungslösungen ist ein deutlicher Randabfall erkennbar (links). Zudem muss aufgrund der niedrigeren Lichtintensität das Sensorsignal verstärkt werden, wodurch das Bildrauschen steigt (erkennbar an den zahlreichen Spitzen im Signal).

Die kamerainternen LEDs der B&R-Vision-Lösung leuchten eine Fläche homogen aus (rechts). Bei anderen kamerainternen Beleuchtungslösungen ist ein deutlicher Randabfall erkennbar (links). Zudem muss aufgrund der niedrigeren Lichtintensität das Sensorsignal verstärkt werden, wodurch das Bildrauschen steigt (erkennbar an den zahlreichen Spitzen im Signal).

Maximale Homogenität

Um gleichbleibende Ergebnisse bei einer Vision-Applikation zu erzielen, muss das Objekt möglichst homogen ausgeleuchtet werden. Diese Homogenität lässt sich durch intelligent konstruierte Leuchten erreichen. B&R versieht jede einzelne LED mit einer Linse, die eine gleichmäßige Abstrahlung des Lichts garantiert. Die Leuchten werden bereits im Werk abgeglichen und benötigen somit bei einem Wechsel im Feld oder im Serienmaschinenbau keinen manuellen Abgleich mehr. Auch die LED-typische Veränderung der Lichtintensität im Laufe der Lebensdauer und bei unterschiedlichen Temperaturen wird automatisch kompensiert.

Hohe Flexibilität

„Es reicht heutzutage nicht mehr, wenn eine Vision-Lösung nur einen speziellen Anwendungsfall gut abdeckt“, weiß Andreas Waldl. In Zeiten von Industrie 4.0 und Industrial IoT werden Produktwechsel im laufenden Betrieb immer häufiger – darauf muss auch die Bildverarbeitung ausgerichtet sein. Mit der vollständig integrierten Vision-Lösung von B&R ist das ganz einfach: Sämtliche Parameter können in Rezepten gespeichert und jederzeit wieder abgerufen werden. Der Anwender kann alle Einstellungen per Software jederzeit ändern. Dazu gehört die Lichtfarbe genauso wie die Blitzdauer und -länge, die Belichtungszeit und der Abstrahlwinkel der Balkenleuchten. Mit den gleichen Leuchten lässt sich sogar eine Hell- und eine Dunkelfeldbeleuchtung nur durch Anpassen der Parameter realisieren.

Die Bedeutung der Lichtfarben

„Viele Maschinenbauer unterschätzen die Möglichkeiten, die sich durch unterschiedliche Blitzfarben ergeben“, sagt Waldl. Dabei lassen sich zum Beispiel versteckte Produktmerkmale oder Druckmarken durch unterschiedliche Lichtfarben entweder hervorheben oder ausblenden. Daher bestückt B&R jeden Leuchtentyp – auch die kameraintegrierten LEDs – nach Kundenwunsch mit bis zu vier unterschiedlichen Lichtfarben – inklusive Infrarot und Ultraviolett.

Mit den unterschiedlichen LED-Farben können von einem Produkt mehrere Fotos mit unterschiedlicher Beleuchtung gemacht und dadurch unterschiedliche Produktmerkmale erfasst werden. Diese Beleuchtungssequenzen lassen sich so schnell umsetzen, dass eine einzige Kamera dafür ausreicht.

Parametrieren statt Programmieren

„Klassische Programmierarbeit ist für die Einrichtung einer Vision-Lösung übrigens nicht mehr nötig“, erklärt Waldl. B&R hat vorkonfigurierte Software-Bausteine für Vision-Applikationen entwickelt. Diese ermöglichen die Erstellung einer Applikation nach dem Drag-and-Drop-Prinzip. Der Datenaustausch mit anderen Maschinenfunktionen und -bestandteilen, wie Servoantrieben, User- und Rezeptmanagement sowie Alarmsystem erfolgt durch einfache Verknüpfung der entsprechenden Funktionen. Da die Vision-Komponenten integraler Bestandteil des Maschinennetzwerks sind, stehen sämtliche Diagnoseinformationen in Echtzeit zur Verfügung. Der Aufwand für die Implementierung einer Vision-Applikation sinkt beträchtlich.

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