interview

Ein Paradigmenwechsel: Plug & Produce mit MTP von Copa-Data

Immer kürzere Produkt- und Innovationszyklen verlangen nach hoch automatisierten Produktionsanlagen mit maximaler Flexibilität. Die Softwareplattform zenon von Copa-Data unterstützt den einfachen Aufbau komplexer Automatisierungslösungen unter Verwendung von Module Type Package (MTP). Wie „Plug & Produce“ in der Welt der Industrieautomatisierung in erreichbare Nähe rückt, erklärt im Interview Johannes Petrowisch, Geschäftsführer von Copa-Data CEE/ME.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass in der Orchestrierung modularer Produktionsanlagen die Zukunft der Automatisierung liegt und zenon dabei eine wesentliche Rolle in der Prozessindustrie sowie anderen Branchen einnehmen wird“, meint Johannes Petrowisch, Geschäftsführer Copa-Data CEE/ME

„Wir sind der festen Überzeugung, dass in der Orchestrierung modularer Produktionsanlagen die Zukunft der Automatisierung liegt und zenon dabei eine wesentliche Rolle in der Prozessindustrie sowie anderen Branchen einnehmen wird“, meint Johannes Petrowisch, Geschäftsführer Copa-Data CEE/ME

Die produzierende Industrie muss Anforderungen erfüllen, die früher als unvereinbar galten. Einerseits zwingt der Kostendruck zur Großserienproduktion, andererseits sinken angesichts der Nachfrage nach stark individualisierten Produkten die Chargen. Zudem sorgt die Notwendigkeit von Anpassungen an schnell wechselnde Kundenpräferenzen oder veränderte Vorschriften für immer kürzere Produkt- und Innovationszyklen. Das erfordert eine hohe Flexibilität von Produktionsanlagen, die mit großen, monolithischen Systemen nur schwer zu erreichen ist.

Die MTP-Datei gemäß VDI/VDE/NAMUR 2658 als digitale Visitenkarte modularer Produktionsanlagenteile ermöglicht es, Geräte, Maschinen und Anlagen mittels Plug-&-produce in komplexe Anlagen zu integrieren.

Die MTP-Datei gemäß VDI/VDE/NAMUR 2658 als digitale Visitenkarte modularer Produktionsanlagenteile ermöglicht es, Geräte, Maschinen und Anlagen mittels Plug-&-produce in komplexe Anlagen zu integrieren.

Herr Petrowisch, wie unterstützt Copa-Data die Modularisierung automatisierter Produktionsanlagen?

Die Softwareplattform zenon ermöglicht Anlagenherstellern und Automatisierungsdienstleistern, flexible und skalierbare Lösungen zu entwickeln. Das Engineering erfolgt in der Low-Code Plattform durch reines Konfigurieren und erfordert daher keine Programmierkenntnisse. Mehr als 300 Treiber und native Schnittstellen zu Hardware- und Steuerungssystemen sowie eine integrierte Soft-SPS machen zenon herstellerunabhängig und flexibel. Die Softwareplattform wird in vielen verschiedenen Sektoren eingesetzt. Viele Funktionen wurden ursprünglich für bestimmte Bereiche entwickelt, sind aber auch für andere Industrien nützlich. Dazu gehört auch das ursprünglich für die Prozessindustrie geschaffene Orchestrieren komplexer Automatisierungslösungen mittels Module Type Package (MTP).

MTP-Dateien wurden für die Prozessindustrie geschaffen, können aber auch Abfüllanlagen, Verpackungsmaschinen, Bearbeitungszentren oder Roboter beschreiben und eignen sich daher ebenso für den Einsatz in der diskreten Fertigung.

MTP-Dateien wurden für die Prozessindustrie geschaffen, können aber auch Abfüllanlagen, Verpackungsmaschinen, Bearbeitungszentren oder Roboter beschreiben und eignen sich daher ebenso für den Einsatz in der diskreten Fertigung.

Könnten Sie die wesentlichen Fakten zu MTP zusammenfassen?

Module Type Package (MTP) wurde vor etwa zehn Jahren als Standard entwickelt, um eine herstellerneutrale Beschreibung modularer Produktionssysteme zu ermöglichen. MTP definiert standardisierte Prozessmodule oder Process Equipment Assemblies (PEA), die es Anlagenbetreibern und Herstellern ermöglichen, Produktionsanlagen modular aufzubauen und zu konfigurieren. Der Hauptzweck dieses Standards ist, die Abhängigkeit von spezifischen Maschinen- und Anlagenherstellern zu verringern und die Flexibilität bei Prozessänderungen maßgeblich zu erhöhen.

Damit kann man verschiedenste Komponenten effizient und flexibel in komplexe Produktionssysteme integrieren, wie es in der IT mit Plug & Play Standard ist, und so die Time-to-Market um bis zu 50 % verkürzen. MTP fördert damit nicht nur die schnelle Anpassung von Produktionslinien und Laborsituationen, sondern auch die Wiederverwendbarkeit und Skalierbarkeit von Modulen, was zu einer verbesserten Gesamtwirtschaftlichkeit und einer höheren Prozessstabilität führt.

Ähnlich wie bei den zenon-eigenen Smart Objects entsteht die Automatisierungslösung durch Anordnen, Verbinden und Parametrieren der MTP-Objekte in einem grafischen Editor.

Ähnlich wie bei den zenon-eigenen Smart Objects entsteht die Automatisierungslösung durch Anordnen, Verbinden und Parametrieren der MTP-Objekte in einem grafischen Editor.

Ist MTP ein allgemein gültiger, etablierter Standard?

MTP wurde von NAMUR, der Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie, in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) mit dem Fokus auf die Prozessindustrie entwickelt. Der Standard sollte eine herstellerneutrale und standardisierte Methode zur Beschreibung und Integration modularer Produktionssysteme schaffen, um die Flexibilität und Effizienz in der Prozessautomatisierung zu erhöhen.

Aktuell steht die Veröffentlichung der Version 2 des VDI/VDE/NAMUR 2658 mit wesentlichen Verbesserungen und Erweiterungen bevor. Da MTP auch für andere Branchen von Interesse ist, hat die Profibus Nutzer Organisation (PNO) die Verantwortung für die Weiterentwicklung und Betreuung des Standards übernommen. Kürzlich wurden erste Schritte zur Integration von MTP in die IEC 63280 unternommen, um die Anwendung von MTP über die Prozessindustrie hinaus zu erweitern.

In zenon 14 kann für jedes Gerät in einem Orchestrierungsprojekt ein eigenes Detailfenster dargestellt und z. B. Alarme, Protokolle oder Trends angezeigt werden.

In zenon 14 kann für jedes Gerät in einem Orchestrierungsprojekt ein eigenes Detailfenster dargestellt und z. B. Alarme, Protokolle oder Trends angezeigt werden.

Wie funktioniert modulare Automation mittels MTP in zenon?

In zenon wird modulare Automation durch die Nutzung des zenon Orchestration Studio realisiert. Dies ermöglicht es Anwendern, ein vollständiges Leitsystem zu erstellen, indem es modulare Pakete in Form von MTP-Dateien orchestriert. Der Prozess beginnt mit dem Import von MTP-Dateien im zenon Orchestration Studio. Danach werden die MTP-Dateien im übergeordneten Process Orchestration Layer (zenon POL) in Smart Object Templates umgewandelt. Diese fungieren als universelle Baukästen, die sich nahtlos in die bestehenden Prozesse integrieren lassen. Sie werden in zenon ähnlich wie native Objekte behandelt und ermöglichen so eine einfache Handhabung und Integration in die Automatisierungslösungen.

zenon hat die Fähigkeit, diese Smart Object Templates während des laufenden Betriebs dynamisch zu aktualisieren. Ändern sich Anforderungen, können die Parameter der Module ohne kompletten Systemneustart in Echtzeit angepasst werden. Dies sorgt dafür, dass die Produktionssysteme stets auf dem neuesten Stand sind und steigert wesentlich die Effizienz und Reaktionsfähigkeit der Produktionsanlage.

Die MTP-Objekte enthalten auch Elemente für die HTML5-Visualisierung, die nach deren automatisierter Erstellung angepasst werden können.

Die MTP-Objekte enthalten auch Elemente für die HTML5-Visualisierung, die nach deren automatisierter Erstellung angepasst werden können.

Wie weit reicht die Unterstützung des MTP-Standards in zenon?

Die aktuelle Version zenon 14 unterstützt alle sechs bisher veröffentlichten Teile der VDI/VDE/NAMUR 2658 vollumfänglich. zenon ist also vollständig kompatibel mit den aktuellen MTP-Anforderungen und ermöglicht die Integration und Orchestrierung von modularen Automatisierungslösungen auf höchstem Niveau.

Dank der aktiven Mitwirkung von Copa-Data an den Normungsprozessen kann unser Unternehmen frühzeitig auf Änderungen und Weiterentwicklungen im MTP-Standard reagieren. Dies stellt sicher, dass zenon stets auf dem neuesten Stand der Technologie ist und alle aktuellen Teile des Standards erfüllt und zukünftige Weiterentwicklungen zeitnah abbildet. So profitieren unsere Kunden kontinuierlich von den neuesten Funktionalitäten und Verbesserungen und können ihre Automatisierungsprojekte mit den besten verfügbaren Werkzeugen umsetzen.

Können Sie Beispiele für neue Funktionen in zenon 14 nennen?

Selbstverständlich. Neben allgemeinen Verbesserungen gibt es nun die Möglichkeit, Orchestrierungsprojekte ganz oder teilweise zu sichern oder zu importieren, auch aus Online-Herstellerkatalogen oder kundenspezifischen Marktplätzen wie z.B. dem Eplan Data Portal. Einzelne Geräte können durch Instanziieren in beliebig vielen Orchestrierungsprojekten verwendet werden. Dafür können Anwender sie sowohl mit globalen als auch mit projektspezifischen Variablen versehen. Sie können auch zunächst nur generische Symbole verwenden, etwa für Motoren oder Ventile, und deren genaue Eigenschaften erst später festlegen. Zusätzlich wurden im zenon Orchestration Studio Mathematik-Blocks und interne Module geschaffen, etwa für die Signalaufbereitung oder die Datenübergabe.

Wie verhalten sich zenon-Projekte und orchestrierte MTP-Dateien zueinander?

In zenon bildet immer ein zenon-Projekt die Grundlage für die Implementierung und den Betrieb von Automatisierungslösungen auf einem Zielsystem. Nur damit ist eine effiziente Integration und Verwaltung modularer Komponenten möglich. Ab zenon 14 können Orchestrierungsprojekte unabhängig von aktiven zenon-Projekten entwickelt, getestet und erst für die endgültige Implementierung und Integration mit einem bestehenden oder neu angelegten zenon-Projekt verbunden werden. Dies erleichtert das projektübergreifende Engineering und ermöglicht eine effiziente Verwaltung und Anpassung der Lösungen. Zudem können Mitarbeiter ohne tiefgehende Softwarekenntnisse damit vollständige Leitsysteme erstellen. Dies reduziert die Notwendigkeit umfangreicher Schulungen und vereinfacht den gesamten Prozess der Systemkonfiguration und -implementierung erheblich.

Wie lassen sich Anlagenteile ohne MTP-Dateien integrieren?

Da derzeit noch viele Geräte und Anlagenteile keine entsprechenden MTP-Dateien besitzen, hat Copa-Data für deren Integration ein MTP Gateway geschaffen. Dieses ermöglicht die Integration solcher Geräte und Komponenten in Systeme, die auf MTP basieren. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil MTP nicht nur für den Aufbau neuer Anlagen, sondern auch für die flexible und wirtschaftliche Anpassung und Erweiterung bestehender Anlagen von Bedeutung ist. Zusätzlich bietet die zenon DCS Library eine Sammlung von vorkonfigurierten Komponenten für die direkte Integration von Geräten ohne MTP-Dateien in Automatisierungsprojekte. Auch wenn der Anwender keine komplexe Programmierarbeit leisten muss, ist ein gutes Verständnis der Anlagenlogik erforderlich.

Wie unterstützt COPA-DATA Kunden, die selbst MTP-Dateien erstellen?

Der zenon MTP Editor als Teil des Orchestration Studios ermöglicht erfahrenen Technikern die benutzerfreundliche und effiziente Erstellung von MTP-Dateien. Er stellt Nutzern eine intuitive Oberfläche und umfassende Funktionen für die Konfiguration und Anpassung von MTP-Dateien für bestehende oder neue Anlagen bereit. Darüber hinaus können Kunden und Interessenten mit unserem kostenlosen Online-Validator https://go.copadata.com/mtp-validator) die ordnungsgemäße Funktion der erstellten MTP-Dateien auf Konformität mit der Norm VDI/VDE/NAMUR 2658 überprüfen.

Wie gut wird MTP und das Orchestrieren von Automatisierungsprojekten angenommen?

Es gibt bereits in produktiver Umgebung laufende Implementierungen. In der Prozessindustrie sorgt eine starke Nachfrage seitens der Anlagenbetreiber für einen hohen Umsetzungsdruck. Ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Implementierung von MTP ist das Projekt von Merck. Dort wurde die Prozessentwicklung durch MTP und zenon umfassend modularisiert. Die Umstellung ermöglichte eine deutlich verkürzte Time-to-Market und erhöhte Flexibilität im Labor, da Laboranten nun Prozessänderungen ohne Programmierkenntnisse und zusätzliche Unterstützung vornehmen können. Dies reduziert Zeit- und Kostenaufwand erheblich und verbessert die Effizienz.

Und wie sieht es da außerhalb der Prozessindustrie aus?

MTP hat sich nicht nur in der Prozessindustrie bewährt, sondern bietet auch in anderen Bereichen erhebliche Vorteile. In der diskreten Fertigung können verschiedene Anlagenteile wie Abfüllanlagen, Verpackungsmaschinen, Bearbeitungszentren, Sechsachs-Roboter und Rollenbatterien problemlos mit MTP-Dateien beschrieben und integriert werden. Dies ermöglicht eine standardisierte und modulare Herangehensweise, die die Integration und das Management dieser komplexen Systeme erheblich vereinfacht. Die Vorteile der MTP-Integration – darunter erhöhte Flexibilität, verbesserte Effizienz und gesteigerte Resilienz – haben das Potenzial, die Produktionsprozesse in vielen Branchen zu revolutionieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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