anwenderreportage

Wie Phönix aus der Asche

Elin erneuert Hochofen mit Messtechnik von Endress+Hauser: Von Juni bis September 2018 waren rund 1.000 Mitarbeiter vier Monate lang damit beschäftigt, Österreichs größten Hochofen für eine weitere Ofenreise mit 14 Jahren Dauerbetrieb fit zu machen. Teil der rund 180 Millionen Euro teuren Maßnahme war die Erneuerung der Messtechnik und Sensorik. Dabei setzte Anlagenbauer Elin GmbH, ein Unternehmen von IGO Industries, auf Feldgeräte und Serviceleistungen von Endress+Hauser und konnte so den sportlichen Zeitplan der Voestalpine AG einhalten. Von Ing. Peter Kemptner, x-technik

Am Standort Linz erzeugt die Voestalpine im Hochofen A zwei Drittel des gesamten hier verarbeiteten Roheisens. Er wurde nach 14 Jahren Dauerbetrieb ohne Unterbrechung runderneuert.
(Foto: Elin)

Am Standort Linz erzeugt die Voestalpine im Hochofen A zwei Drittel des gesamten hier verarbeiteten Roheisens. Er wurde nach 14 Jahren Dauerbetrieb ohne Unterbrechung runderneuert. (Foto: Elin)

Shortcut

Aufgabenstellung:
Erneuerung der 15 Jahre alten Messtechnik in einem Hochofen.

Lösung:
Umstellung auf Nachfolgeprodukte u. a. der aktuellen Gerätegenerationen von Endress+Hauser mit Inbetriebnahmeunterstützung durch den Hersteller.

Vorteil:
Trotz engem Zeitplan erfolgreiche, fristgerechte Umstellung auf Geräten mit hoher Betriebssicherheit und dem Zugang zur Digitalisierung.

Mit 84 m Höhe ist der Hochofen A nach dem Mariendom und dem Finanzamt das dritthöchste Gebäude in der Stadt Linz. Er ist jedoch nicht nur eines der Wahrzeichen der Stahlstadt, sondern bildet zugleich das Herzstück der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie. Der größte der drei Hochöfen am Hauptstandort der Voestalpine Stahl GmbH erzeugt zwei Drittel der fünf Millionen Tonnen Roheisen, die hier jährlich verarbeitet werden.

Seit seiner Errichtung 1977 wird der Hochofen kontinuierlich betrieben. Das lässt sich allerdings nicht unbegrenzt fortsetzen. Nach einer 14 Jahre dauernden sogenannten „Ofenreise“ mit ununterbrochener Produktion ist eine Generalüberholung erforderlich, die sogenannte Zustellung. Im Jahr 2018 wurde diese bei Österreichs größtem Hochofen zum dritten Mal fällig.

Dabei wird der Hochofen zunächst entleert und im sogenannten Sauabstich von mehr als 1.000 Tonnen unbrauchbarer Ablagerungen, der Ofensau, befreit. Dann kann die feuerfeste Innenverkleidung entfernt und mit 3.500 Tonnen Schamotteziegeln neu hergestellt werden. Auch sonst bleibt bei der Hochofen-Zustellung kein Stein auf dem anderen: Die meisten wichtigen Aggregate werden durch Neuanfertigungen ersetzt, bis hin zum 33 m langen, 7 m breiten und 200 Tonnen schweren Gichtgaswäscher. Runderneuert werden dabei auch die umfangreichen Stahlkonstruktionen, Gerüste und Förderanlagen. Zugleich wird der Hochofen mit neuer Verkabelung, einem neuen Leitsystem sowie neuer Elektro-, Mess- und Steuerungstechnik zukunftsfähig gemacht.

An der rund 180 Millionen Euro teuren Modernisierung – im Fachjargon „Zustellung“ – des Hochofens waren rund 1.000 Mitarbeiter vier Monate lang beschäftigt. Dabei wurden sämtliche Nebenaggregate und Hilfssysteme getauscht.
(Grafik: Voestalpine)

An der rund 180 Millionen Euro teuren Modernisierung – im Fachjargon „Zustellung“ – des Hochofens waren rund 1.000 Mitarbeiter vier Monate lang beschäftigt. Dabei wurden sämtliche Nebenaggregate und Hilfssysteme getauscht. (Grafik: Voestalpine)

Herbert Eibensteiner
Vorstandsmitglied der Voestalpine AG und Leiter der Steel Division

„Bei der Modernisierung des Hochofens A haben wir sämtliche Prozessschritte auf den letzten Stand der Technik gebracht, um noch bessere Resultate hinsichtlich Ressourcenschonung und Materialeinsatz zu erzielen. (Foto: Voestalpine)“

Elektro- und Messtechnik für weitere 14 Jahre

Die elektrotechnische Vor-Ort-Montage und die Erneuerung der Messtechnik erledigte der erfahrene Anlagenbauer Elin GmbH. „Unser Aufgabengebiet reichte von der Bestandsaufnahme über die Planung der Elektro- und Messtechnik bis zur Verkabelung und Inbetriebnahme der Geräte“, sagt Wilhelm Freund, Bereichsleiter bei Elin Linz Industrie. „Ziel war, den Hochofen hinsichtlich Elektrotechnik und Messtechnik auf den letzten Stand der Technik zu bringen, um über die kommenden 14 Jahre einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten.“

Neben 43 Steuerungen mit ca. 25.000 EMSR-Signalen, rund 90 Energieverteilern und 1.000 Leuchten sowie Antriebstechnik für ca. 700 Elektromotoren waren mehr als 1.000 Messgeräte der unterschiedlichsten Typen durch aktuelle Modelle zu ersetzen, davon rund 600 von Endress+Hauser. „Das meiste davon waren magnetisch-induktive Durchflussgeräte, die das Kühlwasser des Hochofens messen“, erinnert sich Thomas Oberngruber, Projektleiter bei Elin. „Hinzu kamen Grenzschalter, Sensoren für die Flüssigkeitsanalyse (pH und Leitfähigkeit) sowie Radar-Füllstandinstrumente und Drucksensoren.“

Anlässlich der Zustellung wurde der Hochofen auch mit neuer Elektro-, Mess- und Steuerungstechnik zukunftsfähig gemacht.
(Foto: Voestalpine)

Anlässlich der Zustellung wurde der Hochofen auch mit neuer Elektro-, Mess- und Steuerungstechnik zukunftsfähig gemacht. (Foto: Voestalpine)

Thomas Oberngruber
Projektmanager, Elin GmbH

„Wir haben schon in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Endress+Hauser gemacht. Dank der guten Zusammenarbeit konnten wir auch dieses Mal das Projekt erfolgreich und fristgerecht abschließen.
(Foto: Elin)“

Kundenvorgabe 1:1 Austausch

Das Großprojekt war mit einigen besonderen Herausforderungen versehen. Um das Risiko zu minimieren, sollte im Idealfall ein 1:1-Austausch der Messinstrumente durchgeführt werden. „Das stand nicht nur im Widerspruch mit dem Ziel einer Modernisierung auf den Stand der Technik, es war oft auch gar nicht möglich“, erinnert sich Thomas Oberngruber. „Zudem war die bei der vorherigen Zustellung erstellte Dokumentation unvollständig, sodass wir sämtliche Geräte abfotografierten.“

Die Experten von Elin hatten – unter anderem bei zwei kleineren Hochöfen der Voestalpine – bereits gute Erfahrungen mit Instrumenten von Endress+Hauser gemacht. „Endress+Hauser deckt als einer der wenigen Komplettanbieter nicht nur alle wichtigen Prozess-Parameter ab, sondern hat auch verschiedene Messtechniken in seinem extrem breiten Produktportfolio“, erklärt Markus Aspetzberger, der als stellvertretender Projektleiter bei Elin erster Ansprechpartner für die Messtechnik war. „Und die Akzeptanz seitens der Kunden ist allgemein sehr groß.“

Wegen der umfangreichen Erfahrung mit diesen Geräten konnten die Messtechnik-Fachleute von Elin – nicht zuletzt mit dem Produktfinder auf der Endress+Hauser Website – die aktuellen Nachfolger der meisten vorgefundenen Modelle gut und rasch bestimmen. Nur bei SIL-Geräten für den Einsatz in sicherheitsrelevanten Zonen holten sie vorsichtshalber den Rat des Messtechnikherstellers ein.

Elin stattete den Hochofen mit rund 600 Messgeräten von Endress+Hauser aus.
(Foto: Elin)

Elin stattete den Hochofen mit rund 600 Messgeräten von Endress+Hauser aus. (Foto: Elin)

Infos zum Anwender

Die Steel Division des Voestalpine-Konzerns nimmt als umsatzstärkste Division des Konzerns die Qualitätsführerschaft bei höchstwertigem Stahlband und eine weltweit führende Position bei Grobblechen für anspruchsvollste Anwendungen sowie bei komplexen Großturbinengehäusen ein. Die Division ist erste Anlaufstelle namhafter globaler Automobilhersteller und -zulieferer und einer der wichtigsten Partner der europäischen Hausgeräte- und Maschinenbauindustrie sowie der Öl- und Gasindustrie. Im Geschäftsjahr 2018/19 erzielte die Division einen Umsatz von 4,9 Mrd. Euro, ein operatives Ergebnis (EBITDA) von 650 Mio. Euro und beschäftigte weltweit rund 10.877 Mitarbeiter.

www.voestalpine.com/stahl

Generationensprung in der Messtechnik

Trotz des Zwanges, bei der Neuausstattung möglichst nahe an den ausgetauschten Modellen zu bleiben, ergeben sich durch den Generationensprung in der Messtechnik einige Vorteile für den Betreiber, vor allem in der Instandhaltung. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Standardisierung mancher Komponenten, die Vereinfachungen bei Wartung und Ersatzteilhaltung bringt und zugleich die Betriebssicherheit und Anlagenverfügbarkeit steigern hilft.

So verfügen bei Endress+Hauser heute ganze Produktfamilien über viele Gleichteile bei den Gehäusen und eine einheitliche Elektronik. Diese lässt sich von jedem Elektriker ohne Spezialkenntnisse freizügig tauschen, da sie die „Persönlichkeitsdaten“ des jeweiligen Gerätes aus dem im Gehäuse integrierten, nichtflüchtigen Parameter-Speicher HistoROM bezieht. Auch die intuitive, einheitliche Gerätebedienung bringt Sicherheit, denn sie hilft, Bedienungsfehler zu vermeiden.

Die Proline-Durchflussmessgeräte der aktuellen Generation lassen sich ohne Software-Installation über einen integrierten Webserver bedienen und parametrieren. Ihr Zweikammergehäuse schützt ihr Innenleben besser als bei früheren Modellen vor Staub oder Flüssigkeiten.

Bei den Radar-Messgeräten konnte aus einer Bandbreite von 1 bis 80 GHz die passende Frequenz für den jeweiligen Anwendungsfall gewählt werden und die platzsparenden Micropilot-Modelle erleichterten das Vermeiden nachteiliger Einbausituationen.

Neben diesen Vorteilen bringt der Ersatz der analogen Verfahren durch die Memosens-Technologie bei den Geräten für die Flüssigkeitsanalyse eine wesentliche Verbesserung der Datenübertragungssicherheit. Durch die induktive Übergabe des Mess-Signals an den Messumformer unterliegt die Messung keinen Einflüssen durch Umwelteinflüsse.

Zum Einsatz kamen u. a. magnetisch-induktive Durchfluss-Messgeräte zur kontinuierlichen Überwachung des Wassers in den Kühlkreisläufen.
(Foto: Elin)

Zum Einsatz kamen u. a. magnetisch-induktive Durchfluss-Messgeräte zur kontinuierlichen Überwachung des Wassers in den Kühlkreisläufen. (Foto: Elin)

Erfolg dank Herstellerunterstützung

Da die Voestalpine die Ausfallzeit so gering wie möglich halten wollte, war die Stillstandszeit für die Instandsetzung auf 110 Tage begrenzt. Deshalb mussten sämtliche Geräte bereits einen Monat vor der geplanten Installation angeliefert und zwischengelagert werden. Um dem Elin-Personal vor Ort die Erfassung und die Berichterstattung an die Voestalpine zu erleichtern, wurden sämtliche Pakete von Endress+Hauser werksseitig mit QR-Codes versehen.

Eine weitere Herausforderung brachte die verzögerte Abstellung des Hochofens. Während des Sauabstichs musste dieser zunächst noch einen Monat lang gekühlt werden, während gleichzeitig bereits die ersten Messgeräte überprüft und ausgetauscht wurden mussten. Um mit den zur Verfügung stehenden 75.000 Montagestunden auszukommen, arbeiteten die Elin-Techniker auf der Baustelle zeitweilig sogar rund um die Uhr im Schichtbetrieb. Und sie griffen auf das Service-Angebot von Endress+Hauser zurück. Deren erfahrene Servicetechniker unterstützten das Elin-Team vor allem bei der Inbetriebnahme der vielen Messgeräte.

„Die Inbetriebnahme-Unterstützung beschränkte sich keineswegs nur auf Geräte von Endress+Hauser, sondern erstreckte sich auf Messgeräte aller Hersteller“, berichtet Markus Aspetzberger. „Ich war besonders beeindruckt von der Fähigkeit, unabhängig vom Fabrikat rasch und unkompliziert die passende Lösung umzusetzen – das Team schien auf alle auftretenden Eventualitäten vorbereitet zu sein.“ Dabei konnte es auf den Rückhalt der Kollegen in Vertrieb und Produktion zählen, die um die Bedeutung dieses Projektes wussten und für Rückfragen und die Erfüllung von Spezialaufgaben bereitstanden.

„Nicht zuletzt dank dieser engen, unkomplizierten Zusammenarbeit konnten wir den ambitionierten Terminplan einhalten und die Modernisierung des Hochofens erfolgreich und fristgerecht abschließen“, zieht Thomas Oberngruber ein erfreuliches Resümee dieses Teils der Zustellung. „Nun kann das Herz der Anlage auch die nächsten 15 Jahre kräftig schlagen.“

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