Weniger ist mehr: Sensoren lernen Zurückhaltung

Ein Blick in die Zukunft der Sensorik Seit 70 Jahren steht der Name SICK für innovative Sensortechnologie, die weltweit Maßstäbe setzt. Aus genialen Ideen und außergewöhnlichem Pioniergeist wurde Automatisierungstechnik, die die Welt verändert hat – und es geht weiter. Volle Kraft voraus! Wir haben mit Helmut Maier, dem Geschäftsführer von SICK Österreich, über Industrie 4.0 und seine Sicht der Zukunft der Automation gesprochen.

Eine Innovation der besonderen Klasse: Der Kontrastsensor KTM kann RGB-Informationen optional via IO-Link ausgeben.

Eine Innovation der besonderen Klasse: Der Kontrastsensor KTM kann RGB-Informationen optional via IO-Link ausgeben.

Helmut Maier
Geschäftsführer von SICK Österreich

„Der Sensor entwickelt sich zu einer sich weitgehend selbst programmierenden Black Box.“

Sensorik kommt bei der 4. Industriellen Revolution eine ganz besondere Rolle zu, denn Sensoren stehen als Quelle ganz am Anfang der langen Informationskette, die immer mehr über die eigentliche Produktion hinausreicht. Jeder einzelne Sensor sorgt für eine nicht enden wollende Fülle an Daten, die lokal, dezentral und womöglich sogar in den Weiten der Cloud verarbeitet werden – bestenfalls! Denn im „Worst Case“ schlummern die Datenschätze als nicht genützte Potenziale vor sich hin. Dennoch werden es allerorts immer mehr Daten, die zur Verfügung stehen. Wird uns die große Datenflut womöglich sogar überollen? „Nein“, sagt Helmut Maier, der Geschäftsführer des Sensor-Spezialisten SICK. Und er hat im Laufe unsere Gesprächs auch ganz genau begründet warum ...

MLG-2: Die ersten Automatisierungslichtgitter für transparente Objekte mit IO-Link Schnittstelle.

MLG-2: Die ersten Automatisierungslichtgitter für transparente Objekte mit IO-Link Schnittstelle.

Herr Maier, SICK wird heuer 70 – schaut man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre an, macht das Unternehmen aber einen sehr vitalen Eindruck ...

Durchaus – die spannenden Aufgabenstellungen unserer Kunden, ein motiviertes Team und zukunftsorientierte Innovationen sorgen für einen schnellen Puls bei SICK Österreich. Unsere gesamte Unternehmensgeschichte ist von Veränderungen geprägt. Über 2500 Patente veranschaulichen, was sich in sieben Jahrzehnten getan hat. Mit immer wieder neuen Sensorlösungen haben wir die Entwicklung der Automation beeinflusst und umkehrt. Diesen Geist tragen wir in die Zukunft. Was Dr. Erwin Sick 1946 begonnen hat, führen wir heute mit über 7.000 Mitarbeitern weltweit in die vierte industrielle Revolution – das ist uns ein Ansporn. Und wir sind vorbereitet. Konsequente Forschung und Entwicklung belegen unsere Innovationskraft. Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir 129 Mio. Euro für F&E aufgewendet. Das sind 11 % mehr als im Jahr davor. Über 850 Mitarbeiter arbeiten bei SICK schon heute an den Lösungen für die Automation von morgen.

Der tastende optische Sensor WTT12L kann neben Schaltausgängen auch Distanzinformationen via IO-Link bereitstellen.

Der tastende optische Sensor WTT12L kann neben Schaltausgängen auch Distanzinformationen via IO-Link bereitstellen.

Sehen Sie ein Ende dieser Entwicklung? Glauben Sie, dass die Innovationen vielleicht schon bald weniger werden könnten?

Ich meine, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Die Digitalisierung steht erst am Anfang und es gibt immer etwas zu verbessern. Da geht es z. B. um noch kompaktere Bauweisen bei gleicher oder sogar höherer Leistungsfähigkeit, um eine gesteigerte Robustheit der Sensoren, um eine Reduktion von Arbeitsschritten oder die Beschleunigung von Prozessen. Und wir forschen unermüdlich nach Technologien, die es ermöglichen, dass Sensoren nicht nur Dinge wahrnehmen, sondern auch Prozesse intelligent steuern und in komplexen Netzwerken mit anderen Komponenten kommunizieren.

Es geht also klar in Richtung 4. Industrieller Revolution?

Bereits im Jahr 2004 – also lange vor der Idee von Industrie 4.0 – haben wir unseren Unternehmensclaim auf die Zukunft ausgerichtet: „Sensor Intelligence.“ formuliert die klare Fokussierung auf Sensorik als Datenlieferant für die intelligente Fabrik und damit auf den wichtigsten Baustein für größtmögliche Transparenz der Supply Chain. Die richtigen Daten ermöglichen bei optimaler Aufbereitung effizienter, flexibler, ressourcenschonender und mit höherer Qualität zu produzieren und zu liefern – Sensoren sind der Schlüssel dazu. Heute, 12 Jahre nach der Formulierung unseres Claims, wird die hochgradige Vernetzung immer mehr Realität. Auch wenn noch etliche Herausforderungen vor uns liegen – ich weiß, wir werden sie meistern. An den passenden Innovationen wird bereits intensiv gearbeitet.

Wo sehen Sie wichtige „To-dos“ in Richtung Industrie 4.0?

Ich sehe die Simplifizierung der Technik als ganz zentrale Aufgabe. Keine Frage – die Anlagen der Zukunft werden eine Komplexität besitzen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Aber genau darin besteht auch eine Herausforderung, denn die Technologie muss zum einen beherrschbar sein und zum anderen müssen wir sie verstehen, um ihre Vorteile optimal nützen zu können. Im Moment werden Konstrukteure und Maschinenbauer von den vielen Lösungen und Technologien geradezu überrollt. Da noch durchzublicken, ist geradezu eine Wissenschaft. Hier muss das Motto „Weniger ist mehr“ lauten. Das heißt nicht, dass wir künftig weniger Technik haben werden, sondern immer intelligentere Technik. Der Sensor entwickelt sich zu einer sich weitgehend selbst programmierenden ‚Black Box‘, die dem Gesamtsystem ‚Produktion‘ genau die Informationen zur Verfügung stellt, die gebraucht werden. Nicht mehr und nicht weniger.

Ist das Vision oder Wirklichkeit?

Wir sind am besten Weg dort hin. Viele unserer Lösungen verfügen schon über diese oder ähnliche Eigenschaften. Und sie werden mit der Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 immer stärker nachgefragt werden. Das ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Die hohen Investitionen in Maschinen rechnen sich am ehesten, wenn ihr Potenzial auch wirklich ausgeschöpft wird. Vor dem Hintergrund der rasch zunehmenden Vernetzung gilt das für jede einzelne Komponente. Selbst der kleinste Sensor wird in Zukunft großen Einfluss auf das gesamte System und damit auf die ganze Wertschöpfungskette haben. Das ist eine große Verantwortung für alle Beteiligten und es wird die Spreu vom Weizen trennen. Da sind Qualitätsprodukte und echte Partnerschaften gefragt – ein gutes Beispiel für den Blick über den Tellerrand und die neue Art der Zusammenarbeit, die künftig weit über Unternehmensgrenzen hinaus reichen wird.

War das ein Beweggrund für die Industrie 4.0-Fachtagung industry.tech, die Sie gemeinsam mit anderen namhaften Unternehmen aus der Industrie veranstalten?

Ein gutes Beispiel. Schauen Sie sich die Veranstalter-Runde der industry.tech an: Festo, SAP, Phoenix Contact, Siemens und SICK – unterstützt von weiteren Partnern aus der Industrie. Gemeinsam bilden wir weite Bereiche der industriellen Fertigung ab. Das hochgradig vernetzte Zusammenspiel unserer Lösungen wird die Produktion der Zukunft ermöglichen. Der große Zuspruch zur Fachtagung im vergangenen Jahr hat gezeigt, wie wichtig es ist, hier einen nachhaltigen Impuls in Österreich zu setzen. Mit dem Motto „Von der Vision zur Praxis“ gehen wir heuer den nächsten Schritt. Wir werden über den Status quo reden und das, was schon sehr bald möglich sein wird. Ich lade Sie und Ihre Leser herzlich nach Zell am See ein, um mit uns gemeinsam voraus zu schauen und quer zu denken. Dort werden Grundsteine für das Industrie-Netzwerk der Zukunft gelegt. (Weitere Infos www.industry-tech.at)

Zurück zu den Sensoren der Zukunft: Was sind aus Ihrer Sicht die maßgeblichen Veränderungen im Hinblick auf Industrie 4.0?

Konventionelle, industrielle Sensoren funktionieren im Grunde alle nach demselben Prinzip. Sie erfassen physikalische Größen als Daten und geben sie an die Maschinensteuerung weiter. Industrie 4.0 weicht den traditionellen Weg dieser Daten deutlich auf und bringt ganz neue Aufgaben für Sensoren mit sich. Daher werden künftig vor allem Sensoren gefragt sein, die nicht nur auf der Steuerungsebene, sondern auch auf der übergeordneten Datenebene kommunizieren. Die zusätzliche Schnittstelle in das Daten- oder Softwaresystem ermöglicht dort neue Analysen und Funktionen, die Flexibilität, Qualität, Effizienz und Transparenz in der Fertigung steigern – eine radikale Anpassung der Automatisierungspyramide.

Sensoren werden also immer mehr auf verschiedenen Ebenen kommunizieren?

Das ist richtig. Deshalb muss der Sensor die erfassten Daten zunächst parallel und unabhängig voneinander an beide Ausgänge übermitteln. Im Zuge der Rückwärtskompatibilität können unsere Sensoren schon heute beides: Sie senden zuverlässig an die SPS, aber auch in die Datenwelt. Blickt man noch weiter in die Zukunft, spielen Sensoren wahrscheinlich sogar eine disruptive Rolle. Sobald die integrierten Datensysteme nämlich leistungsstark genug sind, können sie die Maschinen direkt und ausschließlich über die Datenebene steuern, während die SPS sich deutlich verändert.

Gibt es weitere Veränderungen, die sich abzeichnen?

Nicht nur der Weg, sondern auch die Art und der Umfang der Daten werden sich ändern. Um die zuvor nie dagewesenen Datenmengen zu verarbeiten, müssen die Sensoren robuster, leistungsfähiger und vor allem intelligenter werden. Auch bei den Daten gilt: Qualität vor Quantität. Je kompakter und aussagekräftiger die eingespeisten Daten sind, desto effizienter können Ressourcen genutzt werden und desto genauer fällt die Analyse aus. Intelligente Sensoren, die direkt im Sensor Daten vorverarbeiten, komprimieren und filtern, perfektionieren die Prozesse der Industrie 4.0. Man könnte sagen, der Sensor lernt selektive Zurückhaltung bei der Kommunikation, um so die Datenflut im System einzudämmen. Deshalb brauchen Sensoren der nächsten Generation auch eine höhere integrierte Rechenleistung. Das wird es erlauben, Industrie 4.0-Sensoren zunehmend auf die jeweilige Applikation digital maß zu schneidern. Macht das der Sensor selbst, sind wir wieder beim sich weitgehend selbstprogrammierenden Sensor.

Sie haben zuvor gesagt, Sie sind am besten Weg dort hin. Was gibt es schon heute? Können Sie uns dazu einige Beispiele aus Ihrem Angebot nennen?

Kommunikation, Konfigurierbarkeit und Condition Monitoring werden bei zukunftsorientierter Sensorik groß geschrieben. IO-Link ist aus heutiger Sicht der Schlüssel zu diesen und vielen weiteren wichtigen Features, die für die Automation von morgen unerlässlich sind. Darum bieten wir bereits heute Lösungen mit IO-Link an Bord – mit der Sensorfamilie „PowerProx“ haben wir einen neuen Maßstab bei tastenden Sensoren für zuverlässige Detektion bei hohen Reichweiten gesetzt. Neben den üblichen Schaltausgängen bietet der Sensor auch Distanzinformationen (und Vieles mehr) via IO-Link. Damit ist der Brückenschlag zwischen den bisher üblichen Vorder-/Hintergrundausblendern und den messenden Distanzsensoren mit attraktivem Preis-/Leistungsverhältnis gelungen. Ebenfalls mit IO-Link verfügbar ist der Kontrastsensor KTM (KTmini) – er erlaubt es als erster Sensor seiner Klasse RGB-Informationen via IO-Link auszugeben. Und auch unsere MLG-2 Prime und Pro punkten mit IO-Link. Mit bis zu 2,5 mm Strahlabstand lassen sich mit diesen Lichtgittern selbst transparente oder sehr kleine Objekte unter schwierigen Bedingungen erfassen. Eine ausgesprochen interessante Lösung für die Automation der Zukunft. Aus Sicht der Sensorik kann man daher ganz klar sagen: Es ist so weit – Industrie 4.0 hat begonnen!

www.sick.at www.industry-tech.at

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