Neue Choreografie für Fensterballett

Bei einem Fensterhersteller sollte die Lackieranlage modernisiert und die Arbeitsbedingungen für die Lackierer verbessert werden. Zudem waren die Antriebskomponenten stark verschmutzt und wiesen erhebliche Verschleißerscheinungen auf. Bild: Handl

DI (FH) Oliver Rihl
Projektleiter Handl Maschinen GesmbH & Co KG:

„Mit Branchen Know-how von HANDL und der Antriebstechnik von TAT gelingt es, anhand weitgehend standardisierter Komponenten effiziente Konstruktionen und Detaillösungen zu realisieren.“

Langlebigkeit ist eine der gefragtesten Eigenschaften bei Maschinen und Anlagen für die Produktion. Immerhin stellen diese eine meist erhebliche Investition dar, die sich rasch amortisieren und ab dann möglichst lang gewinnbringend arbeiten soll.

Vorne und hinten an die bestehende Hängebahn angeschlossen, fährt der in Edelstahl verkleidete Komplett-Antriebsstrang von TAT/IMA die Rahmen nunmehr zum Lackieren in geringem Abstand parallel zur Coolac-Wand für die Lack-Rückgewinnung. Dazu wird der Rahmen nach Fertigstellung einer Seite gewendet. Bild: Handl

Ing. Günther Hack
Technischer Leiter TAT Technom Antriebstechnik GmbH

„Das antriebstechnische Komplettangebot Powertrain Complete von TAT in Verbindung mit der Konstruktions-Kompetenz unseres Partners IMA ermöglichte uns, die Aufgabenstellung – modernste Antriebstechnik mit hoher Geschwindigkeit und Positioniergenauigkeit, angebunden an jahrzehntealte Technik – schnell, elegant und zukunftssicher zu lösen.“

Langlebige Investitionsgüter

Diese Anforderungen erfüllen die Produktionslösungen für die Holz- und Aluminiumverarbeitung und die Kunststofffensterherstellung der HANDL Maschinen GesmbH & Co KG in Wels. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Lösungen – oft unter Verwendung von Serienmaschinen – kunden- und aufgabenspezifisch entwickelt, implementiert und optimiert werden, vom Engineering über die Finanzierung und über Schulung und Inbetriebnahme hinaus bis zum Fine-Tuning im Betrieb. So wuchs der eigentümergeführte Familienbetrieb in den 95 Jahren seit seiner Gründung 1918 in einem rauen Konkurrenz-Umfeld zu einem ansehnlichen Betrieb mit über 60 Mitarbeitern.

Diese beschäftigen sich nicht nur mit der Neuausstattung von Produktionslinien, sondern auch mit Ersatzteilversorgung, Wartung und Überholung existierender Maschinen sowie mir der Modernisierung bestehender Anlagen. Dazu gehört die umfassende Erneuerung des Spritzstandes für das Lackieren von Fensterrahmen, mit dem Handl von einem Fensterhersteller in der Steiermark beauftragt wurde. Erforderlich wurde die Modernisierung der von Handl gelieferten Anlage, weil sie nach 28 (!) Jahren Betrieb nicht mehr so recht heutigen Anforderungen an Ergonomie, Arbeitnehmer- und Umweltschutz entsprach und auch bereits gewisse Verschmutzungs- und Verschleißerscheinungen aufwies. Vor allem aber wollte der Fenstererzeuger auf eine effizientere Art der Lackierung mit Lackrückgewinnung umsteigen.

Kernstück ist eine Linearführung von TAT. Die Bewegung des Gehänges erfolgt mittels frequenzgesteuertem Asynchronmotor mit Planetengetriebe über einen Riementrieb. Dieser sorgt für die Wartungsfreiheit des Betriebes. Bild: TAT

Zukunftssicherung durch Umkonstruktion

Kern der Erneuerungsmaßnahme war ein neuer Spritzstand mit „Coolac“-Wasserlackrückgewinnung. Im Zuge dieser Erneuerung sollten darüber hinaus die unbefriedigende Absaugwirkung verbessert sowie die übermäßige Verschmutzung verhindert werden. Die Ursache dafür war rasch in der Geometrie der Anlage gefunden, bei der die Fenster quer an einer Hängebahn hängend am Spritzstand vorbei transportiert wurden. Dadurch war der Abstand von den entfernteren Stellen zur seitlich stehenden Absaugung sehr groß. So konnte diese ihre Wirkung nicht voll entfalten und der Lack hatte viel Gelegenheit, an Stellen zu gelangen, an denen er nicht benötigt wird.

Der Plan sah daher vor, die Fensterrahmen im Abstand von 20 – 30 cm parallel zur Coolac-Wand zu lackieren, um möglichst viel Lack auffangen und die Aerosole vollständig abzusaugen. Dazu bedurfte es allerdings auch einer Neukonstruktion des Hängeförderers an dieser Stelle, um die Rahmen vor dem Lackieren um 90° zu drehen und nach Fertigstellung einer Seite auch noch zu wenden. Dabei sollte der sehr hohe Durchsatz der bestehenden Hängebahn ebenso erhalten bleiben wie deren Strecke an den vor- und nachgelagerten Produktionsschritten und die Gehänge für die Aufnahme der Rahmen.

Auch das Wenden der Fensterrahmen zwischen den Lackierdurchgängen erfolgt mittels Getriebemotor. Bild: TAT

Antriebskompetenz gefragt

Allerdings hatte Handl bereits vor gut zehn Jahren Verkauf und Entwicklung von Hängeförderanlagen eingestellt. So begaben sich die Welser Ingenieure für die Lösung dieser Lineartechnik-Problemstellung auf Partnersuche. Den fanden sie in Form der Firma TAT-Technom-Antriebstechnik GmbH im nahen Pasching, bei der zunächst nur Linearführungen angefragt wurden. Die jahrzehntelange Erfahrung in der Antriebs- und Bewegungstechnik des 1988 gegründeten Unternehmens, das auch über eine eigene Produktion von Anwendersystemen nach Kundenspezifikation auf Basis des TAT-Lineartechnik-Programms verfügt, überzeugten die Handl-Techniker jedoch, den passenden Partner für eine antriebstechnische Komplettlösung vor sich zu haben.

Diese bietet TAT unter der Bezeichnung Powertrain Complete an. „Damit schließen sich Qualität und Wirtschaftlichkeit, Performance und Effizienz, Verlässlichkeit und Dynamik nicht aus, sondern verbinden sich zum perfekt passenden Antriebsstrang“, sagt Ing. Günther Hack, technischer Leiter von TAT. „Jeden von uns als Gesamtlösung gelieferten Antriebsstrang zeichnet Beratung, Auslegung und Einrichtung auf höchstem Niveau ebenso aus wie der ausschließliche Einsatz qualitativ hochwertiger, perfekt den Anforderungen entsprechender Komponenten.“

Powertrain Complete

Auf Basis eines gemeinschaftlich erstellten Pflichtenheftes, in das der Kunde die Details des Ablaufes ebenso einbrachte wie Herstellerpräferenzen, etwa bei den Motoren, und eine Übergangskonstruktion für den Anschluss an die bestehende Hängeförderbahn, konstruierte der TAT-Schwesterbetrieb IMA Ingenieurbüro für Maschinen- und Anlagenbau GesmbH eine Lösung, mit der die Rahmen vom Lackierer per Fußtaster gesteuert vereinzelt und verschwenkt sowie vor der Coolac-Wand positioniert, dann zurück gefahren, gewendet, erneut bereitgestellt und schließlich weiter transportiert werden.

Verwendet wurden die bewährten Antriebstechnik-Komponenten aus dem TAT-Lieferprogramm wie Linearführungen, Planetengetriebe, Riementriebe, Hubzylinder und Aluminumprofil-Grundrahmen sowie Fertigungsteile nach Zeichnung. „Die Herausforderung bei der Erstellung dieser Lösung, die wesentlich verbesserte Arbeitsbedingungen für den Werker schafft, lag in der erforderlichen Positioniergenauigkeit“, sagt IMA-Konstrukteur Ing. Gerhard Humer. „Diese musste unabhängig von weitgehend unbekannten Parametern der Bestandsanlage gewährleistet werden.“

Rasche Umsetzung, lange Nutzungsdauer

Ein heißer Ritt ist es nicht nur für die Gehänge an der Förderstrecke, die mit einer maximalen Verfahrgeschwindigkeit von 1 m/s bewegt werden. Auch für die Umsetzung der Anforderungen stand ab der Kontaktaufnahme im Mai 2013 wenig Zeit zur Verfügung, denn bis zur Inbetriebnahme Ende Juli waren noch einige Grundsatzentscheidungen zu treffen. So war etwa erst im dritten Anlauf trotz der großen Länge der Antriebsanlage dem Riementrieb der Vorzug gegeben worden, weil er ohne Schmierung oder Gleitführungen auskommt und daher über die zu erwartende lange Nutzungsdauer ohne Wartung auskommen wird.

„Der Fensterhersteller möchte schließlich die Anlage über die nächsten 30 Jahre mit ebenso wenig Aufwand betreiben wie in den ersten drei Jahrzehnten“, umreißt Humer eines der Entwicklungsziele. Ein anderes war der gezielte Austausch ‚nur‘ der Antriebstechnik, um den Investitionsbedarf für den Anwender gering zu halten. „Dank der Antriebstechnik von TAT gelang es uns, unter Verwendung weitgehend standardisierter Komponenten eine effiziente Detaillösung zu realisieren“, bestätigt Handl-Projektleiter DI (FH) Oliver Rihl. „Das erste gemeinsam realisierte Projekt zeigt, dass der ‚Upgrade‘ einer Anlage auf den letzten Stand der Technik dank solidem Projektmanagement und eingehender Funktionstests vor Installation innerhalb weniger Tage möglich ist.“ Und damit der weitgehend unterbrechungsfreie, gewinnbringende Betrieb wohl durchdachter Produktionsanlagen über viele Jahrzehnte.