interview

B&R Machine-Centric Robotics: Kompromisslose Roboterintegration

Gemeinsame Steuerung für alle Achsen senkt Einstiegshürde zur Robotik: Um Maschinen zugleich produktiver und flexibler zu gestalten, setzen Maschinenbauer immer öfter Roboter ein. Sie nutzen diese nicht mehr nur vor, zwischen und nach den einzelnen Maschinen, sondern auch in den Maschinen selbst. In der Vergangenheit scheiterte das oft am hohen Aufwand für die Integration der spezifischen Roboter-Steuerungssysteme. Unter Verwendung von ABB-Robotern bietet B&R nun einen einfachen Weg zur nahtlos integrierten Robotik (siehe Bericht in AUTOMATION 7/2019). Der Name dafür lautet Machine-Centric Robotics. Stefan Schönegger, Vice President Product Strategy and Innovation bei B&R erklärt, wie die neue Lösung im Detail aussieht. Das Interview führte Ing. Peter Kemptner, x-technik

Durch die Verschmelzung von Maschinen- und Robotersteuerungen entfallen sämtliche Schnittstellen zwischen Maschine und Roboter. Das ermöglicht die Entwicklung von Maschinen mit höherer Komplexität, mehr Flexibilität und zugleich höherer Produktivität mit überschaubarem Entwicklungsaufwand.

Stefan Schönegger, Vice President Product Strategy and Innovation, B&R

Durch die Verschmelzung von Maschinen- und Robotersteuerungen entfallen sämtliche Schnittstellen zwischen Maschine und Roboter. Das ermöglicht die Entwicklung von Maschinen mit höherer Komplexität, mehr Flexibilität und zugleich höherer Produktivität mit überschaubarem Entwicklungsaufwand. Stefan Schönegger, Vice President Product Strategy and Innovation, B&R

Herr Schönegger, wofür steht der Begriff Machine-Centric Robotics?

Roboter werden z. B. im Automobilbau als eigenständige Maschinen für Aufgaben wie Lackieren und Schweißen herangezogen. In der diskreten Fertigung werden sie bisher vor, zwischen und nach den einzelnen Maschinen verwendet, um komplexe Produktionsketten durchgängig und mit hoher Flexibilität zu automatisieren. Unter Machine-Centric Robotics verstehen wir den Einsatz von Robotern direkt im Herzen der Maschine. Dort können sie z. B. Werkstücke zwischen einzelnen Bearbeitungsschritten ein-, aus- oder umspannen oder in Spritzgussmaschinen Einlegeteile zuführen und fertig gespritzte Teile entformen.

Durch die mikrosekundengenaue Synchronisierung zwischen Sensoren, Roboter und weiteren Achsen lässt sich die Produktivität von Maschinen deutlich erhöhen.

Durch die mikrosekundengenaue Synchronisierung zwischen Sensoren, Roboter und weiteren Achsen lässt sich die Produktivität von Maschinen deutlich erhöhen.

Welche Beweggründe haben zu dieser Entwicklung geführt?

Ein Roboter ist ein völlig eigenständiges System mit einer eigenen Steuerung, meist sogar mit einem eigenen Schaltschrank. Die Roboterprogrammierung erfolgt in der Regel mittels eigener Programmiersprachen. Dass Engineering, Diagnose und Wartung über eigene, meist proprietäre Systeme laufen, erschwert Maschinenbauern die Integration von Robotern in die restliche Maschinenautomatisierung. Aufgrund der Schnittstellen zwischen Maschinen- und Robotersteuerung gestaltet sich die exakte Synchronisation schneller Bewegungsabläufe innerhalb der Maschine schwierig. Die nahtlose Integration von Robotern in B&R-Automatisierungsprojekte ermöglicht nun eine mikrosekundengenaue Synchronisierung zwischen Robotik und Maschinensteuerung.

Der Roboter kann z. B. ein Werkstück ergreifen oder bearbeiten, während sich dieses mit hoher Geschwindigkeit bewegt, etwa auf einem Werkstücktisch oder auf einem Track-System wie ACOPOStrak. Der Produktionsprozess muss dafür nicht verlangsamt werden. Die Bearbeitungszeit verkürzt sich wesentlich und die Produktivität steigt.

Der Roboter kann z. B. ein Werkstück ergreifen oder bearbeiten, während sich dieses mit hoher Geschwindigkeit bewegt, etwa auf einem Werkstücktisch oder auf einem Track-System wie ACOPOStrak. Der Produktionsprozess muss dafür nicht verlangsamt werden. Die Bearbeitungszeit verkürzt sich wesentlich und die Produktivität steigt.

In B&R-Systeme integrierte Robotik ist ja nicht völlig neu. Was ist jetzt anders als bisher?

Nicht neu ist, dass in zahlreichen Projekten Roboterkinematiken direkt von B&R Motion Controllern angesteuert werden. Die Integration von Fremdprodukten bringt jedoch immer auch eine Schnittstellenthematik mit sich. Die Roboter von ABB stehen nun als integrale Bestandteile unseres Automatisierungsportfolios zur Verfügung. Das heißt, unsere Kunden können die ABB-Roboter direkt von B&R beziehen, genauso wie Steuerungen, I/Os, Antriebe oder Track-Systeme. Zurzeit ist B&R der weltweit einzige Hersteller, der Automatisierungslösungen und Robotik aus einer Hand anbietet.

Mit Machine-Centric Robotics lassen sich Maschinen mit integrierten Robotern günstiger herstellen, da die getrennte Robotersteuerung samt Schaltschrank entfällt.

Mit Machine-Centric Robotics lassen sich Maschinen mit integrierten Robotern günstiger herstellen, da die getrennte Robotersteuerung samt Schaltschrank entfällt.

Wie hilft das Maschinenbauern dabei, produktivere Maschinen zu bauen?

Durch die Verschmelzung von Maschinen- und Robotersteuerungen entfallen sämtliche Schnittstellen zwischen Maschine und Roboter. Daher lassen sich die Bewegungen des Roboters und aller anderen Maschinenachsen mit einer noch nie dagewesenen Präzision mikrosekundengenau synchronisieren. Dadurch kann der Roboter z. B. ein Werkstück ergreifen oder bearbeiten, während sich dieses mit hoher Geschwindigkeit bewegt, etwa auf einem Werkstücktisch oder auf einem Track-System wie ACOPOStrak. Da der Produktionsprozess nicht verlangsamt werden muss, verkürzt sich die Bearbeitungszeit wesentlich und die Produktivität steigt.

B&R-Kunden können bis zu 40 verschiedene Knickarm-, Scara-, Delta- und Palettierroboter aus dem umfangreichen, bewährten ABB-Portfolio direkt in ihre Automatisierungslösungen integrieren.

B&R-Kunden können bis zu 40 verschiedene Knickarm-, Scara-, Delta- und Palettierroboter aus dem umfangreichen, bewährten ABB-Portfolio direkt in ihre Automatisierungslösungen integrieren.

Wie funktioniert die Integration der ABB-Roboter technisch?

Die Robotersteuerung wird bei Machine-Centric Robotics nicht benötigt, die Roboterachsen werden vielmehr direkt mit unseren 3-Achs-Servoverstärkern ACOPOS P3 angesteuert. Diese sind über POWERLINK mit Automation PCs oder Steuerungen verbunden, auf denen die Bahnplanung erfolgt. Gleiches gilt auch für die funktionale Sicherheit. Auch dafür ist kein eigenes, getrenntes System erforderlich, die integrierten Safety-Funktionen der ACOPOS P3 kommunizieren per openSAFETY mit den sicherheitsgerichteten Steuerungen der SafeLOGIC-Serie.

Können Maschinen mit Robotern dadurch kostengünstiger hergestellt werden?

Ja, mit Machine-Centric Robotics wird die Herstellung von Maschinen mit integrierten Robotern günstiger, da die getrennte Robotersteuerung samt Schaltschrank entfällt. Auch die Benutzerführung kann vom umgebenden Gesamtsystem mit übernommen werden. Dort lassen sich z. B. auch Bildverarbeitungssysteme ansiedeln, am besten natürlich das ebenfalls voll integrierte Vision-System von B&R. Generell hat die Integration bisher getrennter Systemteile geringere Hardwarekosten und einen geringeren Platzbedarf zur Folge. Zusätzlich sinkt durch Standardisierung der Hardware und der Softwaretools der Aufwand im Engineering. Das alles senkt die Kosten für Herstellung und Instandhaltung der Maschine.

Mit welcher Programmiersprache erfolgt die Roboterprogrammierung?

Der Applikationsersteller programmiert die Roboterbewegungen, gemeinsam mit allen anderen Teilaufgaben der Maschinenautomatisierung, im gewohnten Umfeld der Engineeringumgebung Automation Studio. Dafür stehen dort sämtliche von der Maschinenprogrammierung her bekannten Methoden zur Verfügung, etwa Kontaktplan, strukturierter Text und C/C++. Das ermöglicht auch eine automatisierte Code-Erstellung für die Gesamtmaschine aus Simulationswerkzeugen wie Matlab Simulink oder Maplesoft.

Ist auch eine Programmierung mittels mapp-Bausteinen möglich?

Selbstverständlich. Um das Erstellen von Maschinenapplikationen inklusive der Robotik noch weiter zu erleichtern, bietet B&R mit mapp Robotics vorkonfigurierte Softwarebausteine. Dabei steht für jeden Robotertyp ein Template mit voreingestellten physikalischen Parametern zur Verfügung. Neben Standardfunktionen zur Steuerung und Inbetriebnahme von Robotern umfasst mapp Robotics als Teil von mapp Motion auch fortgeschrittene Robotik-Funktionen wie Feed Forward, Kompressor und Arbeitsbereichsüberwachung. Auf dieser Basis können Anwender ohne Programmierung, nur durch das Setzen von Parametern komplexe und hochdynamische Anwendungen schaffen.

Wie weit reicht hier die Integration?

Die mapp-Robotics-Komponenten sind nahtlos mit allen anderen mapp-Funktionen verknüpft. Neben der Nutzerverwaltung, dem Alarmsystem und der Web-Visualisierung mapp View gehören dazu z. B. auch die Bausteine von mapp Control für Regelungstechnik und die Bildverarbeitungsmodule von mapp Vision. Mit den vorgefertigten Software-Bausteinen der SafeROBOTICS-Bibliothek werden sich auch sichere Roboter-Applikationen einfach und unkompliziert umsetzen lassen. Durch die durchgängige Verwendung der abgeschlossenen, getesteten Bausteine können Maschinenbauer die Entwicklungszeit deutlich verkürzen. Gleiches gilt für die integrierte Simulation der Roboter gemeinsam mit der Gesamtapplikation.

Was bringt die integrierte Simulation?

Je komplexer eine Maschine ist, desto wichtiger ist es, ihre Funktionen vor dem Bau physischer Prototypen im Computermodell zu simulieren. Durch die Integration der ABB-Roboter in das B&R-System stehen dessen umfassende Simulationsmöglichkeiten selbstverständlich auch für die Robotik zur Verfügung. Da wir dafür auf die originalen 3D-Kinematikmodelle von ABB zugreifen können, ermöglicht das den Aufbau eines vollständigen digitalen Zwillings der Gesamtanlage für Simulation und Optimierung.

Welche ABB-Roboter stehen als Teil des B&R-Angebotes zur nahtlosen Integration zur Verfügung?

Wir werden sehr rasch ein umfassendes Portfolio bestehend aus Knickarm-, Scara- und Deltaroboter anbieten können. Beginnend bei sehr kleinen Robotern mit knapp einem halben Meter Reichweite bis hin zu sehr großen Robotern mit einer Reichweite von deutlich über zwei Meter.

An wen wenden sich Anwender, wenn sie Unterstützung benötigen?

Einer der Vorteile der direkten Integration der ABB-Roboter in das B&R-Produktportfolio und die Lösung Machine-Centric Robotics ist, dass die Applikationsspezialisten von B&R mit ihrem Maschinenbau-Know-how auch den Support für die Komplettlösung geben können.

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach der integrierten Robotik?

Der Bedarf an Machine-Centric Robotics übertrifft unsere kühnsten Erwartungen. Quer über alle Branchen hinweg scheint die Industrie auf diese Lösung gewartet zu haben. Als Grund dafür sehe ich in erster Linie, dass Machine-Centric Robotics eine weitere Steigerung der Maschinenkomplexität ermöglicht und diese hohe Komplexität auch beherrschbar bleibt.

Gibt es auf dem Markt bereits fertige Maschinen mit Machine-Centric Robotics?

Maschinen mit vollintegrierten ABB-Robotern sind bei einigen Maschinenbauern bereits in der Entwicklung. 2021 beginnt die Serienauslieferung an Endkunden.

Besten Dank für diese Einblicke!

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