interview

Hydraulik 4.0

Seit Jänner 2013 ist Manfred Haase Geschäftsführer von Bosch Rexroth Österreich. Im Gespräch mit Fachredakteur Ing. Peter Kemptner zeichnete er am Rande der SMART Automation 2013 für x-technik AUTOMATION ein Bild der Vision, die hinter den aktuellen Produktneuheiten von Bosch Rexroth steht. Unterstützt wurde er dabei in Detailfragen vom Leiter Vertrieb Applikation, Dipl.-Ing. Reinhard Brandstetter. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Mit dem Open Core Interface, einer neuen Schnittstellentechnologie für Rexroth-Steuerungen, können Softwareentwickler Applikationsprogramme mit Java als native Apps gestalten und Smart Devices nahtlos in die Automatisierung einbinden.

Mit dem Open Core Interface, einer neuen Schnittstellentechnologie für Rexroth-Steuerungen, können Softwareentwickler Applikationsprogramme mit Java als native Apps gestalten und Smart Devices nahtlos in die Automatisierung einbinden.

Manfred Haase
Geschäftsführer Bosch Rexroth GmbH

„„Mit der Bündelung vieler Funktionen als einfach wiederverwendbare Technologiebausteine und mit Open Core Engineering erhöht Bosch Rexroth Effizienz und Freiheitsgrade im Engineering und vereinfacht die Vernetzung der Automatisierung mit der IT-Welt.““

Nachdem Bosch Rexroth zuletzt wegen der Abgabe des Pneumatik-Geschäfts in den Medien war, ist die Frage naheliegend, ob mit den verbleibenden Geschäftsfeldern eine Konsolidierung geplant ist, oder ob diese die Basis für weitere Expansionen bilden sollen. Vor allem auf dem Gebiet der softwaregesteuerten Hydraulik war ja auf der SMART Automation 2013 in Linz keine Zurückhaltung erkennbar. Auf dem Stand von Bosch Rexroth schien die vieldiskutierte Vernetzung der industriellen Antriebstechnik mit der IT-Welt im Sinne des „Internet der Dinge“ die Hauptrolle zu spielen.

Zufriedene Gesichter überall, auch bei Manfred Haase. Seit 29 Jahren bei Bosch Rexroth, ist er von Deutschland nach Linz gezogen und dort seit Jahreswechsel Geschäftsführer der Bosch Rexroth GmbH. Da nicht alle Leserinnen und Leser ihn kennen werden, wollte x-technik AUTOMATION in diesem Interview mehr über den neuen Österreich-Chef und seinen Zugang sowie den von Bosch Rexroth zu den anstehenden Themen – Stichwort Industrie 4.0 – erfahren.

Durchgängige Sicherheitslösung von der Sicherheitssteuerung bis zur antriebsintegrierten Sicherheit mit CIP Safety on sercos.

Durchgängige Sicherheitslösung von der Sicherheitssteuerung bis zur antriebsintegrierten Sicherheit mit CIP Safety on sercos.

Herr Haase, möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Mit der neu entwickelten Frequenzumrichter-Baureihe EFC 3600 erschließt Bosch Rexroth wirtschaftlich Potenziale für die energieeffiziente Prozesssteuerung.

Mit der neu entwickelten Frequenzumrichter-Baureihe EFC 3600 erschließt Bosch Rexroth wirtschaftlich Potenziale für die energieeffiziente Prozesssteuerung.

Manfred Haase:

Zwanzig Jahre nach meinem Einstieg bei Bosch Rexroth wechselte ich vor neun Jahren in die Vertriebsorganisation, wo ich wie zuvor unterschiedlichste Stationen durchlaufen habe. Dass ich seit Januar 2013 die Geschäftsführung für Bosch Rexroth in Österreich ausüben darf, halte ich für den wichtigsten Schritt meiner bisherigen Karriere im Unternehmen. Bosch Rexroth in Österreich ist ein mittelständisches Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern, bei dem alles unter einem Dach zu finden ist. ‚Unter einem Dach‘ ist dabei nicht geografisch gemeint, sondern umfasst die Blockfertigung in Linz und den Aggregatebau in Pasching. Wien ist ein zusätzlicher Vertriebsstandort, der die Kunden in Ostösterreich betreut. Das sorgt für ein enges Miteinander, das dem Unternehmen die Fähigkeit verleiht, flexibel und schnell auf Kundenbedürfnisse zu reagieren. Eine extrem ausgeprägte Kundenorientierung ist deshalb Teil der Unternehmenskultur. Großen Wert legen wir traditionell auf die Mechatroniker-Lehrlingsausbildung im Haus.

Die autarke elektrohydraulische Servoachse bietet Linear-Power ohne spezifische Hydraulikkenntnisse.

Die autarke elektrohydraulische Servoachse bietet Linear-Power ohne spezifische Hydraulikkenntnisse.

Wie sehen Sie den österreichischen Markt?

Manfred Haase:

Teilweise entkoppelt von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Europa, ist die wirtschaftliche Situation in Österreich eine Besondere. In Österreich haben viele mittelständische Unternehmen ihren Sitz, die ihre Produkte teilweise in Nischen anbieten und auf ihren Gebieten Weltmarktführer sind: Sie zeigen eine überdurchschnittliche Performance und erobern – entgegen dem Trend – mit ihren Produkten auch ferne Märkte. Diese verlangen von uns eine Bedienung nicht nur mit Komponenten, sondern insbesondere mit Lösungsansätzen und aktiver Unterstützung. Solche Betriebe eröffnen uns einen Teil ihrer Geheimnisse. Dafür können sie zu Recht erwarten, dass wir entlang ihrer Problemstellungen mitdenken und vor allem Lösungen und Produkte entwickeln, mit denen sie ihre Stellung im Markt weiter ausbauen können.

Alles spricht von Industrie 4.0. Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen, mit denen sich Maschinenbauer in erster Linie konfrontiert sehen?

Manfred Haase:

Im Maschinenbau entscheiden Schnelligkeit und Kreativität in der Entwicklung wesentlich über die Marktposition der überwiegend mittelständischen Unternehmen. Das macht in allen Disziplinen die Steigerung der Engineering-Effizienz zur zentralen Anforderung, denn der Maschinenbau ist hierzulande längst eine vollständig mechatronische Aufgabe geworden. Bei all dem bleibt die Entwicklung von für die Anwender nutzbringenden Unterscheidungsmerkmalen wichtiges Ziel. Zudem steht längst keine Maschine mehr isoliert in der Produktionshalle. Vielmehr findet ein kontinuierlicher Datenaustausch mit Manufacturing Execution Systemen oder Produktionsrechnern statt, die auf der Hochsprachen-basierten IT-Automatisierung aufbauen. Hier besteht die Herausforderung darin, die Welten von SPS- und IT-Programmierung so zu verbinden, dass Maschinenbauer sie flexibel nutzen können.

Mit welchen Angeboten adressiert Bosch Rexroth speziell diesen Trend zu mehr Vernetzung?

Manfred Haase:

Ein wichtiger Stellhebel für den Erfolg im Entwicklungs-Wettbewerb ist das Software-Engineering. Hier setzt Bosch Rexroth mit einer neuen, offenen Schnittstellentechnologie an und räumt Maschinenbauern mehr Freiheiten im Engineering ein. Als erster Steuerungshersteller hat das Unternehmen im Rahmen von Open Core Engineering – in Hannover mit dem Hermes Award ausgezeichnet – den Zugriff bis auf den Kern seiner Steuerungen freigegeben. Maschinenhersteller können so Softwarefunktionen eigenständig und damit schneller umsetzen. Darüber hinaus können sie neben der SPS-Programmierung die von ihnen präferierte Hochsprache oder Geräteplattform nutzen und auf diese Weise auch Smart Devices nahtlos in die Automatisierung integrieren.

Reinhard Brandstetter:

Maschinenhersteller sind so in der Lage, aus standardisierten Lösungen heraus neue Ideen zu entwickeln, etwa für die Bedienung und Systemüberwachung. Mit Open Core Engineering schafft Bosch Rexroth die Voraussetzung für schnellere Abläufe und mehr Freiheiten im Engineering und vereinfacht die zunehmende Vernetzung der Automatisierung mit der IT-Welt. Mit der neuen Schnittstellentechnologie für Rexroth-Steuerungen lässt sich z. B. ein Smartphone für die Diagnose nutzen. Über eine entsprechende Diagnose-App kann der Maschinenbediener unter anderem das komplette Logbuch der Steuerung auslesen und Systeminformationen bei Bedarf per Email direkt an den Service schicken.

Sie sprachen von Mechatronik. Wo sehen Sie heute Gemeinsamkeiten und Unterschiede der hydraulischen und elektrischen Antriebstechnik, wo die Synergiepotenziale?

Reinhard Brandstetter:

Keine Technologie hat nur Vor- oder Nachteile, schon gar nicht auf allen Gebieten. Die hydraulische Antriebstechnik punktet vor allem dort, wo eine sehr hohe Energiedichte benötigt wird und zudem eine hohe Dynamik eine Rolle spielt, sowohl im Maschinen- und Anlagenbau als auch bei mobilen Arbeitsmaschinen. Seit einigen Jahren herrscht ein Trend zur Verbindung der hohen Kraftdichte der Hydraulik mit der einfachen Steuer- und Regelbarkeit der Elektrik, der zur Entwicklung servo-hydraulischer Hybridsysteme geführt hat. Deren im Vergleich zu klassischen Systemen minimaler Energieverbrauch und Geräuschpegel sorgt für eine Amortisierung der Mehrkosten innerhalb sehr kurzer Zeit und hat sie in vielen Anwendungen bereits zum Standard gemacht.

Manfred Haase:

Der Vorteil von Bosch Rexroth ist dabei die Breite der Angebotspalette. Sie umfasst unterschiedlichste Lösungsansätze auf Basis verschiedenster Technologien, sodass wir keine Neigung haben, unseren Kunden bestimmte Dinge „aufzuschwatzen“. Da wir aus dem Vollen schöpfen, können wir uns voll auf die Problemstellung konzentrieren.

Ein weiterer Trend im Maschinenbau ist die Modularisierung der Gesamtmaschinen durch baukastenartiges Zusammenstellen aus teilautonomen Funktionseinheiten mit einer Vielzahl von Varianten und Optionen. Was ist die Antwort von Bosch Rexroth auf diese Entwicklung?

Manfred Haase:

Weil nur durch Wiederverwendung bewährter Entwicklungsergebnisse die sportlichen Zeit- und Kostenziele im Engineering einzuhalten sind, hat Bosch Rexroth viele Funktionen in einfach wiederverwendbaren branchen- und technologiespezifischen Funktionspaketen gebündelt, die Anwender in der Programmierung meist nur noch parametrieren müssen. Ein Beispiel aus dem Themenkreis der vorigen Frage ist das Antriebskonzept „autarke Achse“. Damit bietet Bosch Rexroth Konstrukteuren die Vorteile hydraulischer Linearbewegungen als einbaufertiges Modul mit integriertem, vollständig geschlossenem Fluidkreislauf, einem Steuerblock mit digitalen Ventilen und einem Hydraulikzylinder. Ebenfalls integriert ist ein drehzahlvariabler Pumpenantrieb.

Was sind die Vorteile der autarken Achse? Warum halten Sie sie für eine Schlüsselkomponente im Maschinenbau der Zukunft?

Reinhard Brandstetter:

Die autarke Achse benötigt lediglich einen elektrischen Anschluss, sie kommuniziert z. B. über eine Ethernet-Schnittstelle mit der übergeordneten Steuerung. Das gestattet den Wegfall der externen Ölversorgung des Antriebs und somit auch der Verrohrung und begünstigt den Aufbau modularer Maschinenkonzepte. Darüber hinaus benötigen Konstrukteure und Automatisierungstechniker für die Entwicklung von Maschinen unter Verwendung dieser starken Linearachsen keinerlei Hydraulikkenntnisse.

Mit welchen weiteren auf der SMART Automation gezeigten Innovationen greift Bosch Rexroth die aktuellen Engineering-Problemstellungen auf?

Manfred Haase:

Modularisierung und Optionenvielfalt konfrontieren Ingenieure mit einer großen Herausforderung, wenn es um die Integration der funktionalen Sicherheit geht. Deshalb integriert Bosch Rexroth die Sicherheitstechnik – von der Sicherheitssteuerung bis zur antriebsintegrierten Sicherheit – über das Sicherheitsprotokoll CIP Safety on sercos ohne zusätzliche Verdrahtung in das Automatisierungsnetzwerk. Mit der neu entwickelten, für eine einfache und schnelle Inbetriebnahme optimierte Frequenzumrichter-Baureihe EFC 3600 erschließt Bosch Rexroth zudem die Potenziale der bedarfsgerechten Drehzahlregelung elektrischer Antriebe zur Steigerung der Energieeffizienz im Maschinenbau.

Diese beiden Innovationen vergrößern weiter die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten aus dem Hause Bosch Rexroth, die Entwicklungsingenieure wegen der Freiheitsgrade, die sie ihnen bietet, sehr schätzen.

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