interview

Siemens AG Österreich MindSphere: Fliehkraft für Produktion & neue Geschäftsfelder

IoT-Ecosystem MindSphere: Um sich im stetig steigenden Wettbewerb behaupten zu können, sind Unternehmen zusehends gezwungen nicht nur ihre Produkte massentauglich und doch individualisiert sowie preiswert zu gestalten. Nebst dieser Vorgabe gilt es auch neue Geschäftsfelder als Komplementär zum bestehenden Produktportfolio zu kreieren und damit auch die Kundenbindung zu festigen. Mit MindSphere – dem Cloud-basierten, offenen Internet of Things-Ecosystem – hilft Siemens OEMs und Produktionsbetrieben aus ihren Daten konkrete Wettbewerbsvorteile zu generieren und dabei auch noch neue Geschäftsfelder zu erschließen. Im Gespräch mit Peter Lager, Head of Industry Services – Digital Factory bei Siemens Österreich, erörtert x-technik den vielseitigen Nutzen sowie die dafür nötigen Voraussetzungen um Produktions- und Geschäftsprozesse über die Cloud abwickeln zu können. Das Gespräch führte Luzia Haunschmidt / x-technik

„Datenbasierte Services über die MindSphere werden von Siemens beispielsweise zur vorausschauenden Instandhaltung von Werkzeugmaschinen (Machine Tool Analytics) oder von integrierten Antriebssystemen (Drive Train Analytics), wie auch für Energy- und Prozess Daten-Analysen angeboten“, erklärt Peter Lager, Head of Industry Services – Digital Factory bei Siemens Österreich

„Datenbasierte Services über die MindSphere werden von Siemens beispielsweise zur vorausschauenden Instandhaltung von Werkzeugmaschinen (Machine Tool Analytics) oder von integrierten Antriebssystemen (Drive Train Analytics), wie auch für Energy- und Prozess Daten-Analysen angeboten“, erklärt Peter Lager, Head of Industry Services – Digital Factory bei Siemens Österreich

Peter Lager
Head of Industry Services – Digital Factory bei Siemens Österreich

„Datenbasierte Services über die MindSphere werden von Siemens beispielsweise zur vorausschauenden Instandhaltung von Werkzeugmaschinen (Machine Tool Analytics) oder von integrierten Antriebssystemen (Drive Train Analytics), wie auch für Energy- und Prozess Daten-Analysen angeboten.

Herr Lager, nach einer erfolgreichen Pilotphase brachte Siemens MindSphere – die Siemens Cloud for Industry – im März 2016 auf den Markt. MindSphere ist als offenes Ökosystem konzipiert – was dürfen sich Ihre Anwender prinzipiell darunter vorstellen?

Der Grundgedanke von MindSphere als offenes Ökosystem ist der, dass Siemens nicht auf proprietären Standards basierend nur seine eigenen Servicesysteme aus der Cloud anbieten will, sondern MindSphere auch für die Angebote seiner Partner und Drittanbieter offen ist. Das heißt, dass Entwicklungskits und auch Designrichtlinien auf MindSphere von Siemens angeboten werden, aber nebst den Siemens-Softwareapplikationen und -Utilities sollen in Zukunft auch derartige Angebote ihren Platz finden.

Selbstverständlich beginnen wir vorerst mit der Implementierung unserer jüngsten und aktuellsten Siemens-Innovationen und binden dann nach und nach unsere älteren Geräte und Softwareangebote in MindSphere ein. Das MindSphere-Konzept sieht jedoch – wie bereits erwähnt – in seiner konnektivitätsbasierten Ausrichtung vor, dass per Interface auch Drittanbieter und OEM-Kunden ihre Gerätschaften, Steuerungen etc. und Applikationen in die Siemens-Cloud integrieren können.

Darüber hinaus wird es auch möglich sein, dass andere App-Entwickler aufgrund von in der MindSphere gelagerten Daten ihre speziellen Apps – sei es nun für Eigenzwecke oder auch als weitere Serviceangebote für ihre Kunden – dazu bauen können.

MindSphere ist als offenes Ökosystem konzipiert. Industrieunternehmen können sie als Basis für eigene digitale Services einsetzen, etwa im Bereich vorausschauende Instandhaltung, Energiedatenmanagement oder Ressourcenoptimierung.

MindSphere ist als offenes Ökosystem konzipiert. Industrieunternehmen können sie als Basis für eigene digitale Services einsetzen, etwa im Bereich vorausschauende Instandhaltung, Energiedatenmanagement oder Ressourcenoptimierung.

Für welche digitale Anwender-Services erweist sich die MindSphere als besonders vorteilhaft?

Das ist von zwei Marktausprägungen her zu betrachten. Einerseits aus der Sicht der OEMs, die ihre weltweit verteilten Maschinenflotten über die Plattform MindSphere mittels Datenanalyse effizienter überwachen wollen, um z. B. so ihre Instandhaltungs-, Wartungs- und Ersatzteilservices verbessert anbieten zu können. Aber auch Detailinformationen zu einzelnen Maschinen der OEMs ermöglichen es, Optimierungspotenziale rascher zu eruieren, indem z. B. Feedback-Schleifen von allen im Prozess bereits stehenden Maschinen an die Serviceabteilung des Herstellers über MindSphere eingezogen werden.

Der zweite Interessent ist der Endkunde, der wissen möchte, welche KPIs (Key Performance Indicators / Leistungskennzahlen) er zwischen seinen Maschinen verknüpfen könnte, um beispielsweise die tatsächliche Auslastung seines Maschinenparks, den Energie-, den Ressourcenverbrauch, die Instandhaltung oder gar seine logistischen Prozesse optimieren zu können.

Zu all diesen und vielen mehr angeführten Leistungen und Services können individuelle Apps für eigene Zwecke von den MindSphere-Nutzern entwickelt und in Folge – wenn gewünscht – auch als neue Geschäftsmodell-Angebote offeriert werden.

Siemens und ausgewählte Partner bauen ihre Zusammenarbeit zum Schutz von industrielleren Automatisierungssystemen vor Cyber-Bedrohungen aus. Im Rahmen der Plant Security Services setzen Siemens-Experten Intel Security-Lösungen wie beispielsweise Antiviren-Software, Whitelisting oder Security Information und Event Management (SIEM) ein.

Siemens und ausgewählte Partner bauen ihre Zusammenarbeit zum Schutz von industrielleren Automatisierungssystemen vor Cyber-Bedrohungen aus. Im Rahmen der Plant Security Services setzen Siemens-Experten Intel Security-Lösungen wie beispielsweise Antiviren-Software, Whitelisting oder Security Information und Event Management (SIEM) ein.

Für welche eigenen Bereiche bietet Siemens datenbasierte Services über die MindSphere an?

Datenbasierte Services über die MindSphere werden von Siemens beispielsweise zur vorausschauenden Instandhaltung von Werkzeugmaschinen (Machine Tool Analytics) oder von integrierten Antriebssystemen (Drive Train Analytics), wie auch für Energy- und Prozess Daten-Analysen angeboten.

Als fertige Siemens-MindApps sind bereits heute der Fleet Manager und der Visual Analyzer auf MindSphere verfügbar. Diese helfen den Anwendern, ihre Maschinen und Anlagen an MindSphere anzuschließen, zu konfigurieren und die für die Analyse relevanten Daten auszulesen und zu visualisieren. Weitere Applikationen sind – wie bereits erwähnt – in Arbeit und werden den Anwendern kontinuierlich zur Verfügung gestellt.

Die neue Connector Box ist ein Simatic IPC basiertes Cloud Gateway, welches die einfache und sichere Erfassung und Übertragung von Maschinen- und Anlagendaten in die Cloud ermöglicht.

Die neue Connector Box ist ein Simatic IPC basiertes Cloud Gateway, welches die einfache und sichere Erfassung und Übertragung von Maschinen- und Anlagendaten in die Cloud ermöglicht.

In welchen Programmiersprachen können Siemens MindSphere-Kunden Apps für eigene Dienstleistungsangebote entwickeln?

Sämtliche zu erstellende Apps können derzeit in den Programmiersprachen Java native und Java Script entwickelt werden. Darüber hinaus sollen zukünftig auch .NET-Anwendungen unterstützt werden, da .NET-Entwickler bei der Kreierung neuer MindSphere Apps von ihren bestehenden Anwendungen und Expertisen durch reduzierten Einarbeitungs- und Programmieraufwand und somit einer schnelleren Projektumsetzung profitieren können.

Das Kontrollzentrum für MindSphere zeigt immer aktuell die wichtigsten Daten zu Anlagen und Systemen.

Das Kontrollzentrum für MindSphere zeigt immer aktuell die wichtigsten Daten zu Anlagen und Systemen.

Und über welche Tools erfolgt der Anschluss von Maschinen und Anlagen an MindSphere?

Zum herstellerunabhängigen Anschluss von Maschinen und Anlagen an MindSphere bietet Siemens die Connector Box an – sie ist ein Simatic IPC basiertes Cloud Gateway. Die Connector Box „MindConnect Nano“ wurde auf Basis der von Siemens in der Pilotphase gesammelten Erfahrungen weiterentwickelt. Mit ihr erhalten unsere Kunden eine Plug-and-Play-Lösung, die auf einfache und sichere Weise Daten aus industriellen Assets ausliest, diese für die Übertragung in die MindSphere vorbereitet und anschließend die verschlüsselten Daten sicher in die MindSphere überträgt, wo sie für diverse Analysezwecke bereitgestellt werden. Selbstverständlich können auch die aktuellen Steuerungen unserer Simatic S7 Produktfamilie über S7 Protokoll einfachst mit MindSphere verbunden werden.

Ein weiteres Gateway für die Verbindung zwischen Cloud, firmeneigener IT und Produktion bieten wir mit Simatic IOT2040, welches für industrielle IT-Lösungen zur Sammlung, Verarbeitung und Übermittlung von Daten direkt im Fertigungsumfeld angelegt ist. Praktisch gesagt, lässt sich damit die Fertigung mit einer Cloud-basierten Datenanalyse von Maschinen- und Produktionsdaten für z. B. präventive Wartungen verbinden. Simatic IOT2040 erfasst und speichert die relevanten Daten, überträgt diese an ein Cloud-basiertes Analyse-Tool und die ausgewerteten Daten aus der Cloud dann an das Wartungssystem der Produktion. Dieser kontinuierliche Datenaustausch schließt den Regelkreis zur Optimierung der Wartungsintervalle in einer Fertigung. Das Simatic IOT2040-Gateway kann auch in bestehenden Anlagen nachgerüstet werden und kann ferner, nebst der Siemens Cloud MindSphere, in jeder beliebigen Cloud-Infrastruktur betrieben werden.

Und keine Frage, in Zukunft werden weitere Möglichkeiten zur Anbindung an die MindSphere bereitgestellt – wie z. B. per Software Development Kit, Software Agent oder weitere Integrationen in Simatic.

Auf welchen Cloud-Infrastrukturen ist die Siemens MindSphere derzeit verfügbar?

Im Prinzip ist die Siemens-Cloud aus sicherheitstechnischen Gründen eine Private-Cloud, welche jedoch für die Zwecke eines offenen Ökosystems für einen ausgewählten Kreis (= registrierte Nutzer) verfügbar ist. Somit laufen MindSphere und ihre zugehörigen Anwendungen momentan ausschließlich auf der Cloud-Infrastruktur von SAP HANA, werden jedoch im Laufe dieses Jahres auch auf der Microsoft Cloud-Plattform Azure angeboten werden.

Die Reduzierung von Kosten über den gesamten Wertschöpfungsprozess ist Thema eines jeden Unternehmens. Inwiefern kann die Nutzung von MindSphere dahingehend punkten?

Durchlaufzeiten senken, die Flexibilität erhöhen, individualisierte Massenproduktion ermöglichen sowie den Energie- und Ressourcenverbrauch verbessern – das sind die Themen mit denen sich heutzutage produzierende Unternehmen beschäftigen müssen. Und dazu heißt es, die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren – und zwar beginnend beim Design über die Produktionsplanung und das Engineering bis hin zu den Services. Grundlage hierfür ist die Unmenge an gesammelten Daten – die Big Data – auszuwerten und zu erkennen, welche wirklich wichtig sind und diese in sogenannte smarte Daten zu transferieren. Dies ist mit MindSphere als Verbindungsglied der realen mit der virtuellen Produktionswelt möglich – und so können frühzeitig fundierte Entscheidungen für eine zu optimierende Wertschöpfungskette getroffen werden und in Folge Kosten vorausschauend und dauerhaft gesenkt werden.

Der Sicherheitsgedanke von in einer Cloud gelagerten Daten beschäftigt gerade OEMs wie produzierende Unternehmen besonders. Wie sieht es dahingehend mit Ihren Aktivitäten aus?

Es ist richtig, dass die zunehmende Vernetzung industrieller Infrastrukturen – wie Industrial Internet of Things oder Industrie 4.0 – sowie von Produktions- und Office-IT adäquate Schutzmaßnahmen erfordert. So ist auch in Folge die Sicherheitsthematik von in einer Cloud gelagerten Daten Siemens schon seit Jahren ein immenses Anliegen. Wir bieten gemeinsam mit ausgewählten Partnern unseren Kunden der Fertigungs- und Prozessindustrie umfassende Security-Services und -Produkte für die Produktions- und Office-IT an. Das Angebot reicht hierbei von Analysen der Sicherheitslage über die Einrichtung von Schutzmaßnahmen wie Firewalls bis hin zur kontinuierlichen Überwachung von Anlagen.

Mit den Services können Industrieunternehmen den sich kontinuierlich verändernden Sicherheitsbedrohungen begegnen und so ihre Produktivität in vier Bereichen sichern: Assess Security, Implement Security, Manage Security sowie Certify Security.

In der „Assess Security“-Phase führen Siemens und Atos Assessments durch, um den Ist-Zustand eines Unternehmens zu bestimmen. Dies beginnt mit einer Analyse des Risikos, indem der Sicherheitsstatus einer Industrieanlage evaluiert wird. Im „Implement Security“-Stadium geht es um die Gestaltung und den Aufbau einer sicheren Produktion. Im Bereich „Manage Security“ wird darauffolgend per kontinuierlichem Monitoring der Sicherheitszustand einer Anlage mit einer Reihe von integrierten proaktiven Services den sich wandelnden Cyber-Bedrohungen begegnet. Und im Bereich „Certify Security“ helfen wir schlussendlich Industrieunternehmen bei ihrer Zertifizierung.

Das sind alles security-Maßnahmen für die Produktionsebene. Und wie sieht es mit Ihren Aktivitäten auf der Netzwerkseite aus?

Keine Frage, das zentrale Element des industriellen Security-Konzeptes ist die Netzwerksicherheit. Auch hierzu waren wir nicht untätig und bieten dazu Schutzmechanismen von Automatisierungsnetzen vor unbefugten Zugriffen und die Kontrolle aller Schnittstellen zu andern Netzen wie z. B. Büronetzwerke und den Fernwartungszugängen zum Internet. Dazu werden die Übergänge zu anderen Netzwerken per Firewalls und – wenn nötig – sogar mittels Aufbau einer „demilitarisierten Zone“ (das ist ein Netzwerk mit sicherheitstechnisch kontrollierten Zugriffsmöglichkeiten auf die darin vorhandenen Daten, Geräte, Server und Dienste) geschützt. Darüber hinaus gilt es aber auch Maßnahmen zum Schutz der Kommunikation vor Abhörungen und Manipulation zu treffen, was heißt, die Verschlüsselung von Datenübertragungen und Authentisierungen der jeweiligen Kommunikationsteilnehmer vorzunehmen. Als Abschirmfunktionen haben sich hierzu speziell bei Fernzugriffen VPN-Mechanismen besonders bewährt. Somit unterstützen unsere industriellen Internet- und Mobilfunk-Router VPN, um damit Daten gesichert über diese Netze übertragen und unbefugte Zugriffe unterbinden zu können. Außerdem bieten wir mit unserer Managementplattform SINEMA Remote Connect eine Server-Applikation, die für die sichere Verwaltung von Tunnelverbindungen zwischen der Zentrale, den Servicetechnikern und den installierten Anlagen sorgt.

Gibt es schon MindSphere-Erfahrungen Ihrer Kunden?

Da wir uns in der Einführungsphase befinden, gibt es in Österreich noch keine MindSphere-Erfahrungen. Wir haben soeben Gespräche mit interessierten Kunden zur Realisierung von ersten Projekten gestartet. Das bisherige Feedback ist äußerst vielversprechend. In Deutschland hat das international tätige Unternehmen Gämmerler GmbH – es ist auf Maschinen im Bereich der Druckweiterverarbeitung spezialisiert – bereits seine Maschinenprozesse erfolgreich über MindSphere optimiert und sich durch datenbetriebene Service-Angebote über eigens per MindSphere entwickelte Apps von seinen Mitbewerbern deutlich differenzieren können.

Auch der finnische Konzern Stora Enso – das weltweit zweitgrößte Forstunternehmen sowie einer der größten Papier- und Verpackungsmittelhersteller – bindet soeben die Produktion seiner jüngst in China platzierten Kartonfabrik an MindSphere an, um damit seine hohe Produktionsleistung, -effizienz und -qualität bei einer sehr hohen Produktkomplexität sicherzustellen und eine bessere Transparenz über die Verfügbarkeit seiner Anlage zu erhalten. Auch Stora Enso plant noch dieses Jahr über MindSphere eigene App-Entwicklungen für End-Kunden-Services zu generieren.

Herr Lager, herzlichen Dank für die neuesten Informationen zum Thema Industry Cloud!

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