Dornröschenkuss für historische Technik

Retrofit verleiht Kraftwerk aus 1921 Modernisierungsschub: Jahrelang stand die Wasserkraftanlage des Museums „Neue Hütte“ im thüringischen Schmalkalden still. Jetzt hat die „Gesellschaft energetischer Projekte“ die Anlage wieder zum Leben erweckt – gesteuert von einem CompactLogix™ Programmable Automation Controller (PAC), Teil der Integrated-Architecture-Plattform von Rockwell Automation.

Seit 1921 wurde in Schmalkalden aus Wasserkraft Strom erzeugt.

Seit 1921 wurde in Schmalkalden aus Wasserkraft Strom erzeugt.

Alte Technik wieder zum Laufen zu bringen, fasziniert Frank Petter. Vor allem die alten Wasserkraft-Anlagen in Thüringen haben das Interesse des Elektroingenieurs geweckt. Zusammen mit zwei weiteren Partnern – einem Maschinenbauingenieur und einem Metallbaumeister – hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Die Gesellschaft energetischer Projekte, kurz GeP, deren Geschäftsführer er auch ist, wurde gegründet. Diese befasst sich mit der Restaurierung und Wiederinbetriebnahme von alten Wassermühlen und Wasserkraftanlagen. „Unser Ziel ist es, historische Technik für die Nachwelt zu erhalten“, erklärt Petter.

Dabei arbeitet das Unternehmen mit öffentlichen Trägern wie Stadtverwaltungen oder wie in diesem Fall auch mit einem Museum zusammen. Die GeP wollte die historische Wasserkraftanlage des technischen Museums „Neue Hütte“ wieder ans Netz bringen. Dafür machten sich Frank Petter und seine Kollegen auf die Suche nach einer passenden Lösung. Mit der neuen kompakten Steuerung der CompactLogix™-Baureihe wurden sie fündig, da sie besonders für kleine und mittlere Maschinenanwendungen geeignet ist.

In der 1835 gegründeten Industrieanlage „Neue Hütte“ in Schmalkalden wurden bis 1924 einheimische Eisenerze auf Holzkohlenbasis zu Roheisen verhüttet.

In der 1835 gegründeten Industrieanlage „Neue Hütte“ in Schmalkalden wurden bis 1924 einheimische Eisenerze auf Holzkohlenbasis zu Roheisen verhüttet.

Stillstand in der Turbinenanlage

In der spätklassizistischen, 1835 gegründeten Industrieanlage „Neue Hütte“ in Schmalkalden wurden bis 1924 einheimische Eisenerze auf Holzkohlenbasis zu Roheisen verhüttet. Die „Neue Hütte“ ist eines der letzten Zeugnisse dieser Technologie in Mitteleuropa. 1921 wurde die Eisenhütte um eine Turbinenanlage ergänzt, die mittels Wasserkraft Strom für Arbeitsmaschinen und Beleuchtung im Werk erzeugen sollte. 1938 durch eine zweite Turbine erweitert, lieferte die Wasserkraftanlage noch bis in die 1960er Jahre hinein Strom. Heute bietet der restaurierte Gebäudekomplex als technisches Museum einen Eindruck von der Größe und technischen Ausstattung einer frühindustriellen Hochofenanlage. Dazu wurde im Jahr 2000 auch die Wasserkraftanlage überholt, doch sie lief nur eineinhalb Jahre. „Seitdem stand die Anlage“, so Frank Petter. „Vor allem steuerungstechnische Probleme waren dafür der Grund.“

Seit einem gescheiterten Modernisierungsversuch im Jahr 2000 standen die beiden betagten Turbinen still.

Seit einem gescheiterten Modernisierungsversuch im Jahr 2000 standen die beiden betagten Turbinen still.

Passende Steuerung für das Wasserkraftwerk

„Die bis dato eingesetzte Steuerung ließ sich nicht einschalten, das Bediener-Panel funktionierte nicht, wir hatten kein internes Programm“, beschreibt Petter die Probleme. Also sah sich der Automatisierungs-Fachmann im GeP-Team nach einer neuen, passenden Lösung auf dem Markt um. Vor diesem Hintergrund wurde er auf die CompactLogix-Steuerung von Rockwell Automation aufmerksam. „Das ist genau die richtige Steuerung für unsere Zwecke, sie bietet die gleichen Funktionalitäten wie große Steuerungen“, betont der Geschäftsführer der GeP. Mit der Baureihe können Sicherheits-, Bewegungs- und Antriebselemente sowie diskrete Funktionen mit nur einer Steuerung abgedeckt werden. Sie integriert Programmiersoftware, Steuerung und E/A-Module, was sowohl die Entwicklungszeit als auch Kosten für Inbetriebnahme und Betrieb reduziert.

Nachdem die Steuerung auch beim Preis-/Leistungsvergleich punkten konnte, stand die Entscheidung fest: Die alte Steuerung wurde durch eine CompactLogix L1 ersetzt. „Dabei war es auch von Vorteil, dass die Steuerung bereits mit 16 Ein- und Ausgängen ausgestattet ist – mit genauso vielen wie die vorherige“, berichtet Frank Petter. „Zudem war die Steuerung von Rockwell Automation von den Abmessungen her etwas kleiner, sodass wir im bestehenden Schaltschrank nichts ändern mussten.“ Die CompactLogix konnte einfach auf die vorhandene Hutschiene gesetzt und die entsprechenden Ein-/Ausgänge angeklemmt werden. „Zusätzlich haben wir noch eine dezentrale Point I/O von Rockwell Automation eingesetzt, da wir noch weitere Ein- und Ausgänge verdrahten mussten.“ Das modulare E/A-Modul ist besonders für Industriebereiche geeignet, in denen Flexibilität und geringe Betriebskosten bei Aufbau und Betrieb des Steuerungssystems gefragt sind.

Beim Retrofit wurde die alte Steuerung durch eine CompactLogix L1 von Rockwell Automation ersetzt, ergänzt um eine dezentrale Point I/O zur Verdrahtung weiterer Ein- und Ausgänge.

Beim Retrofit wurde die alte Steuerung durch eine CompactLogix L1 von Rockwell Automation ersetzt, ergänzt um eine dezentrale Point I/O zur Verdrahtung weiterer Ein- und Ausgänge.

Sicherheitsfunktionen oberstes Gebot

Die CompactLogix steuert heute beide Turbinen im Wasserkraftwerk der „Neuen Hütte“. Sie hält den Füllstand des Zuflussbeckens konstant und speist über Klappen die Turbinen mit der entsprechenden Menge Wasser. Auch die Auswahl und das Zusammenspiel der Turbinen gehört zu den Funktionen, die über die CompactLogix gesteuert werden. Das Besondere dabei ist, dass eine Turbine mit einer installierten elektrischen Leistung von 11 kW betrieben wird, die andere mit 30 kW. Zudem stellt die Steuerung sicher, dass die Kopplung mit dem Netz bei der richtigen Frequenz durchgeführt und so die Energie synchron ins Netz eingespeist wird.

Die wichtigste Aufgaben sind aber die Sicherheitsfunktionen: „Bei einem Fehlerfall muss die Steuerung die Anlage sauber herunterfahren und in einen sicheren Zustand bringen. Dazu gehört, die Wasserzufuhr zu stoppen und die Wehre zu öffnen. Andernfalls kann es zur Zerstörung der Anlage oder zu Wasserschäden im Museum kommen“, erklärt Petter. Um das auch bei einem Netzausfall zu gewährleisten, wird die Steuerung in diesem Fall über eigens installierte 24 Volt Batterien mit Strom versorgt. Ein Stromausfall kann auch bei fehlerlos funktionierender Anlage gefährlich werden, etwa bei Wartungsarbeiten am Netz, wie Frank Petter betont: „Falls z. B. ein Monteur an der Leitung zum Versorgernetz arbeitet, stellt die Steuerung sicher, dass von der Turbinenanlage aus kein Strom eingespeist wird. Sicherheit ist hier oberstes Gebot.“

Bedient wird die gesamte Anlage über ein PanelView™ Plus 6 Grafikterminal. Über dieses lassen sich alle Statusinformationen der Wasserkraftanlage grafisch überwachen, steuern und anzeigen. „Wir haben in der Anlage sehr viele Signale“, so Frank Petter. „Die Visualisierung ist daher das A und O der Anlagensteuerung.“ Zumal die Anlage, wenn gewünscht, auch manuell gefahren werden kann. „Dabei muss man ganz genau über den aktuellen Status informiert sein. Gerade die Visualisierung mit einem grafischen Display ist dort sehr von Vorteil: Im Übersichtsbild erkennt man mögliche Probleme sofort und kann entsprechend schnell reagieren. Für mehr Details können aus entsprechenden Unterbildern zusätzliche Informationen abgerufen werden.“

In einem nächsten Modernisierungsschritt plant die GeP die Erweiterung des Automatisierungssystems um einen PowerFlex Frequenzumrichter von Rockwell Automation für die optimale Einstellung des Turbinen-Arbeitspunktes am Wasserrad.

In einem nächsten Modernisierungsschritt plant die GeP die Erweiterung des Automatisierungssystems um einen PowerFlex Frequenzumrichter von Rockwell Automation für die optimale Einstellung des Turbinen-Arbeitspunktes am Wasserrad.

Schnellere Programmierung mit Faceplates

Auch wenn Rockwell Automation Neuland für Frank Petter war, kam er doch schnell mit der Programmierung der Anlage klar: „Die Dokumentation ist sehr umfangreich und ich konnte mich darüber in das System einarbeiten.“ Hilfreich waren dabei auch die Faceplates: „Das sind vorgefertigte Darstellungsvorlagen für verschiedene Steuerungsdisziplinen“, klärt Frank Petter auf. „Sie werden regelmäßig von Rockwell Automation aktualisiert, vereinfachen die Programmierung und ermöglichen kürzere Entwicklungszeiten.“ Für den Fall, dass Frank Petter dennoch nicht weiterkäme, hatte die GeP einen TechConnectSM-Vertrag abgeschlossen: Er beinhaltet einen telefonischen Echtzeit-Support, bei dem Fachleute von Rockwell Automation Fragen zur Installation und Konfiguration schnell beantworten und bei der Fehlerbehebung oder -diagnose helfen.

Alles aus einer Hand

„Die Automatisierungswelt von Rockwell Automation bietet wirklich alles, was ich für dieses Projekt benötigte“, lautet das Fazit von Frank Petter. „Ich brauche z. B. für die Programmierung kein anders Tool, da in der gesamten Produktpalette Durchgängigkeit herrscht.“

Da die Automatisierungslösungen skalierbar sind, lässt sich eine kleine Anlage problemlos erweitern. So plant die GeP z. B., das Automatisierungssystem um einen PowerFlex Frequenzumrichter von Rockwell Automation zu erweitern. Mit ihm soll der Arbeitspunkt der Turbinen optimal eingestellt werden, so dass die Drehzahl an das zur Verfügung stehende Wasser angepasst werden kann und die Turbine mehr Energie erzeugt.

Seit Anfang September 2013 wird mit der Wasserkraftanlage in der „Neuen Hütte“ Energie erzeugt und ins Netz eingespeist. Der Ertrag kommt dem Unterhalt der Anlage sowie weiteren Investitionen zu Gute. Die Stadt profitiert von diesem „lebendigen“ Museum, das viele Besucher anzieht und sie mit neuem Leben erfüllt. Voller Begeisterung waren Besucher, die vor vielen Jahren am Aufbau des Museums beteiligt waren oder bei Umbauarbeiten mit halfen. In vielen Gesprächen war die Freude darüber zu spüren, die Wiederinbetriebnahme der Anlage noch erleben zu können. „Dies ist auch für uns Motivation und Ansporn, solche Projekte zu realisieren“, resümiert Frank Petter.

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