Festo Motion Terminal VTEM: Digital Simplicity – und was bringt das?

Mit dem vor kurzem präsentierten Motion Terminal von Festo hat die Pneumatik einen großen Sprung in Richtung Industrie 4.0 gemacht. Aber was bedeutet das konkret und wie profitiert man davon in der Praxis? Welche Vorteile bieten Cyber-physische Systeme überhaupt und warum versprechen sie einen schnellen Return on Invest? x-technik AUTOMATION ist diesen Fragen nachgegangen.

Dipl.-Ing. Rainer Ostermann
Country Manager Festo Österreich

„Hype Technologie alleine interessiert OEM und End-User wenig. Höchste Flexibilität bei maximaler Standardisierung, reduzierte Energiekosten, Preventive Maintenance und schlankere Prozesse – das sind Argumente, die zählen.“

Fast könnte man meinen, die Digitalisierung lässt die Uhren schneller ticken. Auf gewisse Weise stimmt das auch, denn Echtzeit wird angepeilt. Gefordert sind mehr Verfügbarkeit, höhere Flexibilität und Produktivität, Energieeffizienz und eine wirtschaftliche Just-in-time-Produktion bis zur Losgröße 1. Automatisierungstechnik soll das alles ermöglichen, folglich muss sie selbst immer schneller, variantenreicher, flexibler und intelligenter werden. Konventionelle mechatronische Systeme stoßen dabei jedoch immer öfter an ihre Grenzen.

Flexibilität quo vadis?

Bei allen Vorteilen, die modulare mechatronische Systeme bieten, bleiben in punkto Flexibilität dennoch Wünsche offen. Nachträgliche Systemanpassungen in der Konstruktion und im Engineering-Prozess oder benötigte Parameterwechsel bei Formatverstellungen im laufenden Betrieb sind meist nur durch kosten- und zeitintensive Änderungen möglich. Zwar lässt ein modularer Aufbau eine gewisse Flexibilität zu, aber nur im Rahmen des jeweiligen Baukastens. Bei der Konstruktion gilt daher: Man sollte bereits im Vorfeld alles berücksichtigen, was sich möglicherweise verändern könnte – Rahmenbedingungen inklusive. Heißt es doch, dass nach der 10er-Regel (Rule-of-Ten) die Kosten für nachträgliche Anpassungen um den Faktor Zehn steigen. Unabhängig davon, ob es nun um Korrekturen der Größenauslegung durch veränderte Massen oder neue Funktionen geht, die der Endkunde nachträglich wünscht.

Neue Wege mit CPS

Was genau Cyber-physische Systeme (CPS) sind, dafür finden sich in der einschlägigen Literatur zahlreiche Erklärungen – eine wirklich allgemein anerkannte Definition gibt es jedoch nicht. Fest steht jedenfalls, dass sie unerlässlich für die praktische Umsetzung von Industrie 4.0 sein werden. Vom grundsätzlichen Aufbau sind CPS mechatronische Systeme. Sie besitzen aber zusätzlich integrierte smarte Sensorik und eine höhere softwareseitige Intelligenz. Mit dieser lassen sich z. B. aus den intern erfassten Daten ohne weitere Sensorik externe Einflüsse ermitteln und diese Informationen über geeignete Kommunikationsschnittstellen intern und extern mit anderen Systemen teilen. Zudem werden Systemanpassungen weitestgehend ohne neue oder zusätzliche Hardware möglich, denn die Funktionsanpassung erfolgt über Software und Apps – ob durch Autotuning vom System selbst oder per Anweisung aus dem Leitsystem.

Innovative Technologien für innovative Lösungen

Ein wichtiger Baustein für die Lösungen der Produktion der Zukunft sind neue Technologien. Die im Festo Motion Terminal genutzte Aktorik in Form einer Brückenschaltung ist eine solche Technologie, mit der Industrie 4.0 in der Pneumatik Wirklichkeit wird. Die vier 2/2-Piezo-Vorsteuer- und Membran-Sitzventile mit integrierter smarter Sensorik verfügen über zukunftsweisende Flexibilität. Anders als in konventionellen mechatronischen Systemen ist diese smarte Sensorik direkt in das Festo Motion Terminal VTEM eingebettet. Damit ist die Druckmess-Sensorik kein eigener Baustein mehr, den man modular über den Konfigurator auswählen muss. Auch der Aufgabenbereich ist erweitert, denn diese Sensorik lässt sich nun für unterschiedliche Aufgaben wie z. B. Diagnosefunktionen nutzen.

Motion Apps statt Hardware

Beim Motion Terminal von Festo kann eine einzige Ventilscheibe die Funktionalität von über 50 Einzelkomponenten übernehmen. Durch seine Motion Apps bietet es die klassischen Ventilfunktionen wie 2/2-, 3/2-, 4/2- oder 4/3-Wegeventile sowie Proportionaltechnik und servopneumatische Funktionen in einer Hardware. Weitere Funktionen gesellen sich dazu, z. B. die Verfahrzeitvorgabe, ECO-Fahrt oder die Diagnose Leckage. All diese Funktionen lassen sich in einem cyber-physischen System, wie dem Festo Motion Terminal, über Motion Apps umsetzen. Das Besondere daran: Alles funktioniert mit einem einzigen, immer identisch aufgebauten Ventil. Dieses Ventil im Festo Motion Terminal vereint die Vorzüge von Pneumatik und elektrischer Automatisierung.

Die 10er-Regel war gestern

Komplexe Bewegungen, variable Positionierung, Zustandsüberwachung und viele weitere Funktionalitäten integriert das Motion Terminal in einer einzigen Komponente – und das bei einem geringeren Energieverbrauch. Die Flexibilität, die Umsetzungsgeschwindigkeit und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Vorteile gegenüber fest „verdrahteten“ konventionellen Systemen sind um ein Vielfaches höher. Da veränderte Bedingungen bei Systemen wie dem Festo Motion Terminal eine Anpassung der Hardware nicht zwingend erfordern, verliert die 10er-Regel in weiten Bereichen ihre Gültigkeit. Denn nun halten sich die Kosten für Anpassungen auch in wesentlich späteren Phasen als der Konstruktionsphase in Grenzen. Das macht eine Betrachtung der Gesamtlebenskosten (TCO) über alle Wertschöpfungsphasen hinweg interessant – ein Vergleich alleine der Hardware-Kosten 1 zu 1 ist nur wenig aufschlussreich.

Vom ersten Kontakt zum Konzept

CPS punkten mit Flexibilität, denn verbesserte oder neue Funktionen können per Software-Update schnell und einfach integriert werden. Eine standardisierte Plattform kann damit für mehrere Anwendungsbereiche eingesetzt werden – ohne aufwendigen Hardwaretausch. Das vereinfacht alle Phasen des Lebenszyklus einer Anlage – schon ab der ersten Kontaktaufnahme mit dem Kunden. Letztendlich wollen Endkunden nur dann in neue Technologien investieren, wenn sie keine Einbahnstraße sind. Das verlangt natürlich nach einem gut aufgestellten Partner, der immer am Puls neuer Entwicklungen ist.

Ist der Kunde überzeugt, folgt die Konzeptionsphase, in der Konstrukteure den Grundstein für die Anlage legen. „Smarte Systeme“ – wie das Festo Motion Terminal – sorgen dabei für viel Spielraum da sämtliche Funktionsanpassungen erst später per Motion App erfolgen. Auch verringern sich Zeit und Kosten für Tests spürbar, denn die iterative Annäherung an die optimale Kundenlösung erfolgt digital anstatt durch manuelle Hardwareoptimierungen. Darüber hinaus reduziert sich durch eine höchst flexible CPS-Plattform die Projektierungszeit im Hinblick auf die erste Suche nach passenden Produkten und Anbietern deutlich.

Mit Beschleunigung durchstarten

Beim Konstruieren und Programmieren sorgen CPS für Tempo. Die Konstruktionsphase ist mit ca. 25 bis 30 % einer der größten Kostenblöcke der Wertschöpfungskette im Maschinen- und Anlagenbau. CPS ermöglichen gegenüber einer konventionellen mechatronischen Ventilinselplattform signifikante Zeitgewinne und Einsparungen – trotz höherem Aufwand für die Parametrierung und Einbindung in die Steuerung. In manchen Fällen beträgt die zeitliche Einsparung im Vergleich mit der Konstruktion und der Parametrierung einer modularen Ventilinsel und den weiteren Einzelkomponenten bis zu 70 %.

Während beispielsweise bei einer Lösung mit modularen Ventilinseln mehr Einzelschritte notwendig sind, kommt man mit dem Motion Terminal deutlich schneller ans Ziel. Da die Anpassungen digital auf dem Produkt selbst erfolgen, entfallen die neue Konfiguration der Ventilinsel, das Herunterladen und Anlegen des CAD-Modells, das Anpassen des Bohrbilds und der Montagezeichnung inklusive Stückliste. Auch die Erstellung des Elektroschaltplans, die Dokumentation (Ersatz- und Verschleißteilelisten) und der Freigabeprozess im PLM-System wird beschleunigt. Zudem benötigen weniger Komponenten weniger Bauraum: Da zwei Proportionaldruck-Anwendungen mit einem Ventil möglich sind, ergibt sich eine Bauraumoptimierung von 50 %.

Kostenstelle Beschaffung

Während der Beschaffungsphase sind viele Daten wie etwa Liefertermine, Preise, Lieferantenangaben, interner Lagerplatz usw. zu bearbeiten und im ERP-System zu erfassen. Kostentechnisch wird diese aufwendige Aufgabe oft mehr oder weniger innerhalb der Gemeinkosten erfasst – damit sind diese Kosten aber nicht direkt sichtbar. Schon modular bauende Systeme wie Ventilinseln brachten hier enorme Einsparungen, da man mehrere Komponenten mit einer Teilenummer bestellen kann. Mit einem CPS werden die Datenverwaltung, Logistik sowie Lagerhaltung nochmals wesentlich vereinfacht und mit den kürzeren Stücklisten sinkt die Gefahr von Fehlern. Betrachtet man eine einzige Teilenummer im Licht der oben bereits angerissenen Prozesse und geht weiter in die Rechnungsverwaltung, die Warenannahme, die Wareneingangskontrolle inklusive Systembuchungen und anschließende Ablage am Lagerplatz, erschließt sich schnell das mögliche Potenzial. Experten beziffern die jährlichen Verwaltungskosten pro Datensatz im Bereich von 1000 Euro und mehr.

Aufwand verringern

In Zukunft werden CPS auch ganze neue Geschäftsmodelle und Lieferzeiten ermöglichen. So wird man mit dem Festo Motion Terminal im Lager künftig nur noch die passende Motion App Lizenz für die entsprechende Funktion kaufen und hat das benötigte Produkt damit sofort zur Hand. Eine kürzere Produkteinführungszeit (Time-to-Market), erhöhte Gesamtanlagen-Effektivität (OEE) mit weniger Störungen und die einfachere Optimierung der Anlage beim Endkunden sind wichtige Vorteile daraus. Auch in der Montage punkten CPS, denn es wird immer wichtiger, die Systemkomplexität zu reduzieren. Lösungen mit intelligenter Funktionsintegration und weniger Schnittstellen sind daher prädestiniert für maximale Effizienzsteigerungen, denn sie reduzieren Montagetätigkeiten und verringern Fehlermöglichkeiten. Auch sind optimierte Prozessabläufe für unterschiedlichste Funktionen schnell zu realisieren, da es nur eine standardisierte Hardware gibt, die für verschiedenste Aufgaben geeignet ist und deutlich weniger Verdrahtungsaufwand bedingt.

Einfachere Inbetriebnahme

Die saubere Abstimmung einzelner Prozessschritte erfordert bei konventionellen mechatronischen Systemen oft viel Zeit – z. B. beim Einstellen der Verfahrgeschwindigkeiten von Zylindern. Bei CPS-Lösungen entfallen in der Regel aufwendige manuelle Einstellprozesse der manchmal schwer zugänglichen Komponenten und sie können sich in punkto Energieverbrauch selbst optimieren. Über die Parametersätze der App lässt sich die Verfahrgeschwindigkeit jedes einzelnen Zylinders mit wenigen Klicks definieren. Jede Parametrierung sollte so zeitsparend wie möglich sein. Möchte man beispielsweise für eine genaue und schnelle Druckregelung den Druckabfall kompensieren, der durch Reibung in der Druckluftleitung entsteht, musste man hierfür bislang die Parameter empirisch bestimmen. Beim Festo Motion Terminal VTEM übernimmt die App „Modellbasierte Proportional-Druckregelung“ diesen Prozess. Sie kann zudem aktiv auf wechselnde Bedingungen, wie etwa Schwankungen beim Eingangsdruck, reagieren.

Betrieb: Produktivität mit Energieeffizienz verbinden

Eine hohe Gesamtanlagen-Effektivität (OEE) mit kurzen Stillstandzeiten bei Wartung oder Reparaturen sind für wirtschaftlich denkende Endkunden ein Must. Unter Kosten- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sowie angesichts immer strengerer gesetzlicher Vorgaben rückt dabei das Thema Energieeffizienz mehr in den Fokus. Das Festo Motion Terminal bringt beide Forderungen auf einen Nenner. Mit der App „ECO-Fahrt“ sind bereits signifikante Einsparungen realisierbar. So spart man schon bei vier Zylindern rund 400 Euro Energiekosten pro Jahr. Zudem sorgen smarte Apps mit Diagnosefunktionen für weniger Produktionsfehler und -stillstände. Damit tragen CPS zu einem wirtschaftlichen Betrieb und einem schnellen Return-on-Invest bei. Auch Formatwechsel sind kein Problem. Rekonfiguration und Tuning erfolgen App-gestützt bzw. automatisiert über die SPS.

Dipl.-Ing. Rainer Ostermann, Country Manager Festo Österreich erklärt dazu: „Hype Technologie alleine interessiert OEM und End-User wenig. Höchste Flexibilität bei maximaler Standardisierung, reduzierte Energiekosten, Preventive Maintenance und schlankere Prozesse – das sind Argumente, die zählen.“

Umbauten: einfacher, günstiger, schneller

Modernisierungen können unterschiedlichste Ziele verfolgen: z. B. eine Steigerung der Anlagenleistung, eine Erweiterung des Produktspektrums oder das Senken laufender Betriebskosten. CPS ermöglichen energetische Einsparungen, Prozessverbesserungen oder das Tuning ganzer Serien durch weniger manuelle Eingriffe – klare Vorteile. Umbauten werden damit einfacher, günstiger und schneller. Selbst am Ende der „Lebenszeit“ einer Maschine eröffnen CPS interessante Perspektiven. Denn in vielen Fällen ist das Recycling bestehender Systeme und deren Nutzung in zukünftigen Anlagen möglich. Damit eröffnen CPS höchste Flexibilität quer durch gesamte Wertschöpfungskette und sogar darüber hinaus.

www.festo.at/vtem

Messe Motek

Halle 8, Stand 8438

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