interview

MathWorks Simulink: Der Einstieg ist einfach!

Keine Angst vor modellbasierten Entwicklungsmethoden: Bei Automobil- und Flugzeugherstellern seit Jahrzehnten gelebte Praxis, scheint sich die modellbasierte Entwicklung im Maschinen- und Anlagenbau nur schleppend durchzusetzen. Was die Maschinen- und Anlagenbauer davon abhält, auf die funktionale Simulation als Einstieg in die Entwicklung zu setzen, wollte x-technik AUTOMATION von DI Philipp Wallner wissen. Dabei erläuterte der Industry Manager von MathWorks nicht nur die Hindernisse auf dem Weg zu zukunftsgerichteten Entwicklungsmethoden. Er zeigte Möglichkeiten zu einem leichten Einstieg in die Simulation und deren erhebliche Nutzen für den Erfolg im globalen Wettbewerb um immer anspruchsvollere Kunden auf. Das Interview führte Ing. Peter Kemptner / x-technik

DI Philipp Wallner, Industry Manager, The MathWorks GmbH:

„Maschinen- und Anlagenbauer, die das Thema modellbasierte Entwicklung ernst nehmen, refinanzieren ihre Investitionen meist in weniger als zwei Jahren.“

DI Philipp Wallner, Industry Manager, The MathWorks GmbH: „Maschinen- und Anlagenbauer, die das Thema modellbasierte Entwicklung ernst nehmen, refinanzieren ihre Investitionen meist in weniger als zwei Jahren.“

DI Philipp Wallner
Industry Manager, The MathWorks GmbH

„Maschinen- und Anlagenbauer, die das Thema modellbasierte Entwicklung ernst nehmen, refinanzieren ihre Investitionen meist in weniger als zwei Jahren.“

Die modellbasierte Entwicklung auf Basis funktionaler Simulation wird im klassischen Maschinen- und Anlagenbau noch sehr verhalten eingesetzt. Zwar wird auch in diesen Branchen fleißig simuliert, etwa um Festigkeitsanalysen oder Kollisionsprüfungen durchzuführen. Dabei erfolgt die Simulation jedoch meist auf Basis beinahe fertiger Konstruktionen, während der sicherere Weg dazu, auf Anhieb den gewünschten Entwicklungserfolg zu erzielen, der umgekehrte wäre.

Das Streckenmodell wird aus einzelnen Komponenten zusammengestellt und erlaubt eine sukzessive erweiterbare Detailtiefe für die Simulation. Bereits in Form von CAD Zeichnungen vorhandene Modelle werden dabei einfach importiert.

Das Streckenmodell wird aus einzelnen Komponenten zusammengestellt und erlaubt eine sukzessive erweiterbare Detailtiefe für die Simulation. Bereits in Form von CAD Zeichnungen vorhandene Modelle werden dabei einfach importiert.

Herr DI Wallner, was verstehen Sie unter modellbasierter Entwicklung mit Simulation und wie unterscheidet sich das von anderen Simulationsansätzen?

Die Simulation ist bereits heute aus der Maschinenbau-Entwicklung nicht mehr wegzudenken. Allerdings beschränkt sich ihre Anwendung oft auf eine einzelne Entwicklungsdisziplin, etwa die mechanische Konstruktion. Wir betrachten Maschinen als mechatronische Systeme mit einem beträchtlichen Softwareanteil. Daher ist unser Ansatz, zunächst ihre Funktionen zu modellieren, diese dann per Simulation zu verifizieren und schließlich per automatischer Code-Generierung die Software zu erzeugen. Lässt man erst dann die mechanische Konstruktion folgen, verkürzt das erheblich die Gesamtentwicklungszeit und erhöht zugleich die Treffsicherheit.

Wie der deutsche Industrieberater Dr. Rainer Stetter von ITQ in AUTOMATION 5/2016 erläuterte, können komplexe Aufgabenstellungen heute mithilfe von Softwareprodukten wie MATLAB und Simulink von MathWorks zunächst im Modell gelöst und überprüft werden, ehe die Konstruktion beginnt.

Wie der deutsche Industrieberater Dr. Rainer Stetter von ITQ in AUTOMATION 5/2016 erläuterte, können komplexe Aufgabenstellungen heute mithilfe von Softwareprodukten wie MATLAB und Simulink von MathWorks zunächst im Modell gelöst und überprüft werden, ehe die Konstruktion beginnt.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Maschinenbau-Entwicklern dazu?

Eine gute Vorgehensweise ist, zunächst einfache funktionale Zusammenhänge – zunächst noch ohne physikalische Details – in der Simulationsumgebung Simulink zu modellieren und zu testen. Anschließend kann man das nahtlos integrierte Modul Stateflow nutzen, um die Funktionen mit einem Ablaufverhalten zu versehen. Für Simulink sind zahlreiche Toolboxen und Blocksets verfügbar, mit denen sich diese Modelle an verschiedenste Bedürfnisse anpassen und beinahe beliebig skalieren lassen.

Die Ablauflogik wird direkt im Simulationsmodell mit Stateflow modelliert und gemeinsam mit dem Modell der Strecke simuliert.

Die Ablauflogik wird direkt im Simulationsmodell mit Stateflow modelliert und gemeinsam mit dem Modell der Strecke simuliert.

Was hält Maschinenbauer davon ab, schon heute modellbasierte Entwicklung mit Simulation breiter einzusetzen?

Da gibt es eine Vielzahl an Gründen. Zwei davon sind aus meiner Sicht besonders schwerwiegend. Der erste ist die Neigung, intuitiv aus dem Erfahrungswissen heraus lieber gleich eine (mechanische) Lösung anzubieten, statt erst einmal die Anforderung zu formulieren. Der zweite ist die Angst davor, dass die Modellbildung Kenntnisse der höheren Mathematik erfordert und sehr zeitaufwändig ist. Viele schrecken auch vor dem Gedanken zurück, bei der Modellbildung alle Eventualitäten berücksichtigen zu müssen.

Simscape erlaubt den direkten Import von existierenden CAD Modellen und verkürzt damit signifikant den Aufwand für die Modellbildung.

Simscape erlaubt den direkten Import von existierenden CAD Modellen und verkürzt damit signifikant den Aufwand für die Modellbildung.

Was sagen Sie Maschinenbauern, um ihnen den übergroßen Respekt vor der Mathematik hinter Computermodellen zu nehmen?

Obwohl man Simulationsmodelle auch aufbauen kann, indem man direkt die Differentialgleichungen eingibt, ist das keineswegs die normale Vorgehensweise. Moderne Software wie Simulink bietet umfangreiche grafische Bibliotheken, aus denen man die gewünschten Funktionalitäten auswählt, mit Parametern versieht und miteinander verbindet. Dazu sind keine Mathematikkenntnisse erforderlich, die einen Produktentwickler überfordern könnten. Wer imstande ist, die Anforderung zu formulieren, wird mit solchen Werkzeugen auch keine Schwierigkeiten haben, ein Computermodell für die Simulation zu erstellen. Üblicherweise kommt Ingenieuren die Entwicklung von Systemen auf Basis von Blockschaltbildern entgegen.

Und wie nehmen Sie ihnen die Angst vor dem großen Zeitaufwand und der unüberschaubaren Aufgabe?

Es ist weder nötig noch besonders sinnvoll, eine komplette Werkzeugmaschine mit all ihren Optionen, Konfigurationsmöglichkeiten und Betriebszuständen zu modellieren. Aller Anfang ist simpel. Maschinenbauer verwenden meist zahlreiche bewährte Konstruktionen von früheren Maschinen weiter. Auch in der Simulation empfiehlt es sich, klein anzufangen und nur neue, relevante und möglicherweise heikle Funktionen modellbasiert zu entwickeln. Dazu lassen sich in Simulink auch bestehende CAD-Daten nutzen. So kann der „digitale Zwilling“ nach und nach heranwachsen und an Komplexität gewinnen.

Lohnt sich die modellbasierte Entwicklung kleinerer und weniger komplexer Systemteile überhaupt?

Dass eine Funktion eine hohe Komplexität haben muss, damit sich die modellbasierte Entwicklung mit Tests in der Simulation und automatischer Codegenerierung lohnt, ist ein Irrglaube. Das Beispiel der Logik, die sich hinter einem automatischen Fensterheber im Auto verbirgt, zeigt uns, dass sich auch die Simulation scheinbar einfacher Komponenten schnell bezahlt macht. Das vor allem, wenn viele Komponenten im Zusammenspiel robust und zuverlässig funktionieren müssen und ihre Funktion vielleicht – wie beim Fensterheber – auch noch sicherheitsrelevante Aspekte aufweist.

Was Sie hier sagen, klingt über weite Strecken sehr nach Software. In vielen Maschinenbauunternehmen tragen Konstrukteure die Hauptlast der Produktentwicklung. Wie sollen die mit diesen Methoden umgehen?

Die meisten Konstrukteure sind mehr als bloße technische Zeichner. Sie sind es gewohnt, nicht nur in Geometrien zu denken, sondern in Funktionen. Sie lernen daher meist sehr schnell, diese auch in modernen Softwarewerkzeugen wie Simulink zu formulieren. Sie tun das gerne, denn in der anschließenden Detailarbeit nur Ansätze weiter zu verfolgen, die in der Simulation ihre Erfolgsaussichten bewiesen und die im Hintergrund laufenden Konsistenzprüfungen bestanden haben, bringt ihnen eine erhebliche Zeitersparnis. Außerdem setzen so die mechanische und elektrotechnische Konstruktion auf derselben Basis auf und können parallel arbeiten, und die Software passt sich bei Änderungen mittels automatischer Codegenerierung ohne Programmieraufwand an.

Was ist also nötig, damit der Maschinen- und Anlagenbau vermehrt auf modellbasierte Entwicklungsmethoden umsteigt?

Wichtig ist die Bereitschaft des oberen Managements, die traditionelle sequentielle Abfolge (erst Mechanik, dann Elektrik und zuletzt Software) ebenso abzulösen wie die strenge Trennung zwischen den Disziplinen. Die Entscheidung zum mechatronischen Ansatz der modellbasierten Entwicklung erfordert neben der vergleichsweise geringfügigen Investition in die passende Software vor allem organisatorische Maßnahmen. Und die Mitarbeiter, die diesen Methodenwechsel tragen sollen, brauchen neben einer entsprechenden Fortbildung die – gut investierte – Zeit für die Beschäftigung mit den Modellen. Nicht zuletzt ist es mit zunehmender Komplexität der Simulationsprojekte auch hilfreich, bei der Personalsuche andere Schwerpunkte zu setzen als in früherer Zeit.

Wer an Industrie 4.0 teilzunehmen möchte, muss wissen, dass es mehr als alles andere die Software ist, die als Unterscheidungsmerkmal zum Wettbewerb dient und den Hauptteil der Wertschöpfung bringt. Wer das erkannt hat, kommt am modellbasierten Entwicklungsansatz kaum vorbei. Maschinen- und Anlagenbauer, die das Thema ernst nehmen, refinanzieren ihre Investitionen in gut qualifizierte Entwickler und Tools wie MATLAB und Simulink in sehr kurzer Zeit, meist in weniger als zwei Jahren.

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