anwenderreportage

Automation in Bewegung

Variantenentwicklung vom Automatisierungs-Komplettanbieter: Technische Produkte – von kompakten Einzelprodukten wie Handys über Autos bis hin zu sehr großen Produktionsmaschinen – bestehen überwiegend aus kleinen Teilen. Angesichts der immer kleiner werdenden Losgrößen durch die zunehmende Produkt-Individualisierung gilt es, die für diese Variante nötigen Teile im Produktionsprozess dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden. Das sprengt oft die Möglichkeiten fest installierter Fördersysteme. Deren Aufgabe werden künftig kleine selbstfahrende Flurfördersysteme wie AGUMOS Q40 von Melkus Mechatronic übernehmen. Entwickelt wurde dieses fahrerlose Transportsystem (FTS) auf Basis der umfassenden Automatisierungstechnologie von Sigmatek. Autor: Ing. Peter Kemptner / x-technik

Andreas Melkus
Geschäftsführender Gesellschafter, Melkus Mechatronic GmbH

„Ohne die disziplinübergreifende Kompetenz des Automatisierungstechnik-Gesamtanbieters wäre eine derart komplexe Neuentwicklung, die neben Steuerungs-, Sicherheits-, Antriebstechnik auch Kameratechnik und Kommunikation über WLAN inkludiert, nicht zu schaffen.“

„Es genügt nicht mehr, nur die Einzelmaschine oder Produktionszelle zu automatisieren“, ist Andreas Melkus überzeugt. „Damit die Vision von Industrie 4.0 – eine Produktion, die sich adaptiv auf veränderliche Erfordernisse einstellt und so eine Massenfertigung von Individualprodukten ermöglicht – wahr werden kann, muss die Logistik innerhalb von Produktionswerken ebenfalls in die Gesamtautomation mit einbezogen werden.“ Mit dieser Überzeugung gründete der Gründer und Miteigentümer von Sigmatek 2014 die Melkus Mechatronic GmbH. Weil fix installierte Handling- und Fördersysteme zu wenig flexibel sind, spezialisiert sich diese auf Entwicklung und Herstellung von fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF).

Automatisierungs-Lückenschluss

Begonnen hatte das Intralogistik-Engagement Ende 2013. Damals wandte sich ein deutscher Hersteller von Flurfördermitteln mit dem Projekt eines selbstfahrenden Paletten-Transporters an den Salzburger Automatisierungsexperten. Sigmatek unterstützte die süddeutsche Firma Eisenmann bei der Produktentwicklung des Doppelkufensystems, das Eisenmann von der Universität Stuttgart übernommen, weiterentwickelt und unter dem aktuellen Namen LogiMover in sein Produktportfolio aufgenommen hat. Das fahrerlose Transportsystem besteht aus zwei parallel fahrenden Kufen. Deren Abmessungen entsprechen den Gabeln eines Staplers, die jedoch nicht mechanisch miteinander verbunden sind. In jeder Kufe findet sich eine eigene Steuerung, die mit der stationären Anlagensteuerung über WLAN kommuniziert. Um synchron auf Kurs zu bleiben, kommunizieren beide Kufen über Infrarot miteinander. Die Integration der Steuerungstechnik in den engen Kufeninnenraum sowie die perfekte System-Kommunikation waren eine Herausforderung für das Sigmatek-Entwicklungsteam.

Die Automatisierungsaufgabe kam einer völligen Neuentwicklung des Fahrzeugs als mechatronisches System gleich, einschließlich Stromversorgung, Steuerungs-, Antriebs-, Sicherheits- und Datentechnik. „Für Sigmatek war das zu weit vom eigentlichen Kerngeschäft entfernt“, erinnert sich Andreas Melkus, der diese mechatronische Mission mit seinem eigens gegründeten Unternehmen Melkus Mechatronic selbst übernahm. „Ich konnte dabei nicht nur auf die geballte Kompetenz und Erfahrung von Sigmatek in allen Aspekten der Automatisierung zurückgreifen, sondern auch auf eigene Erfahrungen mit Entwicklung und Bau mechatronischer Systeme aus meiner länger zurückliegenden beruflichen Vergangenheit.“

Lösung für den Kleinmengen-Transport

„Während einer Japanreise konnte ich bei Betriebsbesuchen unterschiedliche Implementationen des Toyota-Prinzips studieren, nach dem vor allem die Automobilindustrie heute weltweit arbeitet“, sagt Andreas Melkus. „Dabei wurde mir klar, dass dieses für die Serienproduktion optimale System ein feingliedriges Intralogistik-System braucht, um die Eignung für kleine Losgrößen mit großer Variantenvielfalt zu erlangen.“ Dazu ist es erforderlich, das zu verbauende Material – überwiegend Kleinteile – nicht palettenweise zu den Einbauorten zu bringen, sondern in 40 x 60 cm großen Transportbehältern, die weltweit in jeder Produktionshalle im Einsatz sind.

Mit der gesammelten Erfahrung im Bereich Logistik ging Melkus Mechatronic daher daran, ein selbstfahrendes System zum automatisierten Transportieren von Kleinteilen zu entwickeln. Da auf wichtige Komponenten zurückgegriffen werden konnte, die bereits im LogiMover-System von Eisenmann im Einsatz sind, konnte das Fahrzeug in sehr kurzer Zeit entwickelt werden. Der „Transport-Würfel“ AGUMOS Q40 mit einer Nutzlast bis 60 kg ist mit 40 x 40 x 40 cm Grundfläche extrem kompakt. Dadurch kann er auch in schmalen Produktionsgängen und Lagerstraßen eingesetzt werden. Seine Fähigkeit, Höhe und Drehrichtung des Ladungsträgers flexibel auszurichten, gestattet eine Optimierung der Ergonomie und erleichtert die Anpassung an vorhandene Einrichtungen. Für den sicheren Halt vor Menschen und unerwarteten Hindernissen sorgt ein integrierter Laserscanner. Erstmals in Aktion gezeigt wurde der AGUMOS Q40 auf der SPS IPC Drives 2015.

Automation aus bester Hand

Angesichts der großen Funktionsdichte des fahrerlosen Flurfördermittels war für Melkus Mechatronic klar, dass dessen Visualisierung, Steuerungselektronik, Sicherheits- und Antriebstechnik als Gesamtlösung aus einem Guss entwickelt werden muss – auf Basis einer übergreifenden, einheitlichen Softwareplattform. Die Automatisierungslösung des wendigen Flur-Flitzers kommt daher zur Gänze von Sigmatek. „Ohne die disziplinübergreifende Kompetenz des Automatisierungstechnik-Gesamtanbieters wäre eine derart komplexe Neuentwicklung, die neben Steuerungs-, Sicherheits-, Antriebstechnik auch Kameratechnik und Kommunikation über WLAN inkludiert, nicht zu schaffen“, ist Andreas Melkus überzeugt. „Dazu kommt die reiche Erfahrung des Unternehmens sowohl in der Entwicklung kundenspezifischer Systeme als auch in der Serienproduktion.“ Auf vielen Gebieten waren Neuentwicklungen erforderlich. Das beginnt mit der Neukonstruktion der Antriebseinheiten einschließlich der Getriebe und war mit der Entwicklung eigener Akku-Packs längst nicht abgeschlossen.

Miniaturisierung geht weiter

Wie die Produktreihe S-DIAS eindrucksvoll zeigt, weisen Sigmatek-Systemkomponenten bereits jetzt eine enorme Miniaturisierung auf. Für AGUMOS wurde nochmals am Formfaktor gedreht. Für die Servoantriebe griffen die Sigmatek-Entwicklungsingenieure auf die bewährte Servomotor-Endstufe DC 062 aus der Modulserie S-DIAS zurück. Diese ist für 6 A Dauerstrom und 15 A Spitzenstrom geeignet, verfügt über einen Inkrementalgeber-Eingang für Positionsrückmeldungen sowie über die integrierte Safety-Funktion „Safe Torque off“ bis SIL 3/PL e, Kat 4. Allerdings schrumpften sie dessen Elektronik noch weiter und verpassten ihm einen kundenspezifischen Formfaktor. „Diese Variante ist exakt auf die innovativen Antriebseinheiten unserer Flurfördermittel abgestimmt und wird exklusiv für Melkus Mechatronic produziert“, berichtet Andreas Melkus. „Allerdings könnte dieser neuerliche Miniaturisierungsschritt durchaus als Vorgriff auf spätere Sigmatek-Serienprodukte gesehen werden.“

Vorgriff auf künftige Serienprodukte

Konkreter ist der Technologie-Rückfluss in Serienprodukte im Fall der Steuer-CPU. Dabei handelt es sich um die Schaltung eines CPU-Moduls der Produktreihe S-DIAS, allerdings erstmals mit einer direkt integrierten WLAN-Anschaltung. „Diese Technologie wird in die Produkte der Reihe S-DIAS übernommen und in künftigen CPU-Modulen integrierbar sein“, bestätigt Andreas Melkus. Das Resultat dieser Entwicklungssymbiose erleichtert die Verbindung mit allen externen Systemen ohne Echtzeit-Anforderung, z. B. übergeordnete Leitsysteme oder die Fernwartung.“ Hier schließt sich auch der Kreis zum Kooperationspartner Eisenmann, der bei komplexen Aufgabenstellungen seinen Leitrechner für fahrerlose Transportsysteme beisteuert.

Ebenfalls auf derselben kundenspezifischen Steuerungsplatine integriert ist eine sicherheitsgerichtete CPU. Die Anforderung nach einer Verbindung sicherer und nicht-sicherer Steuerungsfunktionen ist in allen Anwendungsbereichen industrieller Automatisierungstechnik vorhanden und im Steigen begriffen.

Bildverarbeitungs-Entwicklung mit Vision

Neuland haben die Sigmatek-Entwickler betreten, als sie die komplexen Bildverarbeitungssysteme für die Flurfördermittel von Melkus Mechatronic schufen. „Hier geht das Know-how nun auf Chip-Ebene runter. Sensorik und Imaging in der industriellen Automation sind rapide auf dem Vormarsch, und Sigmatek kann auf den gewonnenen Erfahrungen neue Kompetenzen aufbauen. Es gibt bereits erste Projekte im Bereich Prozessbeobachtung“ so Andreas Melkus.

Mindestens ebenso wichtig wie der Normalbetrieb ist das Verhalten des FTS bei Hindernissen und Sonderfällen. Auch die besten bildgebenden Verfahren sind nicht in der Lage, um die Ecke zu blicken. Deshalb übernimmt im AUGUMOS-System von Melkus Mechatronic eine Kopfstation als übergeordneter Steuerrechner die Funktion des Fahrdienstleiters. Sie überwacht den Zustand der einzelnen Fahrzeuge (z.B. Akku-Stand, Position, Geschwindigkeit) und übersetzt die Fahraufträge aus dem Logistik-System in garantiert kollisionsfreie Bewegungsbefehle. Die aus Komponenten der Sigmatek-Produktreihe S-DIAS aufgebaute Station ist 4-fach redundant ausgeführt, sodass selbst Doppelfehler ohne schädliche Wirkung bleiben. So ermöglicht die Anlage sogar eine sichere Nothalt-Funktion über WLAN, und das unter ausschließlicher Verwendung von Standard-Safety-Hardware von Sigmatek. Die Kopfstation kommuniziert über TCP/IP mit übergeordneten CPU- bzw. Leitsysteme. Mit Einsatz des OPC UA Protokolls ist eine Kommunikation mit allen Fremdsystemen möglich.

Per Objektklasse zum Klasse-Objekt

Ebenso auf das Standardangebot des Salzburger Herstellers zurückgreifen konnten die Ingenieure von Sigmatek und Melkus Mechatronic bei der Entwicklung der Software. „Nicht nur wurde sämtliche Ablauf-, Bewegungs- und Sicherheitstechnik sowie die Visualisierung ausschließlich mit der objektorientierten Softwaresuite LASAL entwickelt“, sagt Andreas Melkus. „Für die Umsetzung der sehr komplexen Bewegungsmuster konnten die Techniker zudem auf ausgereifte, getestete Technologiemodule aus den umfangreichen Sigmatek-Bibliotheken zurückgreifen, was die Arbeit sehr erleichterte und vor allem den Testaufwand reduzierte.“

Die Verwendung der Sigmatek-Softwareumgebung ohne Abweichung vom Standard hat noch einen weiteren Vorteil. So muss sich das Entwicklungsteam nicht um die Anbindung von Fremdsystemen oder von Fernwartungsmechanismen über das Internet kümmern. „Es konnte aus dem reichhaltigen Fundus schöpfen, den Sigmatek im Standard-Produktprogramm bereitstellt“, freut sich Andreas Melkus. „Zugleich profitierten wir von der Flexibilität des Unternehmens bei der Umsetzung spezifischer Anforderungen sowie der Tatsache, dass die Kompetenz von Sigmatek alle Technologien der Automatisierung umfasst, von der Visualisierung bis zur integrierten Safety.“

Infos zum Anwender

Melkus Mechatronic wurde 2014 mit dem Hintergrund langjähriger Erfahrung in der Automatisierungstechnik in Oberndorf (Salzburg) gegründet. Das Unternehmen entwickelt und produziert mechatronische Fördersysteme, die dazu beitragen sollen „Die Fabrik der Zukunft“ zu ermöglichen. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem flexiblen Materialfluss mit fahrerlosen Transportsystemen als wesentlichem Baustein.

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